Das Thema „Lang andauernder und flächendeckender Stromausfall“ ist weder neu noch unbekannt. Spätestens mit Vorliegen der Bundestagsdrucksache 17/5672 - Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung an den Deutschen Bundestag zur Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften, am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung vom 27.04.2011, konnte das Szenario „Stromausfall“ wahrgenommen werden. Bundesweit beschäftigten sich zwischenzeitlich Gefahrenabwehrbehörden aller Ebenen mit entsprechenden Planungen, da erkannt wurde, dass die durch einen Blackout zu erwartenden Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft enorm sind und nachhaltig Wirtschaftsprozesse beeinflussen. Insoweit ist eine gewisse Parallelität zur aktuellen Corona-Krise durchaus zu verzeichnen.
Der Freistaat Sachsen begann mit seinen „Blackout-Planungen“ im Jahr 2016. Im Mittelpunkt stand unter anderem die Absicherung der Mineralölversorgung von Großtanklagern bis hin zu den einzelnen KRITIS-Einrichtungen. Hierzu hat die Landesdirektion Sachsen im gleichen Jahr alle 13 Landkreise und Kreisfreien Städte angewiesen, eine besondere Alarm- und Einsatzplanung „Stromausfall“ zu erstellen. Zur Unterstützung wurde gleichzeitig die „Arbeitsgruppe Energiesicherheit Freistaat Sachsen“ unter Leitung der Landesdirektion Sachsen installiert. In insgesamt sieben Unterarbeitsgruppen wirkten nahezu 100 Mitarbeiter aus Behörden, Unternehmen und sonstigen Institutionen mit. Der Aufbau der Arbeitsgruppe Energiesicherheit stellte sich wie folgt dar.
Zentrale Koordination
Unterarbeitsgruppe 1: Grundsatzfragen
Unterarbeitsgruppe 2a: Mineralölprodukte - organisatorische und technische Auslagerungsfähigkeit von Treibstoffen
Unterarbeitsgruppe 2b: Transport von Treibstoffen
Unterarbeitsgruppe 3: Katastrophenschutzleuchttürme
Unterarbeitsgruppe 4: Unternehmen mit überregionalem Versorgungsauftrag (KRITIS-Unternehmen)
Unterarbeitsgruppe 5: Kommunikation und Warnung
Unterarbeitsgruppe 6: Notstromversorgte Betankungsmöglichkeiten
Im Ergebnis einer zweijährigen Arbeit wurden die Dokumente „Sachstandserhebung und Planungshilfe für Gefahrenabwehrbehörden für die Erstellung einer besonderen Alarm- und Einsatzplanung (BAEP) Stromausfall“ und das Konzept „Treibstoffumschlagpunkt“ erstellt. Beide Dokumente wurden im Dezember 2018 gegenüber der Bund-Länder Arbeitsgruppe „Koordinierungsstelle Kritische Infrastrukturen (KOST KRITIS)“ beim Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und im Mai 2019 im Rahmen eines Treffens der Präsidenten/Präsidentinnen der staatlichen Mittelbehörden vor- und zur Verfügung gestellt. Hervorzuheben ist, dass mittels des erarbeiteten Logistikkonzeptes die Treibstoffversorgung auf der sogenannten „letzten Meile“ im Kern gelöst werden konnte. Dies gelang insbesondere unter enger fachlicher Einbindung der im Freistaat Sachsen ansässigen Betreiber von Großtanklagern, der agierenden Mineralölspeditionen, des sächsischen Brennstoff- und Mineralölhandelsverbandes e. V. und der mitwirkenden Mineralölhändler.
Das erstellte Logistikkonzept basiert im Wesentlichen auf der Anzahl und räumlichen Verteilung von Großtanklagern (GTL) in Sachsen und seinen Nachbarländern, sowie der Verfügbarkeit von Netzersatzanlagen bei GTL und dort vorgehaltenen Produkten.
Weiterhin waren die unterschiedlichen technischen und personellen Fähigkeiten von Speditionen und Mineralölhändlern zu beachten. So verfügen zum Beispiel Tankfahrzeuge der Mineralölspeditionen in der Regel lediglich über die Fähigkeit, mittels Schwerkraft zu entladen. Im Gegensatz dazu sind Fahrzeuge der Mineralölhändler mit fahrzeugeigener Pumpentechnik ausgerüstet. Auch waren die jeweiligen Fahrpersonalschlüssel zu beachten. Während die Speditionen im Schnitt über 2,3 bis 2,8 Fahrer je Fahrzeug verfügen und von Montag bis Samstag im 24 Stunden Schichtbetrieb Treibstoffe an Tankstellen ausliefern, verfügen die Mineralölhändler in der Regel lediglich über einen Fahrer je Fahrzeug.
