COVID-19: Ein Rückblick über die Amtshilfe der Bundeswehr

Seit neun Monaten unterstützt die Bundeswehr die Behörden im Kampf gegen die Corona-Pandemie mit Tausenden Soldatinnen und Soldaten wie auch zivilen Kräften. Bislang gingen mehr als 1.500 Amtshilfeanträge bei der Bundeswehr ein. Einer der größten Hilfseinsätze der Bundeswehr in ihrer 65-jährigen Geschichte. Hier eine erste Zwischenbilanz. 

Es ist der 28. Februar dieses Jahres. Beim Landeskommando Mecklenburg-Vorpommern geht der erste Amtshilfeantrag mit Bezug auf die damals in Europa gerade beginnende COVID-19Coronavirus Disease 2019-Pandemie bei der Bundeswehr ein. Der Landkreis Ludwigslust-Parchim forderte damals die Bereitstellung von Quarantäneräumen durch die Bundeswehr für den Bedarfsfall an. Zu dieser Zeit ahnte niemand, dass sich Deutschland und die Welt gerade erst am Beginn einer der folgenschwersten Pandemien seit der Spanischen Grippe befindet. Auch für die Bundeswehr sollte sie drastische Auswirkungen haben. Bis zum heutigen Zeitpunkt sind über 1.500 weitere Amtshilfeanträge gestellt worden. 

Corona-Lage wird ernst

Ein kleiner Rückblick. Einen Monat zuvor, am 27. Januar gab es den ersten bekannt gewordenen Fall einer COVID-19Coronavirus Disease 2019-Infektion in Deutschland. Mehrere Wochen lang hielt sich die Zahl täglicher Neuinfektionen im einstelligen Bereich. Während sich Ende Februar das Virus in einigen Hotspots Norditaliens bereits schlagartig ausbreitete, galt das „neuartige Corona-Virus SARSSchweres Akutes Respiratorisches Syndrom-CoV-2“ – so die vollständige Bezeichnung – vielen Menschen in Deutschland noch als eher vage Gefahr.
Doch dies änderte sich schnell mit dem explosionsartigen Anstieg von Infektionen im März. Gab es am 29. Februar noch weniger als 100 bestätigte Infektionsfälle, so waren es gut zwei Wochen später schon über 1.000 neue Fälle jeden Tag. Die Politik reagierte mit zahlreichen Ministerkonferenzen, Appellen an die Bevölkerung und schließlich kontaktbeschränkenden Maßnahmen, wie der Schließung von Schulen und Kitas, die am 22. März aufgrund immer weiter steigender Infektionszahlen in den ersten sogenannten „Lockdown“ gipfelten.

Unterstützung beim Transport von Materialien
Bei der Ankunft von Hygieneschutzausstattung aus China unterstützte die Bundeswehr beim Transport der Materialien.
Quelle: Bundeswehr/Thorsten Weber

