Diese Frage stellen sich derzeit viele Gemeinden und Städte Deutschlandweit. Feuerkrebs und Einsatzstellenhygiene sind hier die Stichworte, die den meisten in diesem Zusammenhang durch die Köpfe geistern.
Aber wie sieht eine solche Einsatzstellenhygiene aus? Derzeit gibt es in der Feuerwehr keine Vorgabe, wie eine solche Einsatzstellenhygiene auszusehen hat. Es gibt zwar sehr viele Ideen, Ansätze und Empfehlungen, jedoch noch nichts, was über eine Dienstvorschrift einheitlich geregelt ist. Um einen optimalen Gesundheitsschutz der ehrenamtlichen Feuerwehrkameraden in der Stadtfeuerwehr Munster zu erreichen, hat sich ein Team von Kameraden innerhalb der Feuerwehr gebildet, welche sich mit dieser Thematik eingehend auseinandergesetzt hat. Fachliche Unterstützung erhielten wir durch den Kameraden Markus Bätge, dem Gründer von „Feuerkrebs.eV“.
Hoch motiviert und gut informiert, nahm die Hygienekonzeptgruppe also ihre Arbeit auf. Nach einer „IST“ Zustandsaufnahme, wurden Ziele festgelegt, welche der Stadt Munster und dem Rat vorgestellt wurden. Diese waren unteranderem:
- Einführung von Trainingsanzügen (Wechselbekleidung) und Reinigungsmaterial auf allen Feuerwehrfahrzeugen im Stadtgebiet. (Dieses verschaffte uns zeitlich Luft für weitere Ziele)
- Austausch aller Flammschutzhauben, gegen partikeldichte Flammschutzhauben
- Anschaffung einer neuen, qualitativ hochwertigeren PSA
für jeden Feuerwehrkameraden - Anschaffung eines GW-Logistik mit Rollcontainern
- Anschaffung eines Dekomobils auf Anhängerbasis
- Austausch aller Helme
Aus unserer Sicht war die Umsetzung dieser Punkte notwendig, um den Kameraden den Anforderungen entsprechenden Schutz zu bieten und so eine Kontaminationsverschleppung zu verhindern. Es sind schließlich nicht nur die Einsatzkräfte vor Ort, die gefährdet sind, sondern auch die Mitglieder der Jugendfeuerwehr, der Kinderfeuerwehr und der restlichen Einsatzabteilung, die nicht an einem Einsatz beteiligt waren und letztendlich auch deren Familien. Denn Feuerwehrkräfte, die nicht optimal geschützt wurden, durch eine Kombination aus zeitgemäßer PSA und einer professionellen Dekontamination, können Stäube, Fasern und Substanzen, in die Fahrzeuge, in die Feuerwehrhäuser und im schlimmsten Fall bis in den privaten Bereich hineintragen. Für uns stand also fest, der Schwarzbereich muss an der Einsatzstelle verbleiben, um eine Kontaminationsverschleppung zu verhindern.
Rund um die PSA wurde mittels eines monatelangen Trageversuchs das Optimum an Schutz ermittelt. Die Notwenigkeit eines GW-Logistik, samt Rollcontainern für einen sicheren Transport von kontaminiertem Material war auch gut begründet.
Der „Leistungskatalog“ des Dekomobils sah da schon etwas länger aus, folgende Eckpunkte waren dem Hygienekonzeptteam aber wichtig:
- Schnelle Einsatzbereitschaft, ohne großen Aufbau von Zelten oder Pavillons
- Schnelle Warmwasserversorgung zum Duschen
(maximal 20 Minuten), ohne Warmwasserspeicher - Abwassertank unter dem Anhänger mit vorgeschaltetem mehrstufigen Filtersystem
- Luftfilteranlage, um noch mögliche Partikel aus der Umgebungsluft zu filtern
- Eine separate WC-Anlage
- Ein PSA-Auswurf in einen außenstehenden Wäschewagen
- Eine autarke Batterieversorgung
- Eine UV-Wasserdesinfektionsanlage
- Die Möglichkeit, ausreichend Wechselbekleidung mitzuführen
- Ausreichende Außenbeleuchtung (Umfeldbeleuchtung)
- Blaulicht (zur Einsatzstellenabsicherung)
Das Zusammenspiel all dieser Komponenten ermöglicht es uns, eine Rüstzeit von maximal 15 Minuten nach Eintreffen am Einsatzort zu erreichen. Diese recht kurze Zeit bis zur Einsatzbereitschaft ist wichtig, damit das gesamte Konzept auch gelebt und akzeptiert wird.
