Handlungssicherheit ist Voraussetzung für eine reibungslose Arbeit im Stab. Das Gros der Notfall- und Krisenstäbe der öffentlichen und privaten Gefahrenabwehr kommt so selten zum Einsatz, sodass Routine in Übungen gewonnen werden muss. Im vorliegenden Beitrag werden Erkenntnisse aus einer wissenschaftlichen Studie vorgestellt und Impulse gegeben, wie Training für Stäbe so gestaltet werden kann, dass das Üben nicht Last sondern Spaß ist.
In einer Studie wurden Stäbe von Feuerwehr und Business Continuity Management, Piloten, Spitzen-Gourmetköche, OP-Teams und die Crew einer TV Live-Produktion beobachtet und befragt. Hintergrundgespräche wurden mit erfahrenen Krisenstäben der Petro- und Automobilindustrie sowie mit Ausbildern von Kernkraftwerksfahrern und des Crew Ressource Managements (Ausbildung von Flugzeugbesatzungen und OP-Teams) geführt. Bei diesen sogenannten Teams mit höchstem Erfolgsanspruch konnten insgesamt 53 Merkmale ermittelt werden, die eine erfolgreiche Arbeit in außergewöhnlicher Umgebung ermöglichen. Diese Merkmale wurden aufbereitet, um sie für die Krisenstabsausbildung nutzen zu können.
Aktuelle Situation
Stäbe sind die höchste Instanz der Gefahrenabwehr. Sie sind buchstäblich das letzte Mittel, um ein Schadensereignis abzuwenden oder eine Krise in den Griff zu bekommen. Die Verantwortung für die Stabsmitglieder ist groß - einerseits, weil sie an sich selbst einen hohen Erfolgsanspruch haben und andererseits, weil die Verantwortlichen sich implizit auf die Leistungsfähigkeit des Stabes verlassen.
Die Auswahl der Stabsmitglieder ist zudem häufig an organisationsspezifische Rahmenbedingungen gebunden, wodurch eine kompetenzorientierte Auswahl erschwert wird.
Das Bewusstsein für eine angemessene leistungsfähige Notfall- und Krisenorganisation ist mangels echter Schadensfälle allzu häufig gering ausgeprägt.
Der notwendige Aufwand um ein adäquates Performanzlevel des gesamten Stabes zu erreichen, ist erfahrungsgemäß mit den verfügbaren Ressourcen nicht zu leisten. Die Arbeit im Stab ist bei den meisten Unternehmen und Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben eine Zusatzarbeit, die nicht zu den Alltagsaufgaben der Mitarbeitenden gehört.
Gleichzeitig sind die Einsatzzahlen gering, sodass die notwendige Routine im Stab in Trainings und Übungen erlangt werden muss. Diese Übungen sind im deutschsprachigen Raum traditionell sehr prozess- und techniklastig geprägt, weswegen sogenannte nicht-technische Fähigkeiten oder „Softskills“ kaum trainiert werden. Für eine erfolgreiche Stabsarbeit sind jedoch genau diese Fähigkeiten entscheidend!
Zudem findet Lernen in Deutschland überwiegend in Frontalvorträgen statt. Diese Lernform ist jedoch wenig geeignet, um die für die Stabsarbeit notwendigen Kompetenzen zu erzeugen.
Entwickelte Schulung
An genau diesen Punkten setzt die aus der Studie entwickelte Schulung an: Die notwendigen Stabskompetenzen sollen mit einem vertretbaren Trainings- und nachgelagertem Übungsaufwand auf erwachsenengerechte Weise erzeugt werden. Übergeordnete Ziele sind das Erreichen eines gemeinsamen Lagebilds in den Köpfen der Stabsmitglieder und die Fähigkeit zum gemeinsamen Vorausdenken der Lage. Die Stabsmitglieder bringen ihre sogenannten technischen Fähigkeiten aus der Alltagsorganisation durch ihre ausgeübten Tätigkeiten bereits mit.
Hierzu gehören theoretisches Wissen aus der Fachdisziplin, aber auch das praktische Beherrschen von Systemen und Arbeitsmitteln. Diese „Tech-Skills“ müssen lediglich erschlossen werden. Demgegenüber müssen die sogenannten nicht-technischen Fähigkeiten erst erzeugt werden, um aus einzelnen Fachleuten einen Stab zu formen. Diese „No-Tech-Skills“ äußern sich überwiegend im Verhalten der Stabsmitglieder. Hierzu wurden acht Grundsätze der Stabsarbeit entwickelt, die wiederum mit rund 30 beobachtbaren und durch Training veränderbaren Verhaltensweisen hinterlegt sind.
