11. GPEC 2020: Einsatzfahrzeuge aktuell

Technische Innovationen in aktuellem Kontext

Thomas Fürst

Thomas Fürst

Die nur für einen geschlossenen Besucherkreis zugängliche Fachmesse und Konferenz für Polizei- und Spezialausrüstung ist Europas größte Spezialmesse für die Zielgruppe der Sicherheitsbehörden. Sie findet seit dem Jahr 2000 alle zwei Jahre statt und verbindet das interessierte Fachpublikum mit mehreren hundert Ausstellern aus mehr als 30 Staaten.

„Die öffentliche Sicherheit ist ein hohes Gut. Ziel der Politik der Bundesregierung ist es, Sicherheit auf höchstem Niveau zu gewährleisten. Um dies ermöglichen zu können, müssen die Sicherheitsbehörden auch auf höchstem Niveau ausgestattet werden. Die Polizeien des Bundes und der Länder, die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk und alle weiteren im Bevölkerungsschutz tätigen Hilfsorganisationen verdienen professionelle Ausrüstung und Schutzausstattung.“ (Horst Seehofer, Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat)

Unter der Schirmherrschaft von Bundesinnenminister Horst Seehofer bietet die Messe technische Antworten für die Alltagsanforderungen des polizeilichen Streifendienstes, bis hin zur Terrorbekämpfung durch polizeiliche Spezialkräfte. Dieser Spannungsbogen ist das zeitgemäße Abbild von Ausbildung, Fortbildung und Einsatz der Polizeien in Bund und Ländern. Ohne einen zahlenmäßigen Beleg erscheint der Anteil der ausgestellten Führungs- und Einsatzmittel zur Bekämpfung lebensbedrohender Einsatzlagen (LEBEL) der größte Wachstumsbereich zu sein.

Auch eigene Vorträge zum „Schutz öffentlichen Raums und neuralgischer Punkte“ (Security of Public Spaces and Vulnerable Points) im Rahmen der GPEC 2020 wurden der Agenda „Terrorismusbekämpfung und Schutz Kritischer Infrastrukturen“ zugeordnet. Die Fachtagung „Blind Spots in der Europäischen Terrorismusbekämpfung – Auswirkungen auch für Unternehmen und kritische Infrastrukturen“ wurde von Horst Schmittdiel (ehem. MAD) moderiert.

In Vertretung für Minister Seehofer eröffnete der hessische Innenminister, Peter Beuth, die Fachmesse am Stand „seiner Polizei“ und rief den Präsidenten des hessischen Polizeipräsidiums für Technik (HPT Hessen), Präsident Karl-Heinz Reinstädt, stellvertretend für die Beschaffer und Ausstatter der Polizeien dazu auf, eine gründliche Marktschau auf der Messe zu unternehmen. Natürlich ohne Gewähr für jedwede Beschaffung hätten Polizeibeamtinnen und -beamte einen Anspruch auf die beste persönliche Schutzausstattung und Ausrüstung, die ihre Dienstausübung erfordere.

Einsatzfahrzeuge aktuell

Überfallkommandokraftwagen PP Frankfurt a.M. Waffenschubladen
im Fond. VW 5 N, Tiguan Allspace. Unauffällige Innovation. Eine Palette Vito bitte… Emissionsfrei bis auf die Sondersignale, Mercedes-Benz.
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Was gibt’s Neues? Fahrzeuge für die Sicherheitsbehörden

Die GPEC 2020 umfasst als One-Stop-Shop sämtliche Sach- und Ausrüstungsgebiete und wird ergänzt durch zahlreiche Konferenzen, dienstliche Arbeitsgruppentreffen und Praxistrainings. Eine Darstellung dieses Angebotes würde den Rahmen des Artikels sprengen. Vielleicht schon als geeignete Überleitung zur Fachmesse INTERSCHUTZ 2021 reflektiert die folgende Auswahl das Segment der Fahrzeuge.

