26.06.2023 •

Geodaten – ein Instrument für Katastrophen­prävention in Waldbrandzeiten?

Horst W. F. Schöttler

Achtung Waldbrandgefahr
Animaflora PicsStock

In der vorigen Ausgabe der CRISIS PREVENTION lasen Sie Teil I zur Katastrophenprävention in Waldbrandzeiten.
Hier folgt die Fortsetzung.

Der deutsche Wald

Hinter dieser belletristisch anmutenden Überschrift steht die Absicht, Daten und Fakten und somit die Bedeutung des Waldes für die Bundesrepublik Deutschland vorzustellen.

Deutschland hat eine aktuelle Fläche von rd. 357.600 qkm – das entspricht 35,76 Mio. Hektar. Davon entfallen rd. 51 Prozent auf landwirtschaftliche Flächen (16,6 Mio. ha) und 30 Prozent auf Wald- und Forstflächen (11,4 Mio. ha). Rd. 14 Prozent nehmen Siedlungs- und Infrastrukturflächen (Straßen, Schienen etc.) ein.

Insgesamt werden etwa 90 Milliarden Bäume geschätzt. Schwieriger ist es, Zahlen zur Schädigung der Wälder zu ermitteln. Mediale Informationen und vergleichende Recherchen kommen auf einen Grad von 60 Prozent Waldschäden. Für 2020 wurde von 60 Mio. cbm Schadholz berichtet.

Und so wird seit etwa drei Jahrzehnten – fast einhergehend mit der Vereinigung von BRD und DDR – vom Waldumbau gesprochen, der nun auch in die bundes- und landespolitischen Ziele eingegangen ist. Warum?

Die insgesamt 77 Baumarten in deutschen Wäldern werden seit über 100 Jahren von monokulturellen Pflanzungen geprägt. Fichten und Kiefern mit jeweils 26 Prozent resp. 23 Prozent bedecken somit fast die Hälfte aller staatlichen und privaten Waldgebiete. Laubbäume wie Buchen und Eichen zählen gemeinsam „nur“ 26 Prozent. Was dies „brandschutztechnisch“ bewirkt, haben die sommerlichen Waldbrandkatastrophen in Südeuropa gezeigt. Der deutsche Hotspot – Brandenburg – macht aufgrund seiner Baumbestände bei der Brandbekämpfung besondere Probleme. Hierzu der Waldbrandexperte Philipp Haase gegenüber der „Rheinpfalz“ am 27. Juli 2022: Bei den Baumkronenbränden läuft das Feuer von Krone zu Krone und findet sehr viel brennbares Material. Die Feuerwellen laufen daher in bis zu 25 Metern Höhe, werden durch die höheren Windgeschwindigkeiten angefacht und breiten sich schneller aus.

Besonders in den neuen Bundesländern, somit auf dem Staatsgebiet der ehemaligen DDR, wurden schnellwachsende und pflegeleichte Nadelgewächse nach dem II. Weltkrieg angepflanzt und zunächst als Brenn-, dann als Bauholz verwendet.

Waldumbau bedeutet folglich weniger brandgefährdete und klimaresistentere Mischwälder!

Sind doch Nadelbäume eine latente Brandlast, da sie als Flachwurzler besonders bei Niederschlagsmangel vom zu trockenen Oberboden und absinkendem Grundwasserspiegel betroffen sind. Zudem bieten sie in ihrem Absterbeprozess gemeinsam mit Totholz den Borkenkäfern ein effektives Zerstörungspotential. (Quelle: ARTE „Zu trocken, zu heiß, zu nass“, Fernsehbeitrag vom 16.09.2022).

Löschen aus der Luft – ja aber wie?

Unter Fachleuten hält seit Jahren die Diskussion an: Löscheinsätze aus der Luft – ja!; mit welchen Fluggeräten? Hubschrauber – ja!, Löschflugzeuge – von unbedingt ja bis einsatztaktisch unnütz «wogen» die Auffassungen.