Niemand möchte spät in der Nacht, nach einem Mülltonnenbrand, lange unter Atemschutz stehen und warten bis er die Möglichkeit bekommt sich einer optimalen Einsatzstellenhygiene zu unterziehen.
Der Faktor Zeit ist auch der Grund warum wir uns für die Stationierung innerhalb des Stadtgebietes und nicht zentral im Landkreis entschieden haben. Denn das System ist nur dann wirkungsvoll, wenn es auch bei kleinsten Bränden, bei denen mit Schadstoffen zu rechnen ist, zum Einsatz kommt. Im Nachfolgenden ist die dazugehörige Dienstanweisung zu lesen:
Dienstanweisung zur Einsatzstellenhygiene der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Munster
1. Zweck / Allgemeines
1.1 Zweck
Aufgrund der Möglichkeit des Vorhandenseins von genmanipulierenden und schadstoffbelasteten Stoffen an Einsatzstellen soll diese Dienstanweisung (Einsatzstellenhygiene) zur Sicherstellung der Gesunderhaltung der Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Munster als Grundlage verwendet werden.
Einsatzkräfte der Feuerwehr sind verstärkt giftigen, krebserregenden oder krebsfördernden Stoffen ausgesetzt. Darum gilt gerade im Bereich der Feuerwehr der Grundsatz, Inkorporation (also der Aufnahme von körperfremden Bestandteilen in den Organismus) auszuschließen und unnötige Kontamination und Verschleppung zu vermeiden.
1.2 Allgemeines
An jeglichen Einsatzstellen, an denen eine Einsatzkraft durch Einatmen von Schadstoffen (Atemgifte) gefährdet wird, ist grundsätzlich ein geeigneter Atemschutz zu tragen. Dies gilt auch für vermeintlich kleine oder harmlose Einsatzstellen wie Mülltonnen, Mülleimer, Unrat oder auch Müllhaufen.
Es muss immer davon ausgegangen werden, dass gesundheitsgefährdende Stoffe freigesetzt werden. Bei Nachlösch-, Aufräumarbeiten und an kalten Einsatzstellen (2h nach Einsatzende), muss darauf geachtet werden, dass ein geeigneter Atemschutz eingesetzt wird.
Alle kontaminierten Einsatzkräfte sowie deren PSA (Persönliche Schutzausrüstung) und sämtliche Gerätschaften müssen nach dem Einsatz dekontaminiert, gereinigt bzw. getauscht werden.
Für diesen Auftrag stellt uns die Stadt Munster u. a. einen Gerätewagen Einsatzstellenhygiene (GW Hygiene) bereit.
1.3 Rechtliche Grundlagen
Als Grundlage für diese Dienstanweisung und die daraus resultierenden Vorgaben wurden folgende Gesetze, Verordnungen, Regeln und Empfehlungen hinzugezogen:
- Niedersächsisches Brandschutzgesetz (hier wird u. a. die Verantwortung der Kommune für die Feuerwehr geregelt);
- DGUV 049 (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung;
hier werden weitreichende Regelungen zum Arbeitsschutz dargestellt); - FwDV 500 (Feuerwehr Dienstvorschrift 500; hier werden taktische Regeln für Einheiten im ABC-Einsatz dargestellt);
- Technische Regeln für Gefahrstoffe (u. a. zum Umgang mit Asbest);
- Empfehlungen zur Einsatzstellenhygiene der FUK (Feuerwehrunfallkasse).
2. Einsatzabläufe und Vorgehensweise (Dienstanweisung)
2.1 Einsatzgrundlage
Der GW Hygiene besteht aus dem Zugfahrzeug inkl. Beladung sowie einer mobilen Dusche, in der Wechselbekleidung vorgehalten wird.
Die Beladung des Zugfahrzeuges besteht aus:
2 x Rollcontainer Atemschutz,
2 x Rollcontainer Schlauch,
2 x Container zur Aufnahme von kontaminierter Bekleidung,
1 x Rollcontainer Einsatzstellenhygiene.
