Im Februar hatte CP die Möglichkeit, mit Experten vom Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) NRW über das neue Bekleidungskonzept der NRW-Landespolizei zu sprechen. PD Robert Freund, Dezernatsleiter in der Abteilung 3, Martina Rieger, Dipl.-Ing. Bekleidungstechnik und LZPD-Pressesprecherin Nadine Perske sprachen über Produktentwicklungen, ergonomische und physiologische Funktionen der neuen Einsatzkleidung und die Akzeptanz seitens der Einsatzkräfte. Das Interview führte Sarah Heggen, CP-Redaktion.
CP:
Bitte stellen Sie sich unseren Lesern kurz vor: Was ist das LZPD und wie ist es aufgebaut?
LZPD:
Das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD NRW) nimmt als eine von drei Landesoberbehörden der Polizei, neben dem Landeskriminalamt und dem Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten, landeszentrale Aufgaben der Unterstützung und Koordinierung für die 47 Kreispolizeibehörden wahr.
Besondere Bedeutung hat im LZPD die landesweite Beschaffung von Dienstleistungen und Verbrauchsgütern für die NRW-Polizei. Gegliedert ist das LZPD in sechs Abteilungen: Die Zentralabteilung übernimmt als Servicedienststelle die Verwaltungsaufgaben für die weiteren Abteilungen und Projektorganisationen im LZPD. Die Abteilungen 1 und 2 beschäftigen sich mit IT-Anwendungen, -Sicherheit, -Infrastruktur sowie Prozessmanagement und Softwareentwicklung.
In der Abteilung 3 ist die Landeszentrale polizeiliche Technik angesiedelt. Neben den Kraftfahrzeug- und Waffenwerkstätten gehört auch das Polizeibekleidungscenter Nordrhein-Westfalen zur Abteilung 3. In der Abteilung 4 sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig für behördenübergreifende Einsatz- und Verkehrsangelegenheiten sowie die Koordination von Einsatzkräften, wie der Bereitschaftspolizei, den Spezialeinheiten und der Polizeifliegerstaffel. Die Abteilung 5 ist als Autorisierte Stelle NRW die maßgebliche technische und taktisch-operative Entscheidungsinstanz in allen Fragen rund um den Digitalfunk.
CP:
Das LZPD initiierte und begleitet die Anpassung der neuen Polizeiuniformen in NRW. Wie kam es zur Umstellung des Bekleidungskonzepts?
LZPD:
Die Uniformen wurden in Anpassung an Europa vor sechs Jahren von „Grün auf Blau“ umgestellt. Für den Polizeialltag wurden zwei Uniformvarianten – eine für den Außendienst und eine für den Innendienst – konzipiert. Spezielle Uniformteile folgten, wie etwa die Fahrrad- und Motorradbekleidung. Im Entwicklungsprozess wurde neben der Farbumstellung das Bekleidungskonzept im Hinblick auf die bekleidungsphysologischen und sicherheitsrelvanten Aspekte umgestellt.
So wurden reflektierende Materialien, wie neongelbe Passen und retroreflektierende Elemente, wie z. B. der Schriftzug „POLIZEI“, nach „DIN EN ISO 20471 Hochsichtbare Warnkleidung“ in die Fahrradkleidung integriert. Die Fahrradbekleidung ist durch die Oberbekleidung wasserdicht und die Unterbekleidung transportiert den Schweiß zugleich ab. Ganzheitliche Konzepte, die von innen nach außen und von oben nach unten aufeinander abgestimmt sind, gelten für alle Einsatzbereiche.
CP:
Wie gestaltet sich das neue Konzept für die Ausstattung der Bereitschaftspolizei?
LZPD:
Wir arbeiten mit modernen Stoffen, die leichter, stabiler, atmungsaktiver und multifunktional sind. Die Einsatzkombi-Jacke lässt sich mit der Einsatzkombi-Hose per Reißverschlusssystem verbinden, sodass man die Uniform als Overall tragen kann. Die Materialien für die Bekleidung der Bereitschaftspolizei sind alle permanent flammenhemmend und antistatisch. Um die Protektoren unter der Kleidung gut an- und ausziehen zu können, sind Reißverschlüsse in den Bekleidungsteilen vorgesehen.
Die Jacke der Kleidungskombination ist eng anliegend geschnitten. Darüber wird dann eine Schlag- und Stichschutzweste getragen. Wiederum darüber kann eine Einsatzschutzjacke getragen werden, die dann die Schlag- und Stichschutzweste verdeckt. Die Körperschutzausstattung wird von den Kollegen in NRW defensiv getragen und ist nicht von außen sichtbar.
CP:
Was sind die Gründe für das defensive Bekleidungskonzept?
LZPD:
Zum einen wirkt die Gesamterscheinung nicht so martialisch, zum anderen schafft man durch diese Trageweise z. B. in Hinblick auf die Flammenhemmung ein Luftpolster zur Kleidung. Wir legen viel Wert darauf, dass die Beweglichkeit erhalten bleibt, Schweiß abtransportiert und die Belastung durch Hitze für den Körper gering gehalten wird. Das gelingt uns durch das Zusammenspiel der Materialien.
Vor Produkteinführung testeten 150 Bereitschaftspolizisten und -polizistinnen für mehrere Wochen die Einsatzbekleidung auf Praxistauglichkeit; die Funktionalität und die Trageeigenschaften standen dabei im Vordergrund.
