Einsatzhygiene: Altbewährtes, Stand der Technik und Kontaminationsverschleppung

Ingrid Mieling

PantherMedia/rasica

Seit den 90er-Jahren informiert die vfdb Feuerwehreinsatzkräfte im Löscheinsatz über gesundheitsschädliche C-Gefahrstoffe im Brandrauch und in Gefahrenbereichen von ABC-Einsätzen und gibt Empfehlungen zur notwendigen Einsatzhygiene. Aktuelle Untersuchungen und Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass hier Detailuntersuchung zur Kontaminationsverschleppung sinnvoll sind, mit dem Ziel den Schutz der Einsatzkräfte zu optimieren, um die Aufnahme von kanzerogenen C-Gefahrstoffen zu minimieren.

Die dem Merkblatt „Einsatzhygiene“ vorgeschaltete vfdb-Richtlinie 10/03 „Schadstoffe im Brandrauch“ liefert die Grundlagen zur Beurteilung der bei Bränden zu erwartenden Schadstoffen. Sie richtet sich an Feuerwehreinsatzkräfte und deren Verantwortliche (Unternehmerverantwortung). Die Richtlinie beschreibt Verbrennungs- und Brandfolgeprodukte in Abhängigkeit der verschiedenen Brandphasen und Brandbedingungen, gibt Hinweise zu den gesundheitlichen Auswirkungen sowie Empfehlungen zu Schutzmaßnahmen, die im Merkblatt für die Einsatzkräfte, Verantwortlichen und Interessierten verständlich und konzentriert zusammengestellt sind.

Die Detailanalyse des „Ablaufvorganges“ Löscheinsatz hat dabei ergeben, dass sich seitdem auf diesem Gebiet wissenschaftlich grundsätzlich nichts geändert hat und wer als Feuerwehreinsatzkraft die empfohlenen Einsatzhygienemaßnahmen umsetzt, macht viel für den Erhalt seiner Gesundheit. Mit der Aktualisierung des Merkblattes „Empfehlung für den Feuerwehreinsatz zur Einsatzhygiene bei Bränden“ in 2020 sind nun zudem mit den zur Verfügung gestellten Anhängen weitere Hilfestellungen gegeben, wie beispielsweise das Muster einer Gefährdungsanalyse und eine Entscheidungshilfe für den Einsatzleiter zur Bewertung des Kontaminationsrisikos. An Beispielen typischer Einsatzlagen werden eine Bewertung der Kontamination vorgenommen und Maßnahmen zur Einsatzhygiene empfohlen.

Schadstoffe im Brandrauch – akute ­Gefährdung

Bei Bränden ist für Feuerwehrleute und Retter alles ganz klar und einfach. Brandrauch ist gefährlich und besteht aus ABC-Gefahrstoffen, die tödlich sein können. Dies gilt sowohl für eine Person, die sich in der Brandwohnung befindet, als auch für den Retter oder Feuerwehrmann, der dorthin zur Menschenrettung und Brandbekämpfung ausrückt. Diese Person wird von der Feuerwehr unter PA aus der brennenden Wohnung gerettet und erst außerhalb des Gefahrenbereiches vom Rettungsdienstpersonal versorgt und ggf. ins Krankenhaus befördert.

Vor allem wegen des nicht sichtbaren Bestandteils Kohlenstoffmonoxid im Brandrauch ist eine akute Gefährdung vorhanden. Der O.R.B.I.T.-Studie 2010 kann Folgendes entnommen werden: „Die einschlägigen Befunde der ORBIT-Autoren zum Themenkomplex „Rettung und Verlust von Menschenleben bei Bränden“ sind im Folgenden in Thesenform zusammengefasst: …9. Für den tödlichen Ausgang einer Rauchvergiftung ist allein die Exposition gegenüber Kohlenstoffmonoxid (CO) ursächlich…“ Übersetzt mit den Begriffen und Definitionen des ABC-Einsatzes lauten die Erkenntnisse, die weiterhin Gültigkeit haben:

  • Brandrauch ist giftig für den Menschen und enthält in der Entstehungs- und Brandphase C-Gefahrstoffe wie CO, CO2, H2O, KW, NOx, HCl, Aromaten, PAK usw. (vfdb-Richtlinie 10/03 „Schadstoffe bei Bränden“)
  • Als Leitsubstanzen im Brandrauch sind erfahrungsgemäß die folgenden Stoffe von besonderer Bedeutung (siehe Forschungsbericht Band 25 Zivilschutzforschung):
    • CO Kohlenstoffmonoxid
    • HCN Cyanwasserstoff (Blausäure)
    • HCI Chlorwasserstoff (Salzsäure)

Durch Erkundung und ggf. Messungen bei Brandereignissen ist zu ermitteln, ob aufgrund der Zusammensetzung des Brandgutes mit dem Auftreten von weiteren Schadstoffen in einem höheren Konzentrations-/ETW-Verhältnis zu rechnen ist.

