Dürfen Einsatzkräfte von Feuerwehr oder Polizei während ihrer Ausübung des Dienstes z.B. mit dem Smartphone videografiert werden? Was geschieht im Anschluss mit der Aufzeichnung? Findet sich das Filmchen neben tausenden von Katzenvideos oder Urlaubssplittern in den sozialen Medien? Welche Aussage hat das Video? Ist das jetzt verboten oder erlaubt?
Solche Fragen stellen sich nicht erst seit gestern. Das Thema ist mindestens so alt, wie die Kooexistenz von Bildaufzeichnungen (hier zunächst Fotos) und hoheitlichem Handeln. Hieß es also früher: „Durfte der Pressevertreter mich im Einsatz fotografieren?“, heißt es heute: „Darf mich tatsächlich Jedermann im Einsatz filmen?“.
Und auch die Antwort hat Tradition: „Ja und Nein.“
Das Thema, bzw. die Fragestellung, ist nicht regelmäßiger Ausbildungsinhalt oder Dauerbrenner in den Fortbildungen der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), aber ich gebe zu, mindestens seit 30 Jahren immer wieder temporär von Interesse. In der Regel dann, wenn es eine Weiterentwicklung des Rechts durch Gerichtsentscheidungen gibt.
Das ist das Erste, was wir festhalten müssen. Recht entwickelt sich weiter. Das was vielleicht seit Jahren Bestand hatte, wird immer wieder fortgeschrieben. Nach Matthias C. Kettemann/Walter Obwexer, gibt es gute Gründe dafür: „Die Herausforderungen der Zukunft müssen sich im Recht niederschlagen – durch Nachhaltigkeit, Inklusion und Verständlichkeit.“ Kurz: Wenn wir uns gemeinsam weiterentwickeln, muss das Recht es auch tun.
„Ja und Nein…“
Das Zweite, was wir uns vor Augen halten müssen ist, dass es gerade in Rechtsthemen wenig Aussagen gibt, die uns die umfassende Gewissheit von „Falsch“ und „Richtig“ (oder Schwarz und Weiß?) geben. Dazu wäre es erforderlich, dass unsere beleuchteten Sachverhalte absolut identisch wären. So ist die Lebenswirklichkeit aber eben nicht. RA Roland Schimmel (FH FFM): „Die Rechtswissenschaft ringt um die richtigen Antworten auf abstrakte Rechtsfragen und um die richtige Entscheidung in realen Konflikten. Oft sind letztgültige Einsichten in „richtig“ und „falsch“ nicht zu haben. Zumindest in der juristischen Ausbildung laviert man daher gern mit dem Begriff „vertretbar“.
Was wäre also vertretbar? Ein Fokus auf die Polizei.
Vertretbar wäre also, wie eine junge Frau 2020 in Kaiserslautern in eine Polizeikontrolle geraten war, als sie abends mit Freundinnen zusammen auf einem öffentlichen Platz in der Stadt saß. Nach Bewertung der Polizei befanden sich nach den seinerzeit gültigen Corona-Regeln zu viele Menschen dort. Die Polizeikontrolle wurde von der Frau mit ihrem Handy gefilmt. Durfte sie das?
Die Frau wurde erstinstanzlich letztes Jahr zu sieben Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Hauptsächlich, weil sie Widerstand gegen die Wegnahme ihres Handys geleistet hat. Der Fall liegt nun beim Oberlandesgericht Zweibrücken.
Vertretbar wäre aber auf jeden Fall auch, wie ein Beschwerdeführer aus dem Jahr 2011 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt bekam, dass eine Identitätsfeststellung der Polizei gegen seine Person wohl nicht gerechtfertigt war. Er, bzw. seine Begleiterin, hatten den Anschein erweckt, die Polizei bei ihrem Einsatz zu filmen. Das BVerfG rügte die zuvor beteiligten Verwaltungsgerichtsinstanzen, dass eine bloße Vermutung einer späteren „Veröffentlichung“ des Filmmaterials eben nicht ausreiche, um präventivpolizeiliche Maßnahmen damit zu begründen. Zumal die Polizei selbst Filmaufnahmen von der Anlasssituation (Versammlung unter freiem Himmel, Beschl. v. 24.07.2015, Az. 1 BvR 2501/13) fertigte.
