Öffentliche Räume sind immer wieder von sicherheitskritischen Ereignissen betroffen. Gewalttaten und Übergriffe, Vandalismus und Sabotage, Anschläge oder Amokläufe, Feuer und Unfälle, Elementarereignisse usw.; die Liste möglicher Geschehnisse ist lang.
Um Gefahrensituationen erkennen und im besten Fall vermeiden zu können, empfiehlt sich der Einsatz moderner Videosicherheitsanlagen. Ihr Vorteil besteht darin, dass das konkrete Geschehen vor Ort oder auch mehrere Objekte gleichzeitig beobachtet und auch aufgezeichnet werden können.
Moderne Videosicherheitssysteme (VSS), die im öffentlichen Raum zum Einsatz kommen, sind ein tragender Bestandteil der „Safe-City“-Konzepte. Safe-Citys sorgen u.a. für den Schutz derBevölkerung vor Kriminalität, Terrorismus sowie generellen Bedrohungen vor Umwelteinflüssen, wie bspw. Unwetter, Überschwemmungen, Umweltverschmutzungen.
Safe-Citys basieren auf „Smart-City“-Konzepten und nutzen deren Vernetzungen durch bspw. breitbandige Glasfaser- aber auch 5G-Verbindungen für die multi-direktionale Kommunikation verschiedenster Smart-City Systeme. Hier sind z.B. Sensoren zur Messung von Umweltbelastungen oder Verkehrsflüssen aber auch Sensoren zur Meldung von freien Parkplätzen auf öffentlichen Straßen gemeint. Aber auch VSS gehören in eine Smart-City.
Eine Smart-City wird zur Safe-City, wenn die einzelnen Systeme als solche sicher betrieben werden können, d. h. geschützt sind vor Hackerangriffen. Darüber hinaus müssen auch Aspekte des Datenschutzes (DS-GVO) ausreichend Berücksichtigung finden.
Die Videosicherheitstechnik als wichtiger Baustein einer Smart- und Safe-City hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Dabei gehören zu den Aufgaben eines VSS das Beobachten gewisser neuralgischer Bereiche innerhalb einer Stadt, ohne dabei den Gesamtüberblick zu verlieren. Durch diese vergleichsweise kostengünstige Dauerüberwachung ist es möglich, potentielle Vergehen oder besondere Vorgänge sofort zu erkennen und auf die Notsituation direkt zu reagieren. Durch intelligente Bildanalysen lassen sich heutzutage Gefahrensituationen bereits in ihrer Entstehung erkennen, um frühzeitig entsprechende Interventionsmaßnahmen ergreifen zu können. Ein weiterer Vorteil einer Videosicherheitsanlage ist ihre präventive Wirkung. Denn sie trägt nicht nur zu einer höheren Aufklärungsquote bei, sondern schreckt Täter aufgrund der gut sichtbaren Installation der Videokameras oftmals auch von vornherein ab. Schlussendlich zählt auch die Dokumentation von Tatvorgängen, also das Abspeichern von Videobildern und Videosequenzen zwecks forensischer Auswertungen, zu ihren Aufgaben, natürlich den Regeln der DS-GVO streng folgend. Durch diese Beweissicherung bestimmter Ereignisse trägt eine Videoanlage im Idealfall zur Aufklärung krimineller Handlungen bzw. zur eindeutigen Identifizierung verdächtiger Personen bei, da einzelne Beobachtungen im Bedarfsfall überprüft und ausgewertet werden können.
Öffentlicher Raum beschreibt all diejenigen „Stadt-Räume“, die für jedermann zu jeder Zeit ungehindert zugänglich und nutzbar sind; dazu zählen bspw. Bahnhofsvorplätze, Marktplätze, Fußgängerzonen, Parks, Spielplätze, stadteigene Freiflächen zur Nutzung von Großveranstaltungen, öffentliche Parkplätze, öffentliche Sportplätze, Straßenräume, etc.
In der Regel unterliegt die Sicherheit dieser Räume den landesspezifischen Polizeibehörden, die mit eigenem Personal die VSS im öffentlichen Bereich betreiben. Aufgrund historischer Erfahrungen und dem ausgeprägten Sinn für den Datenschutz wurden allerdings in Deutschland nur in einem sehr begrenzten Maße Videokameras für Sicherheitsanwendungen installiert. Zwar wurden in den letzten Jahren – auch aufgrund einiger erfolgreicher Fahndungserfolge durch den Einsatz von VSS – vermehrt Videosysteme installiert. Im Vergleich zu dem Vereinigten Königreich, das seit über 25 Jahren die höchste Kameradichte (https://www.cctv.co.uk/how-many-cctv-cameras-are-there-in-london/) auf dem europäischen Kontinent aufweist (z.B. > 30.000 Kameras im öffentlichen Raum allein in London – inkl. der Kameras an Fern- und U-Bahnhöfen), sind die installierten Kameras in Deutschland eher in homöopathischen Dosen vertreten. Noch extremer wird der Vergleich, wenn man die Kameradichte in chinesischen Großstädten vergleicht. Z. B. ist in Peking an bestimmten Plätzen alle 25 – 50m ein Kameramast mit jeweils bis zu 10 Kameras(fix als auch Speed-Dome) installiert.