  • Konsequenz → Begegnung gegenüber akuten Gefahren (Atemgiften)
    Die Einsatztoleranzwerte (ETW - siehe vfdb-Richtlinie 10/01) der C-Gefahrstoffe im Brandrauch sind in der Regel überschritten, sodass ohne Messungen vorzunehmen die Feuerwehreinsatzkräfte zur Menschenrettung und Brandbekämpfung sicher unter PA vorgehen.

Schadstoffe im Brandrauch – Spätwirkung

Bei Bränden treten stets eine Vielzahl von Schadstoffen auf, u. a. auch kanzerogene Stoffe, die eine wirkungsvolle Einsatzhygiene notwendig machen. Brandrauch enthält immer gesundheitsschädliche Stoffe, die über Mund, Atemwege, Schleimhäute oder die Haut in den Körper aufgenommen werden können. Insbesondere in heißem Brandrauch sind die C-Gefahrstoffe in höherer Konzentration gasförmig vorhanden und dadurch leicht aufnehmbar. In kaltem Brandrauch sind C-Gefahrstoffe vorzugsweise an Ruß, Kondenswasser oder Flugaschen gebunden. Zusätzliche Gefährdungen können durch an der Schadensstelle vorhandene Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe sowie durch Baustoffe entstehen, die Asbest oder alte Mineralwolle im Sinne der TRGS 519 und TRGS 521 enthalten.

Die Wirkung von kanzerogenen C-Gefahrstoffen auf den Menschen ist nicht abhängig von der Höhe der Exposition; die Aufnahme der Schadstoffe erhöht die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken. Daher tritt die Betrachtung zu Grenzwerten in den Hintergrund und hier die Einsatzhygiene in den Vordergrund.

Beispiele für kanzerogene C-Gefahrstoffe im Brandrauch

Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK):
PAK entstehen beim Verbrennen organischer Stoffe durch Kondensation von Kohlenstoffketten in der Flamme. Infolge der hohen Stabilität der Aromaten ist deren Bildung in Flammen mit hohem Brennstoffanteil begünstigt.

  • Wichtig zu wissen für Feuerwehreinsatzkräfte:
    Niedere Temperaturen bei der Verbrennung bewirken hohe PAK-Konzentrationen.

PAK sind weitgehend unlöslich in Wasser, löslich in Fetten und organischen Lösungsmitteln und gelten teilweise als krebserzeugende Stoffe. Die in geringsten Konzentrationen wirksame Leitsubstanz ist Benzo-(a)-pyren mit einer technischen Richtkonzentration (TRK-Wert) von 2 *g/m3. PAK‘s sind sesshaft und werden biologisch schwer abgebaut.

Polyhalogenierte Dibenzo-para-Dioxine und Dibenzofurane (Dioxine und Furane):
PCDD/PCDF (PBrDD / PBrDF) sind kondensierte aromatische Verbindungen mit unterschiedlicher Zahl an Chloratomen im Molekül. Als Leitsubstanz und giftigster Vertreter gilt 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (Hintergrundwissen dazu siehe vfdb-Richtlinie 10/03).

  • Wichtig zu wissen für Feuerwehreinsatzkräfte:
    Der Dampfdruck dieser Verbindungen liegt sehr niedrig, sodass nur in heißen Rauchgasen oder in noch nicht abgekühlten Brandobjekten mit Dioxindämpfen zu rechnen ist.

Bei PCDD/PCDF's sind bisher nur nach hohen Expositionen ein humankanzerogenes Risiko und eine toxische Wirkung auf das Immunsystem anzunehmen. Beobachtet wurden bisher bei Expositionen:

  • Reizungen der Schleimhäute, Rötung und Anschwellen des Gesichts;
  • Chlorakne (Erkrankung des Follikel-Talgdrüsenapparates);
  • Müdigkeit, Erregbarkeit, Muskelschmerzen;
  • als Dauerfolgen werden Leberfunktionsstörungen, Hyperlipidämien, neurasthenische und depressive Syndrome, sensorische Beeinträchtigungen, Störungen des Kohlenhy­dratstoffwechsels, der Atemorgane, Störungen im Herz-­Kreislauf-System, Harntrakt und Polyneuropathien angesehen.

