26.07.2021 •

Damit die Helfer nicht hilflos werden

Johann Edbauer

Johann Edbauer

Länger andauernde Stromausfälle führen zu beträchtlichen gesellschaftlichen Problemen. Sie betreffen gleicher­maßen das Privat- wie auch das Berufsleben aller Bürgerinnen und Bürger. Auch die Feuerwehreinsatzkräfte werden bei ihrer Auftragserfüllung mit gewaltigen Herausforderungen konfrontiert. Der nachfolgende Artikel stellt einige Probleme für die Feuerwehren auf Gemeindeebene dar. Die möglichen Problem­stellungen werden den verschiedenen Führungsgrundgebieten in einer Stabsstruktur zugeordnet. Diese beziehen sich auf die Personalsituation, Lagefeststellung, Einsatzplanung, Versorgung, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation. Die Zuordnung soll auch als Hilfestellung zur Selbstanalyse der möglichen Auswirkungen auf die eigene Feuerwehr dienen.

Das Szenario: Inzwischen liegen viele Studien zu den Auswirkungen eines Stromausfalls auf die Bevölkerung vor. Die Auswirkungen werden dabei oft in Zeitabschnitte unterteilt. Von kurzfristigen Auswirkungen spricht man bei einem Ausfall von bis zu acht Stunden. Ein mittelfristiger Ausfall bezeichnet einen Zeitraum von acht bis 24 Stunden. Ein langfristig andauernder Stromausfall wird als Versorgungsengpass von über 24 Stunden definiert. Nach den Grundaussagen der Studien nimmt die Kommunikationsmöglichkeit und Mobilität der Bevölkerung rasch ab. Ab einem mittelfristigen Ausfall entstehen in der Bevölkerung erste Versorgungsschwierigkeiten, die sich erheblich steigern werden, je länger der Versorgungsmangel dauert. Während es bei den Feuerwehren anfänglich zu einer erhöhten Anzahl von Einsätzen kommt, wird sich bei mittel- und langfristigen Stromausfällen der Fokus auf den Erhalt der Einsatzbereitschaft und auf Vorkehrungen gegen Einschränkungen bei der Einsatzdurchführung richten.

Personelle Einsatzbereitschaft

Die Mitglieder der Feuerwehren in Deutschland sind überwiegend ehrenamtlich tätig. Sie werden für die Einsätze über Meldeempfänger, Sirenen und selten über Telefon alarmiert. Unabhängig davon, wie lange eine Basisstation für den BOS-Sprechfunk mit Notstrom versorgt ist, dürfte die Schwachstelle der Meldeempfänger des Feuerwehrdienstleistenden sein. Hier ist der jeweilige Ladezustand ausschlaggebend. Eine Studie des Landes Baden-­Württemberg rechnet mit einem Ausfall der öffentlichen Kommunikation nach spätestens acht Stunden. Um die Einsatzbereitschaft der Feuerwehren aufrecht zu erhalten, sind im Vorfeld organisatorische Maßnahmen zu treffen. So könnte bei einem flächendeckenden Stromausfall eine schichtmäßige Besetzung der Gerätehäuser eine gewisse Alarmierungssicherheit bieten. Nach Eintritt des Ereignisses begeben sich Einsatzkräfte nach einem vorher festgelegten Zeitintervall automatisch zum Gerätehaus. 

Mit dem vorhandenen Personal werden dann im Alarmfall die wichtigsten Einsatzfahrzeuge besetzt, bis zur Sicherstellung der Stromversorgung oder Alarmierung. Da sich voraussichtlich der Zeitraum bis zum Bekanntwerden eines Notfalles auf Grund eingeschränkter Alarmierungsmöglichkeiten verlängert, wird mit dieser Maßnahme zumindest die Ausrückzeit verkürzt. Ebenso denkbar wäre eine manuell ausgelöste notstromversorgte oder durch eine Handkurbel auszulösende Sirene, besetzt durch einen Posten, um die Alarmierung zu gewährleisten. Die Bevölkerung müsste allerdings darüber informiert werden, dass sie bei Stromausfall einen Notfall direkt am Feuerwehrgerätehaus oder anderen vordefinierten Einrichtungen wie einem Rathaus melden kann. Zusätzlich ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Verfügbarkeit der Feuerwehrkräfte durch persönliche Betroffenheit eingeschränkt sein kann, genauso wie durch die Unabkömmlichkeit vom Arbeitsplatz.

