26.06.2019 •

Johanniter Sicherheitskonzept für Veranstaltungen

Melanie Prüser

Tobias Grosser/Johanniter

Die Johanniter sind bei vielen Veranstaltungen vor Ort für die Betreuung zuständig. Dieses erfordert die detaillierte Ausarbeitung eines Sicherheitskonzeptes. Wie genau so ein Sicherheitskonzept aussieht und was die wichtigsten Rahmenbedingungen sind, die beachtet werden müssen erklärte Herr Andreas Kleff am Beispiel des Kirchentages.

CP:

Wer ist alles und auf welche Art an der Erstellung eines Sicherheitskonzeptes beteiligt?


Andreas Kleff:

Hauptverantwortlich für den Kirchentag ist in erster Linie natürlich der Kirchentag selbst. Im Rahmen der Fachexpertise wird aber im Vorfeld zuerst Kontakt mit den Ordnungsbehörden aufgenommen. Hier in Dortmund ist das primär die Feuerwehr, welche sich dann an uns wendet, um die Einzelheiten zu besprechen. Daher das wir, die Johanniter, vom Kirchentag beauftragt sind und somit für den reibungslosen Ablauf und die Sicherheit im Sanitätsdienst und Rettungsdienst mitverantwortlich sind. 

Des Weiteren werden Absprachen im Voraus getroffen, um die Bemessungen im Bereich des Sanitäts- und Rettungsdienstes festlegen zu können. Im Prinzip ist Feuerwehr der Hauptakteur, mit uns als durchführende Organisation.


Die Johanniter betreuen das komplette Veranstaltungsgelände.
Das Veranstaltungsgelände wird komplett durch die Johanniter betreut.
Quelle: Tobias Grosser/Johanniter

CP:

Wo werden die dabei die Schwerpunkte gesetzt?


Andreas Kleff:

Für Großveranstaltungen wie diese gibt es die unterschiedlichsten Berechnungsgrundlagen, auf denen das Sicherheitskonzept basieren kann. Zwei der bekanntesten Konzepte wären zum Beispiel der Kölner Algorithmus und das Maurer-Schema. Allerdings sind diese für eine Veranstaltung wie den Kirchentag nicht unbedingt geeignet. Wie wir schnell festgestellt haben, ist die Anwendung von Rechenalgorithmen bei einer Veranstaltung die über drei Tage geht und über das gesamte Stadtgebiet verteilt stattfindet, nur begrenzt möglich. 

Also haben wir bei unserem Sicherheitskonzept in erster Linie auf unsere Erfahrungen von vorherigen Kirchentagen und anderen Großveranstaltungen zurückgegriffen.

Dabei liegt der Hauptschwerpunkt auf der Hilfefristeinhaltung.

 Es muss gewährleistet werden können, dass zu jedem Zeitpunkt ein Betroffener innerhalb einer entsprechenden Hilfsfrist die Erste Hilfe erhält, die er benötigt.


CP:

Wie sieht ein solches Sicherheitskonzept konkret aus?


Andreas Kleff:

Bei jeder einzelnen Veranstaltung wird zuerst auf Basis der zeitlichen und räumlichen Abdeckung, sowie aufgrund der Art der Veranstaltung überprüft, an welcher Stelle mögliche Gefahrenpotenziale liegen. Unter Berücksichtigung der Gefahrenpotenzial und auch der Bemessung der Veranstaltung werden dann die erforderlichen Maßnahmen im Sicherheitskonzept festgehalten.

Am Beispiel des Kirchentages gibt es den "Abend der Begegnung" zu berücksichtigen, an dem die Besucherzahl bei 200.000 liegt und der damit der komplexeste und umfangreichste Teil der Veranstaltung ist. In diesem Fall werden dann auf Basis der Einsatzfläche beziehungsweise der Veranstaltungsfläche Punkte festgelegt, an denen Notfallhilfestellen stationiert werden müssen. Dabei ist es wichtig das von diesen Unfallhilfsstellen aus, alle Punkte mit Gefahrenpotenzial innerhalb der vorgegebenen Hilfsfrist erreichbar sind, damit im Notfall entsprechend reagiert werden kann.


CP:

 Werden an diesem Punkt auch die EVT's mit einbezogen?


Andreas Kleff:

Ja genau, zum einen gibt es zwar die Notfallhilfestellen als ersten Anlaufpunkt, wo die Leute hingehen können, um sich bei Notfällen versorgen zu lassen, aber die Stellen dienen auch als Ausgangspunkte für die EVT's. Die sogenannten Erstversorgungsteams sind mobile Truppen, die in einem vordefinierten Bereich auf dem Veranstaltungsgelände unterwegs sind. Sie achten darauf ob ein Besucher Hilfe braucht, oder stehen auch als Ansprechpartner zur Verfügung.


