Die betrieblichen Außengrenzen besser schützen: Neue Vornorm für...
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Die betrieblichen Außengrenzen besser schützen: Neue Vornorm für Perimeterschutz

Christian Weicht, Jürgen Schiller

Vom kleinen Betriebsgelände bis zur kritischen Infrastruktur:

  • die neue Vornorm DIN VDE V 0826-20 beschreibt Qualitätsmaßstäbe für Projektverantwortliche von Perimeter-Sicherungs-Systemen;
  • für eine sichere und frühzeitige Detektion bei unerwünschtem Zutritt;
  • die richtige Perimetersicherung als Lösungen für unterschiedliche Angriffs-Szenarien.

Um den Schutz eines bestimmten Gebiets, Geländes oder Objektes zu ermöglichen, werden Perimeter-Systeme eingesetzt. Da sich die Gebiete, Gelände oder Objekte und deren Schutzbedarf stark unterscheiden, sind die Schutzmaßnahmen dementsprechend qualitativ unterschiedlich. Die niedrigste Sicherung eines Perimeters ist die sogenannte „natürliche Zugangskontrolle“. Meistens wird mit baulichen oder pflanzlichen Maßnahmen dargestellt, an welcher Stelle sich privater Raum vom öffentlichen Raum trennt. Dieses kann zum Beispiel mit einer unterschiedlichen Pflasterung oder einem Pflanzbeet erfolgen. Mit derartigen Maßnahmen soll nicht das Betreten des geschützten Bereichs verhindert werden, wie zum Beispiel bei einer außenliegenden Verkaufsfläche eines Fahrzeughandels. Solche Maßnahmen dienen eher zur Unterstützung des Hausrechts. Sie schaffen aber auch rechtliche Voraussetzungen, um technische Überwachungsmaßnahmen zu ermöglichen, wie zum Beispiel Videoüberwachung. Überall dort, wo eine „natürliche Zugangskontrolle“ nicht eindeutig erkennbar ist, kann die Abgrenzung zwischen überwachtem und nicht überwachtem Raum mindestens durch Hinweistafeln er­folgen.

Soll das Betreten eines zu schützenden Gebiets nur an bestimmten überwachten Stellen erfolgen, werden häufig mechanische Sicherungen, wie Zäune und Tore eingesetzt. Grundsätzlich wirkt die mechanische Sicherung zunächst wie die „natürliche Zugangskontrolle“ eher psychologisch. Vermittelt die „natürliche Zugangskontrolle die Botschaft: „Sie betreten privaten Bereich“, vermitteln mechanische Sicherungen eine „Betreten-verboten-Botschaft“. Bis zu einem gewissen Grad kann eine mechanische Perimetersicherung vor einem Angriff schützen. Ist das Schutzinteresse noch höher, weil ein erwarteter Angriff mit höherer krimineller Energie erwartet wird, kann der mechanische Schutz des Perimeters durch Überwachung erhöht werden. Eine elektronische Überwachung dient dabei als Unterstützung der personellen Überwachung. Und auch hier können wieder je nach Schutzinteresse verschiedene Systeme zum Einsatz kommen. Für hohe Schutzbedürfnisse können komplexe Lösungen erforderlich werden, die Betreiber, Planer und Errichter vor große Herausforderungen stellen.

Die neue Vornorm „DIN VDE V 0826-20, Überwachungsanlagen - Externe Perimeter-Sicherungsanlagen - Teil 20: Anwendungsregeln“ bietet hierfür Lösungswege mit wichtigen Qualitätsmaßstäben. Als Teil der VDE 0826-Serie, beschäftigt sie sich mit externen Perimeter-Sicherungsanlagen und beschreibt erforderliche An­wendungsregeln für deren Einsatz.

Sie gilt als Meilenstein auf dem Weg zu hochwertigen Perimeter-Sicherheitslösungen und soll für alle Projektverantwortliche eine „Bedienungsanleitung“ für eine qualifizierte und verifizierbare Projektumsetzung sein.