Baustoffe

Asbest

Asbest wurde in großem Maßstab seit Mitte der 1960er bis Ende der 1980er-Jahre verwendet. Hauptsächlich sind Faserzementplatten als Dacheindeckung und Fassadenverkleidung sowie als Abwasserrohre verwendet worden. Diese zementgebundenen Produkte haben einen Asbestanteil von 10–15 %, wobei die Asbestfasern relativ fest in der Matrix eingebunden sind.

  • Wichtig zu wissen für Feuerwehreinsatzkräfte:
    Die Gesundheitsgefahren beim Umgang mit Asbest entstehen durch die Aufnahme der lungengängigen Fasern.

Das Risiko der Faserfreisetzung in unzerstörtem Material ist bei fest gebundenen Asbestfasern im Vergleich zu losen gebundenen Asbestfasern, wie z. B. Spritzasbest relativ gering. Durch die Zerstörung der Werkstoffe kann sich das Risiko einer Faserfreisetzung erhöhen, zugleich werden Bruchstücke mit der Brandthermik im Umfeld verteilt. Besondere Risiken bergen Brände in Innenräumen, in denen im Zuge von Sanierungsarbeiten mit Spritzasbest behandelte Flächen versiegelt wurden. Hier besteht die Gefahr, dass durch einen Brand oder die Öffnung der Verkleidungen im Zuge von Nachlöscharbeiten, das Risiko einer Faserfreisetzung deutlich erhöht wird.

Mineralwolle

Mineralwolle wird im Gebäudebereich in Form von Glaswolle oder Steinwolle verwendet. Diese bestehen im Wesentlichen aus Mineralfasern sowie in kleinerem Anteil aus Harzen und weiteren Zusätzen. Da Mineralwolle gerade im Wohngebäudebereich große Verwendung findet, besteht für die Einsatzkräfte regelmäßig die Möglichkeit, mit Mineralwolle in Kontakt zu kommen. Hier sind das Öffnen von Verkleidungen und Wänden (Dachschrägen, Leichtbauwände) exemplarisch zu nennen. Seit Mitte 2000 gibt es ein Verwendungsverbot für alte Mineralwolle, seit 1996 werden in Deutschland Mineralwollstoffe hergestellt, die als unbedenklich gelten. Bei alter Mineralwolle besteht der Verdacht, dass freigesetzte Fasern krebserzeugend sind.

  • Wichtig zu wissen für Feuerwehreinsatzkräfte:
    Bei Gebäuden, die vor 2000 errichtet wurden, muss zunächst davon ausgegangen werden, dass hier alte Mineralwolle (KMF) verbaut wurde und somit ein erhöhtes Gesundheitsrisiko bei der Freisetzung gegeben ist.

Glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK)

GFK ist ein Faser-Kunststoff-Verbund aus einem Kunststoff und Glasfasern. Die Massenproduktion der Glasfasern begann in den 1930er-Jahren. Das erste Flugzeug aus GFK wurde 1957 gebaut. Heute verwendet man GFK in Bootsrümpfen, Flugzeugen, Rotorblättern für Windenergieanlagen, Fahrzeugteilen, Duschwannen, Industrietoren, Kühltürmen, Leiterplatten, Lebensmittel- und Chemikalientanks, Bauteilen usw. Kommt es bei Unfällen zu technischen Einsätzen, können durch die Verwendung von hydraulischen Rettungsgeräten unter anderem sehr scharfkantige Bruchstellen und nadelspitze Stacheln entstehen. Bei Brandereignissen können lungengängige Partikel freigesetzt werden, die sich durch die Brandthermik im Umfeld verteilen können.

  • Wichtig zu wissen für Feuerwehreinsatzkräfte:
    Die Gesundheitsgefahren beim Umgang mit GFK entstehen durch die Aufnahme der lungengängigen Partikel. Eine krebserzeugende Wirkung konnte bei den Fasern bisher nicht nachgewiesen werden.

