Trotz aller Vorsorgemaßnahmen kommen in Deutschland jährlich etwa 400 Menschen bei Bränden ums Leben, viele weitere werden verletzt. Richtiges Verhalten könnte Schlimmeres verhüten. Der gemeinsame Ausschuss für Brandschutzerziehung und Brandschutzaufklärung des Deutschen Feuerwehrverbandes und der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes hat ein Merkblatt veröffentlicht, das bei der Brandschutzerziehung helfen soll. Der Ausschussvorsitzende Frieder Kircher stand Rede und Antwort.
Was man bei einem Brand tun sollte, weiß doch eigentlich jedes Kind – sollte man meinen. Warum also wurde jetzt dieses Merkblatt entwickelt?
Im Rahmen unserer Aufklärungsarbeit, die insbesondere von den Feuerwehren in Deutschland betrieben wird, stellen wir regelmäßig fest, dass elementare Kenntnisse zum Verhalten im Brandfall fehlen. Das gilt für alle Bevölkerungsgruppen und jedes Alter. Das ist auch eigentlich kein Wunder, und man kann daraus niemandem einen Vorwurf machen.
Denn ein Feuer ist zum Glück keine alltägliche Angelegenheit. Man muss sich schon vorher darüber Gedanken machen, was in einem solchen Fall zu tun ist. In einem amerikanischen Aufklärungsvideo, das schon vor mehr als 25 Jahren gedreht wurde, wurde einmal der Satz geprägt: ‚Du musst einen Plan haben‘. Das ist unser Ansatz.
Um welche Szenarien geht es?
Wir haben festgestellt, dass es ein großer Unterschied ist, ob es in einem Mehrfamilienhaus oder in einem Einfamilienhaus brennt. So gelten im Mehrfamilienhaus andere Verhaltensregeln als wenn es in der eigenen Wohnung brennt oder in einer benachbarten Wohnung. Im Einfamilienhaus kommt es darauf an, wo Sie sich selbst befinden, wenn es im Erdgeschoss oder im Obergeschoss brennt – das liegt an den physikalischen Eigenschaften des Rauches und seiner Ausbreitung.
Lassen sich denn überhaupt die wichtigen und richtigen Verhaltensweisen in ein paar Regeln festhalten?
Eine berechtigte Frage. Wir haben auch bei unseren Fachleuten in der Brandschutzaufklärung festgestellt, dass es zu bestimmten Punkten verschiedene Meinungen gibt. Deshalb haben wir versucht, einen möglichst breiten Konsens darüber zu erhalten, wie man sich insbesondere in Wohnungen im Falle eines Brandes richtig verhält. Beim näheren Betrachten des Problems haben wir aber festgestellt, dass die Lösung eben nicht einfach mit fünf Merksätzen zu beschreiben ist, die für alle Fälle gelten.
Sondern?
Wir haben eine Fachempfehlung für das Verhalten im Brandfall entworfen, die im Wesentlichen vier Fälle beinhaltet: Es brennt in einem Mehrfamilienhaus in der eigenen Wohnung, es brennt in einer anderen Wohnung des Hauses, im dritten Fall ist das Treppenhaus verraucht, und im vierten Fall betrachten wir die Situation beim Brand in einem mehrgeschossigen Einfamilienhaus.
Für jeden Fall haben wir im zeitlichen Ablauf von der Entdeckung an eine Grundverhaltensweise beschrieben, die dann ausführlich mit allen Hintergründen erläutert wird. Jeder Fall ist auch noch mit einem Fließdiagramm hinterlegt, wo man die genaue Abfolge der einzelnen Maßnahmen im Überblick erkennen kann.
Welches sind denn – ganz gleich, ob Ein- oder Mehrfamilienhaus, – die drei ¬ größten Fehler?
