Die Lebensmittelnotversorgung nach einem Blackout

Herbert Saurugg

Leere Regale in einem Supermarkt
Herbert Saurugg

„Österreich schlecht auf Lebensmittelkrisen vorbereitet – Notfallpläne für Krisenszenarien fehlen“ so eine Schlagzeile zum aktuellen Rechnungshofbericht „Lebensmittel – Versorgungssicherheit“. Der Rechnungshof empfiehlt dringend Maßnahmen zur Vorbereitung auf Krisenfälle, wie etwa einem Blackout. Und das zu Recht. Denn die Folgen eines überregionalen und länger andauernden Stromausfalls würden sofort alle Produktions- und Logistikbereiche betreffen und langwierige Wiederanlaufprobleme verursachen, was leider noch häufig unterschätzt wird. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen wäre in besonderem Maße betroffen.

Die österreichische Lebensmittelwirtschaft beschäftigt sich mittlerweile intensiv mit den möglichen Folgen eines überregionalen und länger andauernden Stromausfalls („Blackout“) bzw. einer möglichen Strommangellage. Viele Unternehmen sehen sich mittlerweile recht gut aufgestellt, um die erwartbaren Schäden zumindest zu verringern und den Betrieb sicher herunterfahren zu können. Klar ist aber auch, dass es erhebliche Schwierigkeiten geben wird, die gesamte Produktion und Logistik wieder hochzufahren, was bei vielen Kunden, aber auch Lieferanten, Logistikpartnern oder Behörden noch nicht angekommen zu sein scheint.

Behörden müssen Klarheit schaffen

Ein großes Problem ist nach wie vor die Unsicherheit, wie lange es dauern könnte, bis ein großflächiger Stromausfall von offizieller Seite bestätigt und der Öffentlichkeit mitgeteilt wird. Dabei zählt jede Minute, um unnötige Schäden abwenden zu können. Es ist daher dringend erforderlich, dass auch vonseiten der Katastrophenschutzbehörden Klarheit geschaffen wird und eine zeitnahe Information der Öffentlichkeit erfolgt. Unnötige Verzögerungen und damit Schäden würden sich in jedem Fall negativ auf die Wiederanlaufzeiten bei der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern auswirken. 

Auch die Frage, wie ein schneller und geordneter Wiederanlauf gelingen kann, wenn in der Krise erst einmal alles koordiniert werden muss, beschäftigt viele. Denn der zu erwartende hohe Kommunikations- und Koordinationsaufwand wird nach einem solchen Ereignis ohne entsprechende Vorbereitungen und Abstimmungen kaum in angemessener Zeit zu bewältigen sein. Umso wichtiger sind jetzt Abstimmungen und möglichst einfache Ablaufpläne. Denn in einer solchen schweren Krise zählt nur das Einfache.

Phasen eines Blackouts
Phasen eines Blackouts
Quelle: Herbert Saurugg

Kühlketten

Ein besonderes Problem werden die gesamten Kühlketten darstellen, wo beispielsweise im Lebensmittelhandel erhebliche technische Störungen erwartet werden und was dazu führen wird, dass in den ersten Tagen und Wochen nach dem Stromausfall gekühlte Waren eine ungeordnete Rolle spielen werden. 

Entsorgung

Gleichzeitig entsteht damit ein enormes Entsorgungsproblem. Denn solange die Entsorgung nicht sichergestellt werden kann, ist häufig keine Produktion oder kein Verkauf möglich. Zusätzlich ist je nach Jahreszeit mit enormen Mengen an verdorbenen Lebensmitteln oder Bestandteilen zu rechnen. In den Haushalten, Supermärkten, Produktionsbetrieben bis hin zu den Erzeugern, wenn gewisse Rahmenbedingungen nicht eingehalten werden können. Hier ist mit enormen Mengen an Nassabfällen zu rechnen. Je nach Jahreszeit kann daher rasch eine weitere schwerwiegende Gesundheitskrise drohen. 

Notproduktion und Notversorgung

Viele Betriebe haben inzwischen einen Notproduktionsplan erstellt, um mit den vor Ort verfügbaren Ressourcen möglichst rasch nach dem Stromausfall eine Notproduktion wieder aufnehmen zu können. Dabei geht es um einfache Produkte, um so rasch wie möglich zur Notversorgung der Bevölkerung beitragen zu können. Diese kann jedoch nicht die individuelle Eigenvorsorge ersetzen. Zudem ist auch nach dem Wiederanlauf mit erheblichen Problemen zu rechnen, wenn etwa Rohstoffe nicht geliefert werden können. Umso wichtiger wäre es, dass bereits jetzt entsprechende Rationierungsmaßnahmen vorbereitet werden.

