Die körpernah getragenen Aufnahmegeräte für Audio und Video sind in den Polizeien der Länder und des Bundes längst etablierte Ausrüstungsgegenstände im Alltag der Schutzpolizei. Die Polizeibeamten tragen die Geräte meist im Streifendienst an der Außentragehülle der ballistischen Schutzweste. Einst angeschafft, um deeskalierende Wirkung beim polizeilichen Gegenüber zu entfalten, sind die Einsatzmöglichkeiten der sogenannten „Bodycam“ (auch Körperkamera, Schulterkamera) weitreichender. In vielen Fällen eignen sich die Audio- und Videoaufnahmen hervorragend als Beweismittel im Strafverfahren. Knackpunkt: der Polizeibeamte muss die Aufnahme der Bodycam aktiv starten und entscheidet selbst über das anlassbezogene Ein- und Ausschalten der Kamera.
In den letzten Jahren hat der Einsatz der sogenannten Bodycams bei den Polizeien der Länder und des Bundes zunehmend an Bedeutung gewonnen. In dem vorliegenden Artikel werden die rechtlichen Rahmenbedingungen, die praktischen Erfahrungen und die ethischen Diskussionen zu diesem Thema beleuchtet.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Der Einsatz von Bodycams in Deutschland ist durch verschiedene Gesetze geregelt, die je nach Bundesland variieren können. Die rechtliche Grundlage wird in der Regel durch das jeweilige Polizeigesetz der Länder und durch das Bundespolizeigesetz geschaffen. Diese Gesetze legen fest, unter welchen Zulässigkeitsvoraussetzungen und in welchen Situationen Bodycams eingesetzt werden dürfen.
Ein zentrales Element ist die Frage der Verhältnismäßigkeit: Der Einsatz der Kamera muss gerechtfertigt sein und einen legitimen Zweck verfolgen, wie zum Beispiel die Abwehr von Gefahren oder – und das in zweiter Linie – die beweissichere Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung. Zudem existieren klar umrissene Vorgaben zur Speicherung und Löschung der Daten, um den Schutz der Persönlichkeitsrechte der aufgezeichneten Personen zu gewährleisten. So müssen die Aufnahmen nach einer bestimmten Frist gelöscht werden, sofern sie nicht zur Beweissicherung benötigt werden.
In einigen Bundesländern darf der Beamte die Kamera einschalten, sobald Gefahren für Leib oder Leben bestehen. In anderen Bundesländern zeichnen die Kameras kontinuierlich auf; die Aufzeichnung wird aber nach kurzer Zeit wieder automatisch gelöscht. Nur wenn der Beamte den Aufnahmeknopf betätigt, werden die aktuellen und die noch vorhandenen vorangegangenen Aufnahmen dauerhaft gespeichert (sogenanntes „Pre-Recording“). Verfassungsrechtlich dürfte zumindest Art. 2 Abs. 1 GG tangiert sein. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist das zentrale Schutzrecht gegen eine unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten. Eine Rechtsgrundlage für entsprechende Grundrechtseingriffe ist zwingend notwendig. Diese Notwendigkeit wurde durch die Polizeigesetze der Länder geschaffen.
Ferner kann durch Aufnahmen in Wohnungen der Art. 13 GG berührt sein. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist ein besonderes Schutzgut, so dass manche Polizeigesetze die Anfertigung von Bodycam-Aufnahmen nur bei einem erhöhten Gefahrengrad, z. B. bei gegenwärtiger Gefahr, möglich machen.
Beispielhaft im Folgenden die Rechtsgrundlage zu Bodycams auszugsweise aus dem Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen: § 15c PolG NRWDatenerhebung durch den Einsatz körpernah getragener Aufnahmegerät (1) Die Polizei kann bei der Durchführung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten mittels körpernah getragener Aufnahmegeräte offen Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Die Erhebung personenbezogener Daten kann auch dann erfolgen, wenn Dritte unvermeidbar betroffen sind. Über die Anfertigung der technischen Aufzeichnungen entscheidet die das Aufnahmegerät tragende Polizeivollzugsbeamtin oder der das Aufnahmegerät tragende Polizeivollzugsbeamte anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls. (2) In Wohnungen (§ 41 Absatz 1 Satz 2) ist die Anfertigung von technischen Aufzeichnungen bei der Durchführung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nur zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine dringende Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Über die Anfertigung der technischen Aufzeichnungen in Wohnungen entscheidet außer bei Gefahr im Verzug die den Einsatz leitende Polizeivollzugsbeamtin oder der den Einsatz leitende Polizeivollzugsbeamte. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. (3) Der Einsatz der Aufnahmegeräte ist durch geeignete Maß- nahmen erkennbar zu machen und den betroffenen Personen mitzuteilen. Bei Gefahr im Verzug kann die Mitteilung unter- bleiben. Aufzeichnungen sind unzulässig in Bereichen, die der Ausübung von Tätigkeiten von Berufsgeheimnisträgern nach §§ 53 und 53a der Strafprozessordnung dienen. Aufzeichnungen werden verschlüsselt sowie manipulationssicher gefertigt und aufbewahrt. (4) Die nach Absatz 1 und 2 angefertigten Aufzeichnungen sind zwei Wochen nach ihrer Anfertigung zu löschen. Dies gilt nicht, wenn die Aufzeichnungen 1. zur Gefahrenabwehr, 2. zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten oder 3. auf Verlangen der betroffenen Person für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von aufgezeichneten polizeilichen Maßnahmenbenötigt werden. Über die Löschung entscheidet die aufzeichnende Beamtin oder der aufzeichnende Beamte mit Zustimmung einer oder eines Vorgesetzten. Für die Verwertung der aus Aufzeichnungen nach Absatz 2 erlangten Erkenntnisse gilt Absatz 6. § 32 Absatz 3 bleibt unberührt. [...] |
Sofern im Vorfeld Straftaten erfolgten oder direkt durch die Kamera aufgezeichnet wurden, kommt als Rechtsgrundlage § 100h i.V.m. § 163 StPO in Betracht.
