JOINT COOPERATION 2017

Visitenkarte für multinationale CIMIC-Kompetenz

Michael Mattes

Deutsche Bundeswehr

Für Fachleute ist sie das Juwel unter den CIMIC-Übungen: JOINT COOPERATION. Sie fand vom 20. bis zum 27. Oktober 2017 in Nienburg statt und ist in ihrer Art einmalig. Ausrichter der jährlich stattfindenden JOINT COOPERATION ist das Zentrum für Zivil-Militärische Zusammenarbeit der Bundeswehr (ZentrZMZBw). Die Aufmerksamkeit ist inzwischen so groß, dass im Oktober 2017 auch eine Delegation von ausländischen Militärattachées die Gelegenheit zum Besuch nutzte. Zählt man die regulären Übungsbeobachter anderer Staaten und die übenden Soldaten von NATO- und Nicht-­NATO-Staaten zusammen, so war zeitweilig jeder fünfte Staat dieses Globus vertreten.

Fieldworker: Kontakte pflegen, Gespräche führen, Daten sammeln

Die Abkürzung CIMIC steht für Civil-Military Cooperation und lässt sich als Zivil-Militärische Zusammenarbeit übersetzen. Wie im Einsatz musste durch die CIMIC-Kräfte ein detailliertes ziviles Lagebild generiert werden. Aus diesem können Gefährdungen und Chancen für eigene Kräfte abgeleitet werden, aber auch Möglichkeiten und Notwendigkeiten, um die Situation der Zivilbevölkerung im Sinne des militärischen Auftrages zu verbessern. Das zivile Lagebild ist damit für jeden militärischen Führer eine wichtige Entscheidungsgrundlage.

Aufgeteilt in zwei CIMIC-Support Units (CSU) fuhren die CIMIC-Teams in festgelegte Bereiche – in Städte und aufs Land. Diese „Fieldworker“ (zu Deutsch: Feldkräfte) sammelten ihre Informationen manchmal sprichwörtlich im Felde: Vom Bauern bis zum Bürgermeister hatten sie Gesprächspartner. Daher waren eine Woche lang die unterschiedlichsten geschützten Fahrzeug im Landkreis Nienburg und in der Region nordwestlich Hannover unterwegs. 

Sowohl die Verbindungs-Teams mit festen Kontaktpersonen (Multiplikatoren) aber auch die reinen Erkundungs-Teams mussten sich der Aufgabe der Gesprächsaufklärung stellen. Eingeteilte Projekt-Teams trafen Absprachen oder sammelten Informationen um die Umsetzung von Aufbauprojekten zu ermöglichen. Jede CSU richtete ein sogenanntes CIMIC-Center ein, welches als örtliches Verbindungsbüro für die Bevölkerung und zur Steuerung regional eingesetzter CIMIC-Kräfte diente.

nachgestellte Demonstration zu Übungszwecken
Hier wird eine Demonstration als Übungssituation nachgestellt
Quelle: Deutsche Bundeswehr

Staffworker: Daten auswerten und aufbereiten, Entscheidungsgrundlagen erarbeiten

JOINT COOPERATION bildet alle CIMIC-Aufgaben auf Ebene einer Brigade ab. Entsprechend wurden die „Staffworker“ (zu Deutsch: Stabsarbeiter) darin trainiert, wie Erkenntnisse aus der zivilen Lage in militärische Entscheidungsprozesse eingebracht werden können. In der Clausewitz-Kaserne Nienburg wurden die durch die „Fieldworker“ gesammelten Daten nach einheitlichem Schema erfasst, ausgewertet und bewertet. 

Zur Datenaufbereitung wurde ein spezielles Datenverarbeitungsprogramm genutzt. Dieses Tool ermöglicht insbesondere graphische Situationsbeschreibungen und erleichtert Prognosen und die Bewertung der zivilen Lage.

Die Zusammenarbeit mit nationalen und multinationalen Hilfsorganisationen sowie Nicht-Regierungsorganisationen ist ebenfalls ein Teil der CIMIC-Aufgabe, die in der Übung abgebildet wird.

