Wiesbaden. Hessen geht gegen das missbräuchliche Zeigen von Reichs- und Reichskriegsflaggen vor, die in der Vergangenheit immer wieder von Reichsbürgern oder Extremisten dafür verwendet wurden, um eine Nähe zum Nationalsozialismus zu suggerieren. Dieser für die Bürgerinnen und Bürger einschüchternden Wirkung soll ab sofort Einhalt geboten werden. Wie Innenminister Peter Beuth in Wiesbaden bekannt gab, setzt Hessen damit einen Beschluss der Innenministerkonferenz zum bundeseinheitlichen Umgang für die provokative Verwendung von Reichs- und Reichskriegsflaggen um.
„Mit dem Erlass setzt Hessen ein klares Zeichen für ein geordnetes staatsbürgerliches und menschliches Zusammenleben und geht konsequent gegen diejenigen vor, die die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen. Diese Haltung wird häufig auch durch das Zeigen von Reichs- und Reichskriegsflaggen untermauert. Es ist nicht hinnehmbar, dass mit diesen Flaggen auf einer Versammlung an NS-Fahnenaufmärsche erinnert und damit ein Klima von Hass und Gewalt erzeugt wird. Solche Aktionen dienen der Einschüchterung und haben in unserer Demokratie nichts verloren. Die hessische Polizei wird konsequent gegen diese rechtsextremen Provokationen vorgehen“, so Innenminister Peter Beuth.
Reichs- und Reichskriegsflaggen werden immer wieder von rechtsextremistischen, ausländerfeindlichen Gruppierungen und Einzelpersonen wie Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern und sogenannten Selbstverwaltern als Symbol für die Unterstützung von (neo)nationalsozialistischen Anschauungen und die Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewusst verwendet.
Gefahr für die öffentliche Ordnung
Während das öffentliche Verwenden der Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz nach § 86a Strafgesetzbuch (StGB) strafbar ist, existieren daneben Reichs- und Reichskriegsflaggen, die zwar nicht nach dem Strafgesetzbuch verboten sind, deren Verwendung in der Öffentlichkeit jedoch eine nachhaltige Beeinträchtigung der Voraussetzungen für ein geordnetes staatsbürgerliches und menschliches Zusammenleben und damit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen kann.
Diese Gefahr für die öffentliche Ordnung liegt immer dann vor, wenn in der Gesamtschau provokative und aggressive Begleitumstände beim Zeigen der Flaggen hinzukommen, die geeignet sind, das geordnete staatsbürgerliche Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger zu beeinträchtigen und ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft zu erzeugen. Hierbei gilt es, das Vorliegen einer provokativen und einschüchternden Wirkung aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls zu bewerten. Zu betrachten sind dabei insbesondere das Motto und der Kontext, in dem die Flaggen gezeigt und verwendet werden. Dies gilt auch für das Zeigen oder Verwenden auf privatem Grund, wenn dadurch eine solche Wirkung für die Öffentlichkeit erkennbar entfaltet wird.
Eine Gefahr der öffentlichen Ordnung in Zusammenhang mit dem Zeigen einer nicht verbotenen Reichs- oder Reichskriegsflagge kann insbesondere vorliegen bei
- Demonstrativem Hissen oder Verwenden der Flagge an einem Ort oder Datum mit historischer Symbolkraft
- Skandieren von ausländer-, fremdenfeindlichen oder anderweitig einschüchternden Parolen oder Liedtexten
- Zeigen von Zeichen und Symbolen mit Bezug zum Nationalsozialismus
- Bestehen einer Einschüchterungswirkung aufgrund bedrohlichen Auftretens
- paramilitärisch anmutenden Versammlungen oder Aufzügen, beispielsweise durch Kombination mit Trommeln, Fackeln, Uniformen, Marschieren in Formation
- Bestehen des Anscheins einer Anlehnung an Fahnenaufmärsche der Nationalsozialisten
Bußgelder bis zu 1.000 Euro
Stellen die Ordnungs- oder Polizeibehörden nach ihrem pflichtgemäßem Ermessen fest, dass durch das Zeigen dieser Flaggen eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung (§ 11 HSOG) vorliegt, werden die Flaggen sichergestellt (§ 40 HSOG) und ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Verantwortlichen eingeleitet (§ 118 OWIG). Dabei drohen Bußgelder bis zu einer Höhe von 1.000 Euro.
Auch Abwandlungen von nicht verbotenen Reich- und Reichskriegsflaggen, welche insbesondere mit veränderter oder hinzugefügter Symbolik, z.B. Bundesadler, Reichsadler, Stahlhelm oder Eisernes Kreuz, öffentlich verwendet werden, können im konkreten Einzelfall unter Betrachtung der Gesamtumstände eine Belästigung der Allgemeinheit darstellen und stellen somit eine Ordnungswidrigkeit dar.
Das Zeigen einer nicht verbotenen Reichs- oder Reichskriegsflagge bei Versammlungen obliegt ebenfalls der Einzelfallbewertung unter Betrachtung des Gesamtbildes einer Versammlung. Aufgrund des hohes Stellenwertes des Versammlungsrechts kommt hier als milderes Mittel eine Kontingentierung der Flaggen durch die Polizei oder Ordnungsbehörden in Betracht.
Hintergrund - Verbotene Reichskriegsflagge
Das Verwenden der Reichskriegsflagge von 1935 bis 1945 stellt wegen des Hakenkreuzes eine Straftat nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB dar. Dies gilt auch für Reichskriegsflaggen, die ihnen bewusst zum Verwechseln ähnlich sind. Werden diese Flaggen mit Hakenkreuz öffentlich oder in einer Versammlung verwendet, sind sie zur Beweissicherung sicherzustellen.
Grundsätzlich nicht verbotene Reichs- und Reichskriegsflaggen sind:
- Kriegsflagge des Norddeutschen Bundes/Deutschen Reiches von 1867 bis 1921
- Kriegsflagge des Deutschen Reiches von 1922 bis 1933
- Kriegsflagge des Deutschen Reiches von 1933 bis 1935
- Reichsflagge ab 1892/Flagge des „Dritten Reichs“ von 1933 bis 1935
Weitere Informationen sind der Informationsbroschüre „Kennzeichen und Symbole der Rechtsextremisten“, herausgeben vom Landesamt für Verfassungsschutz, zu entnehmen (https://lfv.hessen.de/sites/lfv.hessen.de/files/contentdownloads/LfV_KennzeichenRechtsextrem.pdf)
Hessisches Ministerium des Innern und für Sport
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