Im Sommer 2022 war Deutschland von bundesweit beachteten Waldbränden heimgesucht worden. Das Wetter war in diesem Jahr von einer langandauernden niederschlagsfreien Hitzeperiode geprägt. Gerade in Nadelholzreinbeständen, auf stark ausgetrockneten, sandigen Böden und vielerorts mit verdorrter Vegetation bestand ein hohes Waldbrandrisiko. Verschärft hatte sich die Situation durch in den letzten fünf Jahren wiederholt aufgetretenen Dürreperioden und durch eine anhaltende Borkenkäferkalamität.
Besonders ausgeprägt waren die Waldbrände in Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Einsatzkräfte und die Verwaltungen standen teils über mehrere Wochen vor großen Herausforderungen. Nicht zuletzt die Gleichzeitigkeit der Waldbrände führte zu einem hohen bundesweiten Medieninteresse und hat Überlegungen über eine Verbesserung der Brandbekämpfung nach sich gezogen; das Thema Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung war in das Blickfeld einer breiten Öffentlichkeit getreten.
Die Waldbrandbekämpfung stand bei den Feuerwehren in den letzten Jahrzehnten nicht im Vordergrund; Waldbrände kamen selten vor beziehungsweise konnten von den Feuerwehren schnell bekämpft werden. Gleichwohl war das Waldbrandthema schon vor den 2022er-Waldbränden wieder stärker in den Blick genommen worden. Die Auswirkungen des Klimawandels und damit auch Wald- und Vegetationsbrände beschäftigen seit einigen Jahren verstärkt die Feuerwehren. In diesem Zusammenhang sei auch @fire – Internationaler Katastrophenschutz Deutschland e.V. erwähnt; eine Organisation, die sich seit rund zwanzig Jahren mit der Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung beschäftigt.
Auch die für die Gefahrenabwehr zuständigen Länder- und Verbandsgremien haben sich seit mehreren Jahren des Themas angenommen. So hat die Ständige Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder (IMK) bei ihrer 211. Sitzung vom 4. bis 6. Dezember 2019 die Nationale Vegetationsbrandbekämpfungsstrategie beschlossen: https://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/tobeschluesse/2019-12-04_06/anlage-zu-top-44.pdf;jsessionid=2B1F126BA97576E1552C93C9D542E0AD.1_cid382?__blob=publicationFile&v=2
Dieses Strategiepapier basiert auf Überlegungen der bereits 2018 von dem für Brand- und Katastrophenschutz zuständigen Arbeitskreis V der IMK eingerichteten Arbeitsgruppe „Nationaler Waldbrandschutz“. Diese Arbeitsgruppe hatte auch die Ergebnisse der gemeinsamen Waldbrandkonferenzen des AK V und des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) berücksichtigt und in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis „Waldbrand“ des DFV ein umfassendes Papier mit einem „Operativen Arbeitsplan“ erstellt. Dieser Arbeitsplan befindet sich derzeit in der Umsetzung wobei die Koordination und die Fortschreibung durch die länderoffene Arbeitsgruppe „Nationaler Waldbrandschutz“ unter Leitung von Ministerialrat Uwe Becker (Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern) und in enger Zusammenarbeit mit dem von Branddirektor Dr. Ulrich Cimolino geleiteten Arbeitskreis „Waldbrand“ des DFV erfolgt.
Im Freistaat Sachsen hat die Sächsische Staatsregierung nach den drei großen Waldbränden 2022 in einem „lessons-learned-Prozess“ wissenschaftliche Gutachten in Auftrag gegeben und eine Expertenkommission „Waldbrände Sommer 2022“ eingerichtet. Die Expertenkommission hat einen umfassenden Bericht erstellt. Er steht unter https://www.staatsregierung.sachsen.de/download/staatsregierung/bericht-expertenkommission-waldbraende-sommer-2022-sachsen.pdf zur Verfügung und enthält zahlreiche Empfehlungen zum Brandschutz, zum Katastrophenschutz, der staatlichen Gefahrenabwehr sowie zur Forstwirtschaft und zur Waldentwicklung. Die Vorschläge ermöglichen neue Konzepte für den vorbeugenden und abwehrenden Waldbrandschutz, die auch deutschlandweit angewendet werden können.
(Anmerkung: Da der Berichtsumfang eine umfassende Darstellung der in Deutschland eingeleiteten oder bereits umgesetzten Maßnahmen nicht zulässt, sei die Leserschaft auf die beiden zuvor genannten Quellen verwiesen; sie enthalten aktuelle Erkenntnisse zur Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung.)
