Europäische Nutzerumfrage zu smarter persönlicher Schutzausrüstung für Feuerwehreinsatzkräfte
Rahel Krause, Kalev Kuklane, Maurice Kemmeren, Thomas Gries
Wenn am Arbeitsplatz Gefährdungen auftreten, ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz seiner Mitarbeiter*innen zu ergreifen. Reichen die vorrangigen Arbeitssicherheitsmaßnahmen, wie z. B. technische oder organisatorische Maßnahmen nicht mehr aus, ist der Arbeitgeber verpflichtet, seinen Mitarbeiter*innen persönliche Schutzausrüstung (PSA) in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen.
Besonders kritischen Umgebungsbedingungen sind Feuerwehreinsatzkräfte ausgesetzt. Durch die Zunahme von Kunststoffen und elektrischen Geräten an den Einsatzorten entstehen neue Risiken, wie z. B. eine schnellere Feuerentwicklung oder deutlich dichterer Rauch. Für solche und weitere Risiken verspricht eine PSA mit integrierten intelligenten Funktionen („smarte PSA“) eine erhöhte Schutzwirkung. Eine smarte PSA kann äußere Bedingungen und unterschiedliche Reize wahrnehmen und entsprechend der Veränderungen reagieren. Ein Beispiel ist die Überwachung der Umgebungstemperatur in einem Einsatz durch einen Sensor. Wenn eine kritische Temperatur überschritten wird, kann die Feuerwehreinsatzkraft mit Hilfe des Sensors gewarnt werden.
Trotz der Vorteile und dem erhöhten Schutzpotential ist smarte PSA bislang kaum auf dem Markt vertreten. Auf der A+A 2019, der Welt-Leitmesse für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, haben nur 24 von 1255 Messestände smarte PSA ausgestellt. Für die fehlende Verfügbarkeit sind mehrere Gründe vorhanden: zum einen die technische Resilienz bzgl. Waschbarkeit, hoher Temperaturen oder Wartung und zum anderen der hohe Anteil manueller Produktionsschritte, woraus hohe Anschaffungskosten resultieren. Weiterhin ist der Umgang mit den personenbezogenen Daten bislang unzureichend geklärt. Auch fehlt ein standardisiertes Vorgehen zur Konformitätsbewertung und Zertifizierung von smarter PSA.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass neue Risiken durch ein verändertes Nutzerverhalten aufgrund des Tragens smarter PSA entstehen. Ein weiterer Grund ist der unzureichende Fokus auf die Anwender*innen und seinen/ihren Bedürfnissen bei der Entwicklung smarter PSA. Um die Anforderungen und Wünsche sowie Bedenken der Anwender*innen an eine smarte PSA zu erhalten, hat das Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University, Aachen, zusammen mit dem Institut für Feuerwehr- und Rettungstechnologie (IFR), Dortmund, und der Kommission Arbeitsschutz und Normung e.V. (KAN), Sankt Augustin, im Jahr 2020 eine deutschlandweite Nutzerumfrage zu smarter PSA für den Feuerwehreinsatz erstellt. An dieser Umfrage haben 150 Feuerwehreinsatzkräfte teilgenommen.
Auf Basis dieser Umfrage hat das ITA zusammen mit dem Instituut Fysieke Veiligheid (IFV), Arnhem, Niederlande im Frühjahr 2021 eine europaweite Nutzerumfrage veröffentlicht. Insgesamt haben 907 Feuerwehreinsatzkräfte aus 13 Ländern teilgenommen. Die Ergebnisse dieser Umfrage werden im Folgenden erörtert.
Die Umfrage besteht aus 24 Fragen und wurde aus dem Deutschen in sieben weitere Sprachen übersetzt. Zu diesen Sprachen gehören, Englisch, Niederländisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Polnisch und Italienisch. Danach wurde die Umfrage über E-Mail und Social-Media-Kanäle verteilt.
Unter den 907 teilnehmenden Feuerwehreinsatzkräften befinden sich Mitglieder aus der Berufsfeuerwehr, der Freiwilligen Feuerwehr und der Werkfeuerwehr. Die meisten Teilnehmer sind aus Belgien (408), den Niederlanden (201) und Deutschland (95).
