20.02.2023 •

Fake News – Risiko, Modeerscheinung, logische Konsequenz?

Dominic Heytens

Fake news on internet in digital age, conceptual illustration
Bits and Splits

„Desinformationen durchdringen Gesellschaften weltweit!“ Diese Überschrift leitete einen Artikel der Friedrich-Naumann-Stiftung ein, welcher über eine internationale repräsentative Umfrage zum Thema Fake News bzw. Desinformationen berichtete. Demnach haben 54 Prozent der Befragten Schwierigkeiten damit, zwischen Nachricht und Falschmeldung zu unterscheiden.

Nach Eingabe des Begriffs ‚Fake News‘ und ‚Falschinformation‘ (alternativ Des- oder Fehlinformation) im Internet, zeichnet sich eine hohe Komplexität und inflationäre Verwendung der zwei Begriffe ab, weshalb zunächst eine Begriffsbestimmung erforderlich ist, um sie voneinander abzugrenzen. Falschmeldungen basieren vielfach auf schlechter Recherche oder nicht verifizierten Informationen, Fake News hingegen wollen gezielt konstruierte Fehlinformationen an den Adressaten übermitteln. Unabhängig von der Recherche- oder Verifizierungsqualität des Konsumenten ist eine Differenzierung zwischen „wahrheitsgetreuer“ und „falscher“ Nachricht schwierig. Insbesondere weil ihr optisches Erscheinungsbild seriösen Quellen stark ähnelt.

US-Präsident Donald Trump bescherte dem Begriff Fake News während seiner Amtszeit einen kräftigen Popularitätsschub, wenngleich es sich dabei um kein neues Phänomen handelte. Bereits in den vergangenen Jahrhunderten existierten bewusst konstruierte Falschnachrichten. 1835 berichtete beispielsweise die New York Sun, der Astronom Sir John Herschel hätte von Südafrika aus mit einem neuartigen Teleskop Fledermausmenschen auf dem Mond entdeckt. Die Zeitung veröffentlichte insgesamt sechs Artikel über diese vermeintlich existierenden Wesen. Nicht nur in den USA, sondern auch in Europa herrschte damals große Euphorie über die Entdeckung. Jedoch räumte der Chefredakteur im Herbst 1835 ein, dass es sich um eine frei erfundene Geschichte handelte. Vermutlich um die Auflage zu steigern.

Vor dem Internetzeitalter zirkulierten Fake News mitunter Tage bis Wochen, bis sie sich Konsumenten erreichten. Heute lassen sie sich per Knopfdruck nicht nur in rasender Geschwindigkeit übertragen, sondern insbesondere durch soziale Netzwerke sehr gut verbreiten. Das Internet ist in Deutschland Konsummedium Nummer eins in der Altersgruppe der 16 – 24-Jährigen, selbst in der Altersgruppe der 64 – 74-Jährigen nutzt es weit mehr als die Hälfte. So verwundert es nicht, dass Erzeuger von Fake News auf die ungefilterte virale Massenverbreitung setzen.

Bei Fake News kann es sich um harmlose Scherze von Internet-Usern handeln (auch als HOAX bekannt; engl. Scherz), die sich viral verbreiten und kein bestimmtes Ziel verfolgen. Zu den Klassikern gehört die seit Jahren kursierende Meldung „Bill Gates verschenkt sein Geld“. Gegenstück hiervon sind bewusst gestreute und gelenkte Desinformationen eines Staates mit dahinterstehenden ideologischen oder strategischen Interessen. Entweder um in der Bevölkerung Unruhe oder Verunsicherungen zu erzeugen oder die Regierung des Ziellandes zu diskreditieren. Beispielsweise zirkulieren zahlreiche von Russland gelenkte unwahre Meldungen zum Ukraine-Krieg mit dem Versuch einer illegitimen Einflussnahme, der Erzeugung gesellschaftlicher Spannungen sowie in der Bevölkerung Misstrauen gegenüber der Regierung hervorzurufen.

Dazwischen existieren zahlreiche kleine Interessensgruppen, die individuelle Ziele verfolgen, mit den gestreuten Falschmeldungen aber dennoch zur Meinungsbildung beitragen können. Hierzu gehören Fake News zur Corona-Pandemie und der Covid-19-Schutzimpfung. So nutzten gemäß Bundesverfassungsschutzbericht 2021 u.a. Mitglieder der Reichsbürger- oder Selbstverwalter-Szene das Internet, um Desinformationen hierüber zu verbreiten. Alternative Medien griffen viele dieser Meldungen auf, verbreiteten sie weiter und verstärkten hierdurch Demonstrationsaktivitäten. Die Urheberschaft von Fake News beschränkt nicht nur auf harmlose User, Staaten oder ideologische Phänomenbereiche. Auch andere Interessensgruppen, unabhängig ob fundamentalisiert/radikalisiert oder nicht, bedienen sich an Fake News und unterstellen wiederum dem Staat die Verbreitung von Unwahrheiten.

Die Tragweite von Fake News lässt sich auf drei Ebenen erfassen:

Fake News – Risiko, Modeerscheinung, logische Konsequenz?

Je nach erreichter Ebene können aus der Desinformation heraus antidemokratische bzw. antistaatliche Interessensgruppen mit unterschiedlich radikaler Ausprägung entstehen.

