Ist Schaum noch zeitgemäß?

Welche Chancen haben alternative Löschmittel?

Lars Tober

Lars Tober

Nachdem Schaummittel seit über 100 Jahren bei der Brandbekämpfung eingesetzt werden, stellt sich die Frage: Ist der Einsatz von Schaummitteln, insbesondere als Luftschaum noch zeitgemäß und welche Alternativen gibt es? Diese Problematik wird hier durch eine Gesellschaft für Sicherheitstechnik/Schiffssicherheit aus Rostock beleuchtet. Insbesondere beim Einsatz als zurzeit einziges zugelassenes bzw. gefordertes mobiles Schnellangriffsmittel in der Seefahrt müssen damit verbundene Probleme interessieren, aber auch der Einsatz von Schaum bei Landeinsätzen stellt sich oft als schwierig dar. Die Frage ist außerdem: Gibt es Alternativen und was zeichnet diese aus?

Folgende Hauptkriterien sollen bei der Bewertung eine Rolle spielen

  • Einsatzzeit/Löschmittelmenge
  • Löschwirksamkeit/Einsatzgrenzen
  • Einsatztaktik/Gefahren
  • Umweltschutz/alternative Brennstoffe und alternative Antriebsformen
Ist Schaum noch zeitgemäß?
Quelle: Lars Tober

Schiffseinsätze

Großereignisse sind hier:

  • Brände auf Plattformen/Containerschiffsbrände/Ro-Ro Fähren/Autotransportern sowie im Ladedecksbereich von Öl – und Produktentankern

Kleinere Einsätze:

  • Brände einzelner PKW/Trailer auf Ladedecks/Motorbooten/Yachten/Fischkuttern etc.
  • Entstehungsbrände in Maschinenräumen und auf ­Neubauten in Werften

Landeinsätze

Brandereignisse wie

  • Brände auf Schwimmdeckeltanks/der Straße/der Schiene
  • Brände in Industrieanlagen/Raffinerien/Recyclinganlagen
  • Häuser-/Waldbrände

Zugrunde liegen der Analyse Erfahrungen aus unzähligen Brandversuchen, eigenen Einsätzen, Trainings aber auch Brandursachenermittlung/Bewertung der Abwehrmaßnahmen auf Schiffen und in Landbereichen.

Einsatzbedingungen

Schaummittel werden weder in stationären Löschanlagen noch mobil vorrangig zum Schutz von Menschenleben eingesetzt. Primär geht es um den Schutz von Technischen Anlagen bzw. vorrangig um eine Brandbegrenzung und ein kontrolliertes Abbrennen.

Einsatzzeit/Löschmittelmenge

Die Einsatzzeit bei Schaumeinsätzen liegt zwischen Stunden bei Einsätzen bei PKW/Trailer/Busbränden, und Tagen bei Großereignissen wie Industrieanlagen-, Recyclinganlagen- und Schiffsbränden. Die eingesetzten Löschmittelmengen stehen hier in keiner Relation zum Schadensereignis.

So werden für einen simplen PKW-Brand im Schnitt 100 Liter Schaummittel und min. 1 000 Liter Wasser verbraucht. Das Ergebnis ist ein komplett ausgebranntes Fahrzeug, Schäden an der Straßendecke und stundenlange Sperrung der Straßenbereiche für die Reinigung und Entsorgung der Rückstände und Löschmittel. Bei LKW- und Busbränden potenzieren sich diese Zahlen sowohl von den Löschmittelmengen als auch von der Einsatzzeit.

Bei Großereignissen wie dem Brand des Containerschiffes CCNI „Arauco“ im September 2016 in Hamburg wurden beispielsweise für die Bekämpfung von Containerbränden in einem Laderaum 45 000 Liter – 65 000 Liter Schaummittel eingesetzt. Der Einsatz dauerte 3 Tage und beschäftigte ca. 350 Einsatzkräfte.