Zahlungssysteme

Ein weiteres gravierendes Problem könnte bei den Zahlungssystemen auftreten, wo es nicht nur um den Zahlungsverkehr direkt mit den Kunden an der Kasse geht. Auch bei der Verrechnung in der Produktion oder Logistik könnten erhebliche Probleme auftreten. Dennoch muss es gelingen, möglichst rasch und unbürokratisch eine Notversorgung wiederherzustellen. Denn sonst sind ganz andere Probleme zu erwarten. Je besser hier vorgedacht und vorbereitet wird, desto eher wird es gelingen, das Chaos so gering wie möglich zu halten.

Logistik 

Zentrales Bindeglied zwischen allen Bereichen ist die Logistik und damit oft externe Dienstleister. Auch hier sind schnell vielschichtige Probleme zu erwarten: Welche Informationen und Anweisungen haben die LKW-Fahrer? Wie sollen sich diese bei einem Blackout verhalten? Können die Waren noch angenommen werden? Wie kommen die Fahrer nach Hause zu ihren Familien? Haben sie genügend Treibstoff im Tank? 

Können diese Fragen nicht zufriedenstellend beantwortet werden, droht schnell ein zusätzliches Chaos, das den Wiederanlauf erheblich verzögern würde. Ohne Logistik gibt es keinen Wiederanlauf und dazu gehört auch die Treibstoffversorgung, die nach dem Stromausfall absehbar rationiert werden muss, bis die Treibstofflogistik wieder ausreichend funktioniert. 

Sicherheitslage

Auch die Sicherheitslage spielt eine große Rolle, die sich mit jedem Tag des Stillstands verschärfen wird. Insbesondere dann, wenn keine Strukturen erkennbar oder funktionsfähig sind, was ohne Vorbereitung kaum zu erwarten ist. Verschärft wird dies durch den allgemein schlechten Vorbereitungsstand der Bevölkerung, sodass auch mit Übergriffen auf Einrichtungen wie Supermärkte zu rechnen ist. Sind Verkaufseinrichtungen erst einmal zerstört, wird die Wiederaufnahme der Versorgung noch länger dauern, was die Sicherheitslage weiter verschärft. All dies wäre nicht notwendig, wenn wir uns intensiver mit dem Thema Vorsorge beschäftigen würden. Hier sind vor allem die Kommunen gefordert. Denn solche Vorbereitungen können nur auf kommunaler Ebene gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren getroffen werden. 

Unterschätzte Wiederanlaufschwierigkeiten

Wie die bisherigen Auseinandersetzungen in der Lebensmittelwirtschaft mit dem Thema Blackout-Vorsorge gezeigt haben, wurden hier – wie in allen anderen Bereichen auch – die erwartbaren Wiederanlaufschwierigkeiten bisher massiv unterschätzt. Vor allem ist mit einem enormen Koordinationsaufwand zwischen den unterschiedlichsten Akteuren zu rechnen, der nur durch entsprechende Vorsorge, geplante Rationierungsmaßnahmen und ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen reduziert werden kann. Dies erfordert auch eine klare Sicherheitskommunikation in Richtung Öffentlichkeit, um die vielen falschen Erwartungen auszuräumen. 

Während bei der Coronapandemie noch viele Ad-hoc-Verfahren möglich waren, wird dies bei einem möglichen Blackout nicht der Fall sein. 

Eigenversorgung der Bevölkerung

Daraus lässt sich ableiten, dass eine schwere Versorgungskrise wie nach einem Blackout nur durch eine entsprechend vorbereitete Bevölkerung bewältigt werden kann. Dieser Puffer ist durch nichts zu ersetzen und beginnt bei den eigenen Mitarbeiter:innen. Wenn diese sich nicht ausreichend selbst versorgen können, werden sie nicht zur Arbeit kommen, um wieder etwas hochzufahren. Ein Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist.

Eine 14-tägige Selbstversorgungsfähigkeit möglichst vieler Menschen ist daher die zentrale Voraussetzung, um Produktions- und Logistikprozesse überhaupt schnell genug wieder hochfahren zu können und eine katastrophale Versorgungskrise wie nach einem möglichen Blackout zu bewältigen. Damit steht eine relativ einfache und kostengünstige Vorsorgemöglichkeit zur Verfügung, die jedoch bisher zu wenig ernst genommen wird. Andererseits drohen katastrophale Folgen, die man sich kaum ausmalen möchte. Die Frage ist, ob wir jetzt rechtzeitig aktiv werden oder ob wir das Problem weiterhin auf die lange Bank schieben wollen. Der Empfehlung des Rechnungshofes ist daher nicht viel hinzuzufügen. Jetzt ist Handeln gefragt.


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