Digitales Training: Möglichkeiten einer kompetenzorientierten Ausbildung für die Bewältigung von Krisensituationen

Malte Rathjen

szenaris GmbH

Die erfolgreiche Bewältigung von Krisensituationen stellt höchste Anforderungen an alle beteiligten Kräfte. Diese Fähigkeit zum erfolgreichen Handeln wird auch mit dem Begriff der Kompetenz umschrieben, welcher besonders im Zuge verschiedener Bildungsdebatten der letzten zehn Jahre ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist. Während versucht wird, Wissen durch gezieltes Lernen erwerben zu lassen, entwickelt sich Kompetenz erst durch die Anwendung des Erlernten in der Praxis. Dies zeigt sich umso mehr in der Krisenprävention: Gradmesser der Anforderungen ist die Fähigkeit, in Sicherheits- und Katastropheneinsätzen zu bestehen.

Diese Fähigkeit muss sich in Handlungen zeigen, die den vielfältigen Aufgaben zu jedem Zeitpunkt gerecht werden. Durch eine kompetenzorientierte Aus- und Weiterbildung ist es möglich, die einsatzorientierte Handlungskompetenz zu fördern. Aufbau, Erhalt und Weiterentwicklung der Kompetenzen einer einzelnen Person rücken daher immer stärker in den Mittelpunkt. Eine optimale Ausbildung für Krisensituationen muss also Wissen, Können und Handeln in der Ausbildung zusammenbringen. Daher sind realistische Ausbildungsmöglichkeiten erforderlich, die die entsprechende Kompetenzentwicklung fördern.

Doch Sicherheits- und Katastrophensituationen können nur bis zu einem gewissen Grad in Lernsituationen abgebildet werden, was eine kompetenzorientierte Ausbildung von vornherein erschwert oder sogar verhindert. Oftmals ist eine Nachbildung realistischer Situationen zu aufwendig, zu gefährlich oder schlichtweg unmöglich. Doch wie trainiert man die Bedienung von Gerätschaften, die nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung stehen und bei einer Fehlbedienung beschädigt oder sogar zerstört werden könnten? Wie werden Szenarien trainiert, in denen ein Fehlverhalten fatale Konsequenzen nach sich ziehen kann?

Kompetenzorientiert Ausbilden mit Simulationen

Eine Möglichkeit stellt die Verwendung von Simulationen dar. Simulationen zum Lernen sind kein neues Konzept. Bereits seit Jahren werden simulationsbasierte Lernformen eingesetzt, um Lernende vorzubereiten, bevor sie zur praktischen Schulung bzw. Ausbildung übergehen. Allgemein gesprochen nutzen solche Lernsimulationen verschiedene, simulierte Szenarien in einer kontrollierten Umgebung, um die Teilnehmer auf reale Situationen vorzubereiten. Ein beliebtes Beispiel hierfür stellt die Verwendung von Rollenspielen dar, mit denen Handlungs- und Kommunikationsabläufe simuliert werden können. In Bezug auf die Ausbildung für Krisensituationen kann an dieser Stelle auf spezielle Trainingszentren verwiesen werden. 

In diesen werden Gelände, Gebäude, Infrastruktur und sogar ganze Dörfer nachgebildet, um das Training verschiedener Szenarien zu ermöglichen. Die Rollen der weiteren Akteure werden bisweilen von Laienschauspielern verkörpert, welche sich entsprechend möglichst realistisch verhalten. Ein Beispiel für so ein Trainingszentrum ist das „Vereinte Nationen Ausbildungszentrum Bundeswehr (­VNAusbZBw)“, in dem Soldaten und ziviles Personal der Bundeswehr, befreundete und verbündete Streitkräfte, Polizisten, Journalisten sowie Mitarbeiter von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen für den Einsatz in kritischen Gebieten trainieren können. Wenngleich diese Simulationen für ein kompetenzorientiertes Lernen geeignet sind, stoßen auch sie an ihre Grenzen, denn Aufbau, Betrieb sowie das Vorbereiten bzw. Einstudieren bestimmter Szenarien erfordert immense personelle, finanzielle und zeitliche Aufwände. Gleichzeitig können nicht alle Szenarien abgebildet werden, und eine flexible Anpassung auf aktuelle Ereignisse ist nur schwer möglich.

Simulation zur Bedienung von Manipulatoren für Aufklärungsarbeiten.
Simulation zur Bedienung von Manipulatoren für Aufklärungsarbeiten.
Quelle: szenaris GmbH

Daher bietet sich besonders die Verwendung virtueller Simulationen an. Mit ihnen können selbst komplexe Bedien- und Handlungsabläufe abgebildet werden, um dadurch ganz unterschiedliche Berufsgruppen optimal auf die Herausforderungen ihres Aufgabengebietes kompetenzorientiert vorzubereiten. Flug-, Fahrzeug- und Schiffssimulatoren, Trainingssysteme für richtiges Verhalten in unterschiedlichen Situationen (z. B. Einsatzszenarien) und weitere Szenarien nutzen Simulationen in virtueller Realität bereits seit Jahren. In den vergangenen Jahren konnte man den Einsatz von Simulationen auf Basis von virtueller Realität immer häufiger auch zur Visualisierung sonst nicht sichtbarer Sachverhalte beobachten wie beispielsweise das Innere von Maschinen.