Nachfolgend sind vier Themenschwerpunkte von zentraler Bedeutung genannt.
Prävention durch Vorbeugenden Waldbrandschutz
Der Klimawandel wirkt sich auch auf die Wälder aus und wird Einfluss auf das Waldbrandrandrisiko und den Waldbrandschutz haben. Unsere Wälder werden sich in den nächsten Jahren verändern.
Diese Veränderungsprozesse bieten aber auch die Chance, Waldentwicklung und Brandschutz nicht als Gegenpole, sondern als Partner zu verstehen; Brandschutz und Waldentwicklung müssen in enger Kooperation und Hand in Hand entwickelt werden.
Derzeit richtet sich der Blick im Bestreben nach einem besseren Waldbrandschutz meist auf die abwehrende Gefahrenabwehr; die Waldbrand- oder die Vegetationsbrandbekämpfung. Wir sollten aber umfassender und größer denken. So wie wir im Bauwesen dem Abwehrenden Brandschutz einen guten Vorbeugenden Brandschutz voranstellen, so müssen wir einen Vorbeugenden Waldbrandschutz implementieren und dessen Belange gemeinsam mit den forstlichen Partnern sowie den Forschungseinrichtungen entwickeln und anwenden. Eine frühzeitige Abstimmung erzeugt Synergien, die Waldbrände vermeiden, den Feuerwehren einen effektiven Einsatz ermöglichen und letztendlich die Menschen und die Natur schützen.
Im Mittelpunkt forstwirtschaftlicher Überlegungen steht aktuell ein zügiger Waldumbau von Nadelholzreinbeständen hin zu Mischwäldern mit einem hohen Anteil an klimastabilen, standortheimischen Laubbäumen; dies dient auch dem Waldbrandschutz. Damit ist dem Waldbrandschutz aber noch nicht vollumfänglich genüge getan. So bringen beispielsweise Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität auch neue Aspekte für den Brandschutz; wie beispielsweise ein erhöhter Anteil von Totholz, sei es durch Reisiganteile und dünne Holzteile oder durch stehende sowie liegende Totholzstämme, die zu erschwerten Bedingungen und zu Gefahren für die Einsatzkräfte führen.
Damit die Feuerwehren auch zukünftig Waldbrände schnell und sicher löschen können, muss schon bei der Waldbewirtschaftung mitbedacht werden, dass vor allem in der Nachbarschaft von Bebauungen und an Infrastrukturobjekten die Feuerwehren den Wald sicher und leicht betreten und den Brand schnell und erfolgreich bekämpfen können. So wie der Vorbeugende Bauliche Brandschutz den „Arbeitsplatz der Feuerwehr in Gebäuden“ bestimmt, so müssen wir dies künftig auch beim „Arbeitsplatz der Feuerwehr im Wald“ begreifen.
Der Gesetzgeber kann hierzu entscheidende Weichen stellen, in dem er die Belange des Waldbrandschutzes auch rechtlich verankert. So könnte der Bund beispielsweise im „Gesetz des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft“ (Bundeswaldgesetz) in § 11 (2) „Bewirtschaftung des Waldes“ bestimmen, dass bei der Bewirtschaftung des Waldes auch die Belange des Brandschutzes angemessen zu berücksichtigen sind. Ähnliches und Ergänzendes könnte in Landesgesetzen und -regelungen aufgenommen werden. Wenn durch einen Vorbeugenden Waldbrandschutz den Feuerwehren die Voraussetzungen für einen erfolgreichen und sicheren Einsatz gegeben sind, werden sie auch künftig Waldbrände erfolgreich bekämpfen können.
Unterstützung der Brandbekämpfung aus der Luft
Walbrände sind dynamische Lagen, die ein schnelles Eingreifen erfordern, um das Aufwachsen kleiner Entstehungsbrände zu Großbränden zu verhindern. Treffend beschreibt dies Prof. Dr. Michael Müller in seiner Gutachterlichen Stellungnahme zum Waldbrand in der Sächsischen Schweiz im Jahr 2022: „Bei mehr als 99 Prozent aller Waldbrandereignisse in Deutschland […] werden diese innerhalb von maximal zwei Stunden unter Kontrolle gebracht […].“
Bei mehreren Waldbränden im Jahr 2022 wurden die bodengebundenen Einsatzkräfte von Luftfahrzeugen unterstützt. In der Regel kamen Hubschrauber mit Außenlastbehältern zum Einsatz. In Sachsen-Anhalt wurde am Brocken ein Flugzeug über das RescEU-Verfahren alarmiert und eingesetzt.