CP: 

Gibt es Ausweichpläne für etwaige Notfälle und wie genau sind diese aufgebaut?


Andreas Kleff:

Die Ausweichpläne für Notfälle gehen in der Regel über die normale Planung des Sanitätsdienstes hinaus. Im Fall der Fälle das es wirklich zu einem außerordentlichen Vorkommnis kommen sollte, fällt dieses dann jedoch aus dem direkten Zuständigkeitsbereich des Sanitätsdienstes heraus.

Die Anzahl der Besucher ist eine wichtige Größe um die Bemessung bestimmen zu...
Für die Bemessung ist es wichtig vorab zu wissen, wie viele Besucher zu erwarten sind.
Quelle: Tobias Grosser/Johanniter

In diesem Fall würde man von einer Großschadenslage sprechen, bei der die Verantwortung an die Ordnungsbehörde übergehen würde.

Die Ordnungsbehörde wäre beim Kirchentag die Feuerwehr, welche die Einsatzleitung ab diesem Punkt übernehmen würde sowie die Verantwortung für alle weiteren Maßnahmen. Bei uns in Dortmund sind Konzepte im Rahmen der überörtlichen Hilfe für derartige Notfallsituationen ausgearbeitet.

Am Mittwoch, an dem der "Abend der Begegnung" stattfindet, werden zum Beispiel überörtliche Kräfte in Dortmund in einem Bereitstellungsraum auf Abruf stehen. Sie sind wirklich nur für den Fall da, dass es irgendwo auf dem Gelände eine eskalierende Situation geben sollte. In so einer Situation würden die Kräfte ins Einsatzgeschehen geschickt werden um den Sanitätsdienst zu unterstützen beziehungsweise zu ergänzen. 

Zusammengefasst, würde der Sanitätsdienst der Führung der Feuerwehr unterstehen und als ein Teil der öffentlichen Gefahrenabwehr agieren.


CP:

Was sind die wichtigsten Rahmenbedingungen, die unbedingt berücksichtigt werden müssen?


Andreas Kleff:

Wie bereits kurz angemerkt, sind vor allem die äußeren Umstände wie die Fläche der Veranstaltung und die Art der Veranstaltung bei der Planung zu berücksichtigen. Bei einer Veranstaltung wie dem Kirchentag, wo ab dem Eröffnungsgottesdienst mit 70.000 Besuchern zu rechnen ist, sieht die Planung selbstverständlich ganz ander aus, als wenn es sich um ein Rock'n Roll Konzert mit 70.000 Besuchern handelt. 

Des Weiteren sollten bei der Erarbeitung eines Sicherheitskonzeptes auch Dinge wie das Wetter für den Zeitraum nicht außer Acht gelassen werden. Sollte zum Beispiel für den Zeitraum eine hohe Temperatur abzusehen sein und die Veranstaltung findet auf einer frei stehenden Wiese ohne Schatten statt müssen noch weitere Maßnahmen wie zum Beispiel für Getränkestationen o. Ä. getroffen werden.


Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. zeigt vor Ort Präsenz.
Die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. ist vor Ort als Ansprechpartner präsent.
Quelle: Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.

CP:

Sie sprachen vorhin von den verschiedenen Gefahrenpotenzialen. Welche genau fließen in das Sicherheitskonzept mit ein?


Andreas Kleff:

Ja, neben den räumlichen Situationen innerhalb muss auch ein genauer Blick auf die Infrastruktur um das Veranstaltungsgelände herum geworfen werden. Die Anfahrtswege zu Krankenhäusern sind ein wichtiger Aspekt, der vorher definiert werden muss. Wie lange braucht ein Fahrzeug von der Veranstaltung bis zum Krankenhaus? Wie lange sind Einsatzfahrzeug und Einsatzmitglieder nicht für andere Einsätze verfügbar? Die genauen Zeiten müssen ausgerechnet werden, damit die Bemessung der notwendigen Rettungsmittel auch korrekt definiert werden kann.

Mittlerweile kommt leider bei Bemessung auch immer die Frage nach möglichen Terrorlagen auf, die es zu beachten gilt. Ist bei der Art der Veranstaltung mit derartigen Krisensituationen zu rechnen, muss das bereits im Sicherheitskonzept berücksichtigt werden.

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