Die Automatisierung und Robotik sind in der industriellen Produktion sehr weit fortgeschritten. In der Fertigung vieler Firmen sind Menschen durch Roboterersetzt, die durch wenige Personen überwacht und gesteuert werden. Für den Haushaltsbereich sind Roboter (Rasenmäher, Staubsauger, etc.) schon fast selbstverständlich und Drohnen (englisch: UAV = unmanned aerial vehicle) mit teilautonomen Funktionen aus dem Consumer-Bereich finden bereits breite Anwendung auch im BOS-Bereich.
Bodenbasierte Roboter (englisch: UGV = unmanned ground vehicle), die meist keine teilautonomen Funktionen aufweisen, sind weltweit nur bei wenigen Feuerwehren im Einsatz. Auf der Interschutz 2022 wurden einige UGV und UAV gezeigt, die bei spektakulären Einsätzen (z.B. Notre Dame, Paris oder Grunewald, Berlin) eingesetzt wurden. Erste Erfahrungen und die steigende Automatisierung von Einsatzfahrzeugen wird dazu beitragen, dass Einsatzkräfte sich an teilautonome und autonome Systeme gewöhnen und den Umgang mit Robotern für den Einsatzfall stärker akzeptieren, vielleicht sogar zum eigenen Schutz und zur Arbeitserleichterung fordern werden.
Eine wichtige Voraussetzung zur flächendeckenden Einführung wird aber neben der Finanzierbarkeit auch eine Standardisierung und/oder Normung der Systemtechnik sein, um eine Kompatibilität im Einsatzfall sowie eine einheitliche Zertifizierung und Ausbildung sicherstellen zu können. Erste Ansätze sind z.B. durch die DIN SPEC 91477 – Robotersysteme für den Einsatz in Schadenslagen, Teil 1 – Allgemeine Anforderungen und Teil 2 – Anforderungen an Roboter in der Brandbekämpfung, erkennbar. Beide Normenteile werden kostenlos im Beuthverlag ( www.din.de ) zum Download bereitgestellt.
Für einen ersten Überblick nachfolgend im Diagramm die Klassifizierung, wie sie in der Norm vorgenommen wird.
Kurzer Rückblick
Löschroboter wurden bereits Ende der 60er Jahre diskutiert. Prof. Ernst Achilles, damaliger Chef der Feuerwehr Frankfurt und Hr. Dietrich Herterich, damals Direktor von Magirus in Ulm ent- wickelten Ideen, nach denen ein ferngelenktes kleines Raupen- fahrzeug einen Wasser-/Schaumwerfer in die Gefahrenzone transportiert, der wiederum von einem Schlauch auf einer Haspel im Trägerfahrzeug versorgt wird.
In den USA wurden ebenfalls Überlegungen angestellt und General Dynamics meldete 1973 ein Kettenfahrzeug mit Werfer Namens FireCat zum Patent an. Bei wenigen Werkfeuerwehren waren große gepanzerte Fahrzeuge stationiert, die über Kabel ferngelenkt die Brandbekämpfung erleichtern sollten. Die Fahrzeuge waren aber unhandlich und es erforderte viel Zeit diese in Stellung zu bringen. Ähnliche „Monster“ sind seit Jahren bei japanischen Feuerwehren im Einsatz. Die Forschungsabteilung der Feuerwehr Tokyo entwickelte und betreibt gleich mehrere Roboter zur Brandbekämpfung, zur Manipulation, Gefahrstoffmessung und sogar zur Personenrettung nach Erdbeben. Sehr erfolgreich werden dort Tauchroboter zur Personensuche eingesetzt. Auch in der ehemaligen DDR wurden am Institut der Feuerwehr bereits Versuche mit Prototypen durchgeführt. Damals noch mit analoger Technik der Steuerung über Kabel.
