Warum länderübergreifendes Katastrophen- und ­Krisenmanagement so wichtig ist

Alexandra Geckeler

TCRH Mosbach

Kompetenzen gemeinsam einsetzen – gemeinsame Aus- und Fortbildungen

Cross-Border Management, länderübergreifende Krisenmanagementübungen, Katastrophen-Übungen, (interdisziplinäres) Stabstraining…, hinter all diesen Begriffen verbirgt sich eins – die Erkenntnis der Wichtigkeit eines gemeinsamen Vorgehens bei außergewöhnlichen Lagen. Im nachfolgenden Beitrag soll diese Erkenntnis mit Beispielen aus vergangenen Übungen und den dann im Realeinsatz durchgeführten Maßnahmen und Vorgehensweisen kurz dargestellt werden und weiter dazu ermutigen, sich gemeinsam auf nicht-alltägliche Lagen und Szenarien vorzubereiten – nicht nur in Übungen, sondern auch bei gemeinsamen, interdisziplinären, organisations- und fachdienstübergreifenden entwickelten Ausbildungskonzepten.

Wenn man sich mit den Strukturen und Abläufen der verschiedenen Mitwirkenden im Bevölkerungsschutz beschäftigt, erkennt man sehr schnell, dass u. a. Übungen und Ausbildungssysteme so unterschiedlich sind, wie die Akteure selbst. Aber trotz der vielen Unterschiede lassen sich viele gemeinsame und auch verbindende Elemente erkennen (vgl. Karutz, Geier und Mitschke, 2017), und hier gilt es, bei der zukünftigen Entwicklung von gemeinsamen, interdisziplinären Ausbildungs- bzw. Trainingskonzepten anzusetzen.

Der überwiegende Teil der Helfer im Bevölkerungsschutz engagiert sich ehrenamtlich, was bei der Entwicklung von zielgruppenspezifischen aber gemeinsamen Bildungsprozessen (Übungen, Aus- und Fortbildungsangeboten) beachtet werden muss, da insbesondere der zeitliche Aspekt hier eine wichtige Rolle spielt. Kennt Helfer A die Aufgaben und Kompetenzen von Helfer B aus einer anderen Organisation, fällt auch in Übungsszenarien bereits auf, dass die Zusammenarbeit und Effektivität der abgearbeiteten Maßnahmen viel ruhiger und strukturierter von statten geht – ganz nach dem Motto: „In Krisen Köpfe und Kompetenzen kennen“.

Hier müssen in Zukunft gemeinsame Aus- und Fortbildungskonzepte ansetzen.

Neben der Ausbildung zählen auch gemeinsame Übungen zur Verbesserung der gemeinsamen Arbeit und zur Stärkung der Handlungskompetenz im Bevölkerungsschutz.

Eine Übung an der Feuerwehrschule Celle, bei der der Einsatz mit...
Eine Übung an der Feuerwehrschule Celle, bei der der Einsatz mit
Chemieschutzanzügen trainiert wird.
Quelle: Wiki Commons

Länderübergreifende Krisenmanagementübungen und deren Erkenntnisse

Die wahrscheinlich bekanntesten länderübergreifenden Krisenmanagementübungen sind die im Jahr 2002 von den Innenministern von Bund und Länder beschlossenen, in der Regel alle zwei Jahre stattfindenden, „Länderübergreifenden Krisenmanagement Exercises“ (LÜKEX). Federführend ist hier das Bundesministerium des Innern (BMI); für die Planung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung wird für jeden Übungszyklus eine behördenübergreifende Projektgruppe im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) eingerichtet. Seit 2009 ist die LÜKEX auch im § 14 des Zivil- und Katastrophenhilfegesetzt (ZSKG) gesetzlich festgeschrieben.

In der ersten Übung im Jahr 2004 wurde in den südlichen Bundesländern eine winterliche Extremwetterlage mit einem großflächigen und rund zwei Wochen andauerndem Stromausfall angenommen. Zeitlich ereigneten sich in zwei anderen Bundesländern fiktive Terroranschläge, und in Schleswig-Holstein wurde ein Anschlag auf ein Fährschiff angedroht, welches sich auf hoher See befand. Die Überlegung bei der Vorbereitung auf diese Szenarien war u. a. in Anlehnung an den Orkan „Lothar“ gewählt worden, der 1999 in der Schweiz zu mehrtägigen Stromausfällen geführt hatten. Wie realitätsnah dieser Teil des Szenarios war, zeigte sich u. a. 2005 beim realen Stromausfall im Münsterland. Auch das Thema Terroranschlag ist nicht erst seit dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz aktueller denn je in Deutschland.