Praktische Erfahrungen und Nutzen
Die Einführung von Bodycams in verschiedenen Bundesländern hat positive Effekte auf das Verhalten von sowohl Polizisten als auch Bürgern gezeigt. Studien und Erfahrungsberichte aus der Praxis deuten darauf hin, dass der Einsatz von Bodycams zu einer Deeskalation in kritischen Situationen beitragen kann. Das Wissen um die Aufzeichnung führt oft dazu, dass sich Menschen in Konfliktsituationen zurückhaltender und kooperativer gegenüber der Polizei zeigen.
So kam es bei einem Einsatz in Köln in einer Samstagnacht im September 2023 zu einer Schlägerei einer größeren Gruppe junger Männer im Bereich der Altstadt. Bei dem Notruf eines Passanten wurde der Leitstelle mitgeteilt, dass einer der Beteiligten ein Messer gezogen habe und damit drohe. Bei Eintreffen der ersten beiden Funkstreifenwagen schalteten die Beamten ihre Bodycam ein und kommunizierten dies offen gegenüber der angetroffenen 12-köpfigen Gruppe. Die Tatverdächtigen waren stark alkoholisiert, grölten in Richtung der Polizei und wirkten aggressiv. Die Personengruppe war in der Überzahl und es dauerte noch einige Minuten bis weitere Polizeikräfte vor Ort erscheinen konnten. Nach Bericht der Beamten beruhigten sich die meisten Personen, nachdem sie mehrfach auf ihre eingeschaltete Bodycam hingewiesen haben. Bei einem der Störer war eine Ingewahrsamnahme nicht abzuwenden. Bei der anschließenden Fesselung leistete der 32-Jährige massiven Widerstand, indem er sich durch Treten und Spucken sowie heftigen Beleidigungen gegen die Polizeibeamten zur Wehr setzte. Der Widerstand konnte erst durch die Unterstützung von weiteren drei Beamten gebrochen werden. Bei der Fahrt zum Polizeigewahrsam setzte der Mann seine Beleidigungen fort. Der Mann verbrachte die Nacht in der Zelle. Es wurde ein Strafverfahren wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, tätlichen Angriffs, gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung eingeleitet. Im Rahmen der wenige Monate später stattfindenden Hauptverhandlung beim Amtsgericht Köln gaben die im Verfahren sichergestellten Bodycamaufzeichnungen der eingesetzten Beamten ein eindrucksvolles Abbild der Geschehnisse in besagter Nacht wieder. Die im Saal Anwesenden staunten nicht schlecht ob der Widerstandshandlungen und Beleidigungen. Der Angeklagte wurde zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Bodycams haben schon in vielen Fällen von strittigen Polizeieinsätzen wertvolle beweissichere Aufnahmen geliefert, welche zur Aufklärung von strafrechtlichen Vorwürfen gegen die Polizei oder den Bürger beigetragen haben. Dies stärkt die staatliche Transparenz und kann das Vertrauen in die Polizeiarbeit erhöhen. Nicht zuletzt können die Aufnahmen auch zu Schulungszwecken genutzt werden, um die Aus- und Fortbildung von Polizeibeamten zu verbessern und einsatztaktisches Vorgehen zu optimieren.
Gerichte gehen bei Vorhandensein von geeigneten Bodycamaufnahmen immer mehr dazu über, diese Daten in der gerichtlichen Hauptverhandlung zur Klärung des Sachverhaltes zu nutzen. Dies bietet sich insbesondere bei Widerstandsdelikten an. Ein weiterer Nutzen ergibt sich für die Beweissicherung beim Verhalten von Verkehrsteilnehmern hinsichtlich der Geeignetheitsprüfung bei schwerwiegenden Ausfallerscheinungen (Trunkenheitsfahrten, erhebliche geistige Mängel) oder bei der Verkehrsunfallaufnahme zum Abfilmen des Unfallortes. Verkehrsunfälle mit schwerwiegenden Folgen bedürfen in aller Regel einer polizeilichen Tatbestandsaufnahme und der spurentechnischen Abarbeitung analog einer Tatortaufnahme. Aber auch Tatorte von Kapitaldelikten können im Sicherungsangriff durch die Polizeibeamten mittels Bodycam aufgenommen werden. Hier dienen die Aufnahmen in erster Linie der Beweissicherung.
