PMeV-White Paper zur Alarmierung von ­Einsatzkräften per Smartphone-App

Bernward Conermann, Hanno Heeskens, Jürgen Kormann, Manfred Maue

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Für die Alarmierung der Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst, Katastrophenschutz und weiteren Anwendergruppen (im folgenden “Alarmempfänger” genannt) gibt es mehrere Möglichkeiten, die zum Teil in technischen Richtlinien reguliert sind und zum Teil nicht reguliert mit verfügbarer Technik betrieben werden. Im Gegensatz zu regulierten Verfahren, wie POCSAG und TETRA-Callout ist die Alarmierung über eine Anwendung (App) auf einem Smartphone (im Folgenden auch “Alarmierungsendgerät” genannt) momentan nicht reguliert. Somit existieren bislang keine Vorgaben, was hierbei technisch und rechtlich zu beachten ist. Dennoch gibt es eine Vielzahl von Anbietern solcher Anwendungen auf dem Markt. Dabei kommen sowohl dienstliche als auch private Smartphones (“Bring your own device (BYOD)”) zum Einsatz.

Beschreibung der taktischen, technischen und rechtlichen Anforderungen

Um eine Bewertung oder Auswahl eines solchen Alarmierungssystems sowie gegebenenfalls die Prüfung einer bereits vorhandenen Lösung zu unterstützen, haben Hersteller, Anwender und Fachplaner innerhalb der Unterarbeitsgruppe (UAG) „APP-Alarmierung“ der Arbeitsgruppe Operations im Fachbereich Leitstellen des Bundesverbandes Professioneller Mobilfunk e.V. (PMeV) gemeinsam das Dokument „Alarmierung von Einsatzkräften per Smartphone-App. Hinweise und Anforderungen“ erstellt. Dieses Dokument beschreibt die taktischen, technischen und rechtlichen Anforderungen an ein Alarmierungssystem für Einsatzkräfte per Smartphone-App. Dabei wird die Alarmierung in der Regel durch eine Leitstelle (im ­Folgenden auch “Alarmauslöser” genannt) ausgelöst. Die Leitstelle steuert auch, über welche Wege bzw. Alarmierungssysteme die Alarmierung erfolgt – in diesem Fall über die Smartphone-App. Es wird die gesamte Kette von der Auslösung, über die Benachrichtigung auf dem Smartphone bis hin zur Rückmeldung der Verfügbarkeit betrachtet. Es geht hierbei nicht um die sogenannte Bevölkerungswarnung, für die ebenfalls bereits entsprechende Apps (z. B. Nina, Katwarn etc.) oder andere Systeme (z. B. Sirenen, Cell Broadcast etc.) existieren.

UAG „App-Alarmierung“: Anwender, ­Hersteller, Forschung und Planung

In der UAG „App-Alarmierung“ des PMeV arbeiten 21 Mitglieder zusammen. Sie vertreten Anwenderorganisationen, Industrie, Forschung und Fachplaner. Die Mitarbeit in diesem Gremium steht weiteren Teilnehmern offen. Die Zielsetzung der UAG ist: Erstellung eines White Papers zur Betrachtung der Anforderungen an die Alarmierung von Einsatzkräften per Smartphone – Alarmierungskette von der Alarmauslösung über Alarm auf dem Endgerät bis zu Rückmeldungen von den Einsatzkräften.

Sicherheitsniveau orientiert sich an den Inhalten der Meldung
Sicherheitsniveau orientiert sich an den Inhalten der Meldung

Mögliche Betriebsszenarien und Sicherheit

Werfen wir nun einen Blick auf einige wichtige Kapitel des 30-­seitigen Dokuments. Kapitel 3.1 beschreibt die möglichen technischen Betriebsszenarien. Wie bei anderen Softwaresystemen ist für den sicheren Betrieb von Alarmierungssystemen eine Bereitstellung als Software-as-a-Service, als On-Premise und auch in Mischformen möglich. Wichtige Aspekte sind dabei die Themen Verfügbarkeit und Sicherheitskriterien. Grundsätzlich müssen die Anforderungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und relevante Normen eingehalten und nachgewiesen werden.

Im Kapitel 3.2 wird auf das Thema Sicherheit – hierbei insbesondere den Datenschutz – eingegangen und das Sicherheitsniveau auf Basis des Inhalts der Alarmmeldung definiert. Dabei wird das Sicherheitsniveau in 3 Schutzstufen eingeteilt: So sollten beispielsweise bei der höchsten Schutzstufe, bei der personenbezogene Daten übermittelt werden, Maßnahmen zur automatischen Löschung und zum Verhindern zur Verbreitung der Meldung getroffen werden. Weiterhin gilt es, rechtliche Vereinbarungen – z. B. zwischen Leitstelle als Alarmauslöser und Einsatzkraft als Alarmempfänger – zu treffen und zu dokumentieren.

Funktionen eines Alarmierungssystems

Kapitel 3.5 geht auf die Funktionen eines Alarmierungssystems ein. Ein Alarmierungssystem wird aufgrund der möglichen Komplexität in Ausbaustufen unterteilt.

