Es begann ganz unscheinbar vor 22 Jahren mit einer kleinen Notiz: Im Jahr 2000 gab die US-amerikanische Umweltbehörde EPA gemeinsam mit der Firma 3M die Beendigung der Produktion der Perfluoroctansäure – PFOS – bekannt. PFOS war ein Ausgangsstoff für eine ganze Reihe von Produkten. Am bekanntesten war die Verwendung in Scotchgard – einem Imprägniermittel für Textilien, Teppiche und Möbelstoffe. Mit Hilfe von Scotchgard wurden Sie wasser- und schmutzabweisend.
Aber die Verwendung im Konzentrat für Feuerlöschschaum war ebenso wichtig. PFOS war der Grundstoff von AFFF: Aqueous Film Forming Foam oder auf Deutsch: wasserfilmbildender Schaum. AFFF galten bis dahin als das Non-Plus-Ultra für die Bekämpfung von Flüssigkeitsbränden. Der Schaum zeichnete sich durch die Bildung eines dünnen Wasserfilms zwischen Brennstoff und Schaum aus. Durch ihn breitete der Schaum sich rasch aus und löschte die Flammen schnell ab. Und eine zweite Eigenschaft war wichtig: der Schaum war „ölabweisend“. Er nahm kaum Brennstoff auf und war daher stabiler. Diese beiden Eigenschaften machten ihn überlegen gegenüber dem damals üblichen Proteinschaummittel und sie führten zu einem weltweiten Erfolg der AFFF seit der Einführung in den 60er Jahren. Flughäfen, Raffinerien, Tanklager, die chemische Industrie und viele weitere Produktionsstätten führten AFFF für die mobile Brandbekämpfung und in Löschanlagen ein. Aber auch bei öffentlichen Feuerwehren fanden diese Schaummittel Verwendung, denn oft genug galt das Motto, dass das beste Produkt gerade gut genug war. Sogar in Schaumfeuerlöschern ist AFFF das Standardschaummittel.
Nun wurde der wichtigste Ausgangsstoff von AFFF also verboten. Aber erst über die Jahre verstand man, was dies wirklich bedeuten würde. Die Europäische Union verbot PFOS offiziell im Jahr 2006 – mit einer Übergangsfrist für Schaummittel bis 2011. Auch international wurde der Stoff reguliert. Die sogenannte Stockholm-Konvention nahm ihn in die Liste der beschränkten Substanzen auf. Damit stand das PFOS-haltiges Schaummittel weltweit im Fokus der Regulierungsbehörden. Der Grund für die Regulierung von PFOS: Er verfügt über drei negative Eigenschaften: Er ist persistent, bleibt, also in der Umwelt über lange Zeit unverändert durch physikalische, chemische oder biologische Prozesse. Er ist bioakkumulativ, das heißt er reichert sich in Lebewesen durch Aufnahme aus der Umwelt oder über die Nahrungskette an. Und schließlich ist er toxisch: Erhöhte Konzentrationen von PFOS im menschlichen Blut können Wirkungen von Impfungen vermindern, die Neigung zu Infekten erhöhen, zu erhöhten Cholesterinwerten führen und bei Nachkommen ein verringertes Geburtsgewicht zur Folge haben.
Aus Sicht von Umwelt und Gesundheit war das Verbot also verständlich. Aber wie soll man sich als Feuerwehr entscheiden, wenn das vermeintlich beste Schaummittel nicht mehr zur Verfügung steht? Die Hersteller hatten eine Lösung parat: Anstelle von PFOS setzten sie andere Stoffe ein, um die gleichen Eigenschaften, wie die Bildung des Wasserfilms oder die brennstoffabweisenden Eigenschaften zu ermöglichen. Die neuen Schaummittel versprachen also einen gleichen Wirkmechanismus und so fiel es vielen Feuerwehren vergleichsweise leicht, den Wechsel durchzuführen. Aber: Die neuen Substanzen gehörten der gleichen Stoffgruppe an: Den sogenannten per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS). Es handelte sich also ebenso um fluorhaltige Schaummittel, auch wenn PFOS nicht mehr die Wirksubstanz war. Ein Fakt, der sich als Boomerang erweisen sollte.
