Reform der Notfallversorgung: aktuelle Initiative des Bundesgesundheitsministeriums

Nachdem die Anfang 2020 angestoßene Reform der Notfallversorgung mit einem Entwurf aus dem BMG, damals noch unter Leitung von Jens Spahn, aufgrund „Corona“ zum Erliegen gekommen ist, hat nunmehr das BMG unter neuer Leitung Anfang Juni einen neuen Entwurf eines Notfallgesetzes (NotfallG) zur Reform der Notfallversorgung in Deutschland vorgelegt, mit dem Ziel, dass dieses Gesetz noch in diesem Jahr verabschiedet wird. Die Chancen hierfür stehen gut, da anders als beim Gesetzesentwurf Anfang 2020 grundsätzliche Änderungen bei der Finanzierung aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung und Steuermitteln sowie bei den Verantwortlichkeiten und Mitbestimmungsrechten zwischen Bund, Ländern und Kommunen nach derzeitigem Stand nicht geplant sind.

Reform der Notfallversorgung: aktuelle Initiative des...
Quelle: DFV

Ziel des Gesetzes ist es ausdrücklich, die drei Versorgungsbereiche des (vertrags)ärztlichen Notdienstes, der Notaufnahmen in Krankenhäusern und des Rettungsdienstes im Sinne eines echten Kooperationsgedankens besser zu vernetzen und aufeinander abzustimmen. Damit ist eine verbesserte und effizientere Steuerung von Hilfesuchenden in die jeweils richtige Versorgungsebene angestrebt, was zu finanziellen Einsparungen, insbesondere aber zu einer sachgerechten Auslastung des Personals insbesondere im Vergleich zur heutigen Überlastung gerade im Rettungsdienst führen soll.

Die wesentlichen Bereiche der Neuerungen im Gesetz und die zugehörigen Positionen des DFV sind in diesem Positionspapier zusammengefasst.

1. notdienstliche Akutversorgung und Akutleitstelle

Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung wird um eine notdienstliche Akutversorgung 24/7 erweitert. Der bisherige „Fahrdienst“ im Rahmen des vertragsärztlichen Not- bzw. Bereitschaftsdienstes wird damit erstmals mit Gesetzesrang geregelt. Der Leistungsrahmen wird zudem deutlich ausgeweitet, da auch dieser aufsuchende Dienst zu regulären Praxiszeiten vorzuhalten ist.

Diese Regelung wird ausdrücklich begrüßt, da hiermit die Erwartung verbunden ist, dass in diesem Zusammenhang insbesondere die Versorgung derjenigen Patienten übernommen wird, bei denen ein Transport in ein Krankenhaus nicht notwendig ist und die zurzeit zur Überlastung der Rettungsdienste beitragen. Die Vorschriften sehen vor, dass das zugehörige nichtärztliche Personal auch in Kooperation mit dem Rettungsdienst eingesetzt werden kann, was eine Anbindung über die Leitstelle des Rettungsdienstes bzw. des neuen „Gesundheitsleitsystems“ (s.u.) ermöglicht.

Ein zeitlicher Rahmen für die aufsuchende notdienstliche Akutversorgung ist bislang nicht vorgesehen. Um die Akzeptanz für den aufsuchenden nichtärztlichen Dienst bei der Bevölkerung sicherzustellen und ein Ausweichen auf den Notruf zu vermeiden, sollte der zeitliche Rahmen nicht über drei Stunden liegen.

Begrüßenswert ist in diesem Zusammenhang auch die geplante Verzahnung mit telemedizinischen Konsilen in der Kinder- und Jugendmedizin. Es sollte erwogen werden, diese auch auf andere Fachrichtungen auszuweiten.

Die ebenfalls neu vorgesehene Akutleitstelle soll bei der Terminvermittlung in Akutfällen und bei der Wahrnehmung der aufsuchenden notdienstlichen Akutversorgung vermitteln. Dabei ist angedacht, dass diese 24/7 spätestens innerhalb von 3 Minuten in 75 % der Anrufe und innerhalb von 10 Minuten in 95 % der Anrufe erreichbar ist. Hier bietet es sich an, ebenfalls mit Blick auf die Akzeptanz bei Anrufern zur Vermeidung des Ausweichens auf die Rufnummer 112 die Zeit zur Anrufannahme im Median bei 1 Minute und in 90% der Anrufe bei 3 Minuten festzuschreiben.

2. Integrierte Notfallzentren (INZ)

Die Einrichtung von INZ zur Vernetzung von Notdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigungen und Notaufnahmen der Krankenhäuser mit einer zentralen Ersteinschätzungsstelle und der Verbindung mit Kooperationspraxen niedergelassener Ärzte für eine 24/7-Versorgung unter einem Dach ermöglicht eine unmittelbare Versorgung von Patienten in der richtigen Versorgungsebene außerhalb des Rettungsdienstes. Dabei ist auch eine Flexibilisierung bei der Arzneimittelversorgung in Akutfällen vorgesehen, die einen sinnvollen Baustein der reibungslosen Patientenversorgung darstellt. Auch mit diesen gesetzlichen Maßnahmen besteht die Chance, eine Entlastung des Rettungsdienstes weiter auszubauen.

