Löschschaumkonzepte — Möglichkeiten und Grenzen

Oswald Sthamer, Martin Gorski

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Die Auswahl geeigneter Schaumlöschmittel für die Brandbekämpfung im Ausrückebereich kommunaler Feuerwehren steht heute verstärkt im Fokus der Beschaffungs- und Technikabteilungen. Dabei spielen für den Einsatz von Schaumlöschmitteln nicht nur Löschleistung, zur Verfügung stehende Technik und Taktik der Feuerwehren eine große Rolle, sondern in deutlich steigendem Maße auch verschiedene Umwelt­aspekte. Das umfangreiche Angebot moderner, leistungsfähiger und umweltverträglicher Schaumlöschmittel bietet heute Möglichkeiten, mit bedarfsgerechten Schaumkonzepten den wachsenden und vielfältigen Ansprüchen gerecht zu werden.

Grundvoraussetzung ist eine gründliche Analyse und sorgfältige Bewertung der Gefahrenpotenziale im Ausrückebereich, unter Berücksichtigung der Leistungsparameter der vorhandenen und künftigen Ausrüstung und Fahrzeuge. Hierzu zählen die technischen Voraussetzungen ebenso wie die Einsatzplanung und -vorbereitung. Besonders kritisch zu bewerten sind dabei insbesondere auch verfügbare Personalstärken und Tendenzen in der Personalentwicklung, denn personalaufwändige Einsatzkonzepte stoßen in der Praxis immer öfter an die Grenzen der Umsetzbarkeit hinsichtlich der Tagesalarmsicherheit. 

Eine effiziente und ressourcenschonende Logistik ist mithin ein zunehmend wichtiger Erfolgsfaktor. In den Wirkungsbereichen der Feuerwehren haben sich drei Grundkonzepte für die Vorhaltung und den Einsatz von Schaumlöschmitteln etabliert, die leicht an die jeweilige Bedarfssituation angepasst werden können. Hierzu zählen das „Duale Schaumkonzept“, das „Geteilte Schaumkonzept“ und das „Ein-Schaumlöschmittel- für-alles-Konzept“. Bei der Auswahl zu einem Schaumkonzept stehen folgende Ziele im Vordergrund:

  • den Einsatz fluorhaltiger Schaumlöschmittel zu reduzieren oder zu vermeiden
  • sofern möglich, den Einsatzwert mitgeführter Schaumlösch­mittelmengen zu erhöhen
  • und/oder Gewicht bzw. Ladevolumen der Normbeladungsmengen zu reduzieren.

Eng mit diesen Anforderungen verknüpft ist auch eine leistungsfähige und auf das Löschmittel abgestimmte Zumischtechnik: Auf Fahrzeugen installierte Druckzumischanlagen (DZA) sind weit leistungsfähiger als die üblichen Z-Zumischer. DZA’s lassen nahezu beliebige Zumischraten des Löschmittels über einen weiten Durchflussbereich des Löschwassers zu, während Z-Zumischer immer auf eine Durchflussmenge des Löschwassers festgelegt sind. 

Sie ermöglichen den Einbau von Vorratstanks für die Normbeladung mit Schaumlöschmitteln. Dadurch lässt sich das personalintensive „Kanister-von-Handtragen“ am Einsatzort mindestens deutlich reduzieren, wenn nicht ganz einsparen. Alles in allem ermöglichen gut durchdachte Schaumkonzepte eine leistungsfähige Brandbekämpfung mit Schaum und/oder Netzwasser bei geringem personellen und finanziellen Einsatz.

Schaumlöschmittelarten und deren ­Bedeutung in der Einsatzpraxis

Kommunale Feuerwehren sehen sich in ihrem Ausrückebereich entsprechend der jeweiligen Gefährdungslage mit einem sehr breiten Spektrum an potenziellen Brandstoffen konfrontiert. Für die Brandbekämpfung mit Schaum bedeutet dies, dass sowohl im Bereich der Brandklasse A als auch der Brandklasse B Löscheinsätze in einem bestimmten Umfang möglich sein müssen. Aus diesem Grund gehören Schaumlöschmittel zur Normbeladung wasserführender Einsatzfahrzeuge. Die Auswahl des „richtigen“ Schaumlöschmittels ist für den Einsatzerfolg essentiell. Ob fluor­haltige oder fluorfreie Schaumlöschmittel verwendet werden, ist dabei eine der ersten Grundsatzentscheidungen.