Entscheidungshilfe für den Einsatzleiter zur Bewertung des Kontaminationsrisikos

Einsatzhygiene: Altbewährtes, Stand der Technik und Kontaminationsverschleppung

Einsatzhygiene bei Bränden – Ermittlung der notwendigen Rahmenbedingungen durch Gefährdungsanalyse

Die notwendige Konsequenz der Einsatzhygiene ist ebenso bedeutsam wie die Gründlichkeit der Reinigung im Prozessablauf „Löscheinsatz“; liegen hier bei Ihnen systematische Fehler vor, so kann dies entscheidend sein für das Ausmaß des Schutzes von Einsatzkräften – wenig oder alles Machbare.

Wichtig zu wissen für Feuerwehreinsatzkräfte und Verantwortliche:

Die an der Einsatzstelle getroffenen Maßnahmen der Dekontamination sind als Maßnahmen gemäß FwDV 500 „Einheiten im ABC-Einsatz“ einzustufen. Sie stellen die an Einsatzstellen lediglich mögliche Grobreinigung von Personal, Fahrzeugen und Geräten dar. Sie ist also das an der Einsatzstelle mögliche Machbare.

Es gilt anschließend die notwendige Feinreinigung gemäß den gültigen Arbeitsschutzrichtlinien seitens des Dienstvorgesetzten bzw. Entscheidungsträgers (z.B. Bürgermeister der Gemeinde) für die Einheit festzulegen.

Hilfestellung bei Durchführung der Gefährdungsanalyse

Es ist eine wissenschaftlich anerkannte Vorgehensweise Prozessabläufe wie hier die Notwendigkeit der Verhinderung der Kontaminationsverschleppung von kanzerogenen C-Gefahrstoffen durch Herunterbrechen auf Teilprozesse zu analysieren. So wird das Hinschauen auf mögliche Problemsituationen beim Prozess „Löscheinsatz“ ermöglicht und die Lösungsfindung erleichtert.

Dazu haben wir Ihnen im 2021 aktualisierten MB Einsatzhygiene, herunterladbar unter www.ref10.vfdb.de, in Anlage 1 ein Muster einer Gefährdungsanalyse zur Verfügung gestellt.

Nehmen Sie sich vor Ort die Anlage 1 des MB Einsatzhygiene als Vorlage und gehen den dort vorgegebenen Weg mit Blick auf die bei Ihnen vorliegenden Örtlichkeiten und Handlungsabläufen durch, tragen Ihre Situation dort ein und bewerten es wie das im Folgenden beispielhaft erfolgt.

Zur Bewertung haben wir dabei das typische Ampelsystem genommen und die einzelnen Problempunkte bewertet – farbig hinterlegt:

Rot – Kontamination durch C-Gefahrstoffe in relevantem Ausmaß – Dekontamination bzw. Reinigung notwendig, um irreversible Schäden bei Feuerwehreinsatzkräften zu verhindern

Gelb – Kontamination durch C-Gefahrstoffe – Dekontamination nicht notwendig, keine Gefahr von reversiblen Schäden bei Feuerwehreinsatzkräften

Grün – arbeitsrechtlich gereinigt.

Das Ziel ist eine arbeitsrechtlich gereinigte Einheit bestehend aus Fahrzeug, Geräte und Mannschaft. Dabei ist die Örtlichkeit der Feuerwache natürlich auch zu berücksichtigen, wie schon im bisherigen MB Einsatzhygiene gewohnt.

Durch die von uns in 2020 durchgeführte Gefährdungsanalyse unter dem Detailblickpunkt Kontaminationsverschleppung beim Löscheinsatz hat dabei ergeben, dass die seit den 90er Jahren von der vfdb festlegten Empfehlungen zur Einsatzhygiene weiterhin Bestand haben, aber auch wenige zu ergänzen sind, um den Schutz für Feuerwehreinsatzkräfte zu optimieren.

Sollten bei Ihnen nach der Gefährdungsanalyse noch Fragen offenbleiben, wenden Sie sich gerne an das Referat 10 der vfdb – www.ref10.vfdb.de. Wir unterstützen Sie gerne bei der Lösungsfindung von Detailproblemen.

Der Beitrag wurde erstmals im Tagungsband zur 67. Jahresfachtagung der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e. V. 2021 veröffentlicht. Weiterführende Informationen können unter http://www.ref10.vfdb.de/merkblaetter/ abgerufen werden. 


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