Hilfsmittel zur Lagefeststellung

Hilfsmittel für die Lagefeststellung sind bereits bei kleineren Feuerwehren vorhanden. Es werden zum Beispiel Hydrantenpläne, Feuerwehreinsatzpläne und Erreichbarkeitslisten elektronisch mitgeführt. Die Funktionsfähigkeit der Rechner oder Tablets ist wiederum von dem jeweiligen Ladezustand abhängig. Die Fahrzeuge verfügen über eine Ladeeinspeisung, deren Funktions­fähigkeit von einer Notstromversorgung abhängig ist. Für die Funktionsfähigkeit einer Führungs- und Unterstützungssoftware in Einsatzleitwagen und vorbereiteten Stabsräumen gilt dasselbe. 

Da die Feuerwehren auch bei ungewöhnlichen Einschränkungen wie einem Stromausfall einsatzbereit sein müssen, ist auf jeden Fall die Möglichkeit einer stromlosen Arbeitsweise sicherzustellen. Dazu gehört das Führen einer manuellen Lagekarte, die Verwendung von Meldezetteln, das Erstellen einer Wetterhilfsmeldung sowie der Umgang mit Merkblättern und die Kenntnis besonderer Einrichtungen und Wasserentnahmestellen im Ausrückbereich. Die notwendigen Unterlagen und Arbeitsmaterialien müssen hierfür aktualisiert und ausgedruckt vorgehalten werden.

Einsätze und ihre Rahmenbedingungen

Neben den üblichen Alltagsereignissen werden bedingt durch den Stromausfall zusätzliche Einsätze auf die Feuerwehr zukommen. Die ersten Alarmierungen, die durch einen Stromausfall verursacht werden, dürften Verkehrsunfälle aufgrund des Ausfalls der Ampelanlagen sein. Gefolgt von eingeschlossenen Personen in Fahrstühlen, ausgefallenen Steuerungs- und Überwachungsanlagen in Produktionseinrichtungen und sich daraus ent­wickelnden kaskadierenden Effekten. Es muss mit einer starken Erhöhung der Einsatzzahlen zu Beginn des Stromausfalls gerechnet werden. Im späteren Verlauf werden solche Einsätze vermutlich abnehmen, aber die Zahl der Brände verursacht beispielsweise durch unsachgemäße Nutzung von Campingkochern in Wohnungen, wird sich möglicherweise erhöhen.

Der Bedarf an Notstromeinspeisungen, unter anderem in der Landwirtschaft, im Medizinsektor, der Lebensmittelversorgung oder bei Tankstellenbetreibern, verbunden mit deutlichen Lieferengpässen und einer zu treffenden Priorisierung wird enorm ansteigen. Bei der Einsatzplanung ist zu berücksichtigen, dass durch den Ausfall des Telefonnetzes der Notruf 112 nicht mehr erreichbar ist. Dadurch verlängern sich die Alarmierungszeiten und Brände entwickeln sich wesentlich weiter, bis Hilfe eintrifft. Je nachdem, wie lange der Stromausfall dauert, entstehen Probleme bei der Löschwasserversorgung aus dem Trinkwassernetz. Genauso fallen mit der Zeit Brandmelde-, betriebliche Lösch- und Gebäudefunkanlagen aus.

Bei Flächenlagen bildet sich im Regelfall eine übergeordnete Einsatzleitung. Die Feuerwehren müssen gemeinsam mit dieser Einsatzleitung die Einsatzplanung abstimmen und die zu ergreifenden Maßnahmen priorisieren. Zusätzlich haben die Wehren gegebenenfalls Einsatzkräfte und Gerätschaften für überörtliche Einsätze bereitzuhalten. Weitere Anforderungen von Behörden und anderen Organisation außerhalb des Feuerwehrwesens sind ebenfalls möglich. Außerdem stehen flächendeckende Stromausfälle oft mit anderen Schadensereignissen, beispielsweise einem Unwetter, in Verbindung. Diese Gemengelage erschwert die Arbeit der Feuerwehr zusätzlich.