In der Krisenprävention werden virtuelle Simulationen beispielsweise bereits für die Ausbildung des Bedienpersonals sogenannter „Unbemannter Fahrzeuge“ (engl. „unmanned vehicles“) wie Manipulatoren oder Bergungsroboter eingesetzt. Diese speziellen ferngesteuerten Kleinfahrzeuge können bei Einsätzen die Gefahr für den Menschen drastisch verringern und entscheidende Aufklärungsarbeit liefern. Um den Umgang damit auch ohne Originalgerät trainieren zu können, werden diese als realitätsgetreu nachgebildete 3D-Modelle in verschiedene, virtuelle Übungsumgebungen gesetzt. Die Steuerung kann mithilfe der originalen Bediengeräte erfolgen, welche in die Simulation integriert werden können. 

Hierdurch wird der Realitätsgrad der Simulation deutlich erhöht. Verschiedene Fahrzeugfunktionen wie Fahren, die Bewegungen einzelner Komponenten wie z. B. Hydraulikvorrichtungen oder Greiffunktionen, Kamera und Beleuchtung werden in der Simulation verfügbar gemacht. Der Einsatz dieser Simulationen bietet für die Ausbildung für Krisensituationen eine Menge Vorteile: Sie ermöglichen ein gefahr- und risikoloses Training für Mensch und Material bei größtmöglicher Realitätsnähe. Zudem kann der Umgang mit „unmanned vehicles“ in verschiedenen Szenarien mit unterschiedlichen Umgebungsbedingungen trainiert werden, die in der Realität nur schwer oder mit extrem hohen Aufwand künstlich zu erzeugen wären. Gleichzeitig werden die tatsächlichen Geräte, die sonst für die Ausbildung benötigt werden, geschont und ihre Verwendung auf den echten Einsatz beschränkt.

Eine Erweiterung dieser Art von Simulationen sind die sogenannten Virtual-Reality-Simulationen. Durch die Verwendung spezieller Head-Mounted-Displays – sogenannter Virtual-Reality-Brillen – wird ein Eintauchen (Immersion) in die virtuelle Welt ermöglicht. Bis vor wenigen Jahren war das Training mit Virtual-Reality-Brillen aufgrund ihrer technischen Einschränkungen noch recht unpraktikabel für den Einsatz in Simulationen. Mittlerweile ist die Entwicklung einen weiten Weg gegangen, sodass verschiedene Virtual-Reality-Brillen in der Ausbildung bedienfreundlich und kostengünstig eingesetzt werden können. Durch das Eintauchen werden der Lerngegenstand bzw. die virtuelle Umgebung direkt erfahrbar und die eigenen Interaktionen damit werden als äußerst realistisch empfunden. Die Bewältigung bestimmter Handlungsszenarien in der Virtualität unterscheiden sich bisweilen nur noch im Detail von der Realität. Dies sorgt dafür, dass die Anwendung der virtuell entwickelten Handlungskompetenzen in der Realität nur geringe Anpassungsleistungen seitens der Lernenden erfordert.

Ausbildung mit Simulationen kompetenz­orientiert gestalten – ein Musterbeispiel

Doch der Einsatz einer virtuellen Simulation kann nicht komplett eigenständig und losgelöst erfolgen. Vielmehr bedarf es der sinnvollen Einbettung in die (praktische) Ausbildung. Eine kompetenzorientierte Ausbildung, die die Möglichkeiten einer Simulation ausschöpft, kann wie folgt gestaltet werden: Zunächst erhalten die Lernenden eine Einweisung in den Ausbildungsinhalt bzw. das Lernszenario. Anschließend werden mittels des Unterrichts die zu schulenden Inhalte für die Lernenden aufbereitet. Alternativ kann dies mithilfe selbstständig zu bearbeitender Lernmaterialien erfolgen. Auch der Einsatz eines Lernprogramms ist möglich. 

Diese sind ökonomisch effizient und können weitgehend ortsunabhängig genutzt werden. Mobile-Learning-Anwendungen ermöglichen sogar den Einsatz auf dem eigenen mobilen Endgerät wie Smartphone oder Tablet-PC, wodurch die Lerninhalte immer „griffbereit“ verfügbar sind und kleine ­(Nach-) ­Lerneinheiten zu jeder Zeit eingeschoben werden können. Im nächsten Schritt der kompetenzorientierten Ausbildung erfolgt der Einsatz der virtuellen Simulation, in der das Erlernte mit konkreten Handlungen verbunden wird. Arbeitsabläufe und Handlungsschritte können realisiert sowie mögliche Technik und Gerätschaft explorativ erforscht werden. Szenarien können immer wieder durchgespielt werden, bis auch der letzte Handlungsschritt von den Lernenden nachvollzogen und verinnerlicht wurde. Den Abschluss bildet schließlich die praktische Ausbildung.

Die vorliegende Betrachtung zeigt, dass der Einsatz von virtuellen Simulationen in der Ausbildung ein hilfreiches Mittel darstellen kann, um Handlungskompetenzen für die erfolgreiche Bewältigung von Krisensituationen zu entwickeln. Auch wenn der Einsatz noch nicht die schon heute möglichen Dimensionen erreicht hat, fällt eine Prognose für die Zukunft nicht schwer: Virtuelle Simulationen werden in den nächsten Jahren in zunehmendem Maße in der Ausbildung eingesetzt, um diese sinnvoll zu ergänzen und eine nachhaltige Kompetenzentwicklung zu fördern.



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