Grundsätzlich gilt aber, dass Waldbrände am Boden bekämpft werden müssen und der Einsatz von Luftfahrzeugen nur eine unterstützende Maßnahme ist.
In den letzten Jahren hat die luftgebundene Brandbekämpfung an Bedeutung gewonnen. So hat auch die IMK in ihrer „Nationalen Vegetationsbrandbekämpfungsstrategie“ die Luftunterstützung folgendes aufgenommen:
„Für die luftgebundene Unterstützung der Brandbekämpfung werden Hubschrauber mit Löschwasseraußenlastbehältern als geeignetes Einsatzmittel für Deutschland angesehen. Für schnelle Soforteinsätze soll in Ländern mit schwieriger Topografie oder mit Kampfmittelbelastung die Aufrüstung von Polizeihubschraubern mit kleinen Traglasten (bis 1.000 Liter Wasser) geprüft werden. Zur Luftunterstützung bei großflächigen Vegetationsbränden sind Hubschrauber mit größeren Traglasten ein geeignetes Einsatzmittel.“
Auch ist ein „Verfügbarkeitsmanagement der bundes- und länderseitigen Fähigkeiten über das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum des Bundes und der Länder (GMLZ) aufzubauen“.
Entscheidend ist, schnell mit der Brandbekämpfung zu beginnen. Dort, wo dies bodengebunden nicht problemlos möglich ist, nämlich beispielsweise in topografisch schwierigem Gelände stellen Hubschrauber mit Löschwasseraußenlastbehältern eine wirkungsvolle Einsatzvariante dar.
Die Länder haben hierzu Maschinen der Polizeihubschrauberstaffeln bereits ertüchtigt oder damit begonnen, diese hierfür einsatzfähig zu machen. Ihre Tragekapazität ist auf rund 1.000 Liter Löschwasser begrenzt. Wenn ausgedehnte Waldbrände bekämpft werden müssen, können Hubschrauber mit einer größeren Traglast von Bundespolizei und Bundeswehr zum Einsatz kommen. Um diese Fähigkeiten künftig weiter auszubauen, könnte der Bund prüfen, ob auch aus Gründen des immer bedeutender werden Zivilschutzes und der Landesverteidigung zusätzliche und mehrfachnutzbare Hubschrauber bereitgestellt werden können, die auch für die Waldbrandbekämpfung geeignet sind. Neben der Unterstützung bei der Waldbrandbekämpfung können solche Hubschrauber auch bei vielfältigen Aufgaben wie der Lagefeststellung, beim Transport von Mannschaft und Gerät, beim Transport Verletzter sowie bei der Windenrettung eingesetzt werden.
Im Zusammenhang mit der Luftunterstützung sei auf ein für den Einsatzerfolg mitentscheidendes Thema hingewiesen: die Kostentragung für den Einsatz der Hubschrauber.
Gerade in der ersten Phase eines Waldbrandes müssen von den Zuständigen kostenintensive Entscheidungen über den Einsatz von Luftrettungsmitteln getroffen werden. Häufig sind diese Zuständigen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auch aus kleinen Gemeinden, deren Gemeindehaushalt durch eine Luftfahrzeugeinsatz über Gebühr belastet werden würde. Letztendlich entscheidet man sich zwar für den Einsatz; dies jedoch in der Hoffnung, dass auf eine Kostenerstattung letztendlich von Bund oder Land verzichtet wird; was letztendlich in der Praxis in aller Regel auf dem Verwaltungswege dann auch geschieht. Um jede Erschwernis und jeden Zeitverzug im Einsatz künftig zu vermeiden, wäre eine Regelung hilfreich, wonach der Verzicht auf die Kostenerstattung immer zugesichert ist, wenn die Entscheidung auf Gewährung der Amtshilfe vom hierfür Zuständigen getroffen wurde.