Bei einem Flächenbrand am Brocken (Harz), um den 5. September 2022 ausbrechend, – 160 ha Wald- und Moorfläche – waren bis zu 11 Hubschrauber und zwei Löschflugzeuge aus Italien im Einsatz!! Weder deutsche Bundes- noch Landesbehörden verfügen über eigene Löschflugzeuge. Folglich plädiert die FDP für deren Anschaffung und der innerhalb der Grünen zuständige Brandexperte, Leon Eckert, MdB, selbst Mitglied einer bayrischen Freiwilligen Feuerwehr, schlägt aus Solidarität mit den anderen europäischen Ländern (hier: Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien) eine Beschaffung vor. In der Tat hat sich bei den riesigen Brandflächen und den topographisch schwer zugänglichen Bereichen in diesen Ländern gezeigt, dass Löschflugzeuge unverzichtbar sind.

In Deutschland konzentriert sich die Zuständigkeits- und somit Ausstattungsfrage im Bund auf die Bundespolizei und die Bundeswehr; in den Bundesländern auf die Länderpolizeien. Beispielsweise seien genannt: die Polizeihubschrauberstaffel von Rheinland-Pfalz verfügt derzeit über zwei Hubschrauber, die jeweils 450 l-Wasserbehälter transportieren können. Durch eine Zusammenarbeitsvereinbarung mit Hessen kann der Pool auf fünf Maschinen aufgestockt werden. 2024 sollen zwei neue Helikopter mit je 800 l – Tanks beschafft werden, die zudem für die Personenrettung einsetzbar und nachtflugtauglich sind. 

Die Bundespolizei verfügt über insgesamt 87 Maschinen an fünf Standorten (2019). Sie sind zur Personenrettung mit Seilwinden ausgestattet und können auch durch verlastbare Wassertanks Löscheinsätze fliegen.

Besonders gefragt sind in der Waldbrandsaison die Transporthubschrauber der Bundeswehr. Die CH-53 G, genannt der „Last­esel der Lüfte“, ist immerhin 50 Jahre alt und bedarf nicht nur aufwändiger Wartung, sondern ist des Öfteren auch nicht einsatzbereit.

Aber die Löschwassermenge von 5000 Litern sorgt noch für eine effiziente Unterstützung der zivilen Brandbekämpfer. 

Nun tritt auch hier die „Zeitenwende“ ein. Aus dem Sondervermögen der Bundeswehr werden 60 Boeing Chinooks CH-47 F beschafft, die durch eine Fähigkeit zur „Luft-zu-Luft-Betankung“ und einer Tragfähigkeit von 11 Tonnen nicht nur weiter entfernt eingesetzt, sondern auch mehr transportieren können. Dadurch verbessert sich die Transportfähigkeit von Wasser von bisher 5000 Liter auf über 10000 Liter („Die Bundeswehr“, Oktober 2022, S. 56)

Exkurs: Der große Knall – Brand in Grunewald

Der Gassenhauer „In Grunewald, in Grunewald ist Holzauktion ...“ fand am 4. August 2022 eine dramatische Aufmerksamkeit, als im Forst Grunewald um 03.20 h ein Großbrand ausbrach. Eine in vier Kilometern residierende Anwohnerin berichtete der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe vom 5. Aug., Reporter Oliver Klasen): „Ich bin durch einen unfassbar lauten Knall aufgewacht....Es klang wie eine Bombe.“ Wenige Minuten später, um 03.24 h, wird die Feuerwehr alarmiert. Rund zwei Stunden später meldete sie – es ist sehr ernst > kein „normaler Waldbrand“. Denn mitten im Wald liegt der Sprengplatz der Berliner Polizei mit rd. 30 Tonnen Munition und Munitionsresten sowie mehrere zur Entschärfung vorgesehenen Großbomben (250 kg). Zusätzlich lagern einige Hundert Kilogramm beschlagnahmte Feuerwerkskörper auf dem Platz. Es brennt zwar „nur“ auf einer Fläche von 42 Hektar; indes sprachen Feuerwehr, Polizei und Feuerwerker des Kampfmittelräumdienstes von einer der gefährlichsten Lagen der Nachkriegsgeschichte für die Berliner Wehr. Ab Brandbeginn kam es immer wieder zu Explosionen und umherfliegenden Trümmern. Die Feuerwehr konnte nicht löschen – zu lebensgefährlich für die Männer und Frauen. Und so wurde zunächst eine Sperrzone von 1000 m eingerichtet. Die wiederum bewirkte die Schließung der Bahnstrecke Potsdam – Berlin und der Stadtautobahn A 115 AVUS. 