Parallel zum Quasi-Verbot der alten AFFF tauchte ein weiteres Problem auf. An vielen Orten wurde das Grundwasser beprobt und eine Verunreinigung mit PFOS oder anderen Stoffen aus der Gruppe der PFAS wurde festgestellt. Oft führte die Spur zurück auf Feuerlöschschaum. Feuerwehren hatten in Übungen oder in Einsätzen den Schaum über viele Jahre eingesetzt, ohne zu wissen welche Auswirkungen das auf die Umwelt haben kann. Die Quittung kam Jahre später in Form von aufwändigen Grundwassersanierungen. Teilweise mussten feste Sanierungsanlagen errichtet werden und die Kosten überstiegen 7- manchmal 8-stellige Beträge.
Aber während sich die Anwender im Glauben wähnten, dem Problem mit der Einführung der PFOS-freien aber immer noch fluorhaltigen AFFF aus dem Weg gegangen zu sein, zeichnete sich eine neue Entwicklung ab: Die Umweltbehörden machten europaweit und international klar, dass PFOS nicht die einzige Substanz war, die reguliert werden sollte. Ein weiterer Stoff, PFOA, wurde beschränkt. Zunächst 2017 in der EU und dann 2019 im Rahmen der Stockholm-Konvention international. Dieser Stoff wurde vor allem in der Produktion von antifhaftbeschichtetem Kochgeschirr – Teflon – verwendet. In Schaummitteln war er nur als Verunreinigung drin. Allerdings: Die Verunreinigungen im Schaummittel waren oftmals so hoch, dass der EU-Grenzwert trotzdem überschritten wurde. Die Konsequenz: Defacto müssen alle Schaummittel ausgetauscht werden, die den Grenzwert überschreiten. Zwar haben die Hersteller reagiert und die Verunreinigungen von PFOA in neu produziertem AFFF reduziert, aber ein Großteil des vorhandenen Schaummittels war betroffen. Es dämmerte den Anwendern, dass der weitere Einsatz von AFFF keine nachhaltige Lösung sein wird.
Die Europäische Kommission machte derweil Ernst: Eine ganze Reihe an Initiativen zur Regulierung der verschiedenen PFAS wurde gestartet und damit das letzte Kapitel der fluorhaltigen Schaummittel begonnen. Unter anderem die Perfluorhexansäure (PFHxA), deren Vorläufersubstanzen die Grundlage von heutigen AFFF bilden, gehört dazu. Und damit die Hersteller nicht wieder, wie beim Verbot von PFOS, auf andere Stoffe der gleichen Gruppe umstellen, wurde auch eine Initiative zur Regulierung von allen PFAS in Schaummitteln gestartet. Und eine weitere zur Regulierung aller PFAS überhaupt. Die EU machte deutlich: Fluorhaltige Schaummittel sind am Ende. Die einzige nachhaltige Lösung heißt: Fluorfreie Schaummittel.
Das bedeutet das Ende der wasserfilmbildenden Schaummittel. Ein fluorfreies Schaummittel das gleichzeitig einen Wasserfilm bildet gibt es bis heute nicht am Markt. Für den Anwender bedeutet das den Wechsel auf ein Schaummittel mit anderen Eigenschaften. Und hier fangen die Probleme der Umstellung erst an. Lange Zeit wurde den fluorfreien Schaummitteln eine deutlich schlechtere Leistungsfähigkeit nachgesagt als den AFFF. Die Löschzeiten seien länger, die Aufnahme von Brennstoffen durch den Schaum gefährlich und es sei fraglich, wie weit fluorfreier Schaum fließen kann und große Brände, wie z.B. Tankbrände löschen kann. Zur Zeit des Aufkommens der AFFF in den 70er und 80er Jahren erwiesen sie sich in der Tat als überlegen. Aber 40 Jahre später sind Zweifel angebracht, ob sich diese Behauptungen halten lassen. Denn mit dem Verbot von PFOS sind zwei Entwicklungen gestartet. Zum einen stand der wichtigste Wirkstoff für die AFFF – denn das war PFOS – nicht mehr zur Verfügung und andere Wirkstoffe mussten diesen Platz einnehmen. Nicht immer war klar, ob die neuen AFFF mit ihren Vorgängern mithalten können. Und andererseits startete die Entwicklung einer neuen Generation fluorfreier Schaummittel. Die Hersteller erkannten nach und nach, dass die PFOS-freien aber immer noch fluorhaltigen Schaummittel keine nachhaltige Lösung darstellten und investierten in die Entwicklung. So kamen immer mehr fluorfreie Schaummittel auf den Markt, die sich mit den AFFF messen lassen wollten.