Die Rollcontainer Atemschutz und Schlauch gibt es jeweils in zwei Farben: rot und grün.
Die Container mit der grünen Plane beinhalten immer saubere Gerätschaften, während in den Containern mit der roten Plane nur verschmutzte, kontaminierte Gerätschaften eingelagert werden dürfen. Im Idealfall rückt das Fahrzeug in der Stärke 1/2 aus.
Grundsätzlich wird der GW Hygiene bei allen Einsatzstichworten ab F1 alarmiert. Der Einheitsführer nimmt in dem Fall über Funk Kontakt zum Einsatzleiter auf und fragt ab, ob und was an der Einsatzstelle benötigt wird. Ab dem Einsatzstichwort F2 fährt der GW Hygiene die Einsatzstelle selbstständig an. Im Falle einer überörtlichen Alarmierung einer der Ortsfeuerwehren zu einem Brandeinsatz wird der GW Hygiene ebenfalls alarmiert und rückt zur Einsatzstelle mit aus.
Bei allen anderen Einsätzen obliegt es dem Einsatzleiter, ob er den GW Hygiene alarmieren lässt.
2.2 Einsatzablauf
An der Einsatzstelle angekommen, meldet sich der Einheitsführer beim Einsatzleiter und bekommt von diesem eine geeignete Aufstellfläche zugewiesen.
Bei Einsatzstellen mit einer Atemschutzsammelstelle wird der GW Hygiene dem Leiter Atemschutzsammelstelle unterstellt.
Die Besatzung des GW Hygiene baut den Reinigungsplatz auf, tauscht Atemschutzgeräte und Schläuche aus dem Fahrzeug (grüne Container) mit gebrauchten Geräten der Ortsfeuerwehren aus und unterstützt die Einsatzkräfte beim Ablegen ihrer PSA.
2.3 Dekontamination der beteiligten Personen
Die eingesetzten PA-Trp. (Pressluftatmer-Trupps) kommen am Reinigungsplatz an und werden vom Fahrzeugführer GW Hygiene in Empfang genommen und mit der Gardena-Spritze mit Wasser benetzt. Die Besatzung vom GW Hygiene unterstützt ab hier bei der Ablage der PSA.
- Ausziehen der Feuerwehrhandschuhe, als Ersatz bekommt der Trp. (Trupp) Einmalhandschuhe; Ablegen des Helms, dieser wird im Anschluss durch den PA-Trp. grob gereinigt;
- Absetzen der Flammschutzhaube inkl. Atemschutzmaske und angeschlossenem Lungenautomaten. Als Ersatz bekommt die Einsatzkraft eine FFP3 Maske, um vor Inkorporation von Schadstoffen geschützt zu sein;
- Handschuhe und Flammschutzhaube werden in einen dafür bereitgestellten Behälter geworfen;
- Im Anschluss wird der PA (Pressluftatmer) abgelegt und in einer Transportbox für kontaminierte PA verstaut;
- Das Ablegen des HRT (Handheld Radio Terminal = Handsprechfunkgerät) der Knickkopflampe, die im Anschluss durch den PA-Trp. grob gereinigt wird;
- Es erfolgt die Grobreinigung der Stiefel in der Stiefelwaschanlage und das Ablegen der Stiefel;
- Betreten des Duschanhängers und Entkleiden;
- Die PSA aus dem Auswurfschacht ist in den bereitgestellten Container zu werfen, (dazu gehören Jacke ohne IRS-Gurt, Hose);
- Dusche betreten
- Restliche Bekleidungsstücke (Unterwäsche, Socken, IRS-Gurt und Hosenträger) sind in einem blickdichten Beutel zu verpacken und über die Schleuse im Duschraum auszuschleusen;
- Duschen gemäß Fachempfehlungen (kalt abduschen, danach einseifen und warm abduschen);
- Zum Abschluss wird der Umkleideraum betreten;
- Es erfolgt die Ansage der Kleidergröße. Die entsprechende Bekleidung und Handtücher werden von einer Einsatzkraft vom GW Hygiene in die Schleuse gelegt;
- Beim Verlassen der Dusche sind Handtuch und Badelatschen in die dafür vorgesehenen Behälter zu werfen;
- Vor der Dusche erhält die Einsatzkraft ihren Helm, Stiefel und die persönlichen Bekleidungsstücke zurück;
- Einsatzkräfte, die nicht übermäßiger Schadstoffbelastung ausgesetzt waren, waschen sich Gesicht und Hände zeitnah an den auf den Fahrzeugen mitgeführten Hygienebords.