CP:
Sind Erfahrungen aus dem Einsatzgeschehen in die Entwicklung der neuen Einsatzbekleidung eingeflossen?
LZPD:
Ja und darüber hinaus konzipieren das LAFP und die Bereitschaftspolizei spezielle Feuerschutz- und Feuerlöschübungen, in denen reale Situation mit Gefahrenquellen, wie Feuer oder Pyrotechnik, getestet werden. Hier bekommen wir entsprechende Rückmeldungen zu möglichen Auswirkungen auf die Bekleidung. Diese Erkenntnisse fließen dann in die Neukonzeption ein.
Großen Stellenwert legen wir darauf, dass bei der Weiterentwicklung von Einsatzbekleidung und Schutzausstattung die Rückmeldungen der Nutzer aufgenommen werden. Dazu gibt es verschiedene Besprechungen, spezielle Foren und Chats, die wir auswerten und bedienen, um die Akzeptanz der späteren Schutz- und Einsatzkleidung zu erhöhen.
CP:
Beim neuen Bekleidungskonzept wird der Fokus auf die Qualität gesetzt. Finden die hochwertigen Materialien entsprechende Akzeptanz bei den Einsatzkräften?
LZPD:
Ja, denn nicht zuletzt erlauben uns die hochwertigen Materialien einzelne kleinere Komponenten zu ersetzen und ein ganzheitliches Konzept zu erarbeiten. Im Sinne eines einheitlichen Konzepts für die jeweiligen Einsatzbereiche werden die einzelnen Komponenten aufeinander abgestimmt – von der Unterwäsche bis zum Oberbekleidungsteil.
CP:
Wie erfolgt die Qualitätssicherung in Ihrem Hause?
LZPD:
Handelt es sich um neue Firmen und Produkte, finden Prüfungen zur Qualitätssicherung während der Fertigung statt. In den produzierenden Firmen erfolgen beispielsweise Zuschnittkontrollen, Schnittüberprüfungen oder die Kontrolle einzelner Verarbeitungsprozesse durch unsere drei Dipl.-Ingenieurinnen.
Zusätzlich werden Prüfungen am Endprodukt in den beiden Bekleidungscentern in Lünen und Köln durchgeführt. Dabei prüfen wir Konfektion oder das Ausfallen der Größe von Einzelelementen, wie der Funkgerätetasche. Im Vorfeld werden vorgelegte Gewebewerkszeugnisse geprüft, Materialproben entnommen oder das Material auf Wasserdichtigkeit geprüft.
CP:
Wie bewerkstelligen Sie die Gradwanderung zwischen Akzeptanz und Funktionalität der Kleidung?
LZPD:
Das ist häufig ein Drahtseilakt. Die richtige Balance zu finden, ist eine Herausforderung. Unser primäres Ziel ist es, die mehr als 42.000 Polizeibeamten und -beamtinnen im Land NRW mit einer hoch funktionalen und möglichst hochwertigen Schutzausstattung und Uniform auszurüsten, die sich auf dem neusten Stand der Technik befindet. Insgesamt mussten mehr als 30.000 neue blaue Uniformkomplettsätze beschafft werden, das sind etwa 1,8 Millionen Uniformteile. Im Einzelnen bedeutet das u. a. die Bestellung von 32.500 Wachdienst-Kurzjacken, 12.500 Herren-Innendienstuniformen, 300.000 Hemden und Blusen und 80.000 Schuhen.
CP:
Wie verhält es sich mit dem Gewicht einer Vollmontur?
LZPD:
Hier spielen Größe und Konfektion der Polizeibeamten und -beamtinnen eine entscheidende Rolle. Ein Motorradanzug der Größe 54 wiegt beispielsweise insgesamt 6,3 kg (Hose: 2,62 kg, Jacke: 3,68 kg). Bei der Bereitschaftspolizei wiegen Protektoren und Schutzweste bedeutend mehr.
CP:
Neben Protektoren zum Schutz vor Angriffen gibt es auch Technikkomponenten, wie z. B. die Body-Cams, zum Schutz des Polizisten. Erste Pilotprojekte laufen derzeit in Hessen und bei der Bundespolizei in Düsseldorf. Wie sehen Sie diesen Einsatz von diesem technischen Hilfsmittel?
LZPD:
Wir beobachten den Pilotversuch der Polizei in Hessen mit Spannung. Auch das NRW-Innenministerium schaut gespannt auf die Ergebnisse dieses Modellversuches. Im Laufe dieses Jahres wird es eine Entscheidung, ob und inwieweit diese Technik in NRW eingeführt wird, geben.
CP:
Sie sprachen davon, dass das ganzheitliche Bekleidungskonzept einem stetigen Entwicklungsprozess unterliegt. Wie sehen künftige Entwicklungen aus?
LZPD:
Die Entwicklung schreitet kontinuierlich voran. Zahlreiche Bekleidungsteile werden nicht mehr genäht sondern verschweißt. Die Passform zur Verstärkung einzelner Körperpartien entwickelt sich auch stetig weiter, ebenso Gewebe und Material. Hier wird sich künftig einiges bewegen.
CP:
Vielen Dank für das informative Gespräch. Ihnen und den Einsatzkräften wünschen wir weiterhin viel Erfolg im täglichen Einsatz.
Crisis Prevention 1/2016
Sarah Heggen