Seit 170 Jahren ohne Frau im Präsidium

Wie zeitgemäß ist die Deutsche Feuerwehr im Hinblick auf Gleichstellung?

In den Gremien des Deutschen Bundesverbands als auch in den Landesverbänden der Feuerwehr sind Frauen kaum vertreten.
Feuerwehrverband BW

Wächst der Frauenanteil in der Feuerwehr mit der aktuellen Geschwindigkeit weiter, steht Deutschland im Jahr 2035 bei einer Quote von nicht einmal 15 Prozent in der Freiwilligen Feuerwehr. In der Berufsfeuerwehr läge sie vermutlich noch weit darunter. Mit einem modernen Bevölkerungsschutz ist das nicht zu vereinbaren. CP hat die Frauenbeauftragte des Deutschen Feuerwehrverbands, Birgit Kill, gefragt, warum es mehr Frauen in der Feuerwehr braucht, und was getan werden muss, um sie für die Feuerwehr zu gewinnen.

„Altherren-Verband“ nannte ihn der Bundestagsabgeordnete Janosch Dahmen, nachdem der Deutsche Feuerwehrverband die einzige Frau, die sich bei der Wahl des neuen Präsidiums aufgestellt hatte, nicht gewählt wurde. Birgit Kill ist Landesfrauensprecherin der Feuerwehren NRW und Bundesbeauftragte für Gleichstellung. Drei Jahre hintereinander hatte sie für das Amt des Vizepräsidenten im DFV kandidiert. Zuletzt im Jahr 2023. Bei der 70. Delegiertenversammlung in Coburg wurde Hermann Schreck zum zweiten Mal bestätigt und ist nun insgesamt 13 Jahre im Amt.

Frauen sind, trotz Bemühungen in den Verbänden, auch insgesamt eine deutliche Minderheit in der Feuerwehr. Zwar steigt ihr Anteil kontinuierlich an, aber auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. In den vergangenen 15 Jahren hat sich der Frauenanteil bei den Freiwilligen Feuerwehren um gerade einmal 4 Prozent auf aktuell rund 11 Prozent erhöht. Bei den Berufsfeuerwehren liegt der Anteil bei nur etwa 3 Prozent und damit deutlich unter der Quote anderer Einsatz- und Hilfsorganisationen. Zum Vergleich: In den letzten 20 Jahren ist der Frauenanteil bei der Polizei um zehn Prozent gestiegen und liegt aktuell bei 30 Prozent. Noch deutlicher zeigt sich der Anstieg beim THW. Hier sind 2024 42 Prozent der hauptamtlich Tätigen Frauen. Ende 2023 engagierten sich in Deutschland rund 11 800 Frauen ehrenamtlich im THW - das sind immerhin knapp 17 Prozent. Bei den Frauen in hauptamtlichen Führungspositionen ist ein Anstieg von rund 22 Prozent im Jahr 2022 auf mehr als 33 Prozent im Jahr 2024 zu verzeichnen. 

Eine von ihnen ist Sabine Lackner, die im Jahr 2023 zunächst Vizepräsidentin und schließlich zur THW-Präsidentin gewählt wurde. Ihr Ziel ist es, den Anteil der Frauen auch im Ehrenamt weiter zu erhöhen. 

„Wir im THW glauben fest daran, dass eine ausgewogene Geschlechterverteilung im THW nicht nur unsere Effektivität erhöht, sondern auch unsere Fähigkeit stärkt, den Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden", erläutert THW-Präsidentin Sabine Lackner in einer Mitteilung zum Weltfrauentag.

Um den Anteil an Frauen im Ehren- und Hauptamt weiter zu stärken, so der Bundesverband, „setzt sich das THW insbesondere für mehr Sichtbarkeit von Frauen ein. Viele Beiträge auf den Websites und in den Sozialen Medien zeigen die Frauen im THW, die verschiedenen Aufgaben, die sie wahrnehmen und ihre Erfahrungsberichte. Regelmäßige Netzwerktreffen wie der Helferinnen-Tag fördern den Austausch von Frauen im THW.“

Dabei hat auch die Deutsche Feuerwehr eigentlich kein weibliches Nachwuchsproblem. Ende 2021 engagierten sich 89.708 Mädchen und damit knapp 30 Prozent in der Jugendfeuerwehr. Woran liegt es, dass sich die Zahl im Übergang zur aktiven Feuerwehr so drastisch reduziert?