Einzig erfreulich: Die nächsten Wohnsiedlungen sind mindestens zwei Km entfernt und somit weder Menschen noch Unterkünfte ge­fährdet.

Der Berliner Landesbranddirektor Dr. Karsten Homrighausen sagt in einer E-Mail vom 7. August 2022 an den Verfasser dieses Beitrags: „Ohne Löschroboter, Löschpanzer und gepanzerten Fahrzeugen liefe hier wenig. Die Polizei ist mit Hubschrauber, Was­serwerfern, geschützten Fahrzeugen (Survivor und SW) sowie Drohnen im Einsatz. Die Bundeswehr hilft mit Bergepanzern, einem Pionierpanzer und dem Spähpanzer Fuchs: dazu eine Privatfirma mit einem Löschpanzer. Hilfsorganisationen sorgen für Verpflegung, das THW mit systemeigener Logistik.

v. li.: der Autor, Dr. Horst Schöttler, Innenminister von Brandenburg, Michael...
v. li.: der Autor, Dr. Horst Schöttler, Innenminister von Brandenburg, Michael Stübgen, Präsident des LGB Brandenburg, Prof. Christian Killiches
Quelle: Mark Vetter

Nach vier Tagen, am Sonntag, den 7. August, konnten zunächst die Züge wieder fahren; ab Mittwochabend den 10. August wurde dann die Sperrung der AVUS aufgehoben.

Fazit der Berliner Polizeipräsidentin, Dr. Barbara Slowik, und des Feuerwehrchefs, Dr. Karsten Homrighausen: eine gute Zusammenarbeit zwischen der einsatzführenden Feuerwehr mit der Polizei, der Bundeswehr, den KatS-Organisationen, Waldbrand­experten und zahlreichen Sonderbehörden wie DB, Forst, Wasserwerken. (Stabsarbeit – Übungen !!!)

Und: Der seit 1950 bestehende Sprengplatz wird nicht verlegt.

Auch die hochrangigen Landespolitiker, sämtlich vor Ort, Berlins Regierende Bürgermeisterin, die Innensenatorin und der Innenminister von Brandenburg, waren voll des Lobes über die Leistung der Einsatzkräfte.

Einsatztaktisch stellte der Grunewald die Kräfte vor neue Herausforderungen: Noch selten war die Erkundung und Lagefeststellung im ebenen Gelände aufgrund des munitionsbelasteten und somit explosiven Areals so schwierig. Um Personal und Material zu schützen, mussten Drohnen, ein Hubschrauber sowie Satellitenbilder und ein Bergepanzer zu Luft und zu Land eingesetzt werden.

Homrighausen: „Auch dies gilt es künftig zu berücksichtigen!“

So vereinbarten als Konsequenz aus „Grunewald“ die Berliner Feuerwehr mit den Berliner Forsten und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) die gemeinsame Weiterentwicklung der Aufnahmetechniken bei Flächendrohnen voranzutreiben.

Folgende Anwendungsbereiche sind geplant:

  • Wärmebildkomponente/Infrarottechnik
  • Bio-Radar zur Lokalisierung von Personen
  • Messtechnik mit Fernsensorik im CBRN-Bereich
  • Zusammenfügen von Drohne und Roboter zu einer Erkundungs- bzw.   Gefahrenabwehreinheit mit gemeinsamer Steuerung
  • Entwicklung mobiler Leitstand
  • Nutzung von Optsal Kamerasystem
  • Multispektralkamera RGB NIR zur Erfassung des Vegetationszustandes und Katastrophenmonitoring

Quelle: Pressemitteilung der Berliner Feuerwehr vom 19.10.2022 (übermittelt durch die Berliner BF am 03.11.2022)

Der Mensch und der Wald

2022 war eines der schlimmsten Jahre mit großflächigen Vegetationsbränden in Zentral- und Mitteleuropa. Neben den großräumigen Faktoren Klimawandel und punktuellen Vorkommnissen (Blitzschlag, Selbstentzündung) sowie dem schleppendem Waldumbau führte oftmals menschliches Fehlverhalten zu den Katastrophen. Fahrlässigkeit und Leichtsinn – die weggeworfene Zigarettenkippe, Glasscherbe, der erhitzte Auspuff/Katalysator – oder gar Brandstiftung entfachten die Feuer. Vor noch rund 20 Jahren wollte man in Südeuropa mit Vorsatz Bauland durch Waldbrand schaffen – mittlerweile ein unnötiges Unterfangen, da Behörden strikte Gesetze gegen solche brandgerodeten Bau­flächen erließen.