Versorgung

Die Frage der Versorgung beginnt bereits im eigenen Feuerwehrgerätehaus. Ist ein Notstromaggregat vorhanden, ist Fremdeinspeisung möglich und wie lange ist dieses System im Ernstfall verfügbar? Was wird über die Noteinspeisung am Laufen gehalten? Ist die Beleuchtung, der Ladeerhalt der Fahrzeugbatterien sowie die Heizung und Lüftungsanlage des Gerätehauses in den benötigten Bereichen (Stabsraum, Nachrichtenstelle, Fahrzeughalle, Küche, Mannschaftsraum …) noch funktionsfähig? Ist die Atemschutzwerkstatt durchhaltefähig? Diese aufgeführten Fragen sind Beispiele und können selbstverständlich nicht als abschließend und für jedes Gerätehaus als zutreffend angesehen werden. Eine Beantwortung dieser und anderer im Vorfeld gestellter Fragen ist in jedem Falle hilfreich zur Bewältigung der Krise.

Auch nach jedem Einsatz müssen die Einheiten ihre Einsatzbereitschaft wiederherstellen können. Schlauch- und Gerätereinigung sowie die Betankung der Fahrzeuge und Geräte müssen möglich sein. Eine ausreichende Verpflegung der Einsatzkräfte ist sowohl für den Bereitschaftsdienst auf der Wache als auch bei längeren Einsätzen sicherzustellen. Die Bereitstellung der Verpflegung ist neben den Kosten personal- und zeitintensiv. Beispielhaft seien der Lebensmitteleinkauf, die Zubereitung und Einhaltung der Kühlkette und die Geschirreinigung zu nennen.

Bei einem langfristig andauernden Stromausfall muss damit gerechnet werden, dass eine zunehmende Menge an betroffenen Bürgern am Feuerwehrhaus erscheinen und um Unterstützung und Hilfe bitten wird.

Öffentlichkeitsarbeit

Für die Bevölkerung ist es bei längeren Stromausfällen schwierig, an wichtige Informationen zu kommen. Auch hier spielt die Verfügbarkeit eines Telekommunikationsnetzes und das Vorhandensein von passenden batteriebetriebenen Kommunikationsgeräten eine entscheidende Rolle. Kraftfahrzeuge bieten diese Möglichkeit und eine Autobatterie besitzt grundsätzlich eine hohe Ladungsleistung. Die Feuerwehr hat über die Regionalsender die Möglichkeit, ihr Umfeld gezielt anzusprechen.

Sie kann beispielsweise ihre eigenen Mitglieder aufrufen, zum Gerätehaus zu kommen oder den betroffenen Bürgern sichere Verhaltenshinweisen erklären und Unterstützungsmöglichkeiten anbieten. Allerdings weiß man in diesem Fall nie, wie viele Menschen durch den Aufruf erreicht werden. Ein weiteres zuverlässiges Mittel, um die Bevölkerung im Umkreis zu informieren oder zu warnen, sind Lautsprecherdurchsagen beispielsweise bei Gefahrstoffaustritt oder bei Brandereignissen. Sie kann auf die betroffenen Bereiche abgestimmt werden und die Häufigkeit und Aktualität der Beschallung sind ebenfalls steuerbar. Für nicht zeitkritische Informationen sind Flugblätter empfehlenswert, die an bekannten Stellen ausgelegt und aufgehängt werden können.


Gedanken bei Stromausfall

bis 8 Stunden

von 8 bis 24 Stunden

über 24 Stunden

Personal

Funktionsfähigkeit von

  • Telefonisch erreichbar
  • Meldeempfänger
  • Sirene

Notwendigkeit von:

Bereitschaft zu Hause oder auf Wache

Notwendigkeit von:

Bereitschaft im Schichtdienst

Informations-gewinnung

Verfügbarkeit über elektronisch
gespeicherten Daten, Kartenmaterial, Einsatzplänen, Unterstützungs-
programmen

Verfügbarkeit über elektronisch
gespeicherten Daten, Kartenmaterial, Einsatzplänen, Unterstützungs-
programmen

Verfügbarkeit über elektronisch
gespeicherten Daten, Kartenmaterial, Einsatzplänen, Unterstützungs-
programmen

