Erhöhung der Robustheit wichtiger Einrichtungen durch Energiezellen

Herbert Saurugg

Aktron / Wikimedia Commons

Im vergangenen Jahr wurde vom Autor in mehreren Beiträgen das Szenario eines europaweiten Strom- und Infrastrukturausfalls („Blackout“) beleuchtet. Dabei wurde immer wieder auf die zwingend erforderliche persönliche Vorbereitung möglichst vieler Menschen als wesentliche Basis für alle anderen organisatorischen Maßnahmen hingewiesen. In diesem Beitrag wird auf mögliche Störungen in der Energieversorgung sowie auf mögliche komplementäre Handlungsoptionen eingegangen.

Bei aktuellen Diskussionen rund um die Energiewende wird häufig Energie mit Strom gleichgesetzt. Auch in der Praxis geht es fast ausschließlich um eine Stromerzeugungswende. Dabei wird nur rund ein Viertel des Gesamtenergieverbrauchs mit Strom gedeckt. Der Rest überwiegend mit Erdöl und Erdgas.

Auch wenn jeder Fortschritt in der Stromenergiewende zu begrüßen ist, sollte uns dennoch bewusst sein, dass wir noch Lichtjahre von einer wirklich erfolgreichen Energiewende entfernt sind. Gleichzeitig hängt die gesamte Energieversorgung von der Strom- und IT-Versorgung ab.

Denn ohne Strom- und IT-Versorgung versiegen auch sofort oder zeitnah alle anderen Energieflüsse. Egal ob das die Treibstoff-, Gas- oder Wärmeversorgung betrifft. Daher ist es immer wieder verwunderlich, wie leichtfertig wir hier mit unserer wichtigsten Infrastruktur umgehen. Denn auch wenn der D-A-CH-Raum zu den Ländern mit der weltweit höchsten Versorgungssicherheit gehört, handelt es sich letztendlich um ein fragiles europäisches Verbundsystem. 

Dies wurde uns einmal mehr im ersten Quartal 2018 vor Augen geführt, als plötzlich viele Uhren in Europa nachgingen. Ursache war ein politischer Streit zwischen Serbien und Kosovo, der zu einer Nichterfüllung der zugesicherten Stromeinspeisung in das europäische Stromversorgungssystem führte. Dies hatte vorerst keine gravierenderen Auswirkungen. Aber es wurde damit ein bisher ungeschriebenes Gesetz und damit ein Vertrauensgrundsatz gebrochen. Zudem wurde der Schaden nicht durch die Verursacher, sondern durch die Gemeinschaft behoben. Ganz abgesehen davon kumulieren in den letzten Jahren immer mehr Ereignisse, die bisher so nicht vorstellbar waren. Man könnte das auch mit dem bekannten Sprichwort zusammenfassen: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.

Es macht daher Sinn, sich intensiver mit möglichen Störungen in der Energieversorgung auseinanderzusetzen, auch wenn wir uns das häufig kaum vorstellen können, da sie bisher hervorragend funktioniert hat. Die zwei Ölkrisen in den 1970er Jahren sind wohl schon für die meisten Leser zu weit entfernt, um sich daran erinnern zu können. Was würde das heute bedeuten? Nicht möglich? Warum? Ist die geopolitische Lage wirklich so stabil, dass wir das ausschließen können? Wohl eher nicht. Wie schnell sich angeblich stabile Marktverhältnisse ändern können, zeigen gerade die aktuellen Diskussionen rund um Strafzölle.

Im Juni 2017 kam es zu einem größeren Schaden in der zweitgrößten Raffinerie Deutschlands. In Folge kam es in einigen Bundesländern zu Versorgungsengpässen bei Benzin und Diesel, da der Ersatz aus deutlich weiter entfernteren Tanklagern beschafft werden musste. So lange die Strom- und IT-Versorgung funktioniert, sind auch derartige Zwischenfälle beherrschbar.

Endenergieverbrauch 2016 nach Sektoren und Energieträgern
Endenergieverbrauch 2016 nach Sektoren und Energieträgern
Quelle: Bundesumweltamt, Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen

Die letzten Gaskrisen sind auch bereits fast 10 Jahre her und weitgehend vergessen. Nicht ganz. Wird sich doch gerade die diesjährige länderübergreifende Krisenmanagementübung ­(LÜKEX) mit dem Thema „Gasmangellage in Süddeutschland“ beschäftigen. 2012 hätte sich die anbahnende Gasmangellage beinahe katastrophal auf die Stromversorgung ausgewirkt, nachdem dringend benötigte Gaskraftwerke als Großverbraucher vom Gasnetz genommen werden mussten. Inzwischen wurden zahlreiche Maßnahmen getroffen. Doch werden diese in jedem Fall ausreichen? Wie hat sich die geopolitische Lage entwickelt?

