Video – das Herzstück ganzheitlicher ­Sicherungskonzepte

Securiton Deutschland

Bei der Abwehr von Angriffen auf kritische Infrastrukturen spielt die Videosicherheitstechnik eine immer wichtigere Rolle. Welches sind die Einsatzbereiche, welches die Umsetzungsschritte?

„Die Täter klettern über den Zaun, der mit Detektions­sensoren ausgerüstet ist. Diese lösen sofort Alarm aus. Zugleich wird automatisch ein Kamerasystem mit moderner KI-­basierter Videoanalytik aktiviert, das sich an die Fersen der Angreifer heftet. Auf dem Gelände und im Gebäude installierte Kameras verfolgen sie auf Schritt und Tritt und übertragen Live­bilder an die ständig besetzte Sicherheitszentrale. Diese kann die Eindringlinge über ein Lautsprechersystem auch direkt ansprechen, z.B. um sie zu vertreiben, zu irritieren oder, je nach Situation, um zu deeskalieren. Durch die Live-­Video-Bilder wissen die inzwischen eintreffenden Sicherheitskräfte genau, wo sie zugreifen können.“

Fachausschuss Video des BHE Bundesverband ­Sicherheitstechnik e.V.

Das Beispiel zeigt, wie Videosicherheitstechnik in ein ganzheitliches Schutzkonzept eingebunden werden und dessen Effektivität deutlich erhöhen kann. Sie gehört heute zum „State of the Art“ in der Sicherheitstechnik.

Ursprünglich ging es bei der Aufzeichnung krimineller Aktivitäten oder von Schadenereignissen „nur“ um Abschreckung oder Dokumentation. Denn die Hemmschwelle zur Ausführung einer Tat wird durch das Vorhandensein von Kameras erwiesenermaßen erhöht. Täter können anhand der Aufzeichnungen identifiziert und überführt werden. Und der Hergang von Unglücken lässt sich in vielen Fällen rekonstruieren. Vielfältige Technologiesprünge haben die Leistungsfähigkeit und das Einsatzspektrum von Videosicherheitssystemen inzwischen aber enorm erweitert.

Moderne Kameratechnik

Moderne Kameras sind hochauflösend und extrem lichtempfindlich. Mit multifokaler Sensorik können sie große Flächen kontrollieren und auch weit entfernte Objekte in gleichbleibender Qualität aufnehmen. Und je besser die Bildqualität ist, desto weniger Kameras müssen installiert werden. Derartige Systeme sind zur Überwachung von Liegenschaften, sensiblen Anlagen und kritischen Infrastrukturen in besonderer Weise geeignet.

„Hässliche“ Kameramasten, von denen unzählige Objektive in jede Richtung schauen, gehören der Vergangenheit an. In nur einem Gehäuse installierte Mehrfachsensoren-Kameras sind in der Lage, verschiedene Richtungen abzudecken. Intelligente Software fügt die Bilder zu einem Gesamtbild zusammen („Stitching“). Selbst bei einem Zoomen auf bestimmte Szenen bleibt auf dem Monitor das Gesamtbild erhalten.

Auch bei ungünstigen Wetterbedingungen und bei Dunkelheit ist eine zuverlässige und genaue Erkennung gewährleistet.

Falschalarme, etwa durch Wind bewegte Zweige, Blätter oder Tiere, die lange Zeit als Schwachpunkt der Videosicherheit galten, sind durch fortschrittliche Analysealgorithmen inzwischen weitgehend ausgeschlossen. Dies ist aber nur ein Teil der faszinierenden Möglichkeiten, die sich aus der Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) ergeben.

Bei der Absicherung von kritischen Infrastrukturen liegt das Hauptaugenmerk auf der frühzeitigen Detektion und Abwehr möglicher Angriffe. Moderne Videosicherheitssysteme können sogar ­pro­aktiv verhindern, dass etwas passiert. Sie erkennen potenzielle Täter an ihrem „Habitus“. Kritische Abweichungen zu „normalen“ Bewegungs- und Verhaltensmustern rufen die Interventionskräfte auf den Plan.

