Neue Arbeitsgruppe „Rückfall-Kommunikation“ im Referat 7 „IuK“ der vfdb

Frank Tonat

K-Funk PTT Portal/Frank Tonat

Mit der Veröffentlichung des Merkblatt 07/02 „BOS Routing und Navigation“ durch die Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes e.V. (vfdb) konnte die Arbeit an diesem interessanten Thema vorerst abgeschlossen werden. Zukünftige Aktualisierungen wird es aber in jedem Fall geben. Neben der laufenden Arbeitsgruppe zum Thema „Geodaten-Informationssysteme in der Feuerwehr“ wurde bei der letzten hybriden Arbeitssitzung des Referates 7 der Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes (vfdb) das omnipräsente Thema der in besonderen Einsatzlagen notwendigen Kommunikations-Rückfallebenen aufgenommen. Die Erkenntnisse der Expertenkommission „AG Starkregen“ in der vfdb, Rückmeldungen und Erfahrungen von anderen Sonderlagen wie der Ahrtal-Flut, der Ukraine-Krise, Unwetterereignissen, und die zahlreichen Vegetationsbrände in Deutschland und Europa zeigen die Notwendigkeit der Beschäftigung innerhalb der BOS im Allgemeinen, und im Speziellen der vfdb mit dem Themenkomplex der krisensicheren Kommunikations-Rückfallebenen.

Grundthese und Ziele

Die neu gebildete Arbeitsgruppe 1 „Rückfall-Kommunikation“ im Referat 7 der vfdb beschäftigt sich nun mit diesem sehr umfangreichen Themenbereich.

Die Grundthese: Es kann keine perfekt passende Einzellösung für alle denkbaren Belange geben. Die aktuellen Ereignisse zeigen eine geringe Resilienz der BOS und des Zivilschutzes durch wenige einzelne und zueinander inkompatible Systeme und ein Missverhältnis zwischen den Vorplanungen und den Erwartungshaltungen von BOS, KRITIS und Bürgern.

Das Ziel der AG1 ist die Entwicklung einer Handlungsempfehlung zur Kompensation von Störungen der Standard-Telekommunikation in der Gefahrenabwehr, der Verwaltung und bei Betreibern kritischer Infrastruktur (KRITIS).

In den kommenden Monaten sollen in verschiedenen Arbeits­paketen Projekte und Anwendungen, die bereits genutzt oder am Markt angeboten werden, identifiziert werden. Eine Markt­erkundung und Konzeptsuche sollen ein möglichst vollständiges Bild verfügbarer und geeigneter technischer und organisatorischer Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Der Erfahrungsaustausch mit BOS- und KatS-Einheiten soll bei der auf existente und praktikable Lösungen ausgerichteten Arbeitsgruppenarbeit eine hohe Priorität erhalten. Abgerundet werden soll die zu erstellende Handlungsempfehlung durch eigene Tests sowie einsatz- und anwendungsfallbezogene Bewertungen.

Phase 1 – Projekte und Anwendungen

In der ersten Phase der Arbeitsgruppenarbeit wurden und werden besonders die aktuellen Bezüge berücksichtigt. Ein erstes Beispiel zur Anwendung neuer Technik konnte im Rahmen der Aktivitäten süddeutscher Hilfsorganisationen in einer aktuellen Flüchtlings-Lage identifiziert werden. Ein weiteres interessantes Beispiel wurde ebenfalls im Umfeld einer bayerischen Hilfsorganisation gefunden. Im Rahmen der sanitätsdienstlichen Absicherung des „Rock Park Festivals 2022“ in Nürnberg wurde neue Technik zur Sicherstellung der Datenkommunikation für Führung und Dokumentation eingesetzt.