Zurück zu den Grundlagen der Rechtsauslegung
Im Presserecht hat sich das Verhältnis gegenüber der sogenannten „Vierten Gewalt im Staat“ über viele Jahre austariert. Auch das ist nicht ohne juristische Geburtswehen vonstattengegangen. Der Innenministerkonferenz liegt ein Entwurf zur Novellierung der „Verhaltensgrundsätze für Medien und Polizei - zur Vermeidung von Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung“ seit November 2020 vor (der Vorläufer stammt aus 1993). Einen Zusatz gilt es noch einzufügen und insgesamt zu beschließen, nämlich der Schutz der Berichterstatter selbst vor Übergriffen (vgl. Corona/Lügenpresse). Hier wird es weiterhin ermöglicht sein, Polizeieinsätze aufzunehmen, dabei nicht im Wege zu stehen und über die Art einer möglichen Veröffentlichung zu kooperieren (Ziff. 8 d. Entw.).
Den Einsatzkräften wird trotz Ihres Agierens im öffentlichen Raum auch ein „abgestuftes“ Persönlichkeitsrecht zugestanden. Einsatzkräfte sind Grundrechtsträger und geben ihre Rechtsposition bei Dienstantritt nicht gänzlich auf. Diese Position vertritt z.B. Polizeidirektor a.D. Jürgen Roos (Roßbach/Wied) sehr nachdrücklich:
„In dem im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelnden Recht am eigenen Bild ist der Polizeibeamte Bürger und Grundrechtsträger wie jeder andere auch. Das meint, er kann sich gegen Rechtseingriffe Dritter in sein Persönlichkeitsrecht angemessen zur Wehr setzen.“
Demnach könnten eben auch Polizeibeamte sich trotz ihrer Zugehörigkeit zu relativen Personen der Zeitgeschichte (Agieren in der Öffentlichkeit) mithilfe der Bestimmungen des Kunsturheberrechtsgesetzes (KunstUrhG) vor jeder Art der unbefugten Anfertigung, Verbreitung oder Veröffentlichung einer bildlichen Darstellung ihrer Person schützen. Ihr Persönlichkeitsrecht ist dabei das sogenannte „Quellrecht“.
In jüngeren Juristenkreisen skandaliert man diese These aber erneut und besteht auf Trennung von Amt und Person, wenn Einsatzkräfte (hier Polizei) im Auftrag des Staates tätig werden und die Legitimation ihres Handelns darauf gründen. Spätestens dann seien sie keine Träger von Persönlichkeitsrechten, die per se als Abwehrrechte gegen staatliche Willkür verfasst wurden. Sebastian Schwab:
„Als Angehörige der Polizei haben sie kein Grundrecht, das dazu führen könnte, sie unter den Schutz des Kunsturheberrechtsgesetzes zu stellen.“
Diese Positionen können wir weder hier, noch prognostisch eindeutig aus der jüngsten Rechtsprechung ableiten. Die Begründung präventivpolizeilicher Maßnahmen (Sicherstellung/Beschlagnahme Handy, Identitätsfeststellung) mit dem KunstUrhG wird seltener, aber hat teilweise auch heute noch in den ersten Stufen des gerichtlichen Instanzenzuges Bestand.
Seit etwa 2019, wird der Paragraf 201 StGB in vergleichbaren Fällen aufgerufen. Der soll verhindern, dass das vertraulich gesprochene Wort heimlich aufgezeichnet wird. Die Grundausrichtung war der Schutz eines hochprivaten Bereiches. Man darf hier grundsätzlich berücksichtigen, dass auch ein Filmen via Handy einbezogen werden kann, wenn das Mikrofon des Gerätes mit betrieben wird.
Sprechen Polizeibeamte vertraulich oder öffentlich?