Waldbrände auf munitionsbelasteten Flächen
Eine besondere Gefährdung liegt auf munitionsbelasteten Flächen vor, weil bei einem Brand mit der Explosion bzw. Detonation von alter Munition gerechnet werden muss. Die Einsatzleitungen müssen hierbei festlegen, welche Mindestabstände von den Einsatzkräften vom Gefahrenobjekt (Sicherheitsabstand) einzuhalten sind. Ebenso muss ein Absperrbereich festgelegt werden, innerhalb dessen sich mit Ausnahme der Einsatzkräfte, niemand aufhalten darf.
Der Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) empfiehlt ländereinheitlich grundsätzlich einen Absperrbereich von 1.000 Metern für alle Personen. Die Feuerwehr-Dienstvorschrift (FwDV) 500 (2022) Einheiten im ABC-Einsatz legt in Abschnitt 4.4.2.1 Gefahrenbereich fest: „Ist bekannt […], dass es sich um militärische Munition […] handelt, ist der Abstand vom Gefahrenobjekt bei ausreichender Deckung auf mindestens 500 m und der Absperrbereich auf 1.000 m zu erweitern“. Dieser Abstand ist übrigens auch von Luftfahrzeugen einzuhalten, was deren Einsatz in diesen Gebieten mindestens begrenzt, oft sogar ausschließt.
Die zurückliegenden Einsätze im Jahr 2022 haben auch die Schwierigkeiten und Herausforderungen bei den Festlegungen der Bereiche insbesondere bei kreis- und länderübergreifenden Lagen aufgezeigt. Die für die Gefahrenabwehr und die Kampfmittelbeseitigung zuständigen Gremien sollten diese Thematik aufgreifen und vertiefende Hinweise für solche Einsatzfälle erarbeiten.
Zusammenarbeit von Feuerwehr und Forst als ständigen Prozess gestalten
Wenn wir Brandschutz und Waldentwicklung in enger Partnerschaft entwickeln wollen, müssen wir an der Basis damit beginnen. In den Gemeinden muss die Zusammenarbeit von Feuerwehr und Forst gelebte Praxis werden. Nur wenn diese in ständigem Austausch miteinander stehen, werden beide Partner ausreichend Kenntnisse voneinander haben, um den zukünftigen Anforderungen der Waldentwicklung und des Brandschutzes gerecht werden zu können. Die Feuerwehren müssen mehr von forstlichen Aspekten verstehen und der Forst muss mehr über die Fähigkeiten und die Einsatzgrenzen der Feuerwehren wissen. Nur dann wird es möglich sein, Waldbrände soweit nur möglich zu vermeiden und sie dort, wo sie auftreten, effizient und schnell zu bekämpfen.
Feuerwehr und Forst sollten gemeinsam Waldbrandschutzkonzepte erstellen. Die Feuerwehren sollen über gute Ortskenntnisse und über geeignetes Kartenmaterial verfügen und sie sollen die Besonderheiten des Waldes kennen. Gemäß dem Leitsatz „In Krisen Köpfe kennen“, führt ein solch ständiger Austausch auch zu einem besseren gegenseitigen Verständnis im Einsatz.
Außer Feuerwehr und Forstverwaltung sind auch die Naturschutzbehörden, die Waldbesitzer und nicht zuletzt die für die Gefahrenabwehr zuständigen Gemeinden und Landkreise einzubinden. All dies muss zu einem gemeinsamen Ganzen führen.
Schlussbemerkung
Waldentwicklung und Waldbrandschutz sind in einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess einzubinden. Nicht als „Gegenspieler“, sondern als gutes Beispiel, wie risikobehaftete Entwicklungen frühzeitig von sicherheitsrelevanten Überlegungen begleitet und damit akzeptierbar gestaltet werden können.
Der Klimawandel wird Veränderungen in der Waldentwicklung mit sich bringen, die auch den Waldbrandschutz betreffen. Neben dem Abwehrenden Waldbrandschutz müssen wir durch einen guten Vorbeugenden Waldbrandschutz den Feuerwehren sowie den in der Gefahrenabwehr mitwirkenden Organisationen und staatlichen Einrichtungen ermöglichen, auch künftig Waldbrände erfolgreich zu bekämpfen.
Waldbrandschutz ist eine ressort- und Verwaltungsebenen übergreifende Aufgabe, die als Gemeinschaftsaufgabe begriffen und gelöst werden muss.
Crisis Prevention 2/2023
Prof. Dipl.-Ing. Hermann Schröder
Ministerialdirigent i. R. und
bis 09/2022 Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement im Ministerium des Inneren, für Digitalisierungund Kommunen Baden-Württemberg