Sprachkommunikation in Krisengebieten

Mehrere süddeutsche Hilfsorganisationen unterstützen in aktuellen Krisen- und Flüchtlings-Lagen mit zahlreichen Herausforderungen rund um einen ungeplanten und lang andauernden Einsatz. Wie bei jeder Lage ist die funktionierende Kommunikation in der oberen Führungsebene, sowie auch die Erreichbarkeit einzelner Einsatzmittel unabdingbar für einen nachhaltigen Einsatzerfolg.

Die Herausforderungen der Hilfsorganisationen im Bereich der Kommunikation sind im Besonderen:

  • notwendige Sprachkommunikation der oberen und mittleren Führungsebenen
  • Einsatzgebiet erstreckt sich auf Regionen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland. Somit ist eine Abdeckung der Kommunikationsanforderungen durch das deutsche BOS-Digitalfunk Netz nicht gegeben.
  • Inkompatible BOS-TETRA Netze angrenzender Staaten, wodurch die vorhandenen Handfunkgeräte z.T. nur für Kurzdistanz-Kommunikation im Direkt-Modus (DMO) verwendet werden können
  • Einsatz erfolgt teilweise in Krisengebieten mit einer zum Teil zerstörten oder überlasteten öffentlichen Kommunikationsinfrastruktur (Telefon, öffentliches Mobilfunknetz
  • Unterschiedlichste Einsatzmittel in Verwendung, z.B. Erkundungsfahrzeuge, Logistikkomponenten, Flüchtlings- und Verletztentransporte
  • Notwendigkeit einer großflächigen Abdeckung einer zur Anwendung vorgesehenen Kommunikationsmöglichkeit. Einsatzorte und Bereitstellung innerhalb Deutschlands, Korridore in das Krisengebiet und angrenzende Länder.

K-Funk im Hilfs-Einsatz

Die Einsatzorganisationen bedienen sich eines neuen Funkdienstes mit dem Namen „K-Funk“. Trotz der Unabhängigkeit von terrestrischer Infrastruktur ist dieser auf dem IRIDIUM Satelliten-Netzwerk basierender Sprechfunkdienst nicht mit klassischen Satelliten-Telefonen zu vergleichen.

K-Funk steht für „Kritische Führungskommunikation im Kata­strophenfall“. Zum Einsatz soll K-Funk sowohl bei örtlich begrenzten als auch bei großflächigen Schadenslagen und Hilfskontingent- und Auslandseinsätzen zum Einsatz kommen. Bei Störung, Ausfall oder nicht-Vorhandensein der gewohnten, durch die BOS im „Normalmodus“ genutzten Kommunikationsinfrastrukturen, wie dem BOS-Digitalfunknetz, regionale Funknetzte z.B. analoge Gleichwelle und den öffentlichen Mobilfunknetzen kann der neue Funkdienst eine Rückfallebene sein.

Auch der Problematik der fehlenden Berechtigungen im BOS-Digitalfunknetz, mangelhafter Geräteprogrammierung und lokale Überlastung im Falle bundeslandübergreifender oder Auslandseinsätze kann mit dem neuen Funkdienst entgegengewirkt werden.

Herkömmlichen Satelliten-Telefonie stellt immer eine Punkt-zu-Punkt Verbindung dar, beispielsweise vom Einsatzleiter zur rückwärtigen Führungsstelle. Vergleichbar mit der klassischen Telefonie im Fest- oder Mobilfunknetz. Im Gegensatz dazu ermöglicht der Dienst K-Funk eine echte Gruppenkommunikation in verschiedenen Sprechgruppen, vergleichbar mit der Nutzung im BOS-Digitalfunknetz. Das System ist unabhängig von terrestrischer Infrastruktur, da keine erdgebundenen Funkmasten, Vermittlungsleitungen, Verteilerstellen oder Richtfunkstrecken benötigt werden. Somit ist das System weniger anfällig für den Ausfall der Stromversorgung oder Zerstörung von Teilen der Infrastruktur durch Unwetterereignisse, Naturkatastrophen, Vandalismus oder Terrorlagen. Gruppengespräche werden immer innerhalb des Satellitennetzwerkes vermittelt.