Fluorhaltige Schaumlöschmittel

Bei kommunalen Feuerwehren sind filmbildende, sogenannte AFFF- und AFFF-AR-Schaumlöschmittel traditionell noch relativ weit verbreitet (AFFF = aqueous film forming foam = wasserfilmbildendes Schaumlöschmittel; AR = alcohol resistant = alkoholbeständig). Diese Schaumlöschmittelgruppe verfügt über besondere chemisch/physikalische Eigenschaften, welche für die heraus­ragenden Löschleistungen und Rückbrandbeständigkeiten in der Brandklasse B verantwortlich sind: Fluorverbindungen (PFC = Poly- und perfluorierten Chemikalien, meist Fluorchemikalien wie Fluor­tenside oder Fluorpolymere) sind die Schlüsselstoffe in diesen Löschmitteln und ermöglichen die Bildung einer gasdichten Barriere auf der brennbaren Flüssigkeit. 

Zudem verhindern bzw. reduzieren sie das Vermischen des flüssigen Brandstoffes mit dem Schaum bei direkter Schaumaufgabe (der sogenannte „Fuelpick- up-Effekt“) und machen den Schaum fließ­fähiger. Darin begründen sich maßgeblich die herausragende Löschleistung und das einzigartige Anwendungsspektrum der fluorhaltigen Löschmittel. 

Bei der Betrachtung von Umwelteigenschaften sind Schaum­löschmittel der Gruppen AFFF und AFFF-AR kritischer zu bewerten als fluorfreie Schaumlöschmittel, weil PFC nicht biologisch abgebaut werden können und somit als persistent gelten. Daher müssen beim Einsatz Maßnahmen ergriffen werden, die verhindern, dass AFFF oder AFFF-AR enthaltendes Löschwasser in die Umwelt gelangen kann und dort verbleibt.

In der Vergangenheit wurde in AFFF-/AFFF-AR-Schaumlöschmitteln neben anderen Stoffen teilweise Perfluoroktansulfonat (PFOS) verwendet. Wegen seiner Persistenz und Giftigkeit wurden die Produktion und das Inverkehrbringen dieses Stoffes innerhalb der EU im Jahr 2006 durch die PFOS-Verbotsverordnung untersagt und strenge Grenzwerte für den Gehalt von PFOS in Erzeugnissen eingeführt. Bis August 2010 galt für Feuerlöschschäume ein Grenz­wert von 50 mg/kg, der ab Ende August 2010 durch die Stockholmer Konvention für persistente organische Schadstoffe – POP (in der EU umgesetzt durch EU-Verordnung 757/2010) – auf 10 mg/kg reduziert wurde. Schaumlöschmittel, die diesen Wert überschreiten, dürfen ohne Ausnahme nicht mehr eingesetzt werden.

Ein weiterer Stoff, der in fluorhaltigen Schaumlöschmitteln zwar nie als aktive Komponente eingesetzt worden war, gleichwohl aber als Verunreinigung darin vorkommen kann, ist Perfluor­oktansäure (PFOA). Auch dieser Stoff wurde aufgrund seiner negativen Eigenschaften (giftig, persistent und reichert sich im Organismus an) zwischenzeitlich reguliert: Die Richtlinie EU 2017/1000 führte einen Grenzwert von 25μg/kg (25ppb) für PFOA bzw. 1 mg/kg (1ppm) für deren Vorläuferstoffe ein, der für neue Schaumlöschmittel ab dem 4. Juli 2020 europaweit gilt. Vorläuferstoffe zu einer Substanz sind Stoffe, aus denen die fragliche Substanz durch Abbauprozesse freigesetzt werden kann.

Schaumlöschmittel, die vorher auf den Markt gebracht worden sind, dürfen ohne zeitliche Begrenzung weiter verwendet werden. Heute werden in AFFF- und AFFF-AR-Schaumlöschmitteln Ersatzstoffe verwendet, die als nicht toxisch klassifiziert, gleichwohl aber nicht vollständig abbaubar sind. Gemäß Handlungsempfehlung des Umweltbundesamtes sollen diese Schaumlöschmittel nur dann eingesetzt werden, wenn sie aufgrund der Gefährdungslage unverzichtbar sind. 

Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften ist die eigentliche Einsatzdomäne fluorhaltiger Schaumlöschmittel der Einsatz auf großflächigen Flüssigkeitsbränden mit großen Brennstoffmengen (z. B. Tank- oder Tank­tassenbrände), bzw. dort, wo besondere Risiken gegeben sind (z. B. chemische/petrochemische Industrie) oder ein schneller und nachhaltiger Löscherfolg zwingend notwendig ist (z. B. havarierte Passagierflugzeuge).

Für alle anderen Bereiche, z. B. zum Erzeugen von Netzwasser, zur Brandbekämpfung mit Schaum in der Brandklasse A oder zur Erzeugung von Mittel- oder Leichtschaum, sind diese Schaumlöschmitteltypen aufgrund ihrer schlechteren Netzeigenschaften, den geringeren Wasserhalbwertszeiten und der primären Ausrichtung auf den Schwer- und unteren Mittelschaumbereich wenig bis gar nicht geeignet. Ferner ist in diesen Einsatzstellen eine Rückhaltung und Entsorgung der fluorierten Löschwässer kaum möglich.

Deswegen und wegen ihres nachteiligen Ökoprofils sollte die Entscheidung zum Einsatz von AFFF und AFFF-AR außerhalb der Brandklasse B immer sorgfältigst abgewogen und begründet werden. Für die Brandbekämpfung in der Brandklasse B hin­gegen ermöglichen fluorhaltige Schaumlöschmittel bislang unerreichte Löschleistungen und Rückbrandbeständigkeiten, insbesondere auch bei unverschäumtem Austrag über Hohlstrahlrohre/-düsen. 

Für die besondere Löschfähigkeit der Fluorkomponenten konnten noch keine gleichwertigen Ersatzstoffe gefunden werden, die eine tatsächliche Entlastung der Umwelt bieten würden. Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass auf AFFF-Schaumlöschmittel aktuell bei bestimmten Anwendungen nicht risikolos verzichtet werden kann. Der sicherste Weg, nicht autorisierte Anwendungen (z. B. durch Fehlbedienungen) auszuschließen, führt über sinnvolle und gut durchdachte Schaumkonzepte in Verbindung mit Unterweisungen und praktischen Schulungen.

Fluorfreie Schaumlöschmittel

Fluorfreie Löschmittel der Typen Mehrbereich-Schaumlöschmittel (MBS), Klasse- A-Schaumlöschmittel (engl. Class A) oder des neuen Typs F3-Schaumlöschmittel sind dagegen für den Einsatz im kommunalen Bereich geradezu prädestiniert. Durch das breite Anwendungsspektrum für die Brandklassen A und B „unpolar“ (unpolar heißen brennbare Flüssigkeiten, die nicht mit Wasser mischbar sind wie z. B. Diesel, Heizöl, Kerosin, Ottokraftstoffe) sowie der Möglichkeit, neben Schwer-, Mittel- und Leichtschaum, auch Netzwasser zu erzeugen, können diese Schaumlöschmittel im überwiegenden Teil aller Einsatzfälle erfolgreich und vor allem umweltverträglich angewendet werden. Bei Flüssigkeitsbränden ist man mit MBS bzw. Klasse-A-Löschmitteln allerdings je nach Brandstoff und Schaumlöschmittel auf kleinere Brände (bis höchstens 300 qm) begrenzt.

Hier nimmt MOUSSOL®-FF 3/6 (S-AR = alkoholbeständiges Mehrbereichschaumlöschmittel) als „Allrounder“ eine Sonderstellung ein. Dieses Löschmittel ist fluorfrei, enthält also keine biologisch nicht abbaubaren Chemikalien, ist aber speziell für Brände polarer und unpolarer Flüssigkeiten konzipiert und bietet eine deutlich höhere Schaumstabilität und damit Rückzündungssicherheit. Somit kann es auf allen, im Bereich der kommunalen Feuerwehren typischen Brandstoffe angewendet werden und erlaubt die Erzeugung von Schwer-, Mittel- und Leichtschaum. 