Je nach Reifegrad kann die KI-Software in bestimmten von ihr gelernten und analysierten Situationen (Deep-Learning-Verfahren) Handlungsoptionen vorschlagen oder entsprechende Maßnahmen sogar selbst auslösen. Dies ist beispielsweise eine Option für standardisierte Prozesse, etwa die Evakuierung eines Gebäudes bei einem Anschlag oder einem Brand. In solchen Fällen kommt es auf Schnelligkeit besonders an.

Einsatzbeispiele

Unruhen, Terrorismus oder Sabotage sind nur ein Teil der Risiken, denen kritische Infrastrukturen potenziell ausgesetzt sind. Auch Elementarereignisse oder „bloße“ Unfälle können öffentliche Verwaltungen, Versorgungs- oder Verkehrsinfrastrukturen empfindlich treffen und Menschen gefährden. Videosicherheitssysteme kommen heute an unterschiedlichsten Orten zum Einsatz
(Quellen: BBK Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe).

Videosicherheitstechnik für den Bevölkerungsschutz bei Starkregen

Zurückliegende Starkregenereignisse lassen darauf schließen, an welchen Stellen Mess- und Überwachungspunkte am besten errichtet werden sollten. Sinnvoll ist dies unter anderem an sogenannten „Durchlässen“, etwa Brücken, wo auf einen Gewässerrückstau zeitnah reagiert werden muss. Hier können beispielsweise Pegelmessgeräte zusammen mit einem Videosicherheitssystem installiert werden. Überschreiten die automatisch übertragenen Messwerte einen Grenzwert, wird Alarm ausgelöst und es erfolgt eine laufende Fernüberwachung mittels Bildübertragung. Das Videosystem kann im weiteren Geschehen durch automatisierte Bildauswertung (Wasserstand, Flussverhalten) hilfreich sein, aber auch als alarmauslösendes Tool dienen.

Videosicherheit in Straßentunneln

Brände als Folge von Unfällen stellen in Tunneln eine besondere Gefahrenlage dar. Mithilfe von Videodetektionssystemen mit automatischer Bildauswertung wird der Verkehrsraum lückenlos überwacht. Kritische Ereignisse werden erkannt und analysiert: Brand und Rauch, liegen gebliebene Fahrzeuge, Benutzung der Seitenstreifen bzw. Pannenbuchten, Personen bzw. Gegenstände auf der Fahrbahn, Falschfahrer sowie Stau oder betriebliche Störungen wie Beleuchtungsausfälle. Die auf Mobilgeräte übertragenen Videobilder ermöglichen den Einsatzkräften von Feuer­wehr, Polizei oder Katastrophenschutz eine optimale Einschätzung der Gefahrenlage. In Verbindung mit RFID-Technik können in den Tunnel einfahrende Gefahrguttransporter identifiziert und registriert werden, sodass im Ereignisfall bereits bei der Alarmierung die notwendigen Informationen über die transportierten Gefahrstoffe zur Verfügung stehen.

Videosicherheit in Sammlungseinrichtungen

In Museen, Archiven, Bibliotheken etc. unterstützt Videosicherheit das Wachpersonal. Im Fall eines Falles ist es ihre Aufgabe, die Situation in der Umgebung des ausgelösten Alarms visuell zu prüfen und bei einem Falschalarm auf eine personelle Intervention zu verzichten. Bei einem Alarm im Außengelände bewertet die Videobildanalyse anhand vorgegebener Parameter (etwa „größer als Katze“) die Situation und meldet den Alarm ggfs. weiter.

Planung

Ein Videosicherheitssystem kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn es auf die speziellen Gegebenheiten angepasst und optimal ­abgestimmt wird. Grundvoraussetzung ist eine individuelle Risikoanalyse auf Basis des definierten Schutzzwecks sowie der Größe, Struktur und Beschaffenheit des Objekts. Daraus ergibt sich das Anforderungsprofil an die Funktionen des Videosystems im Einzelnen: Beobachten, Detektieren, Auslösen. Extrem wichtig ist die Durchgängigkeit der Bildgebungskette – von der Beleuchtung im Objekt über die gewählte Kameraeinstellung bis hin zur Aufzeichnung und der Wiedergabe der Bilder auf einem Monitor.