Durch die Organisation der Kommunikation in organisationsinterne und organisationsübergreifende Sprachgruppe ist eine Ordnung der Kommunikation wie im „normalen“ BOS-Alltag möglich. Für die Abbildung der Einsatzorganisation in den Kommunikationsplan ergeben sich dadurch kaum Änderungen gegenüber der normalerweise im BOS-Einsatz verwendeten Kommunikationsstrukturen. Die gewohnten Kommunikationsstrukturen der BOS-Einheiten bleiben durch die Gruppenkommunikation erhalten. Auch ist die Nutzung durch die einzelne Einsatzkraft mit den Erfahrungen aus der Verwendung von BOS-Digitalfunkgeräten ohne große Umgewöhnung möglich.

Handfunkgerät für den Einsatz im K-Funk Dienst
Handfunkgerät für den Einsatz im K-Funk Dienst
Quelle: Icom Europe

Modernste Satelliten-Technik gegen ­Kommunikationsverlust

Das IRIDIUM Satelliten Netzwerk ist die größte kommerzielle Satellitenkonstellation der Welt und besteht aus 66 „Low-Earth-­Orbiting (LEO)“ Satelliten. Damit ist eine Sprach- und Datenabdeckung überall auf der Welt gegeben. Der Empfang ist über Land, dem Meer und in der Luft, einschließlich der Polarregionen möglich. LEO-Satelliten arbeiten als engmaschig vernetztes Netzwerk in sechs orbitalebenen etwas 780km über der Erdoberfläche. Durch die im Vergleich mit sog. Geostationären (GEO) Satelliten geringe Höhe (780km gegenüber 36.000km) ist die Signallaufzeit der Funksignale, und damit die Rufaufbauzeit und Sprachverzögerung mit 1-2 Sekunden sehr gering und im direkten Vergleich mit dem BOS-Digitalfunk nahezu identisch.

Durch die geringe Höhe der Satelliten ist das Signal am Erdboden deutlich stärker, und die Endgeräte können mit kleinen tragbaren Antennen, vergleichbar mit denen herkömmlicher Funkgeräte, arbeiten. Durch das AES-256-Bit Verschlüsselungsprotokoll ist die Kommunikation gegen ein unbefugtes Mithören geschützt. Somit ist ein K-Funk Funkgerät vollkommen mobil, sicher und weltweit einsetzbar.

Trotz der verwendeten Satellitentechnik sind die zu verwendenden Endgeräte direkt mit den aktuellen BOS-Digitalfunk Endgeräten in Anwendung und Nutzbarkeit vergleichbar.

Die Hilfsorganisationen verwenden speziell für die Satelliten-Funktechnik entwickelte Endgeräte für den mobilen und stationären Einsatz. Das robuste K-Funk Handfunkgerät, wasser- und staubdicht nach P67, ist für den rauen BOS-Einsatz ausgelegt. Eine Besonderheit stellt die abschraubbare Satelliten-Antenne dar. Mit wenigen Handgriffen ist das Handfunkgerät um eine kleine, portable Magnetfuß-Antenne mit Anschlusskabel, einem Lautsprechermikrofon und einer 12V Stromversorgung per Mikro-USB-Kabel erweitert. So lassen sich nahezu alle Einsatzfahrzeuge innerhalb weniger Minuten zu weltweit erreichbaren Erkundungsfahrzeugen oder Einsatzfahrzeugen für Gebiete ohne ausreichende Kommunikationsinfrastruktur ausstatten. Das Handfunkgerät verfügt neben der großen PTT-Taste, dem Display, einer Notruftaste, der Möglichkeit der Kurzzeit-Sprachaufzeichnung, über einen wechselbaren Akku mit einer Akkulaufzeit von rund 14 Stunden.

