Breitbandige mobile Anwendungen sind ein etablierter Bestandteil moderner Einsatztechnik und aus dem Polizeialltag nicht mehr wegzudenken. Eine kontinuierliche und flächendeckende Verfügbarkeit der Kommunikationsinfrastruktur ist dabei eine grundlegende Anforderung an die Technik. Zahlreiche Untersuchungen und aktuelle Ereignisse zeigen jedoch, dass öffentliche Netze diese Anforderung nur ungenügend erfüllen können. Verlegefähige LTE-Netze bieten insbesondere im Schwarzfall eine schnelle und unkomplizierte Kommunikationsumgebung, die den unterschiedlichsten Einsatzszenarien gerecht wird. Innerhalb kürzester Zeit kann eine autarke und voll funktionsfähige LTE-Zelle aufgebaut und in Betrieb genommen werden, ohne dabei auf eine fest installierte Infrastruktur zurückgreifen zu müssen. LTE ist eine ausgereifte und etablierte Technologie, die ein umfangreiches Ökosystem und ein großes Spektrum an Endgeräten bietet.
Eine Investition in LTE-Technologie ist zukunftssicher, da eine spätere Migration zur 5G Technologie mit geringem Aufwand möglich ist. LTE-/5G-Technologie wird weltweit von den öffentlichen Mobilfunknetzen benutzt, so dass diese Technologie auch in den kommenden Jahrzehnten unterstützt und weiterentwickelt wird. Hierzu zählt auch das Mobile Edge Computing, mit dem Cloud-basierte Low Latency Anwendungen wie z.B. Videoanalytics oder AR/VR Dienste direkt in der Funkzelle angeboten werden.
Autarke LTE-Funkzellen – mehr als nur eine abgesetzte Basisstation
Die Architektur eines LTE-Netzes wird durch zwei Hauptelemente bestimmt, die Funk-Basisstation, also der eNodeB und zum anderen der eigentliche Kern des Netzes, der EPC (Evolved Packet Core), kurz Core genannt (s.u.). Die eigentlichen Anwendungen (Telefonie, SMS, MMS, E-mail, Internet Access) werden durch mit dem Core verbundene Applikationsserver zur Verfügung gestellt (siehe Abbildung 1). Erst das Zusammenspiel des eNodeB mit dem Core und den Applikationsservern ermöglicht den Endgeräten, Dienste wie Telefonie oder SMS oder Internetzugang zu nutzen.
Die zentrale Steuereinheit, der o.g. EPC, der die grundlegenden Funktionen zur Verfügung stellt, soll im Folgenden kurz erklärt werden. Der HSS (Home Subscriber Server) ist eine Teilnehmerdatenbank, die es den Endgeräten ermöglicht, mit den auf der SIM-Karte enthaltenen Daten den Zugang zum Netz zu erhalten und die Kommunikation zu verschlüsseln. Die Mobilität zwischen den Funkzellen wird durch die MME (Mobility Management Entity) verwaltet. Die eigentliche Übertragung der Daten erfolgt durch das S-GW (Serving Gateway) und das P-GW (Packet Gateway), Routern die IP-Pakete in einen Tunnel verpacken und innerhalb des Mobilfunknetzes übertragen. Beim Übergang in ein öffentliches Netz wird der Tunnel terminiert, die enthaltenen Pakete entpackt und der IP-Verkehr weitergeroutet. Das Signaling Gateway ist dabei für die Steuerung und den Aufbau der Tunnel zuständig, wohingegen das Packet Gateway den Übergang in das öffentliche Netz darstellt. Die PCRF (Policy Charging and Rules Function) ist für die Berechnung der Gebühren zuständig und stellt einzelnen Nutzern oder Diensten definierte Datenraten zur Verfügung.
Da HW und SW in den letzten Jahren kontinuierlich ihre Leistungsfähigkeit gesteigert haben, ist es möglich, die Core Funktionalität auf handelsüblichen Server PCs zu installieren und mit ausreichender Leistung zu betreiben. Das gleiche gilt auch für die Applikationsserver, die zahlreiche Anwendungen für die Kommunikation lokal zur Verfügung stellen können.
Das Betreiben einer Funkzelle erfordert aus den o.g. Gründen daher immer eine Verbindung zu einem Core. Beim Ausfall des öffentlichen Netzes, bei dem der zentrale Core nicht mehr verfügbar ist, kann daher keine Kommunikation mehr zur Verfügung gestellt werden.
Hier greift nun der Ansatz einer autarken LTE-Funkzelle. Diese kann jederzeit und überall genutzt werden, da die zum Betrieb notwendigen Funktionen vor Ort zur Verfügung stehen. Um die autarke LTE-Zelle an die ggf. weiter entfernte, funktionierende fest installierte Netzwerk-Infrastruktur („Internet“) anzubinden eignet sich z.B. IP-Mesh-Funktechnik oder SATCOM. Durch die Relaisfähigkeit der IP-Mesh-Technik lassen sich damit sinnvoll auch Strecken mit bis zu 50 km überwinden.
