05.02.2019 •

Vorbeugender Funkschutz gehört zum BOS-Funknetz

Friedrich Schwefel

istockphoto.com jhorrocks

Der nachfolgende Beitrag stellt die technischen Möglichkeiten für den Objektfunk bezüglich Planung und Störsicherheit aus Sicht des Fachplaners dar und erörtert nachfolgende Fragestellungen:

Wie kommt der digitale Tetra-BOS-Funk in die Gebäude bzw. was ist bei der Planung von Tetra-BOS-Digitalfunkanlagen zu beachten?

Wie kann die Funktionssicherheit der Objektfunkanlagen (vorbeugender Funkschutz) gewährleistet, Störquellen zeitnah erkannt und neutralisiert werden?

Im deutschen BOS-Funknetz ist eine nahezu vollständige Außenfunkversorgung im gesamten Territorium erreicht. Gerade im Krisen- oder Unglücksfall sind jedoch meist kritische Objekte wie z. B. Hauptbahnhöfe, Sportarenen, S- und U-Bahn Stationen, Einkaufszentren sowie sonstige Versammlungsstätten betroffen. Daher gilt es auch in genau diesen kritischen Bereichen eine digitale BOS-Objektversorgung zu gewährleisten und deren Funktion zu überwachen um etwaige Störquellen zeitnah zu erkennen.

Wie sich eine ausreichende Objektversorgung für diese kritischen Objekte realisieren lässt, was zu beachten ist und welche Möglichkeiten und Planungsansätze es gibt, veranschaulicht dieser Beitrag. Dazu werden die wichtigsten Planungsgrundlagen, die Versorgungsanforderungen sowie die Lösungswege, bzw. die Vorgehensweise beschrieben und die Notwendigkeit einer Fachplanung begründet. Der aktuellen Sicherheitslage geschuldet, werden auch Möglichkeiten erörtert, wie die Funktionssicherheit der Digitalfunk-Inhausversorgung und kritischer Bereiche (vorbeugender Funkschutz) realisiert werden können.

Warum brauchen wir eine Objektfunkversorgung im BDBOS-Netz und wie ist die Herangehensweise?

Der Aufbau des BOS-Digitalfunknetzes für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben wie Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste, ist weitgehend abgeschlossen und somit die Freifeldversorgung in den einzelnen Bundesländern sichergestellt. Erfahrungen haben gezeigt, dass trotz des guten Versorgungspegels im Freifeld und den guten physikalischen Ausbreitungseigenschaften des digitalen BOS-Funknetzes (Frequenzbereich 380 bis 400 MHz), die Funkabdeckung innerhalb von Gebäuden nur bedingt durch die Freifeld-Funkversorgungsinfrastruktur gegeben ist. Besonders die moderne Bauweise, welche sich auf Stahlbeton, metallische Gebäudeverkleidungen und verspiegelte Fensterscheiben stützt, bringt den Metalleigenschaften geschuldete hohe zusätzliche Übergangsdämpfungen mit sich. Doch auch ältere Gebäudekomplexe sind oftmals von den Tetra-BOS-Basisstationen des Freifeldes im Innenbereich nur teilweise bzw. nicht direkt versorgt und müssen daher separat mit einer Objektfunkanlage (idealerweise TMO-Anlage) ausgerüstet werden.

Maßgeschneiderte optimale Lösungen, die individuell für jeden Objekttyp geplant, dimensioniert und realisiert werden, sind gefragt bzw. notwendig. Nur die gewissenhafte Konzeption, das hochwertige Design und die professionelle Planung dieser Anlagen unter Verwendung modernster Hilfsmittel und Werkzeuge, kann den hohen Anforderungen langfristig gerecht werden und eine optimale Versorgung im Objekt, bei Vermeidung störender Rückwirkungen auf das „Außennetz“, gewährleisten. 

Um diese Rückwirkungsfreiheit sicherzustellen und entsprechend zukunftsorientierte Lösungen zu planen, bedarf es einer professionellen Fachplanung der Objektfunkanlage von einem erfahrenen, neu­tralen Ingenieurbüro.

Hotelkomplex als Beispiel für eine Objektfunkversorgung in einer 3D...
3D Planungssimulation einer Objektfunkversorgung am Beispiel eines Hotelkomplexes.
Quelle: iBwave

Technische Grundlagen für den Objektfunk

Abhängig von den verschiedenen Einsatzbereichen und Anforderungen wird unter folgenden technischen Varianten im ­Tetra-BOS-Funknetz für den Objektfunk unterschieden:

  • DMO (Direct Mode Operation) mit eingeschränkter Funktionalität
    •  DMO 1a (Simplexbetrieb über eine Frequenz)
    • DMO 1b (Duplexbetrieb über ein Frequenzpaar)
  • TMO (Trunked Mode Operation)
  • TMOa (autarke Basisstation)
    • 3 parallele Sprechgruppen bei einem HF-Träger (OV-A)

Die verschiedenen Varianten des DMO-Betriebes sowie die TMOa-Lösung stellen eine Sonderlösung, d. h. außerhalb des Tetra-Digitalfunknetzes der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben dar.