Für die stationäre Verwendung in Führungsstellen oder Kommunikationsfahrzeugen wie ELW steht ein entsprechendes Mobilgerät zur Verfügung. Zusätzlich zu dem mit dem Handfunkgerät identischen Eigenschaften und Bedienkonzept, verfügt das für die festen Montage vorgesehene Gerät über eine externe Antenneneinheit, in die der HF-Teil des Funkgerätes integriert ist. Dadurch ergibt sich der Vorteil, dass die Antenne nicht über HF-Verkabelung abgesetzt werden muss, sondern die Verkabelung über Standard Ethernet-Kabel erfolgt und somit Entfernungen zwischen Haupteinheit und Antenne von bis zu 100m möglich sind. Zudem lässt sich das Funkgerät an Funk-Mehrfachbediensysteme wie sie häufig in einer KomFü, einem ELW oder Einsatzzentrale genutzt werden, anbinden.

K-Funk Mobilgerät für die feste Montage.
K-Funk Mobilgerät für die feste Montage. Die Besonderheit: das HF-Modul befindet sich innerhalb des Antennengehäuses. Somit werden eventuelle Signaldämpfungen auf einem Antennenkabel bis zum Hauptgerät vermieden. Die Signalübertragung erfolgt per TCP/IP auf einem Standard-Ethernet-Kabel.
Quelle: ICOM Europe

Sprechgruppen bieten ein Höchstmaß an Organisation und Flexibilität

Wie im BOS-Digitalfunk ist auch bei K-Funk die Kommunikation in Sprechgruppen (Talkgroups) organisiert. Zu unterscheiden sind hier organisationsinterne und organisationsübergreifende Sprechgruppen.

Jede K-Funk Nutzerorganisation erhält eine oder mehrere organisationseigene Sprechgruppen, die vollständig selbst verwaltet werden. Diese Sprechgruppen können nur von Endgeräten der eigenen Organisation verwendet werden.

Die Sprechgruppen unterscheiden sich durch die maximale Netzabdeckung in Quadratkilometer (km2).

Neue Arbeitsgruppe „Rückfall-Kommunikation“ im Referat 7 „IuK“ der vfdb

Die „Netzabdeckung“ der einzelnen Sprechgruppen lässt sich im PTT-Portal auf bis zu 5, bzw. 10, einzelne Regionen aufteilen, bis die maximale Netzabdeckung „verbraucht“ ist. Die Sprechgruppen sind dann nur innerhalb der definierten Regionen aktiv, und die eigenen Endgeräte können diese Sprechgruppen in diesen definierten Regionen verwenden.

Zusätzlich können alle K-Funk Nutzerorganisationen auf zusätzliche organisationsübergreifende Sprechgruppen, die allen K-Funk Nutzern je nach Berechtigung offenstehen, zugreifen. Die Gruppe „KatS_DE“ steht allen BOS-Nutzerorganisationen zur übergreifenden Kommunikation zur Verfügung. Betreiber kritischer Infra­strukturen (KRITIS) und BOS-Organisationen und Katastrophenschutzbehörden können sich der Gruppe „KRITIS_DE“ austauschen.

Virtuelles Netz in der eigenen Hand

Die Verwaltung und Parametrierung, sowohl der Sprechgruppen als auch der Endgeräte, erfolgt webbasiert über das K-Funk Iridium PTT Portal.

Die Nutzer-Organisation hat ihr „virtuelles Netz“ vollständig unter eigener Kontrolle. Sowohl die Zuweisung der Sprechgruppen zu geografischen Regionen als auch die Einstellungen und Berechtigungen der Endgeräte erfolgen online über ein abgesichertes Webportal. Die in der intuitiven Weboberfläche vorgenommenen Änderungen werden sofort auf die Sprechgruppen angewendet. Eventuelle Konfigurationsänderungen an den Funkgeräten werden über das Webportal „Over-the-Air (OTA)“ an die Geräte übermittelt. Ein „Einsammeln“ und „per Kabel aktualisieren“ ist nicht notwendig. Dies hilft vor allem Organisationen mit einer über Regionen Vorhaltung an Geräten.