„Ein wichtiger Punkt wäre, das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung von Frauen in der Feuerwehr zu schärfen und gängige Stereotype über "typische" Frauenberufe zu überwinden“,

sagt Birgit Kill, die sich als Landesfrauensprecherin der Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen (NRW) und als Bundesfrauensprecherin im Deutschen Feuerwehrverband (DFV) für die Interessen und Belange der Frauen in den Feuerwehren in Deutschland einsetzt. 

Sie entwickelt als Projektkoordinatorin Frauen in der Feuerwehr“ verschiedene Strategien und Maßnahmen, um Frauen in der Feuerwehr zu fördern und neue weibliche Mitglieder zu gewinnen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Stärkung der bereits aktiven Frauen in der Feuerwehr, sagt Kill. Durch Sensibilisierungskampagnen und gezielte Öffentlichkeitsarbeit soll das Bewusstsein für die Bedeutung von Frauen in der Feuerwehr geschärft werden. 

Birgit Kill vertritt als Frauenbeauftragte die Interessen von Frauen in den...
Birgit Kill vertritt als Frauenbeauftragte die Interessen von Frauen in den Deutschen Feuerwehren.
Quelle: VdF NRW

Der Bevölkerungsschutz profitiert von einem hohen Frauenanteil in der Feuerwehr

Bei der Frauenfrage in der Feuerwehr geht es nicht nur um den Aspekt der Gleichstellung. Der Bevölkerungsschutz profitiert insgesamt von einem hohen Frauenanteil:

„Frauen bringen eine Vielfalt an Erfahrungen, Fähigkeiten und Sichtweisen in die Feuerwehr ein, die zu einer inklusiven und vielfältigen Organisation beitragen,“ sagt Birgit Kill. „Dies fördert eine positive Teamdynamik und verbessert die Zusammenarbeit im Einsatz. Frauen können auch eine wichtige Rolle bei der Stärkung und Ergänzung des Teams spielen, indem sie unterschiedliche Fähigkeiten, Kompetenzen, Herangehensweisen und Lösungsansätze einbringen, die dazu beitragen, die Effektivität und Effizienz der Feuerwehrarbeit zu verbessern.“

Während Einsätzen könnten Frauen konkret dazu beitragen, dass in bestimmten Situationen, z.B. bei Rettungseinsätzen mit Kindern oder anderen Frauen, eine besondere Sensibilität und Empathie gezeigt wird, die den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht wird. Gleichzeitig können Frauen die Organisationsentwicklung positiv beeinflussen. Die Anwesenheit von Frauen fördere eine ausgewogenere Entscheidungsfindung und schaffe damit eine umfassendere Sichtweise auf die verschiedenen Herausforderungen im Feuerwehrdienst.

„Insgesamt tragen mehr Frauen dazu bei, die Gesamtleistung der Feuerwehren zu verbessern und die Organisation für die Zukunft zu stärken.“

Nicht zuletzt sicherten Frauen auch zahlenmäßig den Nachwuchs an Einsatzkräften für die Zukunft, so Kill.

Außerdem ist die Frauenbeauftragte überzeugt, dass wir Frauen als Vorbilder für andere Frauen brauchen, „um das Vertrauen und die Akzeptanz in der Gemeinschaft zu stärken.“ Die Präsenz von Frauen in der Feuerwehr spiegele auch die Vielfalt der Bevölkerung besser wider.

Der DFV zeigt insgesamt zu wenig Initiative

Der letzte ernsthafte Versuch des Deutschen Feuerwehrverbands (DFV) durch Öffentlichkeitsarbeit den Frauenanteil zu erhöhen, liegt mittlerweile schon 15 Jahre zurück. Mit seiner Kampagne „Frauen am Zug“ aus 2008 wirbt der Bundesverband aber immer noch auf seiner Homepage um Frauen. Doch anders als im THW, stehen vor allem Männer im Vordergrund der Öffentlichkeit des wichtigsten Deutschen Feuerwehrverbands.

„Es wird leider zu wenig getan“, sagt Birgit Kill, „und dies, obwohl mit Rekrutierungs- und Öffentlichkeitskampagnen, Mentoring-Programmen, der Schaffung von Netzwerken und Unterstützungsstrukturen speziell für Frauen durchaus gute Ansätze existieren. Entscheidend ist die richtige und direkte Ansprache - die Frauen müssen sich von Anfang an angesprochen fühlen.“ 

Immerhin sorgt der Verband der Feuerwehren Nordrhein-Westfalen (VdF NRW) seit 2023 für neue und moderne Akzente in der Ansprache von Frauen. Mit einer der größten Werbekampagnen der letzten Jahrzehnte wirbt er für mehr Frauen in den Freiwilligen und Berufsfeuerwehren. Unter dem Leitsatz „Frauen machen Feuerwehr“ soll eine multimediale, landesweite Kampagne mit ausdruckstarken Bildern und prägnanten Aussagen entstehen.