Ergebnisse bzgl. der aktuellen PSA
Die derzeitige PSA für Brandeinsätze wird in den beiden Bereichen „Prävention vor Unfällen“ und „Schutz“ mit mehr als 80 % als „gut“ oder „sehr gut“ bewertet. Im Bereich „Tragekomfort“ wird die PSA für Brandeinsätze mit mehr als 20 % als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ beurteilt. Die derzeitige PSA für technische Einsätze wird ähnlich bewertet. Jedoch wird hierbei der Tragekomfort schlechter bewertet. Mehr als 30 % der Feuerwehreinsatzkräfte halten den Tragekomfort für „schlecht“ oder „sehr schlecht“.
Ergebnisse bzgl. smarter PSA – Allgemeine Einschätzung
Obwohl ca. 95 % der befragten Feuerwehreinsatzkräfte noch keinen Kontakt zu einer smarten PSA hatten, halten ebenfalls 95 % eine PSA mit integrierten intelligenten Funktionen für sinnvoll. Allerdings sind davon 8 % der Einsatzkräfte der Ansicht, dass eine smarte PSA nur unter bestimmten Umständen nützlich ist. Zu diesen Umständen zählen u.a. umfangreiche Einsätze, bei den es den Feuerwehreinsatzkräften nicht möglich sei, sich um die eigene Sicherheit zu sorgen oder um Brandeinsätze im Innenbereich. Außerdem sei es zunächst wichtig, ein besseres Verständnis von einer smarten PSA zu erhalten.
Ergebnisse bzgl. smarter PSA – Vital- und Umgebungsparameter
Bezüglich der zu bestimmenden Vitalparameter bzw. personenbezogenen Parameter empfinden die Einsatzkräfte insbesondere die Überwachung des Pulses (68 %), der Körperkerntemperatur (68 %), des Flüssigkeitshaushaltes (59 %) und der Atemfrequenz (45 %) als hilfreich, siehe Abb. 2. Als weitere Funktionen wurden u.a. die Pre-Stress-Erkennung bzw. die Bestimmung der Müdigkeit sowie der Position weiterer Kolleg*innen im Einsatz genannt.
Die Umgebungstemperatur (70 %), die Detektion von schädlichen bzw. giftigen Substanzen in der Luft (62 %) und die Bestimmung der Temperatur innerhalb der verschiedenen Lagen der PSA (50 %) erhalten die größte Zustimmung hinsichtlich der zu überwachenden Umgebungsparameter, siehe Abb. 3. Weitere Vorschläge sind die Bestimmung der Strahlung, Informationen zum Atemluftvorrat sowie die Bestimmung der Windrichtung.
Ergebnisse bzgl. smarter PSA – Warnmethoden
Um vor Gefahren und Risiken während eines Einsatzes zu warnen, sind mehrere Methoden möglich. Die Feuerwehreinsatzkräfte können z. B. über das Display der Atemschutzmaske, optisch (z. B. Licht), haptisch (z. B. Vibration) oder akustisch gewarnt werden. Mit 61 % erhält das Display in der Maske die größte Zustimmung. Die optische, haptische und akustische Warnmethode erhalten Werte zwischen 46 % und 51 %. 2 % der befragten Einsatzkräfte möchten allerdings nicht gewarnt werden, siehe Abb. 4. Die Gründe dafür sind z. B. die Privatsphäre und der Schutz der personenbezogenen Daten, die Schaffung eines falschen Gefühls von Sicherheit oder die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit aufgrund von zu vielen Informationen.
Um detailliertere Warnmeldungen während eines Einsatzes zu erhalten und um Schutzstufen automatisch anpassen zu können, sind ca. 90 % der befragten Feuerwehreinsatzkräfte bereit ihre persönlichen Daten, Fähigkeiten (Fitnessparameter, Ruhe- und maximale Herzfrequenz, vitale Lungenkapazität, usw.) und Gesundheitsparameter einzugeben. Von diesen 90 % würden allerdings 8 % nur unter bestimmten Umständen ihre persönlichen Daten angeben. Es sei notwendig, dass sowohl die DSGVO eingehalten als auch sichergestellt wird, dass die Daten nicht gespeichert werden. Außerdem sei es erforderlich, dass die Daten nur für den persönlichen Gebrauch verwendet werden. Ca. 10 % der befragten Einsatzkräfte sind aufgrund des Datenschutzes und eines möglichen Missbrauchs der Daten gegen die Eingabe der persönlichen Daten. Außerdem würden detailliertere Warnmeldungen den Einsatz stören und hätten während eines Einsatzes keinen zusätzlichen Nutzen.