Auch aus anderen Ländern sind Bestrebungen bekannt. Beginnend im Jahr 1997 hat Iveco Magirus die Idee ihres damaligen Direktors wieder aufgegriffen und entwickelte zusammen mit der Fa. Telerob, einer Fachfirma für Manipulationstechnik für polizeiliche bzw. militärische Anwendungen und dem Fraunhofer Institut für Robotic in Stuttgart, gefördert vom Baden-Württembergischen Wirtschaftsministerium ein modulares, fernge- steuertes Brandbekämpfungs- und Manipulationssystem namens Firerob, das auf dem Roten Hahn in Augsburg 2000 vorgestellt, danach aber nicht weiterverfolgt wurde.
Tunnelbrände (z.B. Montblanc) haben sehr deutlich die Grenzen der heutigen Taktik und Technik aufgezeigt, denn die Hitzeentwicklung z.B. eines brennenden Lastzugs ist so stark, dass selbst Feuerwehrleute unter Hitzeschutz nicht mehr sicher tätig werden können, wenn nicht von der entsprechenden sicheren Tunnelseite angefahren bzw. angegriffen werden kann. Ein spektakuläres Ereignis war unter anderem der Brand der Kathedrale von Notre Dame. Hier hat die Feuerwehr Paris ein System mit dem Namen Colossus für den Einsatz im Kircheninneren eingesetzt.
Auch einfache Arbeiten, wie z.B. das Schließen eines Ventils an einem Gefahrgutbehälter wurde/wird als sehr riskant angesehen. Aus dem Projekt TESS/Firerob ist z. B. ein Manipulator entstanden, der schon mehrfach bei sehr kritischen Lagen in der chemischen Industrie eingesetzt wurde.
Ketten- und Radfahrzeuge
Nachfolgend eine kleine Auswahl von fernhantierten (auf Sicht gefahrene) (Lösch-) Systemen, die bereits teils in großen Stückzahlen bei Feuerwehren weltweit im Einsatz sind. In China gibt es mittlerweile eine eigene Industrie, die Löschroboter in größeren Stückzahlen sogar in Serie produziert. Die Basistechnik reicht von speziell entwickelter Fahrwerks-Technik über Adaption von Serientechnik aus anderen Bereichen wie z. B. Dumper, Radlader oder Minibagger. Allen gemein ist, dass diese nur begrenzt für die Brandbekämpfung in Industrie- und bei ausgedehnten Hallenkomplexen von außen eingesetzt werden können.
Bei praktisch allen Fahrzeugen zur Brandbekämpfung wird davon ausgegangen, dass die Schläuche angeschlossen werden und in den eigentlichen Einsatzraum gezogen werden. Das funktioniert aber nur bedingt auf kurzen Strecken.
Ergebnisse aus Versuchen
Es sind einige (allgemein gültige) Erkenntnisse vorhanden aus Versuchen und den Erfahrungen der Hersteller aus Einsätzen und Übungen, die grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellt werden müssen/sollten, wie z.B. das Ziehen von Schläuchen über längere Strecken.
Zum Betrieb eines Werfers wird mindestens eine B-Druckleitung benötigt. In einem B-20-Druckschlauch befinden sich ca. 88 l. Daraus folgt: ca. 88 l / 20 m = 4,4 l/m. B-20 werden nach Norm mit 12,2 kg angegeben. Bei 300 m Länge ergibt sich dann ein Gewicht von (300 m x 4.4 kg/m =) ca. 1320 kg für das Löschmittel und (300 m / 20 m => 15 x 12,2 kg = 183 kg für die Schläuche selbst) => ca. 1500 kg „Schlepplast“ für das Zugfahrzeug bei zunehmender Reibung auf dem Boden. Bei Doppelleitung dann sogar 3,0 t (!). Wir wissen, dass auf munitionsbelasteten Flächen meist andere Abstände eingehalten werden müssen! => das ist für diese Anwendung nicht zuverlässig einsetzbar.