Verstehen, was CIMIC ist: Die Idee der Übung

Das Besondere der JOINT COOPERATION ist: Sämtliche Stufen der Informationsgewinnung und Bewertung werden für alle Teilnehmer – auch für Beobachter – sichtbar gemacht. Dazu gehört der Lagevortrag vor dem Brigadekommandeur genauso wie auch akademische Workshops zu unterschiedlichsten Themen wie zum Beispiel der Sicherheitspolitik. Auch die Zusammenarbeit mit Zivilisten und Vertretern von UN- und Hilfsorganisationen ist erlebbar.

Zivil-Militärische Zusammenarbeit ist Teil der Übung

Die logistische Basis von JOINT COOPERATION ist die Clausewitz-Kaserne in Nienburg. Das NATO-Übungsszenario heißt „SKOLKAN“ - ein fiktives Land, das sozusagen virtuell dem realen Übungsraum übergestülpt wird. Teile des Landkreises Nienburg und der Region im Nordwesten Hannovers werden so zu einem – zumindest in der Lage – weit von Deutschland entfernten Einsatzgebiet. Bis zu 300 zivile Freiwillige agieren für die englischsprachig durchgeführte Übung als Darsteller. Sie spielen dabei oftmals die Funktion, die sie auch im realen Leben als Bürgermeister, Landrat, Polizist oder Angehöriger einer Hilfsorganisation ausüben. Dadurch ist der Aufwand begrenzt, der Darstellungseffekt aber enorm.

Gelebte Multinationalität

Die Teilnehmer kommen aus verschiedensten NATO-Staaten. Präsent sind auch EU-Staaten und Beobachter, die nicht der NATO angehören. Nicht nur die Durchführung der Übung verläuft multinational: Bereits bei der Vorbereitung werden die multinationalen Partner mit einbezogen. Für JOINT COOPERATION 2017 waren das unter anderem Polen und die Niederlande. Die Vorbereitungen für JOINT COOPERATION 2018 (im November) laufen bereits.

Besonders kleineren Staaten bietet diese Übung eine qualitativ hochwertige Ausbildung, wie sie im eigenen Land – mangels verfügbarer Kräfte – oftmals nicht möglich ist. Das Niveau ist so hoch, dass die letzte Übung zugleich zur NATO-Zertifizierung deutscher CIMIC-Kräfte genutzt wurde.

geschützes Fahrzeug Joint Cooperation 2017
Ein geschütztes Fahrzeug bei der JOINT COOPERATION 2017.
Quelle: Deutsche Bundeswehr

CIMIC – Deutsche Kompetenz ist zukunftsweisend

Den Kern der Übungsorganisation und der Übungsteilnehmer bilden CIMIC-Soldaten des ZentrZMZBw. Diese Bundeswehr-­Dienststelle stellt CIMIC-Kräfte für Auslandseinsätze der Bundeswehr oder Reaktionskräfte von NATO und EU, oftmals im Verbund mit anderen Nationen. Darüber hinaus bildet das Zentrum nationale und internationale Kräfte in der Aufgabe CIMIC aus. Derzeit steht das ZentrZMZBw an der Startlinie eines Umgliederungsprozesses: Aufgrund deutscher Initiative haben sich verschiedene NATO-Staaten verabredet, durch multinationale Zusammenarbeit knappe Haushaltsressourcen besser zu nutzen. 

Unter dem Dach des sogenannten Framework Nations Concept (FNC) soll auch die Aufgabe CIMIC gebündelt und effizienter gestaltet werden. In den nächsten fünf bis sieben Jahren soll daher aus dem ZentrZMZBw eine multinationale Dienststelle entstehen. Partnernationen können sich dann mit eigenen Fähigkeiten und Personal „andocken“. Das ZentrZMZBw als Keimzelle einer solchen multinationalen „CIMIC Group“ ist sicher die richtige Wahl. Es steht für Ausbildungskompetenz, Multinationalität, Einsatz- und Zukunftsfähigkeit. Seine Visitenkarte ist: JOINT COOPERATION! 

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