Im Dezember 2017 löste eine Explosion auf dem Gelände des österreichischen Gasverteilungsknoten Baumgarten einen Schock in Italien aus, da man eine Gaslieferunterbrechung befürchtete. Zum Glück kam es nicht so weit. Aber es zeigte sich einmal mehr, wie sich ein lokales Einzelereignis rasch groß­flächig ausbreiten könnte.

Längere Öl- oder Gaslieferengpässe hätten auf jeden Fall weitreichende Auswirkungen auf unsere hoch vernetzte und wechselseitig abhängige Logistik und Versorgung. Positiv ist, dass solche Ereignisse in der Regel nicht abrupt auftreten bzw. es noch immer gewisse Alternativmöglichkeiten gibt, so lange das Ereignis nicht zu lange andauert. Dazu wurden auch einige Vorsorgen wie Gas- oder Öllagerungsverpflichtungen getroffen.

Daher wäre einmal mehr ein großflächiger Strom- und Infrastrukturausfall („Blackout“) das wirkliche Schreckensgespenst, auch wenn wir uns mit der Einschätzung „wenig wahrscheinlich“ immer auf die Vergangenheit beziehen. Ein solches Ereignis tritt abrupt und ohne Vorwarnung ein.

Neben der Strom- würde auch sofort die IT- und Telekommunikationsversorgung ausfallen, womit die Organisation von Krisenbewältigungsmaßnahmen nur mehr sehr eingeschränkt möglich ist.

Hinzu kommt, dass davon auszugehen ist, dass es auch nach der Wiederherstellung der Stromversorgung noch deutlich länger dauern wird, bis die IT- und Telekommunikationsversorgung wieder weitgehend funktionieren werden. Damit kann auch keine Logistik anlaufen. 

Besonders fatal würde sich das auf die Treibstoffversorgung auswirken, egal ob für Tankstellen oder Not­strom­einrichtungen. Denn wie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) jüngst in der Publikation „Treibstoffversorgung bei Stromausfall: Empfehlung für ­Zivil- und Katastrophenschutzbehörden“ herausgearbeitet hat, gibt es hier massive wechselseitige Abhängigkeiten. Denn sofern es überhaupt eine Notstromversorgung in Tanklagern gibt, ist in der Regel die Freigabe von Treibstoffkontingenten an Abholer durch IT-Systeme abgesichert. Die Abgabe aus Tankwagen oder an Tankstellen ist in der Regel ebenfalls nur möglich, wenn die IT-Systeme funktionieren. Hinzu kommt, dass man für einen Notbetrieb ausreichend qualifiziertes Fachpersonal benötigt. Dieses hat aber möglicherweise bereits massive Probleme mit der Eigenversorgung. Die Katze beißt sich in den Schwanz – womit sich einmal mehr die zwingend erforderliche persönliche Vorsorge möglichst vieler Menschen bestätigt. 

Ansonsten sind viele organisatorische Maßnahmen auf Sand gebaut.

Denn wenn das erforderliche Personal aufgrund persönlicher und familiärer Notlagen nicht zur Verfügung steht, funktionieren auch keine Notmaßnahmen.

Das BBK hat daher festgestellt, dass zum heutigen Zeitpunkt die Auslagerung und Verteilung ohne ausreichende Vorbereitung in Teilen scheitern oder zumindest erhebliche Lücken aufweisen würde.

Womit auch jene Einrichtungen, die über eine Notstromversorgung mit fossilen Energieträgern verfügen, im Fall eines Blackouts ziemlich rasch an ihre Grenzen stoßen werden. Denn wie das BBK auch festgehalten hat, müssten Maßnahmen zur Treibstoffverteilung bereits sehr früh anlaufen, am besten unmittelbar nach dem Eintritt des Stromausfalls. Oder die vorhandenen Treibstoffmengen reichen für zumindest ein bis zwei Wochen, bis die Versorgungskette hoffentlich wieder breit anläuft, was wohl eher die Ausnahme darstellt.