Tarifstruktur

Klassische Satelliten-Telefonie ist, je nach Satellitenbetreiber und Tarif-Anbieter, mit unterschiedlichsten Tarifmodellen erhältlich. Neben den üblichen „Pre-Paid-Tarifen“, bei denen „Einheiten­pakete“ mit begrenzter Laufzeit vorab gebucht werden, findet man bei einzelnen Anbietern immer häufiger die für die BOS sinnvolleren „Post-Paid-Tarife“. Neben einer monatlichen Grundgebühr werden zusätzlich für jede Gesprächseinheit weitere Kosten fällig. Gespräche über klassische Satelliten-Telefonie können Kosten von 10EUR und mehr pro Minute verursachen.

Im Gegensatz bietet das Tarifmodell des K-Funk Dienstes eine Flatrate für alle Gespräche, die über das Satelliten-Funknetz geführt werden. Neben der Anschaffung der Funkgeräte, die im Preisbereich herkömmlicher digitaler Funkgeräte liegt, fallen nur noch Bereitstellungsgebühren (Subscriptions) je Endgerät und je Sprechgruppe an. Alle Kosten für die Nutzung und Gesprächszeit sind mit der jährlichen Gebühr abgegolten.

Somit ist eine weitere Forderung der BOS-Organisationen gegeben: Einsatzmittel können beübt und genutzt werden, damit sie sicher gehandhabt werden können, wenn sie im Einsatzfall gebraucht werden.

Im Einsatz von der Kommunikation abhängig

Die schnelle Bereitstellung der Geräte in Sonderlagen mit Flatrate für alle Gespräche ermöglicht die krisensichere organisationinterne und organisationübergreifende Kommunikation im Einsatz. Die Verwendung ist unabhängig von jeder terrestrischen Infrastruktur im In- und Ausland möglich. Die Vertraulichkeit der Kommunikation ist durch die Organisation in Sprechgruppen und die starke Verschlüsselung mit AES-256 gewährleistet.

„Ohne K-Funk wäre unser humanitärer Einsatz in dieser Form nicht möglich…“, so der Kommentar des Kommunikationsverantwortlichen bei einer der Hilfsorganisationen.

IuK wird zum „Mobilfunkprovider“

In einem deutschlandweit ersten Pilotprojekt hat das Bayerische Rote Kreuz (BRK), Kreisverband Nürnberg-Stadt, Fachdienst IuK in Zusammenarbeit mit einem Hersteller und einem Systemlieferanten ein eigenes, autarkes Public-Safety LTE-Netz für eine sanitätsdienstliche Absicherung einer Großveranstaltung in Betrieb genommen.

Das LTE-Eigennetz auf den für BOS-Anwendungen reservierten Frequenzband im 700MHz Bereich der BDBOS hat die Telefonie- und Datenkommunikation auf dem Veranstaltungsgelände des „Rock im Park“ Festivals trotz einer großen Anzahl an Festivalbesuchern sichergestellt.

Public-Safety-LTE im adhoc Betrieb

Die kompakte, portable LTE-Zelle ist während des mehrmonatigen Pilotbetriebes im Einsatzleitwagen (ELW) der Unterstützungsgruppe Sanitäts-Einsatzleitung (UG-SanEL) des BRK Nürnberg-Stadt betriebsbereit verbaut. Nach Anschluss der Antennen auf dem Fahrzeugmast und dem Einschalten der LTE-Zelle steht in ca. 3-5 Minuten ein adhoc LTE-Netzwerk bereit. Für diese Sonderlage wurde das System an einem exponierten Standort am Festivalgelände mit entsprechender Antennentechnik installiert.

