Alles nur Science-Fiction?

BWI entwickelt einsatznahe VR-Technologien

Markus Zobel, Innovation Manager und Martin Wirzberger, VR-Experte beide im innoX-Team der BWI GmbH

In virtuelle Welten einzutauchen – das konnte vor 40 Jahren nur die Besatzung der Enterprise in der gleichnamigen Fernsehserie. Heute ist dies dank Virtual Reality (VR) bereits in vielen Bereichen möglich. Auch für die Auftragserfüllung und Sicherheit der Bundeswehr bietet sie großes Potenzial – zum Beispiel bei der Einsatzplanung und Ausbildung. Wie genau das funktionieren kann, untersucht die BWI, das IT-Systemhaus der Bundeswehr, in verschiedenen Innovationsvorhaben.

In diesen entwickeln und erproben die BWI-Innovationseinheiten unterschiedliche Einsatzszenarien der Schwestertechnologien. Diese reichen von Ausbildung und Training bis hin zu strategischer Kommunikation und Telepräsenz. Bestes Beispiel dafür ist das Experiment „VR-Lage“.



Worin unterscheiden sich VR und AR? 

VR und AR zählen zu den Extended-Reality-Anwendungen, die bereits in vielen Feldern angewandt werden.

VR: Nutzer*innen tauchen komplett in eine digitale Realität ein.
AR: Die Realität wird „nur“ mit virtuellen Elementen angereichert (englisch = „augmented“), z. B. durch Einblenden von Informationen auf der AR-Brille oder dem Smartphone.


Den Luftwaffeneinsatz virtuell planen

Bei größeren Luftwaffeneinsätzen müssen alle Akteure perfekt aufeinander abgestimmt vorgehen. Wie aber lassen sich Missionen der Luftwaffe planen, wenn sich die beteiligten Pilot*innen und die Befehlshabenden an unterschiedlichen Orten befinden? Eine Lösung dafür könnte VR-Lage sein: Hinter diesem Innovationsexperiment der BWI steckt die Idee, Lagebesprechungen im virtuellen Raum durchzuführen. Seit 2019 erprobt der IT-Dienstleister der Bundeswehr gemeinsam mit der Luftwaffe Einsatzmöglichkeiten sowie technologische Lösungen von VR-Lage und entwickelt den innovativen Ansatz laufend weiter.

VR-Lage setzt da an, wo klassische Konferenzlösungen an ihre Grenzen stoßen: Die Teilnehmenden können im virtuellen Raum über ihren Avatar per Sprache und Gestik miteinander interagieren, kommunizieren und kollaborieren. So besteht die Möglichkeit, gleichzeitig Dokumente innerhalb und außerhalb des virtuellen Raums zu bearbeiten und austauschen. Das kann der Plan für die Betankung oder der Ablaufplan der Mission sein. 

Zusätzlich steht ein digitaler Lagetisch zur Verfügung, auf dem sich beispielsweise Luftwege erarbeiten oder Karten und Satellitenbilder ablegen lassen. Objekte können sogar auf einer 4D-Karte dargestellt werden, wobei 4D für die Dimensionen Länge, Breite, Höhe und Zeit steht. Somit können animierte Sequenzen abgespielt werden, zum Beispiel die Veränderung der Wetterlage. Für einen nahtlosen Informationsaustausch ist es möglich, Office- und Kollaborationstools in den virtuellen Lageraum zu integrieren. Damit Besprochenes nicht verloren geht, gibt es eine Protokollfunktion. Mit VR-Lage hat die BWI die Weichen dafür gestellt, Luftwaffeneinsätze effizienter zu planen.

Darüber hinaus ist in dem Innovationsexperiment eine Pionierleistung gelungen: VR-Lage verfügt auch über eine eigene Dialog- und Sprachsteuerung. Zum ersten Mal wird damit im militärischen Umfeld ein Sprachassistent im virtuellen Raum eingesetzt.

VR-Lage in Aktion: Mit dem eigenen Avatar ins virtuelle Meeting.
VR-Lage in Aktion: Mit dem eigenen Avatar ins virtuelle Meeting.

Quelle: BWI GmbH

Ausbildung im virtuell geklonten Labor

Ein weiteres Anwendungsbeispiel für VR in der Bundeswehr ist das Experiment „VR-gestützte Ausbildung“. Damit die Truppe bei einer Auslandsmission ihren Auftrag erfüllen kann, sind die vor Ort erworbenen Betriebsstoffe streng zu prüfen. Das heißt, Benzin, Kerosin, Motorenöl und Co. müssen vorgegebenen Qualitätsstandards entsprechen. Diese Qualitätskontrolle nehmen speziell ausgebildete Soldat*innen in sogenannten Betriebsstoff-Containern vor. Während einer mehrmonatigen Ausbildung erlernen sie den Umgang mit diesen Labor-Containern.  

Was die Ausbildung jedoch erschwert: Es gibt nur eine begrenzte Zahl an Labor-Containern und diese befinden sich meist im Einsatz. Als Lösung für dieses Problem haben die BWI und die Bundeswehr in dem Experiment „VR-gestützte Ausbildung“ einen virtuellen Klon des Betriebsstoff-Containers entwickelt, also eine digitale Replik in 3D. Im virtuellen Raum könnten mehrere Soldat*innen zeitgleich und ortsunabhängig üben, die Labor-Container in Betrieb zu nehmen und zu nutzen. Dabei verfügt der virtuelle Container über die gleichen Funktionalitäten wie der reale Zwilling. Die im virtuellen Labor erworbenen Kenntnisse können die Auszubildenden daher anschließend eins zu eins in einem der echten Labor-Container anwenden.

Das Experiment zeigt: Die virtuelle Vermittlung von Ausbildungsinhalten trägt dazu bei, dass sich künftig Soldat*innen orts- und zeitunabhängig für ihren Auslandseinsatz im Betriebsstoff-Container vorbereiten und – bei Bedarf – ihr Wissen auffrischen könnten, zum Beispiel wenn die Ausbildung schon etwas zurückliegt. In Zukunft könnten dank VR-Ausbildung die Anzahl an Ausbildungsstunden und ausgebildeten Soldat*innen ohne größeren Aufwand erhöht und gleichzeitig die Reisekosten für Trainings reduziert werden.  

Die vorgestellten Innovationsvorhaben veranschaulichen, wie VR den Arbeitsalltag der Truppe vereinfacht – und damit auch den Erfolg von Missionen in In- und Ausland unterstützen kann. Als Digitalisierungspartner arbeitet die BWI mit der Bundeswehr bei der Umsetzung Hand in Hand. Dabei steht vor allem eines im Fokus: dass die Innovationen passgenau auf die Bedürfnisse der Soldat*innen zugeschnitten sind. Mit den verschiedenen VR-Ansätzen treibt die BWI gleichzeitig die digitale Transformation der Bundeswehr einen weiteren Schritt voran. Der Anfang ist gemacht – doch die Technologie bietet noch viel Potenzial, das die BWI künftig weiter erproben wird.


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