Die Polizei Bremen berichtet, dass in 23 % aller Einsatzsituationen die Ankündigung, die Bodycam einzuschalten, genügte, um eine positive Verhaltensänderung beim polizeilichen Gegenüber zu bewirken. Das heißt, nach Wahrnehmung der Kamera war man auch seitens des Betroffenen erkennbar an einer Konfliktlösung interessiert. So wurde z.B. die Kommunikation freundlicher, die Situation insgesamt entspannter.
Die Ankündigung, die Bodycam einzuschalten, erfolgt grundsätzlich vor einer entsprechenden Einsatzsituation und wird spätestens dann ausgesprochen, wenn die Kamera bereits filmt. Die Aufnahmequalität ist mit den aktuellen auf dem Markt erhältlichen Geräten als sehr gut zu bezeichnen. Die Möglichkeit des „Pre-Recording“ wurde in 45 % aller Einsatzsituationen genutzt. Das heißt, die Kamera befand sich beim Betätigen des Aufnahmeknopfes im Standby-Modus.
Bei über einem Drittel der Einsatzsituationen (34 %) hatte der Einsatz der Bodycam eine direkt wahrnehmbare präventive Wirkung bzw. führte zu einer positiven Verhaltensänderung. Bei 40% der berichteten Einsatzsituationen führte der Einsatz der Bodycam zu keiner direkt wahrnehmbaren positiven Verhaltensänderung beim polizeilichen Gegenüber. Übereinstimmend wurde berichtet, dass je höher der Grad an Beeinflussung durch Alkohol/ BTM war, desto geringer war die Wirkung der Bodycam. Insgesamt zeigte sich im Erhebungszeitraum, dass nahezu alle berichteten Straftaten im Zusammenhang mit Bodycam-Aufnahmen unter dem Einfluss von Alkohol/BTM entstanden sind. Kam es bei Einsatzsituationen zu Straftaten, griff jedoch immer das Mittel der videographischen Beweissicherung.
Dies war in 26% aller Einsatzsituationen der Fall. Statistisch betrachtet führte die Bodycam gemäß einer Studie der Polizei Bremen aus Sicht der Polizei in 60% aller eingesetzten Fälle zu einem Erfolg, da entweder a) eine positive Verhaltensänderung registriert wurde oder b) es zu einer Sicherung von Beweismitteln in einem Strafverfahren kam.
Ethische und gesellschaftliche Diskussion
Neben überwiegend positiven Äußerungen zur Bodycam aus Bevölkerung und Polizei gibt es auch kritische Stimmen, die vor einer zunehmenden Überwachung und einem möglichen Missbrauch der Aufnahmen warnen. Datenschützer und Bürgerrechtsorganisationen betonen die Notwendigkeit strikter Kontrollen und klarer Richtlinien, um sicherzustellen, dass die Bodycams nicht in einer Weise eingesetzt werden, welche die Grundrechte der Bürger übermäßig verletzen.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Frage der „Privatsphäre in der Öffentlichkeit“. Inwieweit ist es hinnehmbar, dass Polizeieinsätze in Bereichen aufgezeichnet werden, die zwar öffentlich zugänglich sind, aber dennoch Orte des privaten Lebens sind, wie beispielsweise Parks oder öffentliche Verkehrsmittel? Diese ethischen Fragen müssen sorgfältig abgewogen werden, um einen angemessenen Ausgleich zwischen Sicherheit und Freiheit zu gewährleisten. Durch die gegebenen rechtlichen Formvorschriften aus den Polizeigesetzen der Länder ist bei deren konsequenter Beachtung jedoch sichergestellt, dass die Bodycams grundsätzlich nur bei dem Vorliegen entsprechender Gefahrengrade oder zur strafrechtlichen Beweissicherung eingesetzt werden dürfen.
Fazit und Ausblick
Der Einsatz von Bodycams bei der Polizei in Deutschland stellt ein bedeutendes Instrument zur Verbesserung der Polizeiarbeit dar. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Bodycams zur Deeskalation beitragen und eine wertvolle Unterstützung bei der Aufklärung von Straftaten bieten können.
Allerdings ist es entscheidend, dass der Einsatz dieser Technologie in einem klaren rechtlichen Rahmen zu gestalten ist und die damit verbundenen ethischen Fragen reflektiert werden. Der Einsatz der Bodycam bei der Polizei sollte weiterhin wissenschaftlich begleitet werden und vor allem den Aspekt der Deeskalation beleuchten. Nur ein deutliches Ankündigen der Anfertigung von Bodycamaufnahmen kann zur Verhinderung von Widerstandshandlungen gegen die Polizei und zu einer Abschreckung beim polizeilichen Gegenüber führen. Für die Beweissicherung im Strafverfahren sind Bodycamaufnahmen eine Bereicherung – denn Bilder sagen mehr als tausend Worte.
Crisis Prevention 3/ 2024
André Luhmer
Chefredakteur
Cpm GmbH
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