Für eine zeitnahe und gezielte Reaktion auf besondere Vorkommnisse muss rund um die Uhr sichergestellt sein, dass Ereignisse auch tatsächlich bemerkt und ausgewertet werden, was – wie bei anderen Sicherheitstechniken auch – in der Regel nur durch eine professionelle Notruf-und-Service-Leitstelle (NSL) geleistet werden kann. Weil der Markt eine Vielzahl verschiedener Videosysteme anbietet, fokussieren sich viele NSL-Anbieter auf bestimmte Branchen und Anwendungsfälle. Es ist also essenziell, bei der Planung auf größtmögliche Kompatibilität zu achten und mit Leitstellen zusammenzuarbeiten, die eine integrative Videomanagement-Software einsetzen. Dies gilt insbesondere für die intelligente Verbindung von Videosicherheitssystemen mit anderen Sicherheitsgewerken wie intelligenten Zaun- (s. o.), Zutrittssteuerungs-, Gefahrenmelde- oder Drohnenabwehrsystemen. Für alle diese Funktionen und deren Zusammenwirken müssen die nötigen Schnittstellen vorhanden sein. Eine als qualifiziert identifizierte Leitstelle sollte möglichst frühzeitig in die Planung einbezogen werden.

Zunehmend wird bei der Speicherung von Videodaten auf Cloud-Dienste zurückgegriffen. Die via Internet übertragenen Videoströme müssen verschlüsselt übertragen, gespeichert und am Empfangsort wieder entschlüsselt werden. Dies gilt sowohl für die kompletten Videoströme als auch für alle zusätzlichen Informationen über die Merkmale der Daten selbst (Meta-Daten). So lassen sich diese wirksam gegen Hackerangriffe schützen. Die Systemkomponenten müssen regelmäßig mit Updates auf den neuesten Stand gebracht werden. Bereits bei deren Auswahl ist darauf zu achten, ob und wie lange ein Hersteller die Pflege und Aktualisierung seiner Produkte gewährleistet.

Im Markt für Videotechnologien sind große qualitative Unterschiede anzutreffen. Aufgrund der Komplexität ist dies bei mehreren Angeboten nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Deshalb hat der BHE Bundesverband Sicherheitstechnik e.V. bereits vor einigen Jahren eine spezielle Zertifizierung von Video-Fachfirmen eingeführt. Dieser Video-Qualifikationsnachweis dokumentiert, dass ein Anbieter Video-Sicherheitsanlagen unter Beachtung der jeweils gültigen Normen und Vorschriften plant und instand hält. Aktuell sind rund 150 Video-Unternehmen entsprechend zertifiziert. Der BHE bietet zudem umfangreiche Informationen zur Planung, Errichtung und zum Betrieb von Videoanlagen.

Videotechnik in der politischen Bewertung

Bereits im Jahr 2016 hat die Bundesregierung aufgrund empirischer Daten von Studien und Erkenntnissen des Bundeskriminalamts (BKA) die Wirksamkeit von Videosicherheit beurteilt. Demnach kann der Ausbau optisch-elektronischer Sicherheitstechnologie dazu beitragen, Straftaten aufzuklären, potenzielle Straftäter abzuschrecken und die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen, beispielsweise, indem Täter bei der Erkundung von Örtlichkeiten im Vorfeld oder unmittelbar vor der Begehung einer Tat erkannt würden. Darüber hinaus erleichtert eine verstärkte Videoüberwachung die Ermittlungstätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft erheblich – dies selbstverständlich auf der Grundlage polizei- und datenschutzrechtlicher Normen. Aktuell bestätigen bundesweit Polizei- und Sicherheitsbehörden den Erfolg dieses Instruments bei der Kriminalitätsbekämpfung. Das neue ­KRITIS-Dachgesetz (KRITIS-DachG), das im Laufe des Jahres verabschiedet werden soll, fokussiert neben cyberbezogenen Regelungen auch auf den physischen Schutz kritischer Infrastrukturen und legt Standards entsprechend dem Stand der Technik fest. Die Errichtung von Zäunen und Sperren, der Einsatz von Detektionsgeräten, Zugangskontrollen, Sicherheitsüberprüfungen sowie weiteren Instrumente und Verfahren für die Überwachung der Umgebung sind ausdrücklich genannt.

Es stehen höchst effektive Sicherheits-Technologien zur Verfügung, mit denen kriminelle oder terroristische Angriffe auf Einrichtungen von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft erfolgreich abgewehrt werden können. Diesen Vorteil gilt es, konsequent auszuspielen.



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