Zur Erhöhung der Sicherheit besteht die Möglichkeit, die personenbezogenen Parameter kontinuierlich zu überwachen und in Echtzeit weiterzuleiten. In einer riskanten Situation kann dadurch automatisch ein Notruf abgesetzt werden. Zusätzlich ist es möglich, dass eine Überwachungsfunktion darüber informiert, wann eine Einsatzkraft ausgetauscht werden sollte. Die befragten Einsatzkräfte halten diese Funktionen insbesondere für Brände im Innenbereich (85 %) und für Industriefeuer (75 %) nützlich. 5 % sind jedoch aufgrund der individuellen Eigenschaften einer Person dagegen. Weiterhin sei eine gute Ausbildung wichtiger als eine PSA mit intelligenten Funktionen.
Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass intelligente Funktionen die Feuerwehreinsatzkräfte auf verschiedenen Leveln warnen. Wenn ein steigendes Risiko oder eine unklare Situation vorliegt, kann die Information an die Leitstelle gesendet werden. So kann die Leitstelle vorbeugende Maßnahmen vorhersagen, vorbereiten und über die Notwendigkeit einer Warnung der Feuerwehreinsatzkraft oder der Mannschaft entscheiden. Eine andere Möglichkeit wäre, dass das System Informationen liefert, die es der Feuerwehreinsatzkraft erlaubt, seine/ihre Aktivitäten oder sein/ihr Verhalten zu modifizieren und somit effizienter zu arbeiten. Über 83 % der Befragten halten es für sinnvoll, wenn die Leitstelle vorbeugende Maßnahmen ergreift und warnt, 17 % sind jedoch aus verschiedenen Gründen dagegen. Zum einen sei die Leitstelle nicht selbst am Einsatzort und daher wäre der lokale Einsatzleiter besser geeignet. Zum anderen seien vorbeugende Maßnahmen und eine Warnung durch die Leitstelle nur nützlich, wenn ein sehr hohes Risiko bestehe. Mehr als 90 % der Befragten halten es für sinnvoll, wenn das System den Einsatzkräften Informationen und Vorschläge zur Verbesserung der Verhaltensweise am Einsatzort zur Verfügung stellt. Knapp 10 % möchten jedoch keine Optimierungsvorschläge erhalten. In kritischen Situationen sei es nicht möglich, sich auf Vorschläge zu konzentrieren. Weiterhin habe jede*r aufgrund ihrer/seiner eigenen Erfahrungen einen individuellen „Best Practice Weg“ entwickelt.
Körpereigene Signale sind mit den menschlichen Sinnen verbunden. Zum Beispiel kann ein akustischer Alarm die Geräusche aus der Umgebung überdecken, die die Einsatzkraft vor etwas (Unfall, Änderung der Windrichtung, usw.) warnt. Es ist also möglich, dass intelligente Lösungen die körpereigenen Signale dämpfen bzw. stören. Daher kann es sinnvoll sein, die intelligente Funktion mit der Erzeugung oder Verstärkung eines physiologischen Warnsignals zu verbinden. Dazu ist es zunächst erforderlich, die verwendeten physiologischen Signale der Feuerwehreinsatzkräfte zu erfahren. Die häufigsten Antworten (Freifeldantworten) in der Umfrage beziehen sich auf folgende Signale:
- Akustische Signale
- Geräusche
- Reflexe
- Gerüche
- Atemfrequenz
- Temperatur
- Durst
- Schmerz
- Unbehagen
Etwa 34 % der Teilnehmenden denken, dass die physiologischen Signale durch intelligente Funktionen positiv beeinflusst werden können. Allerdings sind auch ca. 13 % der Meinung, dass die körpereigenen Signale gestört werden. Mehr als die Hälfte (ca. 53 %) ist sich nicht sicher, inwiefern die eigenen physiologischen Signale beeinflusst werden. Über 55 % der Feuerwehreinsatzkräfte sind jedoch überzeugt, dass sie ihre körpereigenen Signale durch die Verwendung intelligenter Warnsysteme nicht verlieren.
