Rauschgiftkriminalität in Deutschland steigt weiter an
BKA-Präsident Holger Münch und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig stellen die Rauschgiftlage 2020 vor
Die Rauschgiftkriminalität in Deutschland steigt weiter an. 365.753 Fälle wurden im Jahr 2020 polizeilich registriert – 1,7 Prozent mehr als im Vorjahr.
Der Rauschgifthandel ist auch weiterhin das größte Betätigungsfeld von Gruppierungen der Organisierten Kriminalität (OK). 2020 wurden erneut über ein Drittel der OK-Verfahren wegen des Verdachts des Rauschgifthandels/-schmuggels geführt. Die Erkenntnisse aus diesen Verfahren zeigen auch, dass die Gewaltbereitschaft im Bereich des organisierten Rauschgifthandels steigt. 284.723 Tatverdächtige wurden im Jahr 2020 ermittelt. Eine zunehmende Zahl von ihnen war bewaffnet.
Der größte Zuwachs der Handelsdelikte war im Jahr 2020 bei den Neuen Psychoaktiven Stoffen (NPS) zu verzeichnen. Die Zahl stieg gegenüber dem Vorjahr um 16,2 Prozent. Bei Kokain stiegen die Handelsdelikte im gleichen Zeitraum um 9,6 Prozent, beim sogenannten Crystal, also kristallinem Methamphetamin, um 7,2 Prozent. Das meistgehandelte Betäubungsmittel war mit 31.961 erfassten Fällen auch 2020 Cannabis, gefolgt vom Amphetamin mit 5.581 erfassten Delikten.
Rückläufig hingegen war der Handel mit Heroin: Die der Polizei bekannt gewordenen Fälle gingen gegenüber 2019 um 4,9 Prozent zurück. Es kann jedoch weiterhin von einer weitreichenden Verfügbarkeit und der fortgesetzten Nachfrage auf dem deutschen Rauschgiftmarkt ausgegangen werden, nicht zuletzt, da nach Schätzungen des United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) die Schlafmohn-Anbauflächen in Südwestasien im Jahr 2020 erheblich angewachsen sind.
Ein neuer Höchstwert war mit mindestens 11 t bei der Gesamtsicherstellungsmenge von Kokain zu verzeichnen. Im Jahr 2018 waren es noch mindestens 5 t sichergestelltes Kokain, 2019 bereits mindestens 10 t. Eine Rekord-Sicherstellung von 16 t Kokain im Hamburger Hafen im Februar 2021 zeigt, dass sich dieser Trend fortsetzten wird.
Schon allein mit dem international organisierten Kokainhandel erzielen die beteiligten kriminellen Gruppierungen in Deutschland und Europa erhebliche Gewinne. Neben der Reinvestition in die Betäubungsmittelkriminalität dienen diese auch dem Erwerb von Luxusgütern und werden letztlich auch in die legale Wirtschaft investiert. Die zunehmende finanzielle Potenz der Gruppierungen durch milliardenschwere Gewinne aus dem Kokainhandel erhöhen das Machtpotential krimineller Gruppierungen und können nicht nur gewaltsam ausgetragene Konflikte zwischen rivalisierenden OK-Strukturen forcieren, sondern auch legale Wirtschaftsstrukturen infiltrieren und zu massiven Wettbewerbsverzerrungen führen.
Kriminelle Strukturen nutzen Deutschland auch weiterhin als Transitland für Chemikalien, die zur Rauschgiftproduktion verwendet werden können. An deutschen Flughäfen wurden 2020 mehrere Lieferungen von Grundstoffen für Amphetamin und erstmalst auch größere Mengen von Chemikalien für die Herstellung von NPS aus China beschlagnahmt. Bestimmt waren sie für die Niederlande. Dort konnten in der Vergangenheit zunehmend Produktionsstätten für die Herstellung Synthetischer Drogen festgestellt werden.
Die Einschränkungen der COVID-19-Pandemie hatten kaum Einfluss auf die Rauschgiftkriminalität. Rauschgift ist weiterhin in hohem Maße verfügbar. Die Vertriebs- und Bezugsmöglichkeiten des mittlerweile etablierten Online-Handels werden verstärkt genutzt, da der Post- und Paketversand im Vergleich zu anderen Transportmöglichkeiten von den Maßnahmen zum Schutz gegen das Coronavirus nicht betroffen ist.
Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes: „Die Rauschgiftkriminalität steigt seit Jahren an und gewinnt weiter an sicherheitspolitischer und gesellschaftlicher Bedeutung. Auch unsere Ermittlungen und die Auswertung der EncroChat-Daten zeigen das erhebliche Ausmaß und das wachsende Gewaltpotential in diesem Phänomenbereich. Die gewonnenen Erkenntnisse werden wir nutzen, um unsere Ressourcen sowie die technischen Möglichkeiten optimal einzusetzen und so dieser Kriminalitätslage angemessen zu begegnen.“
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig:
„Wir sehen eine steigende Anzahl an Straftaten im Zusammenhang mit Drogen in Deutschland und der EU, die immer brutaler, immer skrupelloser ausgeführt werden. Das ist eine Entwicklung, die wir gemeinsam mit den zuständigen Behörden, aber auch als Bund mit den Ländern unbedingt stoppen müssen. Ich erwarte, dass wir hier eine Allianz aufbauen, die starke Prävention betreibt und der organisierten Drogenkriminalität in Deutschland Einhalt gebietet. Wo weniger Nachfrage, da weniger Angebot. Wir müssen verhindern, dass Kriminelle sich in Deutschland aufführen, als hätte ihr Tun keinerlei Konsequenzen, als befänden sie sich in einem rechtsfreien Raum. Das ist hier keineswegs der Fall und das müssen wir zukünftig noch deutlicher machen!“
Ergänzende Zahlen und Informationen können über die Webseite des BKA unter www.bka.de und auf der Internetseite der Drogenbeauftragten der Bundesregierung unter www.drogenbeauftragte.de abgerufen werden.
Bundeskriminalamt