- Viele Leute kennen aus den Kinderbüchern die Regel: Wenn man einen Brand in der Wohnung bemerkt, rennt man ans Fenster, ruft um Hilfe – und dann kommt die Feuerwehr mit der Drehleiter und rettet. Tatsache ist: Die Feuerwehr kann zwar in einigen Fällen mit der Drehleiter retten, das dauert aber erst einmal eine Weile und dann geht so etwas auch nicht auf einem Hinterhof oder im Hochhaus ab dem 8. Stock. Leider sind schon Fälle passiert, in denen sich Menschen genau so verhalten haben und sie dann nur noch ein Sprung in die Tiefe vor dem sicheren Verbrennen retten konnte.
- Wenn man aus einer brennenden Wohnung flieht, wird die Eingangstür offen stehen gelassen. Dadurch kann sich Feuer und insbesondere Rauch in den Treppenraum ausbreiten und anderen Bewohnern den ansonsten sicheren Rettungsweg Treppenraum versperren
- Es brennt in der eigenen Wohnung, und man rennt durch das ganze Haus und veranlasst die Mitbewohner aus ihren Wohnungen zu fliehen
Und welches sind die Lösungen?
- Wenn es in einem Raum brennt, sollte man schnellstens versuchen, den Raum zu verlassen.
- Schließen Sie jede Tür hinter sich. Auch normale Türen bieten Feuer und Rauch eine bestimmte Zeit einen Widerstand. Jede Tür, die hinter Ihnen geschlossen ist, verlängert die Zeit, die Sie zur Flucht haben
- Die Warnung insbesondere von Bewohnern, die über Ihnen wohnen, kann dazu führen, dass Ihnen der Fluchtweg abgeschnitten wird. Wenn Sie Ihre Wohnung verlassen, warnen Sie höchstens Menschen auf dem gleichen Stockwerk oder unter Ihnen. Wenn Sie Ihre Tür geschlossen haben, sind in unseren Breiten die Menschen der anderen Wohnungen meistens nicht gefährdet. Die Feuerwehr wird entscheiden, ob das Gebäude geräumt wird, und sie hat auch die notwendigen Hilfsmittel dafür!
Ist das nicht ein relativ umfangreiches Papier?
Ja, das stimmt, die Fachempfehlung hat mehr als zehn Seiten. Aber in erster in erster Linie ist der komplette Text natürlich für unsere engagierten Fachkräfte in der Brandschutzaufklärung bestimmt. Sie sollen den Sinn und Hintergrund bestimmter Verhaltensweisen erklären können. Heutzutage lassen sich die Menschen nicht unbedingt zum Lesen umfangreicher Papiere animieren.
Mit der Fachempfehlung wollen wir aber auch erreichen, dass es eine einheitliche Meinung aller Brandschutzbeteiligten in Deutschland gibt. Als der deutschlandweit arbeitende Fachausschuss der beiden wichtigsten Vereinigungen von Fachleuten des Brandschutzes haben wir eine gute Chance, dass man sozusagen mit einer Zunge über das Thema sprechen kann.
Wo findet man diese Fachempfehlung?
Die Fachempfehlung ist auf unserer Homepag www.brandschutzaufklaerung.de zu lesen. Sie finden sie auch auf www.feuerwehrverband.de und auf www.vfdb.de. Wir arbeiten aber auch zusammen mit dem Forum Brandrauchprävention und haben eine Kampagne mit dem Titel: "Du hast 120 Sekunden Zeit, um zu überleben" gestartet, die unter www.rauchmelder-lebensretter.de die Verhaltenshinweise grafisch aufbereitet hat. Unser Ziel ist, dass wir die Verhaltensempfehlungen auch über Wohnungsbaugesellschaften und Immobilienverbände verbreiten, um so möglichst viele Menschen zu erreichen.
In diesen Feldern haben wir schon hohes Interesse identifizieren können, und es gibt zum Beispiel im Berliner Bezirk Marzahn schon ein ausgezeichnetes Beispiel, wie diese Fachempfehlungen für die Mieter grafisch aufbereitet wurden.
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