Die Nutzung des 700MHz Frequenzbereiches im Band 28b der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) ermöglicht den Betrieb eines BOS-eigenen, gesicherten LTE-Breitbandnetzes ohne andere Mobilfunkdienste zu stören, oder selbst gestört zu werden. Das LTE-System des Pilotbetriebes nutzt mit Freigabe der BDBOS das zugewiesene Band 28b. Zusätzlich zur Sprachkommunikation über den BOS-Digitalfunk kann durch die eigene Public-Safety-LTE-Zelle eine flächendeckende Verbindung für VoIP-Telefonie und Datenkommunikation, z.B. für Transportaufträge oder Einsatzdokumentation, sichergestellt werden. Das eigene LTE-Netz kann, z.B. über einen Breitband-Satellit-­Anschluss des ELW, mit dem Internet verbunden werden. Dies ermöglicht somit, neben der internen Datenkommunikation, auch die Nutzung des öffentlichen Internets durch mobile und stationäre Einsatzmitteln innerhalb des LTE-Eigennetzes. Auch bei Ausfall oder Überlastung der öffentlichen Kommunikationsinfrastruktur.

Als Endgeräte können im LTE-Eigennetz jegliche LTE-fähigen Geräte mit der Möglichkeit der Band 28b Nutzung verwendet werden. Dies gilt für nahezu alle modernen Endgeräte vom Smartphone über Tablet bis hin zu WLAN-Routern und LTE-Sticks.

Sicherer Zugang zum privaten LTE-Netz

Wie bei allen öffentlichen und nicht-öffentlichen LTE-Netzen auf Basis des weltweiten 3GPP-Standards ist das Public-Safety-LTE-Netz aufwändig geschützt und Endgeräte müssen sich zur Nutzung autorisieren. Jedes Endgerät – ob Smartphone, Tablet oder Router – das Zugang zum BOS-eignen Netz erhalten soll, muss autorisiert sein. Diese Autorisierung erfolgt durch für das private Public-Safety-LTE-Netz konfigurierte eigene SIM-Karten. Moderne Endgeräte mit einem oder mehreren SIM-Slots sind dann innerhalb kürzester Zeit mit einem Zugang zum privaten Netz versehen. Je nach Einsatzfall ist auch die Verwendung individueller oder universeller Voucher-Codes per QR-Code sinnvoll, um eine dem 3GPP-Standard entsprechende eSIM auf dem jeweiligen Endgerät zu aktivieren.

Eigenes Breitband-Netz als Rückgrat des Einsatzkommunikation

Neben der Sprachkommunikation über den BOS-Digitalfunk bieten sich bei geplanten und ungeplanten Einsätzen im BOS-Umfeld weitere Anwendungen zur Nutzung an Telefonie: Autorisierte Endgeräte im Eigennetz nutzen über Voice-over-IP / SIP die Telefonie-Infrastruktur des ELW oder der Einsatzzentrale. Die in modernen ELW vorhandenen Telefonie Lösungen unterstützen in der Regel die Anbindung generischer Endgeräte über das SIP-Protokoll, sofern eine Verbindung über das ELW-interne LAN – in diesem Fall über das LTE-Eigennetz – besteht.

Anbindung an das Führungsunterstützungssystem: Moderne Anwendungen erleichtern die Organisation und Führung eines Einsatzes durch Übermittlung digitaler Aufträge, z.B. für Logistik und Transport. Zudem sind abgesetzte Führungsmittel, z.B. eine Abschnittsführungsstelle (AfüSt), oder eine Unfallhilfsstelle (UHS) schnell und unkompliziert an das eigene Führungsunterstützungssystem angebunden.