PMeV-White Paper zur Alarmierung von ­Einsatzkräften per Smartphone-App

Einfache Alarmierung mit technischer Rückmeldung

Anhand der einfachsten Ausbaustufe, bei der lediglich eine technische Rückmeldung erfolgt, lassen sich bereits grundsätzliche Begriffe definieren:

  • Alarmierungssystem umfasst die gesamte Kette „von der Alarmauslösung bis zum Endgerät“
  • Alarmierungsservice ist die zentrale Systemtechnik zur Alarmierung
  • Alarmierungsendgerät ist das Endgerät, auf dem der Alarm ausgelöst wird, z. B. Smartphone
  • Alarmauslöser sind z. B. Leitstellen oder Sicherheitszentralen
  • Alarmempfänger sind z. B. BOS Einsatzkräfte oder Sicherheitspersonal

Die umfangreichste Ausbaustufe ist die Alarmauslösung mit vorgeschaltetem Dispositionsservice. Hierbei erfolgt die Alarmauslösung mittels Einsatzstichwort, z.B. „Feuer2“, direkt vom Alarmauslöser oder indirekt über ein vorgeschaltetes System, z.B. ein Einsatzleitsystem.

Die Ermittlung der SOLL-Vorgabe erfolgt vom Dispositionsservice gemäß der hinterlegten Datenversorgung, z. B. HLF, DLK, ELW mit erforderlicher Besatzung z. B. 1x ZF, 3x GF, 6x AGTs. Mit der Soll-Vorgabe wird die Alarmauslösung beim Alarmierungsservice angestoßen. Der Alarmierungsservice übernimmt in dieser Ausbaustufe die automatische, ergänzende Alarmauslösung bis die SOLL-Vorgabe erreicht wird. Die Autoren des Dokuments nehmen aber auch eine klare Abgrenzung des Funktionsumfanges zum „klassischen“ Einsatzleitsystem vor: Der Dispositionsservice übernimmt keine „Nachalarmierung“ zum Beispiel im Sinne „nachbarschaftliche Löschhilfe“ oder „Anforderungen vom Einsatzleiter“. Denn das sind originäre Aufgaben des Einsatzleitsystems. Weiterhin wird die Zuständigkeit, welche Organisation für einen Einsatz verantwortlich ist, nicht im Dispositionsservice sondern vom Einsatzleitsystem ermittelt. Das Einsatzleitsystem kann Alarme an mehreren Alarmservices mit oder ohne vorgeschaltetem Dispositionsservice gleichzeitig auslösen.

PMeV-White Paper zur Alarmierung von ­Einsatzkräften per Smartphone-App

Schnittstellen zum Alarmierungsservice

Im Kapitel 3.7 wird auf mögliche Schnittstellen zum Alarmierungsservice eingegangen. Es beginnt mit einer einfachen Schnittstelle zum Auslösen eines Alarmes, z. B. per REST-Schnittstelle. Empfehlenswert ist die Verwendung der herstellerunabhängigen UCRI-Schnittstelle, welche derzeit vom Gremium 3 „Leitstelle to Mobile Devices“ des Expertenforums „Universelle Leitstellenschnittstelle“ (EFUL https://pmev.de/themen/universelle-leitstellenschnittstelle/) um genau diesen Zweck erweitert wird. ­Weiterhin sollten Schnittstellen für die Verarbeitung von Massendaten bereitgestellt werden – zur Beschleunigung der Datenversorgung, aber auch für statistische Auswertungen. Wichtig ist eine Schnittstelle zur Anbindung von externen Monitoring-Systemen. Hie­rüber kann der Systemzustand überwacht und im Störungsfall von zentraler Stelle Maßnahmen ergriffen werden.

Mögliche Zusatzfunktionen des ­Alarmierungsservice

Schließlich behandelt das Kapitel 4 mögliche Zusatzfunktionen des Alarmierungsservices. Es sollte beispielsweise möglich sein, detailliertere Alarminformationen über einen Alarmmonitor bereitzustellen – z.B. in einem Feuerwehrgerätehaus. Nicht nur Alarmmeldungen, sondern auch Informationen wie Termine, Wetterwarnungen etc. sollten datenschutzkonform austauschbar sein. Insbesondere für die Alarmierung im ehrenamtlichen Bereich ist die automatische Information des Arbeitsgebers über die Alarmierung seines Mitarbeiters zu einem Feuerwehreinsatz interessant. Wichtig und fast selbstverständlich für die Einsatzkraft ist auch eine Navigation zum Einsatzort. Diese kann als App-integrierte oder mit Google-Maps / Apple-Karte gekoppelter Navigation ausgestaltet sein.

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Resümee: Die Zukunft umfasst App-basierte Alarmierung

Gegenwärtig ist eine Alarmierung nur dann sicher, wenn die Alarmierungsendgeräte unter zentraler Kontrolle sind. Ein Beispiel hierfür liefern die weit verbreiteten POCSAG- und ­TETRA-Pager, welche über zentrale Programmier­stationen konfiguriert werden. Auch die vereinzelt verwendeten GSM-Pager werden über zentrale Systeme mit Daten- und Softwareupdates versorgt. Eine einheitliche Verwendung von Smartphones als Alarmierungsendgerät ist nur mit einem zentralen Mobile-Device-Management sichergestellt, um etwaige Fehlkonfigurationen durch die Nutzer zu vermeiden. Auf der anderen Seite sehen die Autoren für die Zukunft die App-basierte Alarmierung als „den“ Stand der Technik. Die Anfänge sind bereits vorhanden, wenn man aktuelle Endgeräte aus dem Bereich Mission Critical (MCx) betrachtet, in denen die verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten bereits „verschmolzen“ wurden. 



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