Darüber hinaus stellt die neue Vornorm Qualitätsmaßstäbe dar, um Projektbeteiligte (z. B. Betreiber, Planer und Errichter) von Perimeter-Sicherungs-Systemen mit dem Ziel zu unterstützen, einen unerwünschten Zutritt frühzeitig zu erkennen und zu melden, um ausreichend Zeit für eine Intervention zu gewinnen.

Um dieses zu erreichen, empfiehlt die Vornorm u.a. folgende Schritte:

  • Klären der Aufgabenstellung;
  • Festlegen des Schutzziels und der Anforderungen an das Sicherungskonzept;
  • Festlegung der Betriebsanforderungen zur weiteren Planung;
  • Konkretisieren und Festlegen des Abnahmeszenarios der Detektion;
  • Planung und Umsetzung nach einem zu entwickelnden Phasenmodell;
  • Gegebenenfalls Bildung eines interdisziplinären Projektteams;
  • Bewertung von Technologien;
  • Ermittlung des Kostenrahmens;
  • Erstellen einer ersten Kostenschätzung;
  • Darstellung der Planungsphase.
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Der Zweck eines Perimeter-Sicherungs-Systems ist die Verbesserung der Sicherheit der überwachten Objekte. Zum Erreichen der höchs¬ten Wirksamkeit sollte ein Perimeter-Sicherungs-System mit zweckmäßigen physischen Sicherungsmitteln und -verfahren kombiniert werden. Dies ist insbesondere für ein Perimeter-­Sicherungs-System eines höheren Grades wichtig. Aus diesem Grund empfiehlt die Vornorm unter anderem auch, dass ein Gesamtschutzkonzept erstellt wird. Neben der Festlegung der Verantwortlichkeiten, muss die Perimeterüberwachung eine dreiteilige Sicherheitsstrategie beinhalten. Diese setzt sich zusammen aus den baulich-mechanischen Maßnahmen, die einen ausreichenden Widerstandswert bieten sollten, den elektronischen Maßnahmen, die eine rechtzeitige Detektion ermöglichen sowie organisatorischen Maßnahmen, die die Intervention sicherstellen.

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Die wesentlichen Bestandteile eines Sicherungskonzepts sind als Mindestinhalte beschrieben. Zusätzlich bietet die Vornorm die Einordnung eines Perimeters in einen Sicherungsgrad (PPS-Grad), der aus einer Kombination der Schutzzieldefinition und der Risikoanalyse gebildet wird und in einem von 4 Graden dargestellt werden kann:

  • PPS Grad 1: niedriges Risiko
  • PPS-Grad 2: niedriges bis mittleres Risiko
  • PPS-Grad 3: mittleres bis hohes Risiko
  • PPS-Grad 4 hohes Risiko

Mit zusätzlichen vier Leistungskategorien(A-D), die die Anforderungen an die physikalischen Gegebenheiten (z.B.: Topografie, Anzahl von Sicherungsbereichen, besondere Gefährdungen) berücksichtigen, kann der Umfang der technischen Erfordernisse eingeordnet werden. In der Kombination zwischen Sicherungsgrad und Leistungskategorie ergeben sich in einer Klassifizierungsmatrix 16 mögliche Klassenkombinationen, die Grundlage für die Planung, der Ausführung und den späteren Betrieb eines Perimeters bieten.

Damit kann den unterschiedlichen Anforderungen eines Perimeterschutzsystems entsprochen werden, denn der Einsatz von Perimeterschutzsystemen reicht von offenen Verkaufsflächen bis hin zu Schutzflächen kritischer Infrastrukturen, wie zum Beispiel Flughäfen, Chemieparks oder Hafenanlagen. Dabei können zusätzlich die Systeme noch komplexer werden, wenn in den Perimetern noch weitere Sicherheitsbereiche vorhanden sind, die auch noch unterschiedliche Sicherungslevel benötigen können. Insbesondere bei einer derartigen Komplexität eines Perimeterschutzkonzeptes bedarf es natürlich auch entsprechende Qualifikation, Vertraulichkeit und Verantwortungszuschreibung, die ebenfalls in der Vornorm beschrieben sind.