Dementsprechend können sie unter Beachtung der vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten nur bedingt tätig werden. Hier war es zwingend notwendig, die unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten mittels des Logistikkonzeptes zu koppeln, um eine höchstmögliche Effizienz zu erreichen. Im Ergebnis übernehmen die Speditionen vordergründig die überregionale Versorgung (Strecke GTL zu fest definierten netzersatzversorgten Schwerpunkt- oder Nottankstellen und sogenannten Treibstoffumschlagpunkten). Die Mineralölhändler sollen die regionale und lokale Versorgung zu Standorten der kritischen Infrastrukturen (KRITIS-Objekte mit Netzersatzanlagen) übernehmen.
Das Modell und die Leistungsfähigkeit des Treibstoffumschlagpunktes zum Umschlag von Diesel/Heizöl von einem Tankstellenfahrzeug der Speditionen in ein Fahrzeug der Mineralölhändler, wurden bereits im August 2018 einem Praxistest im Beisein von Vertretern aller sächsischen Landkreise und Kreisfreien Städte unterzogen. Dabei wurde auch die notwendige aber mögliche Umgehung der zwei Sicherungssysteme (Abgabesicherungssystem (ASS) und Qualitätssicherungssystem (QSS)) am Speditionsfahrzeug getestet.
Insbesondere die Bottom–Befüllung (Befüllung über Bodenventile) kann sicher und leistungsfähig eingestuft werden. Sie ist der Top-Befüllung in jedem Fall vorzuziehen. 30.000 Liter Diesel/Heizöl können inklusive Rüstzeit in 45 Minuten umgeschlagen werden. Ein Umschlag von Ottokraftstoffen ist aus Sicherheitsgründen am Standort des Treibstoffumschlagplatzes nicht möglich. Diese müssen über eingeplante netzersatzversorgte Schwerpunkt- oder Nottankstellen bezogen werden.
Der Treibstoffumschlagpunkt setzt sich damit wie folgt zusammen:
- Tankfahrzeug der Spedition (Tankstellentankfahrzeug - Fahrzeug links abgebend)
- Saug- und pumpfähiges Fahrzeug der Mineralölwirtschaft (Fahrzeug mittig – aufnehmend und abgebend)
- Pumpfähiges Fahrzeug der Mineralölwirtschaft (Fahrzeug rechts – aufnehmend)
- 2 Schläuche mit definierten Kupplungsmaterial (genormt) gem. Treibstoffumschlagkonzept
Der wesentliche Vorteil für Einrichtung und Betrieb des Umschlagpunktes liegt in der ausschließlichen Verwendung von Materialien/ Technik, die speziell für die Mineralölbranche entwickelt worden sind und damit als sicher und zuverlässig gelten. Dies trifft insbesondere für das erforderliche Schlauch- und Kupplungsmaterial zu, dass entsprechend konfektioniert wurde. Die Landkreise und Kreisfreien Städte sind bei der Auswahl der notwendigen Standorte für Treibstoffumschlagpunkte generell frei, müssen aber Kriterien wie Leistungsfähigkeit der Mineralölhändler, Konzentration von KRITIS, Distanz zu GTL oder Umweltgesichtspunkte berücksichtigen. Der Freistaat Sachsen geht hier jedoch von ungefähr drei Umschlagpunkten je Gebietskörperschaft aus.
Auch die Auswahl und Anzahl der künftigen netzersatzversorgten Schwerpunkt- oder Nottankstellen obliegt den zehn Landkreisen und drei Kreisfreien Städten. Konzeptionell wird auf ca. fünf leistungsfähige Objekte je Gebietskörperschaft abgestellt, die in der Regel über alle Produkte, damit auch Ottokraftstoffe, verfügen sollen. Hierzu wurde Kontakt mit dem Mineralölwirtschaftsverband Deutschland e. V. aufgenommen, um für die Einbindung von Tankstellenketten in das Versorgungskonzept zu werben. Auch wenn das Treibstoffversorgungskonzept in Sachsen steht, bleibt noch viel zu tun.
Insbesondere sind die Planungen unter anderem auch mit den Nachbarländern abzustimmen. Die Beschaffungen für z. B. 65 Tankstellen-Netzersatzanlagen und 39 Schlauchkits für die Treibstoffumschlagpunkte müssen finanziell abgesichert werden. Durch die Landkreise und Kreisfreien Städte werden mit viel Engagement und Überzeugungsarbeit Daten der kritischen Infrastrukturen erhoben. Hier geht es darum einschätzen zu können, wie hoch die Treibstoffbedarfe in der Summe sind und welche Transportbedarfe sich daraus ergeben. Gerade dies ist eine Grundvoraussetzung, um im Detail das Logistikkonzept gemeinsam mit Speditionen und Händlern zu entwickeln.
Festzuhalten ist aber, dass sich der Weg, der bei einem Blackout begangen werden kann, immer klarer abzeichnet. Wichtig ist, dass das sächsische Treibstoffversorgungskonzept bezüglich des Lösungsansatzes bundesweit anwendbar erscheint. Insbesondere bei einer geringen Anzahl von Großtanklagern und daraus resultierenden langen Transportwegen kann das Konzept eine praktikable Lösung darstellen
Thomas Kölling
Projektleitung AG Energiesicherheit Freistaat Sachsen
Sachbearbeiter SG Katastrophen- und Zivilschutz
Landesdirektion Sachsen
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