Lizenz zum Funken für „ZELOS“
Das Ordnungsamt Berlin-Neukölln als neuer Nutzer im BOS-Digitalfunknetz
Christiane Strauß
Seit Jahren bestand im Land Berlin Einigkeit darüber, die 2004 gegründeten Ordnungsämter perspektivisch an das BOS-Digitalfunknetz anzubinden. Damals gab es jedoch noch keine bundeseinheitliche Regelung zur Aufnahme neuer Nutzer in den Teilnehmerkreis des Digitalfunk BOS.
Die Voraussetzung dafür wurde erst mit der Funkrichtlinie Digitalfunk BOS (der Anerkennungsrichtlinie vom 7. Juli 2021) ermöglicht.
Neukölln und Reinickendorf als Piloten
Nach Einführung der Funkrichtlinie Digitalfunk BOS – Anerkennungsrichtlinie und der damit verbundenen Öffnung des Netzes für neue Nutzergruppen, beantragte auch der Berliner Bezirk Neukölln die Anbindung an das BOS-Digitalfunknetz. Mit der im Juni 2022 erhaltenen Zusage, konnte das Onboarding für die beiden Piloten – das Ordnungsamt Neukölln und das Ordnungsamt Reinickendorf – starten.
Der gesamte Onboardingprozess war dank professioneller Unterstützung durch die Autorisierte Stelle Digitalfunk Berlin (AS Berlin), die Bundesanstalt für den Digitalfunk BOS (BDBOS), die Abteilung Informations- und Kommunikationstechnik der Berliner Polizei (IUK A 27), das THW und die Polizeiakademie Berlin im Oktober 2023 nach nur 16 Monaten abgeschlossen.
Notwendigkeit der Anbindung der Berliner Ordnungsämter
Die Berliner Ordnungsämter wurden im Jahr 2004 mit dem primären Ziel gegründet, die Polizei Berlin durch Übernahme von Aufgaben der Straßenverkehrsbehörde – wie z. B. das „Knöllchenschreiben“ im ruhenden Verkehr - zu entlasten und die bereits in der Zuständigkeit der Bezirke liegenden Aufgaben zur Herstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wahrzunehmen. Im Laufe der Zeit wurden den Ordnungsämtern weitere hoheitliche Aufgaben übertragen, so dass sie heute zuständig sind für:
- den Jugend- und Nichtraucherschutz
- die Einhaltung der Regelungen in Parkanlagen sowie Lärmschutz
- Lebensmittelkontrollen der Gastronomie in den Bezirken sowie Kontrollen von großen Lebensmittelbetrieben und Lebensmittelproduktionen
- den Tierschutz
- die Sicherstellung ordnungsgemäß verlaufender Wahlen
- die Einhaltung straßenrechtlicher Genehmigungen und Erlaubnisse
- Marktfestsetzungen
- die Einhaltung von Ladenöffnungszeiten
- die Prüfung der Zuverlässigkeit von Sicherheitsleuten im Bewachergewerbe
- die Durchsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes
- Gewerbezulassungen und –entziehungen, die Siegelung von Gewerbegeschäften, Zuverlässigkeitsprüfungen für das Betreiben von Gewerben sowie die Bebußung (auch durch Vermögensabschöpfung) von Gewerben bei Verstößen inkl. Strafanzeigenstellung bei der Polizei
Im Rahmen von Besonderen Aufbauorganisationen für Einsätze wie z. B. dem Karneval der Kulturen, dem Berlin Marathon oder auch der Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr sind die Ordnungsämter in die Einsatzmaßnahmen der Polizei Berlin so eng eingebunden, dass die Möglichkeit der Schaltung einer TBZ (taktisch-betriebliche Zusammenarbeit) -Rufgruppe eine große Erleichterung darstellt.
Das Ordnungsamt Neukölln arbeitet bei derartigen Großveranstaltungen mit einer vorgeschobenen Leitstelle. Dafür wurde ein Kleintransporter mit Arbeitsplatz beschafft, der mit einem Festfunkgerät ausgestattet wird. Die Listenführung der Umsetzungen von Kraftfahrzeugen erfolgt über Tablet und Laptop und wird mit Abfertigung eines Straßenzuges an die Auskunfts- und Fahndungsstelle (AusFaSt) der Polizei Berlin übersandt, die wiederum den Anrufer unverzüglich über den Umsetzort informiert. Insbesondere bei mobilen Lagen wie am 1. Mai kann durch die Anbindung über eine TBZ (taktisch betriebliche Zusammenarbeit)-Funkgruppe vermieden werden, dass die Mitarbeitende vom Ordnungsamt von Demonstrationszügen eingekesselt und über einen nennenswerten Zeitraum arbeitsunfähig werden. Derartige vorübergehende Arbeitsunfähigkeiten verursachen sowohl beim Ordnungsamt als auch bei den beauftragten Umsetzern erhebliche Kosten und Verdienstausfälle.