Frühzeitige Sicherheit in der Technologieauswahl, Kostensicherheit für die Investition und Klarheit über die Folgekosten kann durch die Anwendung der neuen Vornorm erreicht werden. Auch das Durchführen von Teststellungen und Referenzbesuchen wird empfohlen. Erstmalig wurde normativ eine Aussage hinsichtlich der Anzahl der Falschalarme aufgenommen. So wird eine ­Falschalarmrate (Anzahl der Fehlalarme in einem Bewertungszeitraum) als maßgebliches Qualitätsmerkmal für ein PSS angegeben.

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Um dies zu erreichen ist es notwendig, bereits in einer frühen Planungsphase die sicherungstechnischen Anforderungen, die an zukünftige Perimeter-Sicherungs-Systeme gestellt werden, zu kennen und festzulegen. So kommt zum Beispiel nach den jüngsten Ereignissen, wie der Blockade am Berliner Flughafen oder der Sabotage von Energieinfrastruktur, dem Schutz der Außengrenzen eine immer größere Bedeutung zu.

Mit der neuen Vornorm wurde zudem ein Rahmenwerk geschaffen, das Projektverantwortlichen dabei unterstützen kann, Anforderungen zu definieren und normgerecht zu dokumentieren. Ein Themenschwerpunkt ist daher der Planungs- und Implementierungsprozess. Einzelne Planungsphasen werden detailliert beschrieben und finden sich in einzelnen Abschnitten wieder:

  • Planung
  • Projektierung
  • Montage
  • Inbetriebsetzung
  • Überprüfung
  • Abnahme
  • Instandhaltung

Unter anderem kann mit einer Checkliste der Aufbau und der Inhalt des Sicherungskonzeptes übernommen werden. Der Anhang D stellt den Projektbeteiligen ein Tool zur Beschreibung und Dokumentation der Betriebsanforderungen zur Verfügung. So soll u.a. Planern geholfen werden, geeignete Lösungen für ihr/e Schutzziel/e und den damit verbundenen Risiken zu finden.

Weitere nützliche Checklisten sind:

  • Checkliste zur Inbetriebsetzung
  • Checkliste zum Probetrieb
  • Checkliste zur Überprüfung
  • Checkliste zur Abnahme
  • Checkliste zum Betrieb

Mit einer Umsetzung der normativen Anforderungen können somit Grundlagen geschaffen werden, um Investitionen nachhaltig zu machen. Die Anwendungsregeln sind als Hilfestellung für die Beteiligten eines Perimetersicherungsprojektes gedacht. Sie sollen dazu dienen Risikoträger/Versicherer, Hersteller und Fachfirmen von Perimeter-Sicherungs-Systemen, Betreiber, Polizei, Planer und weitere relevante Organisationen bei Auslegung, Planung, Betrieb, Installation und Instandhaltung von Perimeter-Sicherungs-Systemen zu unterstützen. Mit der Anwendung der neuen DIN VDE V 0826-20 kann ein korrektes Verfahren einfacher nachgewiesen werden. Bei der Erstellung wurde darauf geachtet, dass Projekte in verschiedenen Größenordnungen von der Norm profitieren können. So können bei Projekten geringeren Umfangs einzelne Planungsschritte gebündelt werden. Allerdings darf dies nicht zu Lasten der Sicherheit gehen und ist daher vor Beginn des Projektes festzulegen.

Die Vornorm wurde im Januar auf der diesjährigen Fachmesse Perimeter Protection in Nürnberg der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Bezugsquelle der DIN VDE V 0826-20, Überwachungsanlagen -Externe Perimeter-Sicherungsanlagen - Teil 20: Anwendungs­regeln finden Sie hier: VDE-Verlag: www.vde-verlag.de/normen/1800761/e-din-vde-v-0826-20-vde-v-0826-20-2022-08.html

Beuthverlag: www.beuth.de/de/vornorm-entwurf/din-vde-v-0826-20/356060798 


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