Bunte Vielfalt im polizeilichen Alltag

Die Vielfalt in der Einheit bildet sich fast schon symbolisch in der Modellreihe Vito von Mercedes-Benz ab. Das Arbeitstier aus Handwerk und Transport hat längst Einzug in die Behördenflotten gefunden. Und, Vito ist eben nicht gleich Vito, es kommt auf die Konfiguration an. Hier arbeitet Mercedes-Benz mit unterschiedlichsten Partnern zum Fahrzeugausbau zusammen. Das ist nicht weiter verwunderlich. In dieser Fahrzeugplattform vereinigen sich Vorstellungen und Wünsche der Endabnehmer. Und die sind sehr unterschiedlich.

Die Vorstellungen der Bundespolizei, einiger Länderpolizeien und auch Bundesbehörden wie z.B. dem ZOLL sind Ergebnisse von Arbeitsgruppen und der Auswertung von Expertenmeinungen aus den jeweiligen Arbeitsbereichen. Es gilt: Der Mitarbeiter gestaltet seinen Arbeitsplatz. Aus eigener Erfahrung kann der Autor beisteuern, dass sehr wohl neugierige Blicke nach links und rechts gerichtet werden. Die Landesoberbehörden für Ausstattung und Technik beziehen durchaus die Ideen anderer Sicherheitspartner mit ein. Und doch tragen die Modelle nach Fertigstellung die Bezeichnung der Abnehmer (z.B. Modell Schleswig-Holstein, Modell Nordrhein-Westfalen, Modell ZOLL, etc.).

Sicherlich müssen sich Modelle aufgrund der beabsichtigten Nutzung unterscheiden. So ist der Aufbau eines Vito für Diensthundeführer (K 9) nicht für den Alltag eines Streifenteams geeignet. Allerdings weist die Modellvielfalt auch auf eine Menge an Planung und Planern hin, die in einem gemeinsamen Rahmen freundschaftlich nebeneinander Zeit und Kraft investieren, um „ihre“ Konfiguration endlich als Fertigfahrzeug vor sich zu sehen. Was würde wohl passieren, wenn das Modell Schleswig-Holstein auch in Nordrhein-Westfalen Streife fährt?

Auf besonderen Wunsch eines Einzelnen…

wird in der Regel nicht besondere Rücksicht genommen. Vielleicht aber doch, wenn die Spezialität des Einzelnen, hier einer Dienststelle der Frankfurter Polizei, sich bewährt hat und außer Frage steht.

Die „D 510 Einsatzeinheit“ der hessischen Polizei, nur im Polizeipräsidium Frankfurt am Main, kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Dokumentiert seit 1921 gibt es im dortigen Polizeipräsidium ein Überfallkommando, zum Einsatz bei Einbrüchen, Festnahmen gefährlicher Personen und Tumultdelikten, unterhalb der Schwelle eines SEK. Zum Team gehört immer auch mindestens ein Diensthund.

Für diese Einheit werden vier neue Überfallkommandokraftwagen (MAN TGE 3.1.80) beschafft. Auf MAN Basis mit 130kW (177 PS), mit 3.64m Radstand und robusten Fahrhilfen findet das Kommando ausreichend Platz für sich und das erforderliche Material. So bietet das ausgestellte Fahrzeug Waffenschubladen zur Aufnahme von bis zu acht HK G 38 (mit Magazinen) abschließbar mit ABUS-Panzerriegel, einen Heckausbau mit Schwerlastschubladen für Einsatzmittel und eine austauschbare Hundebox.

Hier stand eindeutig der schnelle Transport, die Einsatzreaktionszeit der Kommandokräfte im Vordergrund von Planung und Realisierung. Solche Spezialfahrzeuge in kleinster Stückzahl sind immer auch Sinnbild für die Wertschätzung einer Einsatzeinheit.

Interaktiver Streifenwagen

Die Nachfrage nach smarten Lösungen zur Erhöhung der IT-Konnektivität im Arbeitsplatz Streifenwagen ist groß. Die GPEC 2020 bot dazu die unterschiedlichsten Lösungen.