Prinzipiell unterstützen Push-to-Talk-Anwendungen (PTT) Gruppenanrufe, Text-Nachrichten, individuelle Anrufe und vieles mehr. Traditionell über Professional Mobile Radio (PMR) und TETRA-Netzwerke durchgeführt, ist die Kommunikation im Walkie-Talkie-Stil allerdings nicht auf diese Technologien beschränkt. Neben Push-to-Talk über das LTE-Smartphone, das „PTT over Cellular“ genannt wird, existieren auch Push-to-Video Anwendungen, die das „Streamen“ eines oder mehrerer Videos in Echtzeit innerhalb einer Einsatzgruppe erlauben. Damit lässt sich die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Einsatzkräften und der Einsatzleitung vereinfachen.
Mobile Endgeräte mit Dual SIM Unterstützung
In Asien schon seit langem Standard, nimmt auch die Verbreitung und Lieferbarkeit von Dual-SIM-fähigen Endgeräten in Europa ständig zu. Solche Smartphones können daher für die typischen Einsatzszenarien der BOS sowohl mit einer SIM-Karte des jeweiligen öffentlichen Netzbetreibers als auch zusätzlich mit der SIM Karte für die verlegefähige - BOS-eigene - LTE-Zelle bestückt werden. Die Daten aller SIM-Karten der für den Einsatz vorgesehenen Smartphones werden vorher im HSS hinterlegt und im Einsatzfall können sich die Endgeräte automatisch in die LTE-Zelle einbuchen und die Dienste benutzen.
Konkrete Ausprägung – vikomobil 2.0
Das vikomobil 2.0 ist für jegliche Einsatzszenarien im Bereich des Katastrophenschutzes, bei Großveranstaltungen und Sondereinsätzen konzipiert. Insbesondere wenn die öffentliche Infrastruktur nicht vorhanden, zerstört oder überlastet ist, kommen die Vorteile des vikomobils 2.0 zum Tragen.
Das vikomobil 2.0 integriert mit eNodeB, EPC und Applikationsserver die Ausrüstung für eine komplette LTE-Funkzelle und kann im Einsatzfall innerhalb weniger Minuten in Betrieb genommen werden.
Ausgerüstet mit einer Methanol-Direkt Brennstoffzelle kann das vikomobil über mehrere Wochen energieautark betrieben werden, ohne Lärm oder schädliche Abgase zu erzeugen. Zusätzlich stehen auf Wunsch verschiedene Applikationen zur Verfügung, z. B. aus dem Bereich Video Analytics. Mit diesen können Videosignale in Echtzeit mit einsatzrelevanten Zusatzinformationen angereichert und die Effektivität der Einsatzkräfte maßgeblich gesteigert werden. Konzipiert als offene Plattform lassen sich weitere Applikationen problemlos integrieren.
BOS Frequenzen
Den BOS wurden im Jahr 2018 Frequenzen im Umfang von 2 x 5 MHz und 2 x 3 MHz im 700 MHz-Band zugeteilt (s. Frequenzplan: 249A0005/8 & 2490003/6). Die Frequenzen können seit Juli 2019 bundesweit genutzt werden. Der aktuell gültige Frequenznutzungsplan der BNetzA vom Okt. 2019 vergibt folgende Frequenzen im 700-MHz-Band (698-703 MHz/753-758 MHz sowie 733-736 MHz/788-791 MHz) für Anwendungen der BOS.
Die Nutzung der Frequenzen im 700-MHz-Band wurde von den Sicherheitsbehörden bislang nicht aufgenommen, ein Testbetrieb ist jedoch für das Jahr 2020 geplant. Von der Bundeswehr ist die Nutzung der Frequenzbereiche 733-736 MHz / 788-791 MHz im Rahmen der in der Beschaffung befindlichen Zellularen Netze verlegefähig (ZNV) ebenfalls im Jahr 2020 beabsichtigt.
Dieses Spektrum wird bereits von allen gängigen LTE Smartphones unterstützt. Ein Blick in die technische Beschreibung handelsüblicher Smartphones (z.B. Apple iPhone, Samsung Galaxy Serie, Google Pixel Serie, etc.) ergibt, dass das die LTE Bänder 12, 13, 14, 17 und 28 unterstützt werden, welche alle im 700 MHz Band liegen. Endgeräte können daher kostengünstig beschafft werden. Zudem steht ein großes Spektrum an Sondergeräten (Kameras, Sensoren, etc.) zur Verfügung, mit denen unterschiedlichste Anforderungen erfüllt und Einsatzszenarien umgesetzt werden können.
Crisis Prevention 4/2020
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