Zukünftig werden weitere Schaumlöschmittel des neuen Typs „F3“ auf den Markt kommen, die durch ihre besondere Leistungsfähigkeit auf Flüssigkeitsbränden neue Wahl- und ggf. auch Einsatzmöglichkeiten eröffnen. Nicht zuletzt werden durch den effizienten Einsatz geeigneter Schaumlöschmittel sowohl Brandgasemissionen als auch die Menge kontaminierten Löschwassers deutlich reduziert. Dies gilt für Kleinbrände von Kraftfahrzeugen (Einsatz von Netzmittel­pistolen mit Klasse-A-Schaum) ebenso wie für Großbrände (z. B. von Lagerhallen o. Ä.).

Richtig eingesetzt, dienen fluorfreie Löschmittel somit nicht nur in erheblichem Maße dem Umweltschutz, sondern gleichermaßen auch der wirksamen Brandbekämpfung und dem sicheren Eigenschutz.

Einsatzhinweis fluorfreie Schaumlöschmittel

Werden fluorfreie Schaumlöschmittel auf der Brandklasse B eingesetzt, so sind folgende Einsatzgrundsätze (auch schon vor der Beschaffung) zu berücksichtigen:

  • Die empfohlene Zumischrate muss real erreicht werden. Dies gilt vor allem für strukturviskose Schaumlöschmittel, insbesondere bei niedrigen Einsatztemperaturen. Viele neue S-AR und F3-AR Schaumlöschmittel weisen deutlich erhöhte Viskositäten auf, die mit handelsüblicher Zumischtechnik selten die erforderliche Nennzumischrate erreichen.
  • Die Schaumaufgabe auf flüssigen Brandstoffen muss sanft (indirekt) erfolgen, um eine Beladung des Schaumes mit dem Brandgut möglichst gering zu halten. Nur F3 Schaumlöschmittel (wie vaPUREx) erzielen nach DIN EN 1568 - 3 ein Ier rating und sind somit für die direkte Schaumaufgabe als Schwerschaum zu verwenden. Der Normtest unterscheidet sich bei der Verwendung von Werfern somit von der Realität und die Eignung für den Realbetrieb muss gesondert auf einer Brandfläche mit abgestimmter Verschäumungszahl nachgewiesen werden.
  • Die Löschmittelaufgabe muss verschäumt (VZ größer als 4,5) erfolgen, wobei die Verschäumungszahl mindestens 4,5 (ltr/kg) oder mehr betragen sollte.

Ein Einsatz über Hohlstrahldüsen ist nur unter dieser Prämisse möglich.

Eine Festlegung eines Schaumkonzeptes für die Gemeinde, den Kreis oder auch Kreisübergreifend bei der interkommunalen Zusammenarbeit muss ergo viele Faktoren berücksichtigen. Neben der Auswahl der Löschmittel und der Technik müssen weiterhin auch eine Abwägung der Gefahren- und Einsatzschwerpunkte gewählt werden. 

Die Vorbereitung auf deutlich häufigere Brand­szenarien im Feststoffbereich ist somit anders zu bewerten wie der eher seltene Fall des Einsatzes bei Gefahrgutlagen oder Flüssigkeitsbränden. Ebenso ist die Abstimmung mit externen Schaummittellieferanten wie Werkfeuerwehren und Dienstleistern unabdingbar. Die Prüfung der Nutzung für Spezifische Einsatzlagen sollte somit auch im Vorfeld erfolgen. Die Schaumlöschmittelhersteller unterstützen hier neben der Bewertung der Brennstoffe auch in der Konzeptphase mit Beratungsleistungen.

Erst wenn alle Zahnräder im Uhrwerk Schaummittelkonzept reibungslos und umweltgerecht ineinander greifen, ermöglicht dieses den schnellen und erfolgreichen Einsatzablauf im Tagesgeschäft der Feuerwehren und bei Großschadenslagen und entlastet die Führungskräfte bei der Entscheidungsfindung im Einsatz.


Der Artikel ist ein Auszug aus der Broschüre „Schaum gegen Feuer“ von Dr. Sthamer/Hamburg, 3. Auflage, 7/2017.

Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Dr. Richard Sthamer GmbH


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