Betroffen war lediglich ein Laderaum. Zuvor wurde der Laderaum mehrfach mit CO2 geflutet und teilweise mit Wasser. Das Problem bestand darin, dass auch hier Luftschaum eingesetzt wurde durch Teleskoplöschfahrzeuge. Dieser landete letztendlich größtenteils löschunwirksam auf der Köhlbrandbrücke und den angrenzenden Autobahnen und Tunneln sowie im Hafenbecken. Erschwerend kam dazu, dass man sich erst nach 28h für den Schaumeinsatz entschloss und vorher 5 Millionen Liter Wasser in den Laderaum gepumpt wurden. Diese Wassermengen wurden quasi zum Fluten des Laderaumes genutzt und nicht zur flächenmäßigen Kühlung und Brandbekämpfung.

Löschwirksamkeit und Einsatzgrenzen

Der standardmäßige Einsatz von reinem Wasser bzw. Schaum führte bei der Bekämpfung dieser Brände nicht effizient zum Erfolg.

Insbesondere durch die generell sehr geringe Eindringkraft des Schaumes in den Brandbereich und die glutbildenden Brandstellen ist der Einsatz nicht zielführend. Zudem muss die Kühlung permanent weiter erfolgen, um eine Brandausbreitung einzudämmen. Damit würde aber auch anhaftender Schaum wieder heruntergewaschen werden. Weiterhin sprechen folgende Fakten prinzipiell gegen den Einsatz von Schaummitteln bei der Brandbekämpfung insbesondere Schiffsbrandbekämpfung:

  • nur geringe Aufbringmöglichkeit gegen starke Thermik
  • thermischer Zerfall ab 1 000 °C
  • geringe Kühlwirkung
  • nicht wirksam bei starker Rauchentwicklung
  • nur kurzzeitige Wirkung

Der Einsatz in geschlossenen bzw. teilgeschlossenen Räumen wie Industrieanlagen, Schiffsmaschinenräumen und Fahrzeugdecks auf Fährschiffen – vergleichbar auch mit Tiefgaragen und Parkhäusern an Land – ist im Innenangriff durch die rasante Verrauchung der Bereiche technisch nicht mit herkömmlichen Luftschaumrohren zu realisieren.

Prinzipiell ist ein Einsatz bei glutbildenden Brandstoffen ohnehin als nicht zielführend zu bewerten.

Hier ist auch der großflächige Einsatz von Luftschaum bei Bränden auf Recycling-Höfen und Metallschrottplätzen als sinnfrei zu bewerten. Sowohl die Löschwirkung als auch die Aufbringung auf die Oberfläche (zunehmend verschmelzend) als Löschtaktik führen zu keinem nennenswerten Löscherfolg.

Grundsätzlich muss bei/nach jedem Einsatz festgestellt werden, dass die Berge von Schaum in der Umgebung eines ausgebrannten PKW als auch der Schaum in der Umgebung von ausgebrannten Industrieanlagen und Schiffen sinnlos verbrauchte Löschmittel- und Zeitpotenziale darstellen.

Gefahren an der Einsatzstelle

Wenn Einsatzkräfte, schon bei einem PKW-Brand, knietief durch Schaumteppiche stolpern bzw. Brandstoffe, Trümmerstücke und Öffnungen unter dem Schaum lauern, ist der Einsatz von Schaummitteln in Bezug auf die Einsatzstellensicherheit kaum zu verantworten. Insbesondere der großflächige Oberflächeneinsatz von Schwer- und Mittelschäumen verhindert jegliche Gefahrenbewertung der Einsatzstelle und ist gleichzeitig nur sehr gering bzw. nicht löschwirksam.

Es gibt Fälle, wo durch den, oft sogar vorbeugend aufgebrachten Mittelschaum, erst extrem große Brandereignisse möglich waren, so beim Brand der MV „Maersk Karachi“ 2015 in Bremerhaven. Durch den zur Brennstellenabsicherung aufgebrachten Mittelschaum in den Containerladeraum wurde zum einen den absichernden Feuerwehrkräften die Sicht auf entstehende Brandereignisse genommen als auch das Aufschwimmen des PU-­Granulats ermöglicht, welches beim Zünden durch Schneidbrennergut zu einem faktisch großflächigen Oberflächenbrand führte.