Wie viele Fake News zirkulieren, lässt sich nicht beziffern. Themenabhängig können sie allerdings in hoher Anzahl kursieren, da sie inzwischen eine effektive Taktik für die Verfolgung gewünschter Ziele darstellen. Hinsichtlich ihres Erscheinungsbildes kann es sich um nachgebaute Internetseiten handeln, die ohne geschultes Auge nicht von einer seriösen Quelle zu unterscheiden sind. Darüber hinaus existieren hunderte identifizierte Fake Accounts in sozialen Netzwerken, welche ihre Desinformation kostengünstig und mit hoher Reichweite verbreiten. Selbst Wahlen und Kriegsverläufe lassen sich damit beeinflussen.

Ein weiterer Schritt zur Manipulation und Beeinflussung von Meinungen oder Lenkung von Diskussionen sind Social Bots - geschriebene Computerprogramme, die automatisiert Meinungen oder Kommentare generieren. Dahinter stehen keine realen Menschen, daher können sie so pro Tag mehrere tausend Kommentare in sozialen Netzwerken hinterlassen und Meinungen beeinflussen. Bis zu 66 % der auf Twitter geposteten Nachrichten zum Thema COVID-19 stammen gemäß einer Studie von Bots. Bei 3,03 Millionen untersuchten Tweets zu Beginn der Pandemie 2020 entfielen 3953 auf Bots, durchschnittlich 768 pro Bot. Je nach Entwicklungstiefe können sie Konversationen führen und sich auf passende Inhalte aus dem Internet beziehen, so dass für den „realen“ Nutzer der Bot dahinter nur schwer erkennbar ist. Gepaart mit der menschlichen Anfälligkeit, Fehlinformationen zu glauben und weiterzugeben, haben sie das Potenzial Verläufe einer bestimmten Sache zu verändern.

Ihre Tragweite ist sehr different und reicht von gering bis zu gesellschaftszersetzend, wobei Experten ein höheres Einflusspotenzial auf wirtschaftliche oder politische Prozesse sehen. Insbesondere in schon bestehenden Krisenphasen, sodass Teile der Bevölkerung verunsichert oder Gesellschaften gar destabilisiert werden können.

Mit dem technischen Fortschritt und dem vermehrten Einsatz künstlicher Intelligenz drängt eine weitere digitale Form der Desinformation ins Internet: Deep Fakes. Es handelt sich dabei um authentisch wirkende Manipulationen von Audio-, Video und Tonaufnahmen. Durch die technologische Möglichkeit, eine beliebige Person alles „sagen zu lassen“, was der Programmierer möchte, ergeben sich neben dem Spaßfaktor bei witzigen Internetvideos neue Potenziale in der Verbreitung von Fake News und der Manipulation einer Gesellschaft. Der (politische) Schaden nach Einsatz von Deep Fakes bei Politikern kann immens sein, wenn ein Vertrauensverlust der Gesellschaft in die Politik oder betroffene Behörden eintritt. Die Intentionen, einen solchen Aufwand für die Programmierung von Social Bots oder Deep Fakes zu betreiben, sind vielfältig. Sie reichen von der Generierung höherer Marktanteile bis hin zur Verbreitung extremistischer Propaganda oder der Beeinflussung von Politik und Gesellschaft.

Fake News – Risiko, Modeerscheinung, logische Konsequenz?

Welche Möglichkeiten stehen dem Nutzer zur Identifikation von Fake News offen? Grundsätzlich gilt: Je professioneller die Ausgestaltung, desto schwieriger ist das Erkennen. Auf den ersten Blick banal erscheinende Maßnahmen können zumindest einen Teil der Fake News entlarven. Hierzu gehören:

Bei allen positiven technischen Errungenschaften, die unseren Arbeitsalltag erleichtern, kann das Positive nicht über Gefahren hinwegtäuschen. So liegt die Aufgabe von Identifikation und Abwehr von Fake News nicht allein bei den Landes- und Bundesbehörden, sondern bei jedem einzelnen Nachrichtenkonsumenten.

Besonders in Zeiten der Krise und gesellschaftlicher Polarisierung ist das Hinterfragen von Nachrichten höchst relevant, um potenziell entstehenden Schaden schon frühzeitig abzuwenden und sich selbst, die Gesellschaft und den Staat vor einer Irreführung zu schützen.



Mehr zu den Themen:

Verwandte Artikel

Cybersicherheit: Bedrohungslage bleibt angespannt, aber Resilienz gegen Angriffe steigt

Cybersicherheit: Bedrohungslage bleibt angespannt, aber Resilienz gegen Angriffe steigt

Die Sicherheitslage im Cyberraum ist weiterhin angespannt. Zugleich stellen sich Staat, Wirtschaft und Gesellschaft stärker als bisher auf die Bedrohungen ein und haben ihre Resilienz erhöht.

Unsichtbares Risiko – Firmware als potenzielle Schwachstelle beim Schutz betrieblicher Anlagen

Unsichtbares Risiko – Firmware als potenzielle Schwachstelle beim Schutz betrieblicher Anlagen

Das Spektrum der Angriffsvektoren ist breit und kann die Lieferkette, die physische Infrastruktur, technische Systemkomponenten, das Personal oder die IT-Systeme betreffen.

Polnischer Vizepremier Krzysztof Gawkowski besuchte das BSI

Polnischer Vizepremier Krzysztof Gawkowski besuchte das BSI

Der polnische Vize-Regierungschef und Digitalminister Dr. Krzysztof Gawkowski hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) am Standort Bonn besucht

:

Photo

Entwickung Cybercrime 2023/2024

Die Bedrohung im Cyberraum ist so hoch wie noch nie. Aber es gibt auch wirksame Präventionsmöglichkeiten und hervorragende Bekämpfungserfolge. All das lässt sich an der aktuellen Entwicklung in…