Neben den fest installierten Kameras werden mittlerweile auch vermehrt mobile Kameraeinheiten verwendet, die u. a. von Polizeikräften am Körper getragen werden (sogenannte Body-Worn Kameras) und Livebilder vom Einsatz mittels 5G-Verbindungen zum Polizeileitstand übertragen können. Dort werden die Bilder dann in Echtzeit betrachtet, aber auch für spätere Dokumentationszwecke zentral im Server gespeichert. Dies hat den Vorteil, dass - selbst wenn die Kamera in falsche Hände geraten sollte - alle gespeicherten Bilder im Zugriff der Polizeibehörden bleiben. Aufgrund der deutlich sichtbaren Anbringung der Kameratechnik kann diese zusätzlich zur Deeskalation z. B. bei Streitschlichtungen beitragen.
Moderne Kameras in der Videosicherheit sind hochauflösend, extrem lichtempfindlich und bieten mittels auf der Kameraeinheit integrierter, künstlicher Intelligenz eine inzwischen beeindruckende Hilfestellung bei der automatischen Erkennung von Personen, Fahrzeugen und möglichen Gefahren. Deep-Learning-Verfahren sorgen bei der Kamera für eine echte Mustererkennung und schließen umweltbasierende Falschalarme (z.B. durch Zweige, Büsche, Blätter im Wind) fast vollständig aus. Dadurch wird die Anzahl an Aufschaltungen in Leitständen der Polizei drastisch reduziert und die Einsatzkräfte können sich auf die wesentlichen Details konzentrieren.
Bei einigen Anwendungen, wie z. B. in der Parkraumüberwachung, werden mittels Algorithmen auf der Kamera freie Parkplätze erkannt. In dieser Anwendung werden allerdings keine Videosignale übertragen, sondern nur die Ergebnisse der Auswertung (z. B. Parkplatz frei/besetzt). Weil hier nur anonyme Daten ohne Bildinhalte übertragen werden, entsprechen derartige Einsätze dem vollen Datenschutz. Diese Daten werden über Server (quasi als Big-Data) gegen Entgelt Anbietern von Parkraummanagement zur Verfügung gestellt, die dann wiederum diese Daten in eigenen bezahlbaren Apps dem Endnutzer bereitstellen.
Einen relativ neuen Trend bilden die sogenannten Mehrfachsensoren-Kameras. Diese benutzen zur hochauflösenden Bilddarstellung mehrere Bildsensoren, die in gleiche oder verschiedene Richtungen schauen können. Mittels intelligenter Softwareverfahren, „Stitching“ genannt, werden die Bilder der einzelnen Bildsensoren zu einem Gesamt-Bild „zusammengenäht“. Für den Betrachter der Bilder sieht es wie ein großes zusammenhängendes Videobild aus, welches auf einem Fenster oder einem kompletten Bildschirm dargestellt wird. Beim Stitching werden auch Bildverzerrungen korrigiert, so dass der Betrachter ein für seine Augen gewohntes Bild erhält. Mittels Digital-Zoom können auch kleinere Bildausschnitte in relativ hoher Auflösung dargestellt werden. Wenn sich dann in einem separaten Fenster ein digitales Zoomfenster öffnet, hat es den enormen Vorteil, dass für den Betrachter die komplette Übersicht des Gesamtbildes auf dem Hauptschirm erhalten bleibt. Hätte man stattdessen nur eine Single-Sensor Kamera mit starkem Zoom-Objektiv, würde beim Reinzoomen ein Großteil des Bildes verschwinden und es blieben viele Bereiche während des Zoomvorgangs ohne Beobachtung bzw. Dokumentation. Weil die Mehrfachsensoren-Kameras in einem Kameragehäuse montiert sind, die inzwischen auch designtechnisch optimiert wurden, können hässliche Kameramasten mit unzähligen – in jede Richtung schauende – Einzelkameras vermieden werden, was dem Stadtbild guttut.
Für eine erfolgreiche Realisierung von Videosicherheit in Safe-Citys sind die folgenden technischen Aspekte wichtig:
- Einsatz eines 3D-Planungstools zur realistischen Darstellung aller Kameraperspektiven aus Sicht des Betrachters, da es enorm Zeit spart und Fehlplanungen weitestgehend ausschließt.
- Die Systemarchitektur sollte offene Schnittstellen für andere Gewerke bereitstellen (z. B. Lagepläne- oder Einsatzmanagementsysteme).
- Kamerasysteme sollten ONVIF-kompatibel und bereits in offene Videomanagementsysteme möglichst vollumfänglich integriert sein.