Die Bundeswehr steht bereit

Auch die Bundeswehr war massiv betroffen. Seit Beginn der Pandemie stellten die deutschen Streitkräfte ihre Mittel zur Verfügung. So holte beispielsweise Anfang Februar die Luftwaffe mit einem Airbus A310 unter anderem deutsche Staatsbürger aus der chinesischen Metropole Wuhan zurück, die damals als Epizentrum der Pandemie galt. Da im März mit dem Ansteigen der Infektionszahlen die lokalen Gesundheitsbehörden zusehends vor größere Herausforderungen gestellt wurden, vor allem durch den Bedarf an medizinischer Schutzausrüstung, Lagerkapazitäten und medizinischem Personal, stieg in kurzer Zeit die Zahl von Unterstützungsanträgen an die Bundeswehr. Bis zum Ende des Monats erreichten knapp 300 Hilfeanträge – so viele wie sonst im gesamten Vorjahr - das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr (KdoTerrAufgBw), das im Auftrag des „Nationalen Territorialen Befehlshabers, Generalleutnant Martin Schelleis, die gesamte Koordinierung und Führung der Hilfseinsätze leitet. Angesichts der sich zuspitzenden Lage war die Kommandobehörde durchaus auf die neue Aufgabe vorbereitet. So erklärte Generalmajor Carsten Breuer, Kommandeur des KdoTerrAufgBw, „Wir stehen bereit. Wir sind bereit. Wir wissen alle, dass dort etwas Großes auf uns zukommt.“ Breuer sollte Recht damit haben, konnte er sich doch zur Bewältigung dieser Aufgabe auf seine Soldaten verlassen, die aus dem gesamten Bundesgebiet kommen. Bereits Anfang April standen knapp 15.000 Soldaten in verschiedenen Bereitschaftsgraden für Unterstützungseinsätze im Rahmen der Amtshilfe bereit.
Zu Beginn der Pandemie in Deutschland bezogen sich die Amtshilfeanträge vor allem auf die Bereitstellung von medizinischem Material, Transportkapazitäten und Infrastruktur. Mit Verschärfung der Lage forderten die lokalen Behörden dann vermehrt Sanitätspersonal der Bundeswehr an, beispielsweise zur Unterstützung bei der Abstrichnahme in Corona-Teststationen.

Aufbau eines Behelfskrankenhauses in Berlin
Soldaten helfen beim Aufbau eines Behelfskrankenhauses in Berlin und bauen Schränke und Krankenbetten zusammen.
Quelle: Bundeswehr/Jonas Weber

Entspannung im Sommer

Ab Mitte Mai zeigten die kontaktbeschränkenden Maßnahmen der Bundesländer ihre Wirkung. Nach Wochen des Lockdowns, die nicht nur für Erkrankte und Angehörige sondern auch für weite Teile der Bevölkerung eine vielfältige Belastung darstellten, konnten die exponentielle Entwicklung der Pandemie vorerst gestoppt und über den ganzen Sommer hinweg die Neuinfektionen auf einem stabilen, relativ niedrigen Niveau gehalten werden. Im Verlaufe des Sommers war es zu einem Wandel der angeforderten Unterstützungsleistungen gekommen. War die Inzidenz auch gesunken, hatten dennoch einige Gesundheitsämter in regionalen Hotspots immer wieder Schwierigkeiten bei der Nachverfolgung von Infektionsketten, da sie nicht über ausreichend Personal verfügten. Hier war nun abermals die Bundeswehr gefragt. Bereits Anfang Juni halfen etwa 200 Soldaten in Gesundheitsämtern, wo sie bei der Nachverfolgung von Kontakten halfen, Personen über COVID-19Coronavirus Disease 2019-Fälle in ihrem Umfeld benachrichtigten. Andere Aufgabenfelder waren weiterhin die Corona-Testungen mit mobilen Abstrichteams und auch die Unterstützung in Alten- und Pflegeheimen.  Einen regionalen Schwerpunkt der Hilfeleistung stellte hier der Einsatz in den Kreisen Gütersloh und Warendorf im Juni und Juli dar. Infolge eines explosiven Übertragungsereignisses in einem Schlachthof der Firma Tönnies half die Bundeswehr mit insgesamt bis zu 350 Soldaten aus. Im August bildete sich mit der bundesweiten Pflicht zur COVID-19Coronavirus Disease 2019-Testung für Reiserückkehrer aus Corona-Risikogebieten ein neuer Schwerpunkt für den Amtshilfe-Einsatz der Bundeswehr. So unterstütze die Bundeswehr an Verkehrsknotenpunkten, wie Flughäfen, Bahnhöfen und Grenzübergängen, in den Test-Stationen vor Ort durch medizinisches Personal sowie mit „helfenden Händen“ bei der Verteilung und Bearbeitung von Aussteigekarten, welche die Gesundheitsämter über den geplanten Aufenthaltsort der Reiserückkehrer informieren sollten. Insgesamt waren den Sommer über bei den Corona-bedingten Hilfseinsätzen der Bundeswehr zeitweise über 700 Soldaten gleichzeitig eingesetzt. Bis Ende August sollte die Gesamtzahl der gestellten Hilfeleistungsanträge auf über 800 wachsen.