Polizeirechtler, wie Univ.-Prof. Dr. Dr. Markus Thiel von der DHPol, wollen das nicht so stehen bzw. gelten lassen:
„Und ich würde daher die Vorschrift schon von ihrer Grundausrichtung her für die Kommunikation zwischen Polizeibeamtinnen und -beamten im Einsatz nicht für anwendbar halten, weil es dort ja im Wesentlichen um dienstliche Abstimmungen, um Einsatzplanungen, um Anweisungen und um einen informatorischen Austausch geht, nicht aber um eine Unterhaltung über private Angelegenheiten, die von dieser Strafrechtsnorm besonders geschützt werden sollen.“
Gestützt wird diese Haltung u. a. durch die juristische Bewertung des folgenden Sachverhaltes:
„Bei einem Polizeieinsatz in Osnabrück im Sommer 2021 waren die Einsatzkräfte gefilmt worden, während sie einen Verdächtigen auf dem Boden fixierten. Mit dem Hinweis, dass derartige Tonaufnahmen strafbar seien, forderten daraufhin die Polizeibeamten den Beschwerdeführer auf, die Aufzeichnungen zu unterlassen. Zudem stellten sie sein Mobiltelefon wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes sicher.“
Das Landgericht Osnabrück zielte in seiner Urteilsbegründung darauf ab, dass die Polizeibeamten im öffentlichen Verkehrsraum Diensthandlungen vorgenommen hätten. Weil dieser Ort frei zugänglich gewesen sei, wären auch die gesprochenen Worte öffentlich gewesen. Somit habe der Beschwerdeführer auch niemals gegen Paragraf 201 StGB verstoßen können (Beschl. v. 24.09.2021, Az. 10 Qs 49/21).
Das Landgericht München sah den Schutz der Vertraulichkeit des von Polizeibeamten gesprochenen Wortes gegenüber Bürgerinnen und Bürgern in einem anderen Sachverhalt eindeutig verletzt an und verurteilte die Urheberin der Videoaufnahme per Handy am Rande einer Versammlungslage aufgrund Paragraf 201 StGB (LG München I, Urteil v. 11.02.2019 – 25 Ns 116 Js 165870/17).
Wie lösen wir das Dilemma auf?
Bei Einsatzkräften wird nachvollziehbarerweise der Ruf nach Identitätsschutz lauter. Gerade eine Verbreitung von Videoaufnahmen in den sozialen Medien machen eine spätere Verfolgung von Einsatzkräften in ihrem privaten Lebensumfeld möglich (vgl. Software zur Gesichtserkennung). Spätestens im eigenen Zuhause sollte doch wieder ein Grundrechtsträger wohnen dürfen. Greifen Abwehrrechte auch gegen Folgen des eigenen staatlichen Handelns? Sollte das auch einen Schutzraum ermöglichen?
Für reguläre Medienvertreter ist klar, innerhalb einer polizeilichen Absperrung entsteht ein Raum, in dem nur noch eine eingeschränkte Öffentlichkeit zugelassen ist. Vielleicht beschreibt das noch keine Privatsphäre, aber könnten sich auch Privatpersonen durchaus bewusst sein, dass hier nicht mehr alles „öffentlich“ ist?
Spätestens das „Mitfilmen“ anderer Personen (Unbeteiligte, Opfer) und deren vertraulich gesprochenes Wort (…an die Polizei) sollte von § 201 StGB doch weiterhin geschützt sein?
Der Wunsch nach Transparenz staatlichen Handelns ist verständlich. Ja sogar das Misstrauen in die Rechtmäßigkeit z.B. polizeilicher Eingriffsmaßnahmen, dafür gibt es viele Beispiele, teilweise mit tragischem Verlauf für Opfer von polizeilicher Gewalt. Können wir uns von einer dauerhaften Aufzeichnung polizeilichen Handelns (Bodycam) mehr versprechen? Schlicht hoheitliches Handeln (z.B. die Streifenfahrt) und Eingriffsmaßnahmen (z.B. Identitätsfeststellung, Festnahme) auf einem Speichermedium dokumentiert und für alle Bedarfe wieder abrufbar?
Bevor es eine (zumindest zeitweise) gesellschaftlich akzeptierte Antwort auf diese Fragen gibt, werden wir weiterhin am Puls der rechtlichen Entwicklungen hängen. Es gilt, die Lebenssachverhalte auch bis in höchste Instanzen zu tragen. Nur so können wir erkennen, ob wir das bestehende Recht richtig anwenden oder wir mithilfe der Legislative Regelungslücken zu füllen haben.
Und wenn wir soweit sind, …wird eine neue Art der „Aufzeichnung“ erfunden sein.
Crisis Prevention 2/2022
Deutsche Hochschule der Polizei
Thomas Fürst
Polizeidirektor im Hochschuldienst
Zum Roten Berge 18-24
48165 Münster
E-Mail: Thomas.Fuerst@dhpol.de