Dabei sollte erwogen werden, auch weitergehende Regelungen zur Patientenübergabe durch den Rettungsdienst an die INZ und die Kooperationspraxen für Patienten zu schaffen, die nicht der Notfallrettung bedürfen.

3. Gesundheitsleitsystem

Das Notfallgesetz sieht vor, dass die Träger der Rettungsleitstellen und die Kassenärztlichen Vereinigungen als Träger der Akutleitstelle auf Antrag des Trägers der Rettungsleitstelle eine Kooperation eingehen können und sodann im Rahmen einer digitalen Vernetzung dieser Leitstellen verbindlich zusammenarbeiten und ein „Gesundheitsleitsystem“ bilden. Diese gesetzliche Vorgabe entspricht den bereits in allen Bundesländern zu verzeichnenden Entwicklungen der letzten Jahre zur telefonischen Weiterleitung von Anrufern und der digitalen Weitergabe der erhobenen Daten zwischen den Rettungsleitstellen unter der Rufnummer 112 und den Kassenärztlichen Vereinigungen unter der Rufnummer 116117 mit der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Verfügung gestellten technischen Schnittstelle. Grundlage der Kooperation ist eine schriftliche Kooperationsvereinbarung, welche die wesentlichen Anforderungen nach den gesetzlichen Vorgaben sicherstellt, insbesondere die Verwendung eines standardisierten Ersteinschätzungsverfahrens bei den Kassenärztlichen Vereinigungen sowie eine digitale standardisierte Notrufabfrage in den Rettungsleitstellen sowie eine medienbruchfreie Datenübertragung mithilfe der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Verfügung gestellten technischen und inhaltlichen Schnittstelle. Auch dies entspricht den tatsächlichen Entwicklungen. Das Ersteinschätzungsverfahren SmeD wird bereits flächendeckend in der ambulanten Versorgung bei den Kassenärztlichen Vereinigungen genutzt. Die digitale standardisierte Notrufabfrage ist durch die Fachgremien des DFV und der AGBF-Bund ausdrücklich empfohlen.

Ergänzend wäre hier eine Regelung zu den weiteren Kosten auch für die Installation der zugehörigen Ressourcen auf Seiten der Rettungsleitstellen sowie der gesetzlich angelegten Evaluation und Qualitätssicherung und auch der Verhandlungen und des Abschlusses der vorgesehenen Kooperationsverträge durch die Kostenträger des SGB V zu begrüßen.

Eine sinnvolle Ergänzung der Kooperation zwischen Akutleitstelle und Rettungsleitstelle wären weitergehende Vorgaben zur unmittelbaren Patientenvermittlung auch durch die Rettungsleitstellen an Arztpraxen, Pflegedienst, palliativ Betreuung oder ähnlichem.

Ob und inwieweit über die Kooperation hinaus eine weitere Formen der Zusammenarbeit bis hin zu einer gemeinsamen Trägerschaft etabliert werden soll, überlässt der Gesetzgeber in dem Entwurf des Notfallgesetzes richtigerweise den Kooperationspartnern.

4. Bewertung des Gesetzesentwurfes

Der Gesetzesentwurf enthält aus Sicht der Deutschen Feuerwehren grundsätzlich einen guten Ansatz für eine notwendige Reform zur Versorgung und Steuerung der Patienten im Zusammenspiel zwischen Gefahrenabwehr und Gesundheitsvorsorge. Eine Entlastung des funktionierenden Systems des Rettungsdienstes ist insbesondere durch die höhere Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigungen im Bereich des Sicherstellungsauftrages für notdienstliche Akutversorgung und Akutleitstelle 24/7 im Entwurf angelegt. Ein wesentliches Element dabei wird auch die Möglichkeit der Einbindung von entsprechend qualifizierten nichtärztlichen Personals sein.

Umgekehrt kann die engere Zielausrichtung zur Zusammenarbeit und zur Patientenversorgung in den INZ zur Erhöhung der Leistungserbringung im Rettungsdienst, insbesondere bei den Fahrzeiten und damit auch der Vorhaltung führen. Durch den Wegfall von Akutfällen und Notfällen, die über die ambulante vertragsärztliche Versorgung abgedeckt werden können, ist eine Entlastung und damit auch ein reduzierter Aufwand auf Seiten der Feuerwehren in den Rettungsleitstellen unter der Rufnummer 112 und bei der tatsächlichen Patientenversorgung zu erwarten.


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