Dennoch sind immer wieder kriminelle Aktionen Anlass für Brände. Zumeist verursacht von sog. „underdogs“ – Menschen am Rande der Gesellschaft. Schätzungen, wobei zwischen fahrlässiger und vorsätzlicher Brandstiftung unterschieden wird, ergeben, dass ca. ein Viertel aller Waldbrände durch Menschenhand entsteht. Die Aufklärungsquote ist äußerst gering.

In welche Richtung der Waldumbau bei den Baumarten gehen soll, ist unter Ökologen und Forstwirtschaftlern noch umstritten. Buchen haben frühzeitig Laub verloren und drohen somit abzusterben; Am besten haben Eichen durch Ihre Pfahlwurzeln Hitze und Trockenheit überstanden.

Daher „rüstet“ Europa auf: Die zuständige EU-Kommission wird 170 Mio. Euro in die Waldbrandbekämpfung investieren. Ab Sommer 2023 soll die Löschflotte auf 22 Flugzeuge und vier Hubschrauber aufgestockt werden (dpa, 6. Oktober 2022). Und unterscheidet sich somit von Deutschland, das 2023 die Haushaltsmittel für das THW um 158 Mio. Euro (im Vergleich zu 2022) auf 386 Mio. Euro verkleinern wird. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wird 112 Mio. Euro weniger als im Vorjahr und somit 174 Mio. Euro zur Verfügung haben. Die Chefs beider Behörden begünden dies mit dem Wegfall des Corona-Konjunkturprogramms. Dennoch befürchten die 668 Ortsvereine des THW die Folgen der Inflation und im BBK sorgt man sich um fehlende Mittel u. a. für einen zweiten Ausbildungsstandort (neben Bad Neuen­ahr-Ahrweiler). Bundespolitiker nicht nur aus den Reihen der Opposition, sondern auch der Koalition (FDP, Grüne) kritisieren diese Finanzentwicklung (Behördenspiegel, Ausgabe September 2022).

Trotz der steigenden Fokussierung von Bundes- und Landespolitik auf die „Innere Sicherheit“ spricht der Vorsitzende des Arbeitskreises Waldbrand im DFV, Ulrich Cimolino, von erheblichen organisatorischen und Ausstattungsmängeln. „Keine Feuer­wehr in Deutschland verfügt über eigene Löschhubschrauber; sie werden bei Bundeswehr und Bundespolizei angefordert“. In den 16 Bundesländern gebe es 16 gesetzliche Regelungen; teilweise innerhalb der Länder noch einmal unterschiedlich. Cimolino nennt das „Behördenmikado“. Zudem würden bürokratische Hindernisse (Formulare!!) und unnötige Dikussionen zur Löschtaktik und den Löschmitteln zu stundenlangen Löschverzögerungen führen. „Das ist keine moderne Gefahrenabwehr“, so Cimolino. (dpa, 23. Juli 2022).

So ist nur zu hoffen, dass das Beispiel der Bundeswehr, aus dem Flickenteppich von Heimatschutz und friedenszeitlicher Katastrophenhilfe ab 1. Oktober 2022 eine einheitliche Kommandobehörde zu formen, das Territoriale Führungskommando (TerrFüKdo), nun auch die Bundesministerin des Innern, Nancy Faeser, sachgerechte Schlüsse zieht – und die 16 Länder überzeugt, dass Föderalismus bei grenzüberschreitenden Kata­strophen eine strukturelle Katastrophe ist. 

Der Autor war 14 Jahre als kommunaler Wahlbeamter u. a. für den Brand- und Katastrophenschutz in einer Mittel- und einer Großstadt tätig. 15 Jahre beriet er als Katastrophenschutzexperte das Auswärtige Amt und verschiedene Hilfsorganisationen und leitete als Oberst der Reserve 10 Jahre lang die Abteilungen für Zivil-­Militärische Zusammenarbeit G 5/J 9 in oberen Kommandobehörden der Bundeswehr. 



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