Der VdF NRW möchte mit seiner Kampagne Frauen machen Feuerwehr Frauen für die...
Der VdF NRW möchte mit seiner Kampagne "Frauen machen Feuerwehr" Frauen für die Feuerwehr begeistern.
Quelle: VdF NRW

Wichtig ist aber auch, Frauen in den Feuerwehren zu vernetzen und ihre Zusammenarbeit zu stärken, betont Kill. Zu den wichtigsten Netzwerken in Deutschland gehört, neben vielen lokalen Gruppen, das Netzwerk Feuerwehrfrauen e.V.. Es vernetzt weibliche und männliche Feuerwehrangehörige aus Berufsfeuerwehren, Werkfeuerwehren und Freiwilligen Feuerwehren, sowie Unternehmen. Die Hauptaufgaben des Netzwerks Feuerwehrfrauen e. V. sind nach eigenen Angaben die Vernetzung von Feuerwehrfrauen, die Bereitstellung von Kontaktdaten und Informationen, das Erstellen von digitalem Informations- und Printmaterial und Broschüren und das Bekanntmachen des Berufsbildes. Mit seinem jährlichen Bundeskongress hat das Netzwerkes zusätzlich eine hochkarätige Fortbildungsveranstaltung etabliert. Der nächste Bundeskongress findet am 11. Und 12. Oktober in Leverkusen statt.

Die Deutschen Feuerwehrverbände müssen sich jetzt klare Ziele setzen

Die Integration von Frauen in die Feuerwehr bleibt eine langfristige, kulturverändernde Aufgabe, die kontinuierliche Anstrengungen auf verschiedenen Ebenen erfordert,“ betont Birgitt Kill, die von 2021 bis 2023 für das Amt der Vizepräsidentin im Bereich der Freiwilligen Feuerwehr kandidiert hatte. Gesetzliche Regelungen und Verordnungen, die den Frauenanteil in bestimmten Bereichen festlegen, gibt es bereits. Es wäre wichtig, so Kill, dass diese Vorschriften vollständig umgesetzt und eingehalten werden, um sicherzustellen, dass Frauen die gleichen Chancen und Rechte wie ihre männlichen Kollegen haben.  

Doch in den Gremien beinahe aller Landesfeuerwehrverbände sucht man Frauen vergeblich. Diese Tatsache trägt nicht unerheblich zu den teils stagnierenden Frauenanteilen bei der Feuerwehr bei. Um die Sichtbarkeit und Akzeptanz von Frauen zu erhöhen, muss aus den Verbänden ein klares Signal kommen: Frauen vertreten die Feuerwehr genauso gut wie Männer.

Wächst der Frauenanteil dagegen mit der aktuellen Geschwindigkeit weiter, steht Deutschland noch im Jahr 2035 bei einer Quote von gerade einmal 15 Prozent in den Freiwilligen Feuerwehren und vermutlich weit darunter in den Berufsfeuerwehren. Mit einem modernen Bevölkerungsschutz ist das nicht zu vereinbaren. Deshalb würde eine verbindliche Frauenquote in den Führungsebenen der zentralen Landesfeuerwehrorganisationen aber auch im Deutschen Feuerwehrverband Sinn machen.

Der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) hat die Chance bisher verpasst, eine Frau...
Der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) hat die Chance bisher verpasst, eine Frau ins Präsidium zu wählen.
Quelle: DFV

Letztendlich muss es das Ziel jeder Bevölkerungsschutzorganisation sein, Frauen zu ermutigen, zu stärken und zu unterstützen, erklärt Birgit Kill.

„Damit sie ihr volles Potenzial entfalten und gleichberechtigt mit ihren männlichen Kollegen einen wertvollen Beitrag zur Sicherheit unserer Gesellschaft leisten können.“

Sie geht davon, dass der Verband der Feuerwehren in NRW sie wieder als Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin vorschlagen wird. Die nächste Gelegenheit wird allerdings erst im Jahr 2027 sein. In den nächsten drei Jahren wird sich an der homogenen Besetzung im Präsidium des Deutschen Feuerwehrverbands also kaum etwas verändern. Kill zeigt sich dennoch zuversichtlich: "Es bleibt zu hoffen, dass wir bis dahin weitere männliche Führungskräfte gewinnen können, um dies nach über 170 Jahren ohne Frauen endlich zu ändern."


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