In nachfolgenden Übungen, diesmal schon 2005, orientierte man sich thematisch an internationalen Großveranstaltungen und nutzte die daraus gewonnen Erkenntnisse für die Erstellung der Sicherheitskonzepte zur anstehenden Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland.

Es sollte auch die Fragestellung behandelt werden, ob Großveranstaltungen trotz potentiell hoher Opferzahlen oder auch der andauernden Bedrohung fortgesetzt werden können oder sollen.

Die Schwerpunkte der Übungen lagen bei Terroranschlägen auf öffentliche Verkehrseinrichtungen, witterungsbedingten Katastrophen sowie technischen Havarien. Hier zeigte sich auch deutlich, dass bei größeren sowie länderübergreifenden Szenarien auch private Träger Kritischer Infrastrukturen wie Unternehmen der Energieversorgung, die Deutsche Bahn, Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften mit einbezogen werden müssen und im Vorfeld mit diesen bereits Kontakte und ein Austausch erfolgen sollte.

In Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut wurde das nächste Szenario (2007) entwickelt – man ging von einer bundesweiten Influenza-Pandemie mit einer fiktiven Erkrankungsrate von 33 Prozent der Bevölkerung, ca. 400 000 Krankenhauseinweisung und ca. 100 000 Todesfällen aus. Hier zeigte sich auch die Wichtigkeit einer breit angelegten und abgestimmten aktiven Medien- und Öffentlichkeitsarbeit zur situationsgerechten Information der Bevölkerung – die sozialen Medien sind eine inzwischen nicht zu unterschätzende Informationsquelle für die Bevölkerung, aber auch für Institutionen, Firmen und die Politik geworden. 

In den folgenden Jahren wurde diese Quelle immer wichtiger, und seit 2012 gibt es u. a. sog. VOST (Virtual Operations Support) Teams, die das Social Media Monitoring bei verschiedensten Einsatzszenarien oder auch Veranstaltungen betreiben und Informationen an die örtliche Einsatzleitung oder den Einsatzstab zusammengefasst weiterleiten. Hier lassen sich auch teilweise die psychologischen Reaktionen der Bevölkerung in Krisensituationen feststellen bzw. untersuchen. Einen großen Nutzen hatte diese Übung für die Entwicklung und Überprüfung der nationalen Pandemieplanung, da auch aufgezeigt wurde, welche Auswirkungen eine Pandemie auf den nicht-gesundheitlichen Bereich hat bzw. hätte.

Im Januar 2010 ging man beim vorliegenden Szenario von einer terroristischen Bedrohung mit konventionellen Sprengstoffen sowie chemischen und radioaktiven Materialien („schmutzige Bombe“) mit mehreren fiktiven Unfällen, Anschlagsdrohungen und Sprengstoffanschlägen aus. Auch hier stand die Bewältigung von Krisen in außergewöhnlichen Gefahren- und Schadenslagen bei Tag und Nacht sowie die hierfür benötigte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen (insbesondere private Verkehrsträger für den Nah- und Fernverkehr), Hilfsorganisationen, Polizei, Feuerwehr und Bundeswehr im Vordergrund.

Diese Szenarien sind auch Gegenstand vieler aktueller Forschungsvorhaben, die sich damit beschäftigen, wie man solchen Gefahren evtl. frühzeitig bzw. im Vorfeld auf- bzw. entdecken kann und wie dann das weitere Vorgehen ablaufen müsste.

Wer ist für was verantwortlich, wer hat welche Aufgaben, wie muss eine Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten laufen, damit es zu einer erfolgreichen Bewältigung solch einer Krisensituation kommt etc.

Gerade für die Forschungsvorhaben und Projekte sind die Erkenntnisse solcher Übungen immens wichtig und tragen dazu bei, dass Aus- und Fortbildungskonzepte dementsprechend angepasst werden können.