Ergebnisse bzgl. smarter PSA – Datenverarbeitung
Es besteht die Möglichkeit, dass die Informationen über die überwachten Vital- und Umgebungsparameter z. B. an Kolleg*innen, Teamleiter*innen oder die Leitstelle gesendet werden. In der Umfrage ist kein wesentlicher Unterschied bei der Weitergabe zwischen Vital- und Umgebungsparameter zu erkennen. Ca. 60 % der Einsatzkräfte wären mit der Weitergabe einverstanden, wenn der Teamleiter die Daten erhalten würde. Die Daten sollten jedoch eher nicht an Kolleg*innen weitergeleitet werden (70 % dagegen). Fast 10 % sind aufgrund des Datenschutzes sowie der schwierigen und aufwändigen Dateninterpretation gegen die Weiterleitung an interne Dritte. Mit einer Übermittlung der Daten an externe Dritte (z. B. Krankenversicherung) sind nur 10 % der Feuerwehreinsatzkräfte einverstanden. Grundsätzlich möchte die Mehrheit (ca. 60 %) selbstständig entscheiden, welche Daten gesammelt und weitergeleitet werden dürfen.
Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Die Umfrage wurde sowohl zusammenhängend als auch länderspezifisch ausgewertet. Zwischen den einzelnen Ländern ergeben sich keine signifikanten Unterschiede. Insgesamt lässt sich erkennen, dass ein großes Interesse bzgl. smarter PSA besteht. Bislang hatten die Einsatzkräfte jedoch kaum Kontakt zu smarter PSA. Daher ist es sinnvoll, wenn Informationsevents, Workshops oder Brandübungen, in denen smarte PSA vorgestellt wird und getestet werden kann, veranstaltet werden. Dadurch lernen die Anwender*innen die smarten Funktionen kennen und können diese auch hinsichtlich Nutzerfreundlichkeit, Tragekomfort u.v.m. bewerten.
Anhand der Umfrage lässt sich feststellen, dass Sensoren zur Bestimmung folgender Vital- und Umgebungsparameter in die PSA integriert werden sollten:
- Puls
- Körperkerntemperatur
- Überwachung des Flüssigkeitshaushaltes
- Atemfrequenz
- Umgebungstemperatur
- Detektion schädlicher / giftiger Substanzen in der Luft
- Temperatur innerhalb verschiedener Lagen der PSA
Die möglichen Warnmethoden haben ähnliche prozentuale Werte erhalten. Dies kann zum einen bedeuten, dass es einer Feuerwehreinsatzkraft gleichgültig ist, auf welche Weise sie gewarnt wird, jedoch nicht möchte, dass sie mit zwei oder mehr Methoden (z. B. Vibration und Leuchten) gleichzeitig gewarnt wird. Zum anderen kann es aber auch sein, dass eine gleichzeitige Warnung durch mehrere Methoden sinnvoll ist. Nicht in jeder Umgebung kann z. B. ein akustisches Signal gehört werden. Deshalb kann es nützlich sein, weitere Warnmethoden zu integrieren. Insgesamt ist jedoch darauf zu achten, dass eine Reizüberflutung durch zu viele Informationen vermieden wird.
Auch ist es für die Entwicklung smarter PSA wesentlich, dass der Tragekomfort nicht weiter eingeschränkt wird und die generierten Daten geschützt werden. Grundsätzlich sollten die Anwender*innen von Anfang an in die Entwicklung smarter PSA einbezogen werden.
Die Ergebnisse der Umfrage und die festgestellten Anforderungen werden direkt für aktuelle Entwicklungen genutzt und in diversen Forschungsvorhaben aufgegriffen. Zukünftig soll z. B. ein Orientierungswerkzeug für die Entwicklung smarter PSA entstehen.
Literaturnachweise bei den Autoren
Rahel Krause studierte an der RWTH Aachen University Maschinenbau mit der Vertiefungsrichtung Textiltechnik. Seit Juni 2020 ist sie am Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University im Bereich „Fabric Production“ Abteilung „Woven Fabrics“ tätig. Mit Ihrer Kollegin Carolin Blaurock koordiniert sie den Themenbereich „persönliche Schutzausrüstung“ des ITAs.
Crisis Prevention 3/2021
Rahel Krause, M.Sc.
ITA – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University
Otto-Blumenthal-Str. 1
52074 Aachen
Tel.: +49 241 80-23570
rahel.krause@ita.rwth-aachen.de