Die hinterlegten Verhaltensweisen dienen als Übertragungspunkt, als Erinnerungshilfe für Training und Übung sowie als Denk- und Handlungsanleitung im Einsatz. Diese Durchgängigkeit unterstützt den Lerntransfer wirkungsvoll.
Acht Grundsätze der Stabsarbeit
- Komplexität reduzieren
- Erwartungshorizont erweitern
- Lagebewusstsein fördern
- Entscheidungsfindung beherrschen
- Kommunikation verknüpft Team & Handeln
- Der Stabsablauf hilft beim Denken, Visualisieren, Lagebesprechen, Entscheiden, Handeln
- Das Team ist Voraussetzung für die Aufgabenarbeit
- Führung mit Auftrag, aufgabenorientiert, situationsangemessen und in flacher Hierarchie
Lernen für Erwachsene
Der entwickelten Schulung liegt der Kompetenzgedanke zugrunde. Die Mehrheit der deutschen Lehrveranstaltungen basiert auf dem Konzept des Frontalunterrichts und dessen Kerngedanke des Inputs. Die aktuellen Erkenntnisse der Lernforschung zeigen, dass Wissen als Know-What nicht Können als Know-How ist. Lernende Erwachsene müssen für sich einen Bedarf erkennen, um überhaupt lernen zu wollen. Lernen braucht Emotion, um diese eigenen Bedarfe zu stärken.
Lernen funktioniert durch Erkennen von Bedeutungen. Diese Bedeutungen können nicht von einem Lehrer vermittelt werden. Sie müssen vom Lernenden selbst konstruiert werden, weil Fremdkonstruiertes beim Lernenden eine andere Bedeutung hat als beim Lehrenden. In der Schulung werden anhand von Planspielen Situationen erzeugt, die strukturell einer Situation im Krisenstab ähneln. Das Handeln des Teams wird mit Methoden des Crew Ressource Managements strukturiert nachbesprochen. Dabei geschieht das Lernen, indem die positive Bedeutung der Verhaltensweise für die Arbeit im Stab und von jedem Lernenden selbst als adaptionswürdig erkannt wird.
Im Konkreten werden in der Schulung Situationen erzeugt, die denen im Stab sehr ähnlich sind. So wird über ein einfaches Kommunikationsspiel, in dem sich die Stabsmitglieder im Duo ohne Blickkontakt ein geometrisches Muster übermitteln müssen, die Notwendigkeit einer gemeinsamen (Fach-)Sprache deutlich aufgezeigt. Anschließend werden einander Fotografien mit Alltagssituationen beschrieben und die übermittelte Botschaft mit der tatsächlichen Situation abgeglichen, wodurch sich die Notwendigkeit der Trennung von Wahrnehmung und Interpretation ergibt. Die Teilnehmer lernen also durch ihre eigene Erkenntnis, ohne dass das Lernen auf den Trainer fokussiert wäre. Der Zeitaufwand zur Übertragung von vier Merkmalen betrug im Experiment einen Tag.
Fazit
Die entwickelte Schulung wurde an drei verschiedenen Stäben unterschiedlicher Größe und Branche nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt und evaluiert. Es konnte der Nachweis erbracht werden, dass die Teilnehmer ihre Kompetenzen erweitert haben und dass diese für die Stabsarbeit nützlich sind.
Zusammengefasst konnte mit der Schulung die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass der Stab effektiv und effizient handelt. Einige Feuerwehr- und Polizeistäbe sowie Stäbe des Business Continuity Managements haben bereits Interesse am Trainingskonzept geäußert. Die entwickelte Schulung hat sich nicht nur fachlich, sondern auch betriebswirtschaftlich bewährt: Der hohe Trainingseffekt bei relativ geringem Aufwand überwiegt die möglichen Kosten eines nicht beherrschten Ereignisses bei Weitem. Und Stabsarbeit macht plötzlich Spaß, weil der Stab „rund läuft und vor der Lage ist.“
Die entwickelten Grundsätze der Stabsarbeit können bei Interesse in kleiner Stückzahl gedruckt im Taschenkartenformat zugesandt werden. Bitte kontaktieren Sie den Autor hierfür per E-Mail.
Crisis Prevention 2/2016
Ing. Dominic Gißler B.Sc.
E-Mail: d.gissler@gmx.de
Tel.: 0151/16449955
Prof. Dr.-Ing. Frank Fiedrich
Bergische Universität Wuppertal
Fachgebiet Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit
E-Mail: fiedrich@uni-wuppertal.de
Tel.: 0202/31713-280s