Umweltschutz und alternative Antriebe

Schaummittel sind offensichtlich nicht vollständig umweltfreundlich und auch aus diesem Aspekt nicht überall einsetzbar. Das soll hier nicht weiter betrachtet werden, da die schädigenden Wirkungen eines unbeeinflussten Schadfeuers weitaus größer wären als der Einsatz von Schaummitteln zu deren Eindämmung.

Bei alternativen Antrieben auf der Straße, Schiene oder auf See ist der Einsatz weder bei Wasserstoffsystemen noch bei Gasmotoren und LNG-Antrieben und schon gar nicht bei Lithium-Ionen-Akkus oder anderen Energiespeichern angezeigt.

Das bedeutet, jeder aufgezeigte Mangel in der Anwendung wird überproportional verschärft beim Vorhandensein alternativer Antriebsformen und Speichersysteme.

Alternativen

Kapselmittel wie z. B. F-500

Diese Mittel wirken direkt am Brandherd und Brandstoff. Mit der richtigen und angepassten Taktik sind bis zu 100% des Löschmittels dauerhaft wirksam. Die Löschwirkung ist um ein Vielfaches höher als bei reinem Wasser und allen herkömmlichen Löschmitteln, insbesondere Schaum.
Löschwirkung: Kühlung (Verdampfung des Wassers bei 70°C und Einkapselung der Brandstoffe in Mizellen (dauerhaft)).

Beispiel PKW-Brand:

200 ltr. Wasser, ca. 2 ltr. Kapselmittel (inkl. Nachlöscharbeiten), Personalaufwand 1 Pers. Mit Venturi Strahlrohr, Löschzeit 50-80 sec., keine Reinigungsarbeiten durch Löschmitteleinsatz, keine Beeinträchtigung der Einsatzstellensicherheit

Beispiel Bus-Vollbrand:

14ltr. Kapselmittel F-500, 2500 ltr. Wasser, Löschzeit 9 min inkl. Nachlöscharbeiten

Bus-Vollbrand mit F-500 und Venturi Strahlrohr gelöscht.
Bus-Vollbrand mit F-500 und Venturi Strahlrohr gelöscht.
Quelle: Lars Tober

Einsatzgebiete von Kapselmitteln:

Alle Brandklassen inkl. Metallbrände, Fettbrände, Lithium-­Ionen-Akkus, brennbare Gase
Vorteil: keine Vorhaltung von speziellen Schaummitteln, ein Löschmittelzusatz, einsetzbar mit jeder Wasserlöschtechnik stationär und mobil bei allen Brandformen und Brandlasten

Fazit

  • Es gibt Alternativen zu Schaummitteln, z. B. Kapselmittel!
  • Es gibt unzählige Anwendungsbeispiele für den Einsatz von Kapselmitteln wie F-500.
  • Es gibt kaum spezielle Zulassungen für dieses Löschmittel in herkömmlichen wasserbasierten Systemen.
  • Es gibt keine Zulassungsversuche und Akzeptanzkriterien bzw. Vorschriften.
  • Es wird Zeit, das zu ändern!
  • „Nur“ eine Feuerlöscherzulassung nach EN 3 wird dem Löschmittel nicht gerecht!!!

Es ist an Zeit, neue Richtlinien für den Einsatz/die Zulassung von Kapselmitteln wie F-500, in der Seefahrt und in Landbereichen mit Behörden, Versicherern und Klassen zu entwickeln und durchzusetzen. Dafür werden neue Standardbrandversuche entwickelt, die nicht nur für wasserbasierte Löschanlagen und -systeme gelten und auch nicht auf Zulassungen für Schaumsysteme basieren, sondern dem Löschmittel „Kapselmittel“ als Sonderlöschmittel und Löschmittel der Zukunft entsprechen.

Dafür müssen neue Zulassungskriterien/Akzeptanzkriterien und Vorschriften für die Zulassung entwickelt werden. Insbesondere die einmalige Fähigkeit des Löschmittels für die Absicherung von Lithium-Ionen-Akkus bei Hybridschiffen und -anlagen stellt ein vorrangiges Ziel bei dieser Arbeit und Entwicklung dar. 



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