Straßen, Plätze und öffentliche Räume von Städten spielen eine wichtige Rolle für das soziale Leben, für unsere Lebensqualität, aber auch für den Erfolg vieler Gewerbe. Sie bieten nicht nur Zugang zu Geschäften, Attraktionen und Wohnungen, sie sind auch der Ort für das pulsierende öffentliche Leben der Stadt. Wie bleiben die Innenstädte als Orte für Leben, Handel, Gastronomie, Dienstleistungen und Kultur attraktiv?
Diese Frage stellte sich schon vor der COVID-19-Krise sehr dringlich, weil dort insbesondere die familiengeführten Betriebe unter Druck geraten – vor allem wegen hoher Mieten und der Konkurrenz durch digitale Geschäftsmodelle. Angesichts der COVID-19-bedingten Betriebsschließungen hat diese Herausforderung drastisch an Brisanz gewonnen. Gleichzeitig boomt der Online-Handel sowie Take-Away-Angebote, verbunden mit deutlichem Zuwachs von Lieferverkehrsaufkommen.
Langfristige Veränderungen und Chancen
Studien legen nahe, dass wir nach dem Ende der COVID-19-Krise bis zu 30 Prozent der Büroflächen nicht mehr benötigen. Verkaufszahlen zeigen, dass das bisherige Konzept von Kaufhaus und Fußgängerzone nicht mehr zieht. Und wenn der Trend zum Online-Handel anhält, werden in den nächsten zehn Jahren viele Areale neu bebaut werden können, die heute noch mit Möbelhäusern und Riesenparkplätzen verriegelt und versiegelt sind. Die Reorganisation von Städten ist ein brennendes Thema, für Stadtplaner und für Verantwortliche mit Zuständigkeit für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Aber auch einige Städte werden direkt aktiv und erstellen erste Konzepte – wie in Nürnberg die „City-Werkstatt“, initiiert durch das Wirtschaftsreferat der Stadt Nürnberg und die IHK Nürnberg für Mittelfranken. In Workshops wurden mit Vertretern von Handel, Dienstleistungen und Kultur in einem ersten Schritt Ideen entwickelt, die schnell umsetzbar sind und damit rasch für eine breite Öffentlichkeit sichtbar werden sollen. Beim Auftakt-Workshop hatten im Dezember rund 60 Teilnehmer mitgearbeitet. Nun sollen möglichst viele weitere Akteure der Nürnberger Innenstadt ins Boot geholt werden. In der Planung befinden sich erste Projekte: Neue Impulse für einen erlebnisreichen Innenstadt-Besuch soll es unter anderem durch „Pop-up-Stores“ und digitale Social-Media-Kampagnen geben.
Privatsphäre und Öffentliche Sicherheit – Aufbruch in die Hyperlokalität
Daneben schafft die COVID-19-Krise eine ganz andere Beziehung zur Privatsphäre. Dabei geht es um mehr als heimelige Trends wie Cocooning, es geht vielmehr um die grundsätzliche Frage: Wie fühle ich mich wohl und sicher?
Stadtbewohnerinnen und -bewohner lernten während der Krise, ihre direkte Umgebung auf eine völlig neue Weise zu sehen und erleben – sei es die Farbe der Ziegelsteine eines Gebäudes, das Geräusch der Vögel, die zu den Bäumen zurückkehren, oder die Klarheit der Luft. Ohne Ablenkung nehmen Menschen sich mehr Zeit, die Dinge wahrzunehmen. Nach der Krise werden wir dies deshalb auch neben einem Gefühl der Sicherheit besonders in unseren Städten zurückfordern. Viele Menschen, die sich lange Zeit unverbunden und getrennt von ihrer Nachbarschaft fühlten, entdeckten in der Krise die Freude, Bequemlichkeit und Schönheit des Lokalen wieder. Überrascht stellten sie fest, dass sie ihre „Komfortzone“ gar nicht verlassen mussten, um an wesentliche Bedürfnisse und Güter zu gelangen. So möchte die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, die Metropole nun zu einer „15-Minuten-Stadt“ umwandeln, sodass Bürgerinnen und Bürger alle wesentlichen Bedürfnisse – von Wohnen und Arbeiten bis zu Bildung und Freizeit – innerhalb von 15 Minuten mit dem Fahrrad oder zu Fuß sicher von der eigenen Haustür aus erfüllen können. Das ist ein Trend zum Hyperlokalen.
Digitalisierung & Neues Erleben
Junge Leute laufen heute mit ihren digitalen Endgeräten vor den Augen durch die Straßen, um Medien zu konsumieren, statt Schaufenster zu gucken. Sie sind gewissermaßen blind auf den Straßen unterwegs. Videokonferenzen ersetzen das Kaffeehausgespräch und der Spaziergang im Wohnviertel am Stadtrand das Geschäftsessen in der Innenstadt. Was hier stattfindet, ist eine grundlegende Reorganisation unseres sozialen Lebens. Unser Begriff und unser Gefühl dessen, was eine Stadt ist und auszeichnet, ändert sich gerade von Grund auf.