Die Bedrohung der Sicherheit der Informationstechnik (IT) durch massive Cyber-Attacken wurde als Schwerpunktthema der folgenden Übungsserie gewählt. Grund war u. a. die steigende Anzahl an Fällen von Cyber-Kriminalität sowie die zunehmende Bedeutung der IT-Sicherheit für Staat und Gesellschaft. Zielgerichtete IT-Angriffe auf Schwachstellen in Systemen z. B. von Kritischen Infrastrukturen können zu erheblichen Beeinträchtigungen und Versorgungsengpässen im gesellschaftlichen Umfeld führen – so trifft es z. B. die Bereiche Verkehr, Finanzwesen und Kommunikation. 2017 führte ein Cyber-Angriff („WannaCry“) u. a. auf das Displaysystem der Deutschen Bahn zu größeren Problemen, aber auch in anderen Ländern der Welt verursachte die Attacke Probleme – so betraf es in Großbritannien Krankenhäuser, Logistikfirmen in den USA, Telefonfirmen in Spanien und Portugal oder auch Autobauer wie Renault in Frankreich, die ihre Produktionen stoppen mussten, was Produktionsausfälle in erheblichem Maße nach sich zog. Auch die aktuellen Berichte über den Anfang 2018 entdeckten Angriff auf die deutsche Bundesregierung zeigt die hohe Relevanz dieses Themas in unserer immer mehr digitalisierten Welt.

Um das Thema außergewöhnliche biologische Bedrohungslagen ging es bei der länderübergreifenden Übung im November 2013: Zum einen wurde eine absichtlich herbeigeführte Lebensmittelvergiftung angenommen, und in einem weiteren Szenario ging es um die internationale Ausbringung eines biologischen Erregers auf eine Großveranstaltung, die in ihrer Gesamtheit zu einer rätselhaften Krankheitswelle führte. Hier waren auch Unternehmen aus dem Lebensmittelhandel, Vertreter der Wirtschaft und verschiedene Ministerien (u. a. Bundesministerium für Gesundheit, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) mit involviert. Hierbei zeigte sich, dass auch die Krisenkommunikation untereinander, aber auch zum bzw. für den Bürger eine sehr wichtige Rolle spielt – so wurden u. a. Bürgertelefone und Giftnotrufzentralen während der Übung mit zahlreichen simulierten Anrufen von besorgten Bürgern konfrontiert. Auf Erfahrungen während des EHEC/HUS-Ausbruchs 2011, wo es zu einer vergleichbaren realen Gefahr kam, konnte hierbei darauf zurückgegriffen werden, und mit den aktuellen Erfahrungen der durchgeführten Übungsserie konnte eine Optimierung in der länderübergreifenden Krisenbewältigung angegangen werden.

Die für 2015 geplante Übung wurde aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt andauernden Flüchtlingskrise abgesagt. Geplant war ein fiktives Sturmflutszenario in der Deutschen Bucht mit mehreren schweren Sturmfluten, wo eine länderübergreifende Zusammenarbeit notwendig gewesen wäre. Im Mittelpunkt stand hier die Bewältigung und der Umgang mit der Evakuierung größerer Menschenmengen sowie Fragen zur effektiven Warnung der Bevölkerung, dem optimalen Ressourcenmanagement, der eingeschränkten Verfügbarkeit von Informations- und Kommunikationstechnologie und der Energieversorgung. Auch wenn die Übung nicht stattfand, kam es in der Vorbereitungsphase bereits zu einem breiten Austausch von Wissen, bereits vorhandenen Krisenbewältigungskonzepten und möglichen Weiterentwicklungen des bereits bestehenden Krisenmanagements für solche Situationen. Aktuell anwendbar waren diese Erkenntnisse bei den Sturm- und Hochwasserphasen der letzten Jahre oder auch den immer wieder auftretenden (Alt-)Bombenfunden, wo es neben der Evakuierung größerer Menschenmengen immer wieder um Ressourcenmanagement und eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten ging.

Welches Fazit lässt sich nun daraus ziehen? 

Nur wenn alle Akteure, staatliche und nichtstaatliche, zusammenarbeiten und als Netzwerk fungieren, kann es ein erfolgreiches und länderübergreifendes Krisenmanagement geben. Neben gemeinsamen Übungen gehören auch gemeinsame Aus- und Fortbildungen zu den Schlüsselpunkten, damit man gemeinsam die unterschiedlichsten Krisensituationen bewältigen kann.

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