Einsatzarten

Tendenz Alltagsereignisse

  • Verkehrsunfälle
  • Fahrstühle, eingeschlossene Personen
  • Störungen in Produktions­anlagen
  • Alltagsereignisse
  • Zunahme von Bränden
  • Unterstützung anderer BOS
  • Anlaufstellen einrichten
  • Priorisierung von Hilfe­leistungen
  • Wasserversorgung
  • Alltagsereignisse
  • Zunahme von Bränden
  • Unterstützung anderer BOS
  • Betreuungsstellen einrichten
  • Priorisierung von Hilfe­leistungen
  • Wasserversorgung

Versorgung

  • Notstromversorgung ausreichend
  • Getränke, Essen
  • Notstromversorgung ausreichend
  • Getränke, Essen
  • Treibstoffe
  • Notstromversorgung ausreichend
  • Getränke, Essen
  • Treibstoffe

Öffentlichkeits-
arbeit

  • Kommunikation von Verhaltenshinweisen
  • Warnung durch Lautsprecherdurchsagen
  • Schaffung von Informationsstellen
  • Warnung durch Lautsprecherdurchsagen
  • Information durch Flugblätter
  • Schaffung von Informationsstellen
  • Warnung durch Lautsprecherdurchsagen
  • Information durch Flugblätter

Kommunikation

  • Ausfall der Telefonkommunikation
  • Ausfall von Internetverbindungen
  • Ausfall der Telefonkommunikation
  • Ausfall von Internetverbindungen
  • Verfügbarkeit des BOS Funk
  • Satellitenkommunikation erforderlich
  • Einsatz von Boten
  • Ausfall der Telefonkommunikation
  • Ausfall von Internetverbindungen
  • Verfügbarkeit des BOS Funk
  • Satellitenkommunikation erforderlich
  • Einbindung des Amateurfunks
  • Einsatz von Boten

Die Tabelle stellt einige Gedanken zur Bewertung dar. Bei der Bewertung müssen regionale Unterschiede berücksichtigt werden. Sie ist daher nur grob gefasst und nicht abschließend.


Kommunikation

Die Kommunikation zwischen den verschiedenen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) ist durch das eigene abgesicherte Funknetz in den ersten Stunden nach dem Ausfall der Stromversorgung sichergestellt. Mit zunehmender Dauer ist auch hier mit Einschränkungen bei der üblichen Kommunikation zu rechnen. Für diesen Fall sind alternative Kommunikationswege zu planen. Möglich wäre die Verwendung von Satellitentelefonen oder der Einsatz von Boten. Auch Mitglieder von Amateurfunkvereinen können mit ihrer Ausrüstung und Erfahrung unterstützend tätig werden. Hier ist zwingend eine Abstimmung mit der übergeordneten Ebene, beispielsweise einer zentralen Feuerwehreinsatzleitung oder einer Örtlichen Einsatzleitung notwendig.

Fazit

Zu Beginn eines Stromausfalls sind das Ausmaß und die Dauer oft nicht bekannt. Für die gemeindlichen Feuerwehren gilt es deshalb zu klären, ob ein übergeordneter Krisenstab auf Kreis- oder Stadtebene aktiviert wird und welche Bedeutung dies für die einzelnen Feuerwehren hat. Sinnvoll ist es bereits im Vorfeld eines möglichen Stromausfalls Maßnahmen und Abläufe zu planen, um die Einsatzbereitschaft sicherzustellen und Checklisten mit möglichen Aufgaben und Herausforderungen zu erstellen. Vorüberlegungen sind vor allem auf die Prioritätenreihenfolge der einlaufenden Einsätze und Anfragen zu richten. Ebenso sollte ein Augenmerk daraufgelegt werden, welche Ausstattung des Gerätehauses im Fall der Fälle funktionieren muss und wie eine evtl. notwendige Unterstützungsleistung gewährleistet werden kann. Eine Vorabinformation an die Bevölkerung, wie sie sich bei Stromausfall verhalten sollen und Notfälle melden können sowie ein Kommunikationskonzept runden die Planungen ab. Auf der Grundlage dieser Planungen sind Schulungen der Feuerwehrkräfte notwendig. Je weniger Technik funktioniert, desto wichtiger ist die Fähigkeit zur Selbstorganisation der Führungskräfte und eine Ausbildung der Einsatzkräfte in den Grundtätigkeiten mit einfachen Gerätschaften. 

Die Literatur liegt beim Verfasser.


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