Praktische Zugversuche haben ergeben, dass auf glattem Unter- grund 4-5 B-Längen gezogen werden können. Die Zuglast auf die Kupplungen wird dabei groß und bereits bei geringen Widerständen (Einhängen eines Kupplungspaares an einem Gully- Deckel, vorstehende Kante einer Betonplatte, Gehwegabsatz, Wurzel usw.) ist die Gefahr sehr groß, dass die Kupplung abgerissen wird oder das Zugfahrzeug zum Stillstand kommt. Auf sandigen, gekiesten oder Ackerböden waren die Ergebnisse deutlich schlechter und das Durchdrehen der Räder oder Rutschen der Ketten ist deutlich früher eingetreten aufgrund der geringeren Reibbeiwerte.
Im Fall, dass das Fahrzeug um eine Kurve fahren muss, zieht der Schlauch nochmals deutlich quer über den Boden und die Reibung wird erhöht. Beim Umfahren eines Hindernisses war dann meis- tens Schluss, da es wie das Einhängen an einem Hindernis wirkt. Daraus folgt, dass es sinnvoller und einzig praktikabel ist den Schlauch, wie bei einem Schlauchverleger während der Fahrt abzulegen oder über eine Haspel abzurollen.
Komplexe Systemtechnik zur Bedienung erforderlich
Die Fahrzeug- und Systemkontrolle über längere Strecken erweist sich als sehr komplex. Die Bedienung erfolgt praktisch im „Blind- flug“ vorrangig nur durch Bildübertragung. Aus diesem Grund haben solche Systeme durchaus 6-7 Kameras an exponierten Stellen an Bord, um die rein zweidimensionale Darstellung zu optimieren. Das für das menschliche Auge problemlos erfassbare, dreidimensionale Sehen und z.B. das Abschätzen von Entfernungen muss durch zusätzliche Technik kompensiert werden. Stereokameras und Radarsysteme sind dazu geeignet und finden zunehmend Verwendung.
Ebenso sind andere Einflüsse, wie z.B.
- das Abschätzen der Wärmebelastung
- verringerter Sauerstoffanteil
- Winddruck
- Beschaffenheit des Untergrunds
- Geräusche
- Hindernisse
- Grabentiefen
- Gerüche
und vieles mehr so auch nicht hinreichend sicher und genau an den Operator/Bediener übertragbar.
Somit wird deutlich, dass umfangreiche Technik eingesetzt werden muss. Es stellt sich somit die Frage, was erreicht werden soll/muss. Also welche taktische Anforderung wird gestellt.
Hier lassen sich die Erfahrungen der Bombenentschärfung nutzen. In vielen Fällen werden mittlerweile vorab fernbedienbare Kameras (auf einem Stativ) positioniert oder eigene „Scout-Roboter“ (sehr kleine kompakte Systeme, ausschließlich zur Bild- und Tonübertragung) um den Blickwinkel aus verschiedenen Richtungen zu erhalten. Insbesondere in Kombination sind UAV als Bilddarstellung von oben sehr hilfreich, müssen aber mit dem Bodensystem vernetzt sein. Aber Rauch, aufsteigende Hitze, Regen, Thermik und andere Einflüsse können auch diese Komponente schnell außer Gefecht setzen.
Ein Thema bei der Anfahrt mit einem UGV ist bereits die Erkennung des eigenen Fahrzeugs und hier insbesondere die Breite der Front über die Kettenaußenkanten. Wenn diese nicht erkennbar sind, wird es sehr schwierig beim Passieren einer Durchfahrt (im Gebäude der Türstock, im Freien z.B. zwischen zwei Bäumen) die Passagen problemlos zu bewältigen. Wenn es nur eine Frontkamera gibt, kann diese Durchfahrt zwar angefahren werden, aber bei Erreichen der Passage fehlt dem Operator/Bediener die Referenz auf dem Bildschirm, ob diese ohne Anfahren befahren werden kann. Ebenso muss in diesem Modus auch Rückwärts gefahren werden können und es sollte eine ferngelenkte Suchkamera (z.B. auf dem fernbedienten Werfer, auf einem eigenen Stativ oder Manipulatorarm) vorhanden sein.