Dokumentation: Entsprechende Applikationen vorausgesetzt können Informationen, Bilder und Videos von der direkten Einsatzstelle zur Führungsstelle oder dem ELW direkt über das LTE-Eigennetz gesendet werden. Bildübertragung und Live-Stream­ing: mobile Kameras, Drohnen, Bodycams oder Smartphones von Einsatzkräften können innerhalb des LTE-Eigennetzes Fotos, Videos und Live-Streams zum ELW übertragen.

Unified Media im LTE-Eigennetz: mit dem auf dem LTE-System integrierten MCX-Server sind weitere Dienste nutzbar, die für einen erfolgreichen Einsatzablauf relevant sein können. Neben der integrierten Bild- und Tonübertragung für Live-Video-Streams vom Smartphone, sind natürlich klassische Anwendungen wie Telefonie und Kurznachrichten möglich. Besonders interessant für den BOS-Einsatz dürften die Verwendung des MCX-Servers sein für die Gruppenkommunikation per PTT-App auf gängigen Smartphones, sowie Geolocation, also GPS-Ortung von Einsatzmitteln und die priorisierte Übertragung von Notrufmeldungen mit Ortung und Sprachübertragung direkt über ein der Einsatzkraft zugeordnetem Smartphone.

Internet-Zugang: Ist die LTE-Zelle über den ELW oder die stationäre Führungsstelle an das öffentliche Internet angebunden, z.B. über eine Glasfaser- oder DSL-Leitung, über VSAT-Anbindung oder anderweitig, so kann die LTE-Zelle als „Router“ dienen, und somit den Internetzugang an Teilnehmer innerhalb des LTE-Eigennetzes bereitstellen.

Ein adhoc Public-Safety-LTE Netz kann somit als „WLAN-Router“ mit enormer Reichweite auf der Basis der LTE-Technik verstanden werden. In den Testszenarien waren mit einer LTE-Zelle Abdeckungen unter Realbedingungen von 15-20km2 möglich.

Zukünftige Anwendungen von adhoc Public-Saftey-LTE-Netzen

Ein Public-Safety-LTE Eigen-Netz für BOS-Organisationen kann in Zukunft in Einsatzlagen genutzt werden, in denen die öffentliche Infrastruktur gestört, überlastet oder zerstört ist. Interne Breitbanddienste, sowie die Weiterleitung eines Internetzugangs in schwer zugängliche Bereiche kann die Umsetzung von Kommunikationsanforderungen in geplanten und ungeplanten Einsätzen enorm erleichtern, oder gar erst ermöglichen.

Im Rahmen einer organisatorischen Einbeziehung mehrerer IuK Einheiten wäre auch die Umsetzung eines Verbundes mit mehreren Public-Safety LTE-Systemen realisierbar, um über eine IP-Verbindung (Backbone) mehrere LTE-Zellen zur Abdeckung größerer Gebiete zu verwenden.

Ausblick auf die Arbeit der AG1

Die AG1 im Referat 7 der vfdb wird in den kommenden Monaten versuchen weitere Projekte zu identifizieren. Ein möglichst umfassender Überblick über Techniken und Praktiken ist unabdingbar für eine gesamtheitliche Betrachtung.

Kontakte zu anderen (Einsatz-)Organisationen sind hier ebenso wichtig, wie Gespräche mit kommerziellen Anbietern und Dienstleistern. So gibt es bereits erste Kontakte zu weiteren Satelliten-Providern, dem DARC, Spezialisten im Bereich Amateur- und Notfunk, sowie BOS-Organisationen mit ähnlichen Anforderungen und unterschiedlichsten Lösungsansätzen. Interessierte vfdb-Mitglieder sind jederzeit herzlich eingeladen sich durch Gespräche und Diskussionen, sowie gerne auch der unmittelbaren Mitarbeit in der AG, zu beteiligen. Über Informationen und Kontaktaufnahmen zu themenverwandten Arbeitsgruppen und Organisationen würde sich die AG1 des Referates 7 sehr freuen. 

Weitere Informationen zum Pilotprojekt https://www.fb.com/brkiuknbg 


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