Mit einem dieser Beispiele ist die Landespolizei in Sachsen-Anhalt auf Streife. Auf der Basis eines sehr attraktiven VW Tiguan mit Beklebung im „Magdeburger Design“ stellte die Polizeiinspektion Zentrale Dienste ihren Entwicklungsstand vor. Neben der Funktionalität einer 150 PS starken Maschine und einer Höchstgeschwindigkeit von angegebenen 198 km/h spielt heutzutage noch eine ganz andere Geschwindigkeit eine zunehmend wichtige Rolle.

Eine digitales Bedienpanel am Armaturenbrett ist für VW Fahrzeuge nicht ungewöhnlich. Doch dieser Touchscreen kann mehr. Neben der Steuerung der Sondersignalanlage (Hänsch DBS 4000 mit 2 Frontblitzern, 2 Heckblitzern in der Kofferraumklappe und Infrarotstrahler) verbindet ein Multifunktions-PC das Einsatzfahrzeug mit der Leitstelle. Einsatzdaten werden unmittelbar auf das Display gesendet. Neben Anrufer und Erreichbarkeit ist der Einsatzort in Klartext abgebildet. Nur einen Fingertipp entfernt nimmt das Bordnavigationssystem die Daten auf und leitet die polizeiliche Hilfe auf schnellstem Wege durch den Verkehr.

Besondere Objekte oder ortsbezogene Informationen sind unmittelbar abrufbar und können vom Streifenteam einbezogen werden. Parallelinformationen zum Hintergrund des jeweiligen Einsatzes sind als Freitext jederzeit von der Leitstelle zu ergänzen.

Alle Funktionen eines Statusgebers alter Schule sind vorhanden. Mit dem Panel übernimmt das Streifenteam den Einsatz und schließt ihn ab. Die Grunddaten stehen zudem auch für die spätere Vorgangsfertigung und den Streifennachweis zur Verfügung.

Natürlich bietet das Einsatzmittel auch noch eine Rückfallebene und manche Informationen werden nach wie vor über den digitalen Sprechfunk ausgetauscht. Das Einsatzinformationssystem bietet aber hier eine deutliche Entlastung des Funkverkehrs.

Leider ist es noch nicht möglich, über den Multifunktions-PC Fahndungsabfragen zu generieren, wie vielerorts arbeitet auch die Polizei Sachsen-Anhalt an dieser Erweiterung. Wie nahezu überall ist dafür aber kein technisches Problem zu lösen, sondern dem Schutz sensibler Daten Rechnung zu tragen.

Ein weiteres Beispiel innovativer Kombinationen stellte die Fa. haberl electronic an ihrem Stand aus. Die Entwickler von Ternica Systems legen ihren Fokus dabei auf Videodokumentationssysteme und Geschwindigkeitsmessmodule. Vekehrsüberwachungskräfte kennen sicherlich das ProViDa-Videonachfahrsystem, für das die Fa. haberl den Alleinvertrieb in Deutschland verantwortet.

Neuer Auftrieb für neue Antriebe

Der Klimaschutz hat die Sicherheitsbehörden erreicht. „To serve and to protect” schließt nunmehr auch die gefährdete Umwelt mit ein. Es ist müßig, sich auf die konfrontativen Diskussionen zwischen Klimaschützern und ihren Gegnern einzulassen. Der Ruf nach weniger Gedankenlosigkeit z. B. bei der Umverpackung von Einsatzverpflegung oder der Energiebilanz von Dienstgebäuden ist nicht überhörbar.

So wundert es nicht, wenn ganze Arreale auf der GPEC 2020 Dienstfahrzeuge vorstellen, die nicht nur oder gar nicht mehr fossile Brennstoffen zur Fortbewegung benötigen. Das Angebot umfasst die eMobilität genauso wie modernste Brennstoffzellentechnik.

Die Straßenzulassung als Königsdisziplin?

Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben müssen das tun, was zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung erforderlich ist. Die Einsatzmittel dazu werden aus den dienstlichen Herausforderungen entwickelt, und zulassungsrechtliche Fragen sind unerheblich.

Das stimmt, solange Behörden sich sicher sein können, dass die Führungs- und Einsatzmittel entweder außerhalb der Standard-Zulassungsverfahren bleiben oder einen Sonderzulassungsstatus im Einzelfall erhalten, z. B. für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr.

Es gibt allerdings Hersteller, die mit Blick auf europäische Bestrebungen, bereits dunklere Schatten am Horizont wahrnehmen und ihre Entwicklungen im Sicherheitssegment zulassungskonform antizipieren. Die Fa. WELP Armouring wies an ihrem Stand aktiv darauf hin. Auf den ersten Blick mutet es seltsam an, wenn ein sondergeschütztes Fahrzeug (Schutzklassen VPAM VR7 / BRV2009 + ERV 2010 und sogar VPAM VR9 / BRV2009 + ERV 10) für die Entwicklung des passenden Fahrwerks und leistungsstärkerer Bremskomponenten den Segen des TÜV Nord benötigt. Und warum wird besonders betont, dass die V6 und V8 Antriebe mit Benzin und Diesel alle die aktuelle Euro-6-Abgasnorm erfüllen? Vielleicht, weil es schneller von Bedeutung ist, als wir jetzt vermuten.

Sicher in unsicheren Zeiten

Der sondergeschützte Transport von Spezialkräften in Terrorszenarien ist ein sehr spezieller Markt. Aber auch hier ist der Preiskampf eröffnet. War bis vor kurzem unbestritten der Survivor R 4x4, entwickelt von Rheinmetall MAN Military Vehicles (RMMV) und Achleitner (bekannt von Sonderfahrzeugen der Bundesbank zum Geldtransport) der Platzhirsch, so stehen am Rand der Lichtung Nachwuchshirsche, die eine Rolle in diesem Segment spielen wollen und können.

So punktet der geschützte Gruppen-Kraftwagen (gGruKw, Tactical Armored Truck), der Fa. STOOF Sonderschutzfahrzeuge mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis. Zwei bis zehn Einsatzkräfte/evakuierte Geiseln finden hinter PM7 (optional PM9) Panzerung Platz. Der gGruKw greift auf bewährte Ford Technik in Chassis (Ford F-550 4x4) und Motor (Ford 6.8, optional 6.7 Turbo Diesel) zurück. Das macht Wartung, Reparatur und Ersatz wesentlich einfacher und dadurch auch nachvollziehbar günstiger.

Während der GPEC 2020 wurde bekannt, dass Bayern für seine SEK noch ein anderes sondergeschütztes Fahrzeug gewählt hat. Bayern wird den ENOK 6.2 der Fa. ACS aus der Region Augsburg beschaffen. Da mögen regionale Gründe mit einbezogen worden sein. Klar ist aber, dass der Survivor R einen weiteren ernstzunehmenden Konkurrenten bekommen hat. Das erste ENOK-Fahrzeug wird beim SEK München zu finden sein, ein weiteres soll ab Mai 2020 dann in Nürnberg als Offensivfahrzeug in lebensbedrohlichen Einsatzlagen dienen. Das hat der Freistaat Bayern sich mehr als 2 Millionen Euro kosten lassen. Auch die Fa. ACS hat auf der Fachmesse ausgestellt.

Die GPEC ist Pflicht…

ist natürlich ein Werbeslogan der Veranstalter. Tatsächlich ist die GPEC aber das, was sie verspricht.

„Die GPEC bietet mit ihrer großen Zahl an Ausstellern einen hervorragenden Überblick über den Stand der Technik und Innovationen. Sie eröffnet die Gelegenheit zum internationalen Informationsaustausch zwischen allen Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und den Anbietern von Polizei- und Spezialausrüstung.“ (Horst Seehofer, Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat)

Alle Bilder Thomas Fürst

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