Die Feuerwehren und Anwender testeten fleißig. Jedes Schaummittel wurde einer Vielzahl von Tests unterzogen. Neben vielen Standardtests, z.B. nach der EN-Norm 1568 nach dem in Amerika verbreiteten Standard UL162 oder den für Flughäfen wichtigen ICAO-Richtlinien, wurden viele individuelle Tests durchgeführt. Die Wirksamkeit auf großen und tiefen Brennstoffflächen, die Dampfdurchlässigkeit, die Eignung für Sprinkler- und andere Löschanlagen und die Verträglichkeit mit verschiedenen Brennstoffen wurde getestet. Das vorläufige Fazit: Fluorfreier Schaum funktioniert. Es gibt prinzipiell kein Szenario in dem fluorfreier Schaum systematisch versagt. Größere Unterschiede zu AFFF zeigen sich nur bei sehr geringen Anwendungsraten, die weit unterhalb der in der Praxis empfohlenen Raten liegen. Was aber auch deutlich geworden ist: Fluorfreier Schaum ist in seiner Anwendung etwas anspruchsvoller in der Anwendung als man das bislang von AFFF gewöhnt war. Mittlerweile ist klar, dass es einige Faktoren gibt, von denen die Leistungsfähigkeit und der schnelle Löscherfolg eines Schaums abhängen.
Dazu gehört die Art der Verschäumung. AFFF war durch die Bildung eines Wasserfilms vergleichsweise anspruchslos, was die Verschäumung selbst angeht. Der Wasserfilm trug einen wesentlichen Teil zum schnellen Löschen der Flammen bei. Mit dem Wegfall der wasserfilmbildenden Eigenschaften muss der Schaum anders wirken. Fluorfreier Schaum tut das in den meisten Fällen, in dem er eine sehr stabile Schaumdecke bildet. Dazu gehört, dass der Schaum das Wasser lange hält und nur langsam austrocknet. Man misst dies durch die Wasserhalbzeit, also den Zeitraum, der benötigt wird, bis die Hälfte des Volumens aus dem Schaum austritt. Waren bei AFFF einige Minuten normal, so sind bei fluorfreiem Schaummittel Werte über eine Stunde nicht ungewöhnlich. Ein wichtiger Faktor dabei ist aber die erreichte Verschäumung. Und für diese wiederum ist die Art der Verschäumung entscheidend: Für mobile Schaumangriffe also das Schaumrohr und für stationäre Löschanlagen die Sprinklerdüse oder der Schaumtopf. Ist die Verschäumungszahl, also das Verhältnis zwischen Schaum und Schaummittel-
Wasser-Gemisch zu gering, wirkt sich das auf die Löschleistung aus. Die meisten Hersteller von Schaummittel empfehlen eine Mindestverschäumungszahl von 5-8. Aber kann die vorhandene Technik das gewährleisten? Das ist ein Punkt, den man im Rahmen eines Projekts zur Umstellung beachten muss.