Wasserpumpenwerk Hof in Straden
Wasserpumpwerk Hof bei Straden.
Quelle: Herbert Saurugg

Ganz abgesehen davon, dass 2014 eine Untersuchung der Treibstoffqualität von Notstromeinrichtungen ergeben hat, dass der eingelagerte Treibstoff nur bei 8 % der überprüften Anlagen uneingeschränkt verwendbar war. Bei 60 % der Anlagen war der Treibstoff bereits bei der Probennahme oder in naher Zukunft nicht mehr verwendbar. Diese Scheinsicherheit dürfte sehr hoch sein. Auch hier sind die Folgen im Fall eines Blackouts kaum abschätzbar.

Daher erscheint es sinnvoll, über alternative Notversorgungskonzepte nachzudenken. Einen möglichen Ansatz verfolgt das amerikanische Militär, das mit dem Forschungsprojekt „Smart Power Infrastructure Demonstration for Energy Reliability and Security“ (SPIDERS) gezeigt hat, dass eine Notversorgungsfähigkeit und damit die Erhöhung der Robustheit von Militärbasen mit dem komplementären Einsatz von erneuerbaren Energien möglich und sinnvoll ist. Mittlerweile erfolgt bereits die praktische Umsetzung. 

Damit wird ein Energiezellenansatz verfolgt. In einem definierten Bereich kann auch bei externen Störungen ein Notbetrieb unter Abstützung auf unterschiedliche Energie­ressourcen und Speicher aufrechterhalten werden. Ein solches System scheitert heute in Mitteleuropa noch deshalb, da sich dieses aufgrund der sehr hohen Versorgungssicherheit und der niedrigen Stromkosten „nicht rechnet“. Das gilt aber nur, solange man keine potenziellen Schadenskosten in die Berechnungen einfließen lässt. 

Zum anderen werden für die Stabilisierung des öffentlichen Stromnetzes immer häufiger flexible Lasten gesucht und auch entsprechend abgegolten. Daher können sich bereits heute Energiezellen in Industriegebieten, bei größeren Infrastrukturbetreibern oder in Stadtwerken rechnen. Sie tragen auf jeden Fall zu Erhöhung der eigenen Robustheit und damit auch Funktionsfähigkeit bei Störungen in der Energieversorgung bei.

Es ist dazu jedoch ein komplementärer Denkansatz erforderlich, der sich nicht nur an rein betriebswirtschaftlichen und kurzfristigen Zielen orientiert. Dieses sollte jedoch gerade im Bereich der kritischen Infrastruktur oder öffentlichen Daseinsvorsorge außer Streit stehen.

Mittel- bis langfristig wird in der Energiewende nur ein zellulärer Ansatz erfolgreich sein können. Dieser hat sich auch in der Natur in einer sehr langen Entwicklungsgeschichte durchgesetzt und sollte uns als positives Beispiel dienen.

Verwandte Artikel

KIRMin - Kritische Infrastrukturen-Resilienz als Mindestversorgungskonzept

KIRMin - Kritische Infrastrukturen-Resilienz als Mindestversorgungskonzept

Was ist notwendig, um in Krisensituationen eine Mindestversorgung bewerkstelligen zu können? Mit dieser Problemstellung hat sich das KIRMin-Projekt ausführlich beschäftigt. Das Projekt für Kritische Infrastrukturen-Resilienz als...

Europaweiter Strom- und Infrastrukturausfall – das unterschätzte Katastrophenszenario

Europaweiter Strom- und Infrastrukturausfall – das unterschätzte Katastrophenszenario

Immer wieder ist in der Öffentlichkeit von einem möglichen Blackout die Rede. Der deutsche Bundesinnenminister hat im Sommer 2016, der Schweizer Verteidigungsminister im Januar 2017, sogar von der wahrscheinlichsten Großkatastrophe gesprochen....

emergenCITY - Die resiliente digitale Stadt

emergenCITY - Die resiliente digitale Stadt

Elektrizität- und Wasserversorgung, Lebensmittelversorgungsketten oder das öffentliche Gesundheitssystem sind häufig genannte Beispiele für kritische Infrastrukturen (KRITIS).

:

Photo

KRITIS-Dachgesetz

Nicht zuletzt durch die Sabotageakte auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn hat der Ruf nach einem ganzheitlichen Resilienzmanagement im Bereich kritischer Infrastrukturen wieder mehr an Resonanz…

Photo

Impulse für eine bessere Arbeitswelt

Das Leitmotiv der diesjährigen A+A 2023 lautet: „Impulse für eine bessere Arbeitswelt“. Damit setzen wir den Fokus der diesjährigen Messe und Kongress auf Innovationen und präsentieren neue…