Unterstützund der Gesundheitsämter durch Soldaten
Wie hier in Esslingen sind in mehr als 75 Prozent der deutschen Gesundheitsämter Soldatinnen und Soldaten eingesetzt.
Quelle: Bundeswehr/Frank Dittrich

Mehr Hilfeleistungsanträge im Herbst

Inzwischen steht Deutschland erneut vor einer Ausnahmesituation. Die Befürchtungen der Virologen haben sich bewahrheitet und nach einem gemäßigten Verlauf im Sommer steigen nun die Neuinfektionen Tag für Tag. Die Ausgangslage ist dabei eine deutlich andere als im Frühling. Bundesregierung, Gesundheitsbehörden, Mediziner und die Bevölkerung im Allgemeinen haben nun ein deutlich gesteigertes Wissen über und Erfahrungen im Umgang mit dem Coronavirus. Es wird deutlich mehr getestet und sowohl Kliniken als auch helfende Organisationen, wie auch die Bundeswehr, sind auf eine Verschlechterung der Lage vorbereitet. Angesichts von Neuinfektionen, die die Werte vom Frühjahr um ein Vielfaches übersteigen, entschieden Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder vorbeugend einen neuen, begrenzten Lockdown durchzuführen.

Für die Bundeswehr bedeutet die aktuelle pandemische Entwicklung eine neue Dimension des Einsatzes. Viele Gesundheitsbehörden kämpfen mit der Vielzahl an neuen Infektionen. So stellen sie momentan Tag für Tag neue Amtshilfeanträge zur personellen Unterstützung in Gesundheitsämtern oder in Corona-Teststationen. Auf die genannten 800 Amtshilfeanträge in den sechs Monaten seit dem ersten Antrag im Februar sind nun knapp 600 neue in zwei Monaten gekommen. Wie stark die Truppe gefordert ist, zeigt auch die Zahl der eingesetzten Soldaten: Mittlerweile sind über 5.000 Soldaten bei Hilfsleistungen gleichzeitig eingesetzt, davon über 4.400 in mehr als 300 Gesundheitsämtern – und damit in mehr als Dreiviertel der Landkreise Deutschlands.

Unterstützung bei Desinfektion von Altenpflegeheimen
Auch in Altenpflegeheimen halfen die Soldaten. Hier unterstützen sie das Klinikpersonal bei der Desinfektion.
Quelle: Bundeswehr/Andre Klimke

Wie geht es weiter?

Das KdoTerrAufgBw und die Soldaten aus allen Winkeln Deutschlands haben seit Anbeginn der Pandemie auf verschiedene Weise Ihre Fähigkeiten und Ihre Bereitschaft zur Hilfe eingebracht und tatkräftig dabei mitgewirkt Belastungen zu reduzieren und der Verbreitung des Coronavirus zu Einhalt zu gebieten. Hört man auf die Experten, so steht noch ein langer, harter Weg bevor. Doch auch im Hinblick auf die kommenden Monate ist Generalmajor Breuer überzeugt: „Wir haben klasse Soldatinnen und Soldaten, die engagiert und oftmals bis an die Belastungsgrenze heran ihren Dienst leisten. Wir unterstützen da, wo unsere Hilfe für den Antragsteller sinnvoll ist und wo immer wir es rechtlich dürfen. Und das auch in den kommenden schwierigen Monaten dieses Winters. Flexibel. Jederzeit. Deutschlandweit.“

Unterstützung durch die Bundeswehr
Über 1000 Mal genehmigte die Bundeswehr subsidiäre Unterstützung für die Behörden.
Quelle: Bundeswehr/Ismael Akbar

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