- Die Videobilddarstellung im Leitstand muss das Leitstellenpersonal entlasten durch logische und zusammenhängende Bildinformationen, der Gesamtüberblick sollte erhalten bleiben.
- Im Sinne des Datenschutzes kann eine automatische Verpixelung aller Personen, die im Bild erkennbar sind, notwendig sein. Die entsprechende Entpixelung erfolgt dann autorisiert im Falle einer Aufklärung einer möglichen Straftat.
- Alle Systemkomponenten als auch der Systemaufbau müssen eine durchgängige Cybersicherheit gewährleisten.
Neben den technischen Aspekten sind allerdings auch rechtliche Fragen zu beachten. Denn beim Einsatz von VSS werden personenbezogene Daten in automatisierter Form erhoben, verarbeitet und genutzt. Derartige Daten stehen allerdings unter dem Schutz der EU-Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO). Daneben gelten die Vorschriften des neugefassten Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Letztlich geht es um den Schutz von verfassungsrechtlich garantierten Persönlichkeitsrechten, aus denen das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet hat.
Jegliche Verarbeitung personenbezogener Daten unterliegt den Grundsätzen des Artikel 5 DS-GVO, wonach Daten nur auf rechtmäßige Weise und für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden dürfen (Grundsätze der Rechtmäßigkeit und Zweckbindung), wobei die Erhebung auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein muss (Grundsatz der Datenminimierung). Vor allen Dingen aber gilt der Grundsatz der Rechtmäßigkeit aus Artikel 6 DS-GVO, wonach eine Verarbeitung nur dann zulässig ist, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Diese Bedingungen lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen: Einwilligung, Erlaubnis und Interessenabwägung.
Der verantwortliche Betreiber muss in jedem Einzelfall prüfen, ob er sich auf einen dieser Tatbestände stützen kann. Konkrete Hilfestellungen, wie diese Grundsätze im Falle einer Videosicherheitsanlage anzuwenden sind, enthält die DS-GVO nicht. Aus diesem Grund hat der deutsche Gesetzgeber in § 4 des neuen Bundesdatenschutzgesetzes Regeln zum Einsatz von VSS aufgestellt, die dem bisherigen § 6 b BDSG weitestgehend entsprechen.
Außerdem haben die Datenschutzbehörden mittlerweile ausführliche Informationsschriften herausgegeben, an denen sich Betreiber von Videosicherheitsanlagen orientieren können.
Als berechtigte Interessen des Betreibers sind grundsätzlich die Wahrnehmung des Hausrechtes, der Schutz vor Überfällen, Diebstahl oder Vandalismus, der Schutz von Mitarbeitern und Kunden, die Beweissicherung sowie der Perimeterschutz anerkannt. Dabei muss die Maßnahme zur Zweckerfüllung geeignet sein und darf auch nur zur Erfüllung des genannten Zwecks eingesetzt werden. Des Weiteren muss der Betreiber nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit stets prüfen, ob es keine milderen Mittel gibt, die den gleichen Zweck erfüllen, aber weniger in die Rechte der Betroffenen eingreifen, wie z. B. die Beschränkung der Überwachung auf bestimmte Schwerpunkte bzw. bestimmte Zeiträume oder die Verpixelung von „private zones“.
Zur Erforderlichkeit gehört auch, dass eine hinreichend konkrete Gefahr besteht (z. B. belegt durch Vorfälle aus der nahen Vergangenheit). Schließlich muss die Überwachung verhältnismäßig sein, was durch Abwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen (insbesondere Persönlichkeitsrecht) einerseits und den anzuerkennenden Zwecken des Betreibers andererseits zu entscheiden ist.
Dabei hat der deutsche Gesetzgeber im März 2017 durch das „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ neue Abwägungsvorgaben eingebracht, die in den neuen § 4 Abs. 1 Satz 2 BDSG übernommen wurden. Danach gilt bei der Videoüberwachung von öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen (z. B. Parkplätzen) und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von dort aufhältigen Personen als ein besonders wichtiges Interesse.
Der Praxis-Ratgeber Videosicherheit des BHE Bundesverband Sicherheitstechnik e.V. bündelt alle wichtigen und notwendigen Informationen und dient somit als ideales Nachschlagewerk. In verständlicher Art und Weise werden die Möglichkeiten und Grenzen moderner Videosicherheitstechnik umfassend erläutert. Ausführlich vorgestellt werden die unterschiedlichen technischen Komponenten sowie die relevanten Normen und Richtlinien. Außerdem wird die bedeutende Thematik „Rechtssicherheit und Datenschutz“ eingehend behandelt und die juristischen Aspekte dargestellt.
www.bhe.de/publikationen/bhe-praxisratgeber/videosicherheit
Crisis Prevention 2/2023
Michael Meissner
Fachausschussvorsitzender Video imBHE Bundesverband Sicherheitstechnik e.V.
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