Der Systemansatz der Firma Alpha Robotic ist durchaus sinnvoll, da er ganzheitlich betrachtet und die Steuerung tatsächlich über viele Kamerasysteme und Drohnentechnik abgesichert, aus größerer Entfernung bedient werden kann. Mit Repeater und Relaissystemen, soll eine Bedienung aus bis zu 2500 m möglich sein. Die Ausbildung und der Übungsbetrieb sind dabei sehr aufwändig und umfangreich (ca. 6-8 Monate) und es erfordert eine Logistik, die nur durch wenige Feuerwehren oder Organisationen sichergestellt werden können.
So oder ähnlich könnten daher Robotik Task Forces (RTF) aus- sehen. Ein Ziel, das das Deutsche Robotik Zentrum (DRZ) in Dortmund flächendeckend für ganz Deutschland anstrebt. Dazu müssen aber erst technische Standards und eine einheitliche taktische Vorgehensweise definiert werden. Die normative Grundlage dazu ist, wie oben beschrieben, bereits vorhanden.
Schreitmechanik
Laufroboter eignen sich besonders zum Überwachen von großen unwegsamen Gebieten, zum Erkunden, Messen und Dokumentieren von ausgedehnten Schadensereignissen. Eines der bekann- testen Systeme dürfte der „Roboter-Hund“ SPOT sein, der erstmals von der Polizei in NRW nach dem Großbrand in der Grünen Mitte in Essen eingesetzt wurde. Im DRZ steht unter anderem ein ähnliches Modell namens ANYmal, das ebenfalls als vierbeiniger Roboter für Film- und Fotoaufnahmen oder Messaufgaben zur Dokumentation eingesetzt werden kann. Diese Systeme eignen sich aber nicht oder nur sehr bedingt zur Brandbekämpfung aufgrund der Struktur und dem Systemaufbau.
Wie kann die Zukunft aussehen?
Wie oben beschrieben, sind mehr als „ein“ Operator für UAV und UGV erforderlich. Das bestätigen auch die „Bedienstände“ der Fahrzeuge der Bombenentschärfer und die Leitstellenfahrzeuge der Feuerwehr Vechta und des DRZ. Daraus abgeleitet muss der Fahrstand ausgelegt werden, denn es sind mehr als nur ein System zu führen bzw. zu steuern.
Das bedeutet, dass auch in der Robotik ein „Stufensystem“ für die zukünftige Anwendung sinnvoll erscheint. So könnten z. B. in naher Zukunft in Einsatzfahrzeugen eine „Grundausstattung“ an einfachen UAV und UGV vorhanden sein, um eine erste Lage- übersicht und Datenerfassung vornehmen zu können und um einfache „bewegliche“ Wasserwerfer oder Hydroschilde zur Eindämmung eines großen Brandes einsetzen zu können. Spezielle Aufgaben wie z. B. das Manipulieren oder fernhantierte Aktionen bei Gefahrguteinsätzen, das genaue Messen von Gefahrstoffen oder langfristig sogar das Fliegen von Lasten-Drohnen zur Vegetationsbrandbekämpfung sollten dann erfahrenen und speziell ausgebildeten Einheiten in Form von Robotics Task Forces (RTF) vorbehalten bleiben.
Die Risiken steigen, die Aufgaben sind vielfältig und wir sollten darüber nachdenken, die Einsatzkräfte zu entlasten und deren Job sicherer zu gestalten. Die moderne Robotik bietet dazu viele Möglichkeiten.
Crisis Prevention 3/2024
Dipl.-Ing. Thomas Zawadke
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im
Deutschen Rettungsrobotik Zentrum (DRZ) Dortmund
E-Mail: thomas.zawadke@rettungsrobotik.de