Das Ordnungsamt Neukölln arbeitet in hochprofessionalisierten, sogenannten Verbundeinsätzen unter anderem besonders eng mit der Polizei Berlin, der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, der Steuerfahndung und auch dem Zoll zusammen. Im Verbund werden Gewerbekontrollen, Jugend- und Nichtraucherschutzkontrollen, Geldwäschedelikte, Steuerfahndungen, Kontrollen zur Vermeidung von Schwarzarbeit sowie die Handwerksrolle gemeinsam überprüft. Die Einsatzplanung sowie die Durchführung von Einsätzen ist sehr komplex und erfordert insbesondere vor Ort viel Austausch mit den Teilnehmenden im Verbund.
Der Digitalfunk BOS ist für die Ordnungsämter ein zwingend notwendiges Werkzeug zur Koordination und Einsatzbewältigung - sei es bei Verbundeinsätzen, in Katastrophenfällen oder schlicht zur Koordination der Streifen bei Erfüllung der allgemeinen ordnungsrechtlichen Aufgaben.
Der Prozess des Onboardings
Der Onboarding-Prozess für die Piloten Reinickendorf und Neukölln setzte sich aus vielen einzelnen Bausteinen zusammen. Erforderlich zur erfolgreichen Anbindung der beiden Ordnungsämter war zunächst die Zustimmung der Beschäftigtenvertretungen, sowohl durch den Hauptpersonalrat als auch durch die bezirklichen Beschäftigtenvertretungen. Weitere Voraussetzungen waren eine Dienstvereinbarung über den Gebrauch und die Voraussetzungen der Nutzung der Geräte, die Benennung der Anzahl der Geräte, deren beabsichtigte Nutzung und die Gewährleistung hinreichender Sicherheitsmechanismen. So müssen die Geräte aufgrund der zugeordneten BSI-Sicherheitskarten unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen in gesicherten Ladeschränken aufbewahrt werden. Vor diesem Hintergrund führte und führt das Ordnungsamt Neukölln verschiedene Umbaumaßnahmen durch. Die derzeit im 2. Stock befindliche Leitstelle wird als Anlaufpunkt, ähnlich einer Polizeiwache, ins Erdgeschoss verlagert. Neben der Leitstelle wird ein Geräteraum eingerichtet, der sämtliche Sicherheitsanforderungen an die Aufbewahrung der Funkgeräte aber auch weiterer technischer Geräte des Ordnungsamts – wie künftig auch der Bodycam – erfüllt.
Teil des Onboarding Prozess war die Festlegung des Funkrufnamen. Den Ordnungsämtern wurde durch die AS Berlin der Rufname „ZELOS“ – in der griechischen Mythologie die Personifikation des eifrigen Strebens – zuerkannt worden.
Ein wichtiger Aspekt war die Frage, bei welcher Stelle der Notruf-Dienst aufläuft. Nach sorgfältiger Abwägung wurde entschieden, den Notruf für die Ordnungsämter Neukölln und Reinickendorf an die Polizei Berlin anzubinden, da die Außendienstmitarbeitende der Ordnungsämter im Rahmen ihrer hoheitlichen Maßnahmen zur Durchsetzung der Vollzugshilfe und auch zur Eigensicherung oft auf die Polizei Berlin und deren Ausstattung angewiesen sind.
Mit Blick auf die finanzielle Situation der Bezirke und die Anzahl der Mitarbeitenden im Amt verständigten sich die Pilotbezirke Neukölln und Reinickendorf zunächst auf den Einsatz von zehn Handfunkgeräte, beschafft aus dem Pool der Polizei Berlin.
Die Beschulung der Mitarbeitenden stellte hier eine besondere Herausforderung dar. Einerseits ist der gesamte Außendienst aus dem Schichtdienst für entsprechende Schulungen zu befreien, zum anderen ist es nicht einfach, Angebote qualifizierter und erfahrener Funker zu finden. Hier gilt der Dank der Ordnungsämter ganz besonders der BDBOS und dem THW, für ihre herausragende Schulungen, aber auch der Polizeiakademie der Polizei Berlin, die eigens einen zweitägigen Sonderkurs für die Mitarbeitenden der Ordnungsämter im Oktober 2023 organisierte.
Ausblick
Mitte Oktober 2023 wurden alle Außendienstkräfte des Ordnungsamtes Neukölln und auch Reinickendorfs durch die Polizeiakademie Berlin sowie einen Mitarbeiter der BDBOS aus dem Referat Funknetzplanung und -konfiguration beschult. Unser ausdrücklicher Dank gilt den Mitarbeitenden der Landesstelle Digitalfunk BOS Berlin für die umfangreiche Begleitung durch diesen Prozess.
Beim Notruf, der durch Betätigung der Notruftaste eines Funkendgeräts ausgelöst wird, werden bestehende Gespräche ggf. unterbrochen und der Notruf erhält Vorrang. Zudem erfolgt mit dem Absetzen des Notrufs automatisch die Übermittlung der aktuellen GPS-Position des Absenders, sodass die Person lokalisiert werden kann. Zusätzlich wird der taktische Status „Notfall“ versendet. Der Sprachteil des Notrufs, die Position und der taktische Status werden automatisch an die örtlich zuständige Notrufannahmestelle geleitet. |
Dieser Artikel erschien zuerst im WELLENREITER, Ausgabe Winter 2023.
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Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS)
Autorin: Christiane Strauß, Bezirksamt Neukölln von Berlin - Ordnungsamt
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