2.4 Dekontamination der Gerätschaften
Sämtliche Gerätschaften, die im Laufe des Einsatzes genutzt bzw. benötigt wurden, müssen zwingend vor dem Verlasten auf dem Fahrzeug gereinigt werden.
Dies kann zum einen durch Reinigen unter fließendem Wasser oder aber auch durch Zuhilfenahme von Reinigungsmittel erfolgen. Alle Gerätschaften, die nicht ausreichend gereinigt werden konnten, können nicht in der Mannschaftskabine verbleiben, sondern werden sicher verstaut im Geräteraum transportiert. Atemschutzgeräte und Schläuche werden direkt am GW Hygiene gegen neue saubere Geräte / Schläuche getauscht (bei größeren Einsatzlagen über den Schlauchwechselwagen LK (Landkreis)). Gebrauchte Schläuche und PA werden in den entsprechenden Containern mit den roten Planen verlastet.
2.5 Nachbereitung des Einsatzes
Am Feuerwehrhaus Munster muss der Abwassertank des Duschanhängers entleert und die einzelnen Kammern ausgespritzt und gereinigt werden. Handtücher, Seife und Wechselwäsche müssen überprüft und notfalls ergänzt werden. Die Gasflaschen müssen ebenfalls überprüft und ggfs. getauscht werden.
Die verschmutzen PA werden aus dem roten Rollcontainer entnommen und in der Waschhalle, unter Verwendung von FFP3-Masken, grob vorgereinigt, bevor sie in die Atemschutzwerkstatt gebracht werden. Je nach Verschmutzungsgrad entscheidet der Atemschutzgerätewart oder sein Stellvertreter, ob die PA der FTZ (Feuerwehr Technische Zentrale) zugeführt werden, um sie dort einer Reinigung zu unterziehen. Der Bestand der sauberen PA wird wieder auf 9 Geräte ergänzt.
Die gebrauchten, verschmutzten Schläuche sowie die kontaminierte Bekleidung verbleibt auf dem GW Hygiene und wird der Reinigung zugeführt bzw. in der FTZ gegen saubere Schläuche getauscht.
Gerätschaften, die an der Einsatzstelle nur grob oder unzureichend gereinigt werden konnten, werden in der Waschhalle bzw. am Waschplatz der einzelnen Feuerwehrhäuser noch einmal gründlich gereinigt, bevor sie wieder im Fahrzeug verlastet werden. Hierzu ist ebenfalls eine FFP3-Maske zu tragen.
Einsatzkräfte, die während des Einsatzes nur leicht kontaminiert wurden oder sich verschmutzt haben, werfen ihre PSA ebenfalls in einen der Container für Bekleidung, so dass auch diese gereinigt wird.
In der Zeit, in der die PSA in der Reinigung ist, hängt der Atemschutzgeräteträger seine zweite Ausstattung an den Haken, um weiterhin einsatzbereit zu sein. Für alle Nicht-PA-Träger gibt es einen Bekleidungspool, aus dem saubere PSA entnommen werden kann.
Nach jedem Einsatz hat eine Meldung an die Stadt zu erfolgen, so dass diese dann die Expositionsdatenbank führen kann.
Fazit
Zusammen mit dem Rat und der Verwaltung der Stadt Munster, war es uns möglich, all diese Ziele, für den größtmöglichen Gesundheitsschutz der Einsatzkräfte umzusetzen. Um aber zur Ausgangsfrage zurückzukehren, ein hundertprozentiger Schutz ist auch mit unserem System nicht zu gewährleisten, auch wenn wir schon sehr dicht dran sind, so ist immer noch Luft nach oben.
Crisis Prevention 3/2023
Dirk Stratmann
Stellv. Stadtbrandmeister
Freiwillige Feuerwehr Stadt Munster
29633 Munster