Bei einer klassischen TMO-Versorgung ist die Objektfunkanlage als Teil des BDBOS-Funknetzes zu sehen, mit allen Tetra-­BOS-Netz-Leistungsmerkmalen, d. h. es gibt keine Funktionseinschränkungen im Vergleich zum Freifeld. Diese Lösungsvariante ist für alle kritischen öffentlichen Gebäude wie z. B. U-Bahn Bereiche, Stadien, Flughäfen, Einkaufszentren, Bahnhöfen usw. zu empfehlen, da nur bei Realisierung dieser Systemlösung (TMO-­Funk­versorgung) die uneingeschränkte Kommunikation aller Behörden mit Sicherheitsaufgaben innerhalb des Tetra-­BOS-Funknetzes möglich ist.

Was ist bei Planung und Realisierung zu beachten?

Im Vergleich zu den früheren analogen BOS-Objektfunkanlagen, welche nur im Bedarfsfall genutzt bzw. eingeschaltet wurden, sind die heutigen TMO-Tetra-­BOS-Objektfunkanlagen fester Bestandteil des Tetra-BOS-Zellennetzes, d. h. immer im aktiven Betrieb mit allen positiven als auch negativen technischen Auswirkungen. Genau diese Auswirkungen müssen bei der Planung und Realisierung einer Objektfunkanlage beachtet werden. Um eine Tetra-BOS-Objektfunkanlage erfolgreich zu realisieren wird eine professionelle Planung vorausgesetzt. Hierbei ist es wichtig, dass ein neutrales Planungsbüro mit entsprechender Erfahrung und den notwendigen Simulationstools beauftragt wird. 

Dadurch können im Vorfeld Kosten und Zeit eingespart bzw. minimiert und mögliche Risikofaktoren erkannt werden, damit sichergestellt ist, dass im Krisenfall die Objektfunkanlage auch den benötigten hohen Anforderungen der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben entspricht.

Darstellung einer Interferenz-Störung im Freuquenz-Langzeit-Monitoring System.
Darstellung Interferenz-Störung im Frequenz-Langzeit-Monitoring System durch einen „lokalen Jammer“ verursacht.
Quelle: Screenshot LS telcom Software

Herausforderungen für die Zukunft: ­„vorbeugender Funkschutz für kritische Objektfunkanlagen“

Gerade für diese kritischen öffentlichen Objekte und Bereiche, wie z. B. Bahnhofsbereiche, Sportarenen, Flughäfen und Sonderveranstaltungen gilt es diese Funkversorgung mittels „vorbeugendem Funkschutz“ sicherzustellen bzw. zu überwachen. Somit können „etwaige temporäre Störquellen, bzw. mutwillige Störer“ sowie die Netzverfügbarkeit, d. h. Abweichungen vom Normalzustand, zeitnah erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.

Vergleichbar dem Funktionsprinzips eines Rauchmelders werden bei einem „vorbeugendem Funkschutz-System“ bei definierten Abweichungen vom Normalzustand Alarmmeldungen generiert und automatisch an eine Überwachungszentrale mittels Netzverbindung (drahtlos oder mittels VPN-Verbindung) übertragen. Diese Fehlermeldungen können dann direkt online durch das Einloggen in das HF-Monitoring System analysiert und bearbeitet werden.

Es ist notwendig den HF-Normalzustand permanent neutral zu monitoren und auf einem Datenträger abzuspeichern, damit im Störungsfalle die gespeicherten „Normalmessdaten“ zur Auswertung genutzt werden können. Aktuelle Systeme können Langzeitmessungen bis zu zwei Jahren Dauer durchführen bzw. aufzeichnen und detektieren jegliche Funkaussendung im betrachteten Frequenzspektrum oder deren Unterbrechungen. 

Diese Observer-Monitoring -Systeme können fest installiert bzw. für Sonderveranstaltungen zum temporären Einsatz genutzt werden. Neben der automatischen Alarmierung sind Langzeitauswertungen auf Stunden-/Tages-/Wochen-/Monats- oder Jahresbasis durchführbar, um die Langzeitstabilität der Funkversorgung zu überwachen und zu dokumentieren. 

Viele weitere Auswertungen und Alarmierungsmöglichkeiten ergänzen dabei die Betrachtung von Störungen oder Versorgungsausfällen bei Einsatz solcher Observer-Monitoring-Systeme. Typischerweise werden diese automatisierten Observer-Systeme mittels permanenter Installation an kritischen Versorgungsstandorten eingesetzt und überwachen durchgehend die wichtigen Funkkanäle auf Zuverlässigkeit und störungsfreien Betrieb 24 Stunden/365 Tage im Jahr.

Empfehlung und Zusammenfassung

Neben einer Fachplanung durch ein qualifiziertes Planungsbüro und Realisierung der Objektfunkanlage durch einen zertifizierten Errichter sollte auch die Sicherstellung der Störsicherheit und Verfügbarkeit, also der vorbeugende Funkschutz, durch ein separates Observer-System für kritische Bereiche und Objekte eine Selbstverständlichkeit sein (vergleichbar Brandmelder in jedem öffentlichen Gebäude). 

Denn letztendlich ist ein sicher funktionierendes BOS-Digitalfunknetz für unsere Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben wie Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste ein Grundbaustein für unser aller Sicherheit und Wohlbefinden. 

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