Ein weiterer Aspekt ist die Schaumzumischung. Um die Herstellung eines stabilen Schaums zu gewährleisten, mischen viele Hersteller ihren Schaummitteln Polymere bei. Dies haben sie für alkoholbeständige Schaummittel schon immer gemacht, denn dadurch bildet sich ein Polymerfilm aus, der verhindert, dass der wasserlösliche Brennstoff den Schaum zu schnell zerstört. Die meisten fluorfreien Schaummittel sind zugleich auch alkoholbeständig. Dies liegt daran, dass die Polymere im Schaum auch dafür sorgen, dass er stabil bleibt. Sie verhindern, dass der Schaum zu schnell Wasser verliert. Eine Nebenwirkung dieser Polymere ist aber, dass das konzentrierte Schaummittel sehr viskos wird. Genauer gesagt wird es „strukturviskos“. Man sagt auch „scherverdünnend“ oder „pseudoplastisch“. Interessanterweise nimmt die Viskosität aber ab, wenn das Schaummittel fließt. Denn im Ruhezustand verschlaufen (verhaken) die einzelnen Polymerketten miteinander. Bei steigender Fließgeschwindigkeit lösen sich diese Verschlaufungen und die Viskosität sinkt. Ein Problem kann bei der Zumischung auftreten. So können z.B. klassische Z-Zumischer, die nach dem Venturiprinzip arbeiten, mit manchen strukturviskosen Schaummitteln Probleme haben. Das Problem kann sich bei kalten Temperaturen verstärken, denn die Viskosität hängt nicht nur von der Fließgeschwindigkeit, sondern auch von der Temperatur ab. Je kälter das Schaummittel, desto zähflüssiger ist es. Höher viskose Schaummittel können also ein Druckzumischsystem erfordern, damit sie zuverlässig funktionieren. Erst recht bei kalten Temperaturen.
Im Rahmen des Austauschs von fluorhaltigem zu fluorfreiem Schaummittel kommt der Reinigung besondere Aufmerksamkeit zu. Der Gehalt an PFAS liegt in fluorhaltigem Schaummittel typischerweise zwischen 1 und 5%. Er ist damit hoch genug, dass Reste an Schaummitteln im Vorratstank eines Löschfahrzeugs oder einer Löschanlage das neue, eigentlich fluorfreie, Schaummittel kontaminieren. Und viele Fälle aus der Praxis zeigen, dass die Grenzwerte für PFAS im Schaummittel so überschritten werden können. Dies trifft insbesondere zu, da die neueren Grenzwerte bspw. für PFOA deutlich geringer sind, als sie zu Beginn für PFOS waren (10.000ppb zu 25ppb). Das führt zu der Erkenntnis, dass Schaummittelbehälter und all ihre angeschlossenen Leitungen einerseits gründlich geleert, andererseits auch anschließend gereinigt werden müssen. Sowohl das Schaummittel als auch das Spülwasser müssen fachgerecht entsorgt werden. Die Standardmethode für die sichere Entsorgung von fluorhaltigem Abfall ist die Hochtemperaturverbrennung in einer Sonderabfallentsorgungsanlage. Ein Fakt, der wiederum Kosten verursacht, denn die Entsorgung von nicht brennbarem Abfall ist erwartungsgemäß relativ teuer.
Die Umstellung von fluorhaltigen AFFF auf fluorfreie Schaummittel ist in vollem Gang. Die AFFF sind offiziell noch nicht verboten, aber die Regulierung der Perfluorhexansäure samt Vorläufersubstanzen wird für 2022 erwartet. Sie wird wahrscheinlich Übergangsfristen für Schaummittel enthalten, aber dennoch den Anfang vom Ende PFAS-haltiger Schaummittel einläuten. Der Einsatz von fluorfreien Schaummitteln bietet schon heute für die weit überwiegenden Brandrisiken ausreichende Sicherheit. Die Umstellung allerdings muss gründlich geplant werden, denn die fluorfreien Schaummittel verlangen unter Umständen eine andere Technik, eine andere Taktik und eine gründliche Reinigung.
Literatur bei Verfasser.
Crisis Prevention 1/2022
Eike Peltzer
Vorsitzender des Arbeitskreises Schaummittel des Werkfeuerwehrverbands Deutschland
E-Mail: eike.peltzer@wfvd.de