Das Bild der Zukunft & Sicherheitsaspekte
Resümieren wir die exemplarisch vorab genannten Aspekte, befinden sich Städte in einem grundsätzlichen Wandel: weg von festen Nutzungsbereichen wie Arbeit und Shopping, hin zu einem Ort des integrierten Erlebens, bei der verschiedene bisher getrennte Zweckmäßigkeiten fließend ineinander übergehen.
Friedrich von Borries, Architekt und Professor für Designtheorie an der Hochschule der Künste in Hamburg, bringt die urbane Zukunft auf die Formel der „produktiven Stadt“ – und er versteht darunter einen Raum der Mischquartiere mit Werkstätten, Büros, Cafés und personalisierten Ladenlokalen, in denen die Bürger wohnen, arbeiten und konsumieren, sich gut und gern rund um die Uhr aufhalten.
Durch diese Veränderungen entstehen neue Bereiche von stärker bevölkerten Orten und hohem Fußgängeraufkommen. Gerade in diesen Bereichen bedarf es gezielter Schutzmaßnahmen zur Steigerung der Sicherheit für die durch die Pandemie sensibilisierte Bevölkerung, aber auch wegen der generellen Gefährdungslage durch mögliche Terrorattentate und Fahrzeugangriffe, die auch in jüngster Zeit immer wieder vorkommen.
Beispiel: City of Bath – Neubewertung der Sicherheitslage und Maßnahmen
Sicherheitsrelevante Fragestellungen sollten idealerweise bereits in der städtebaulichen Planung Berücksichtigung finden. Als Beispiel für eine Überprüfung und Verbesserung der innerstädtischen Sicherheit, hier insbesondere vor Fahrzeugangriffen, möchte ich die südenglischen Stadt Bath nennen. Dort hat der Stadtrat gemeinsam mit der Polizei einen Vorschlag entwickelt, um die Sicherheit effektiv zu verbessern und gleichzeitig Geschäften und Dienstleistern der Stadt weiterhin einen praktikablen Zugang für Fahrzeuge zu ermöglichen.
Das Konzept sieht ein kombiniertes System vor, bestehend aus:
- Zugangsbeschränkungen für Fahrzeuge in den am stärksten befahrenen Straßen des Stadtzentrums,
- verstärkten, sicheren Zufahrtspunkten, die über ein zentrales Zufahrtskontrollsystem gesteuert werden,
- und neuen, speziell entwickelten, verstärkten statischen und verschiebbaren Schutzbarrieren, die den Zugang regeln.
Darüber hinaus gibt es Bereiche, die komplette Zugangsbeschränkungen für Fahrzeuge (24/7) vorsehen.
Essenzieller Bestandteil des Konzeptes ist ein zentral gesteuertes Zufahrtkontrollsystem in welchem über verschiebbare Schutzbarrieren der Zugang geregelt wird. Dadurch kann die Sicherheit einfach und sehr effektiv deutlich erhöht werden, indem der Zugang nur für zugelassene Fahrzeuge, wie z. B. Einsatzkräfte, Notdienste und Lieferfahrzeuge, ermöglicht wird.
Aktuell befindet sich das Konzept in der Abstimmungsphase. Es werden im nächsten Schritt die Bürger der Stadt, Geschäfts-, Kultur- und Dienstleistungsorganisationen sowie Organisationen der Denkmal- und Kulturpflege um ihre Meinung gefragt, bevor über eine finale Umsetzung der Maßnahmen entschieden wird. Auch im Hinblick auf aktuelle stadtplanerische Herausforderungen mit all ihren Überlegungen sollte dieses Sicherheitskonzept als gutes Beispiel dienen.
Fazit
Die Nutzung von innerstädtischen Bereichen befindet sich durch die Folgen der COVID-19-Pandemie verstärkt in einem Umbruch und stellt Stadtplaner und Verantwortliche vor vielfältige neue Herausforderungen. Dabei sollten auch Sicherheitsaspekte zum Schutz der Bevölkerung Berücksichtigung finden. Im Rahmen des Zufahrtschutzes kann ein zentral gesteuertes Zufahrtskontrollsystem die Sicherheit maßgeblich erhöhen und sollte daher in die Erwägungen mit einbezogen werden. So werden Städte zu gesünderen und lebenswerteren Umgebungen, gerade auch in den aktuellen Herausforderungen der Zeit.
Für Stadtplaner und Verantwortliche für öffentliche Sicherheit vermitteln wir in einem kostenlosen Web-Seminar entscheidendes Wissen zum Thema Zufahrtschutz (s. QR-Code).
Crisis Prevention 2/2021
Michael Dahinten
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