Dass Brandrauch nicht gesund ist, sollte hinlänglich bekannt sein. Nicht umsonst schützen wir uns vor Brandrauch mit Atemschutzgeräten. Was folgt jedoch nach einem Brandeinsatz, wenn Einsatzkräfte aus einer Brandstelle mit kontaminierter Einsatzleidung und Geräten im Fahrzeug zurück auf die Wache fahren? Feuerwehrleute haben lt. wissenschaftlichen Studien ein erhöhtes Krebsrisiko. Es ist zu vermuten, dass der Kontakt mit Brandrauch hiermit im Zusammenhang steht.
Problemanalyse
Einsatzstellen
An Einsatzstellen waren keine Reinigungsmöglichkeiten für offene Hautpartien (i.d.R. Gesicht und Hände) vorhanden. Der Rücktransport kontaminierter Geräte (z.B. Funkgeräte, Notsignalgeber, Leuchtmittel, Leinenbeutel, WBK, etc.) erfolgte ohne Reinigung im Fahrgastraum des Einsatzfahrzeugs. Kontaminierte Schläuche wurden z.T. ebenfalls im Fahrgastraum des LHF abtransportiert. Bei größerer Anzahl der Schläuche geschah dies durch einen LKW-Ladebord in offenen Behältern oder lose auf der Ladefläche. Ein Wechsel von Masken und Atemschutzgeräten erfolgte auf der Einsatzstelle jedoch nur, wenn eine Wärmebeaufschlagung vorhanden war. Der damals verwendete Helm hatte eine wechselbare Bebänderung, der Wechsel war jedoch mit einem gewissen Aufwand verbunden und erfolgte eher selten.
Am Standort (Feuerwache)
Eine Körperreinigung erfolgte erst nach der Rückfahrt zur Feuerwache (Duschen). Die Reinigung der Ausstattungsgegenstände erfolgte ebenfalls erst auf der Feuerwache. Hier wurde der Wechsel der Einsatzkleidung, d. h. PBI vorgenommen
Die Dokumentation der eingesetzten Kräfte erfolgte auf einem vorgefertigten Formular durch schriftlichen Eintrag. Hier wurden nur Einsatzkräfte erfasst, die unter Atemschutz eingesetzt waren (PA oder Atemanschluss mit Filter).
Im rückwärtigen Bereich
Kontaminierte Atemschutzgeräte wurden bis zur Zuführung zum Reinigungsprozess in offenen Gitterboxen an den Standorten der Werkstätten zwischengelagert. Das betraf sowohl kontaminierte Atemschutzgeräte als auch Schläuche.
Fazit
Es kam zu Kontaminationsverschleppungen von Schadstoffen aus Brandstellen in die Einsatzfahrzeuge, Feuerwachen und Werkstätten. Hier lag eine unzureichende Sensibilisierung aller beteiligten Mitarbeitenden vor.
Interne Arbeitsgruppe zur Konzepterstellung (AG Krebsprävention)
2016 wurde die AG Krebsrisiko gegründet, um dem erhöhtem Krebsrisiko von Feuerwehreinsatzkräften zu begegnen. Der Auftrag war Konzepte zu erstellen, die o.g. Kontaminationen zu minimieren, um Einsatzkräfte vor potentiellen Krebserkrankungen besser zu schützen. Die AG Krebsprävention besteht aus Mitarbeitenden von Beschaffern für Fahrzeugtechnik und Einsatzkleidung, IT Techniker, Bereich für Arbeitsschutz, Personalrat, Einsatzkräften von Feuerwachen, Freiwilliger Feuerwehr und wird vom Bereich Einsatzplanung geleitet. Die Konzepte bilden Reinigungsprozesse ab, die zur Einsatzstellenhygiene nach Brandbekämpfungseinsätzen erforderlich sind. Es betrifft nicht die Hygieneprozesse nach Rettungsdiensteinsätzen. Auch der Dekontaminationsprozess für Einsatzkräfte in Schutzkleidung der Körperschutzform II und III (nach DV 500), wird durch diese Konzepte nicht berührt.
In der Richtlinie vfdb 10/03 „Schadstoffe bei Bränden“ sind Maßnahmen zur Einsatzstellenhygiene an Einsatzstellen und auf Feuerwachen beschrieben. Ziel der Arbeitsgruppe war es, die erforderlichen Maßnahmen der vfdb Richtlinie umzusetzen. Die Konzepte wurde in Teilschritten von der AG Krebsprävention erprobt und angepasst. Hierfür wurde ein Stufenplan entwickelt, der kurz, mittel und langfristige Ziele beinhaltete.
Kurzfristige Ziele
Auf jeder Einsatzstelle sollte eine Hygieneeinrichtung, zur Kaltreinigung offener Hautpartien, vorhanden sein. Die Reinigung von Armaturen und Geräten sollte bereits an Einsatzstellen möglich sein. Es sollte keine Kontaminationsverschleppung von Geräten und Ausstattung in Fahrzeugen stattfinden. Als Arbeitsschutzmaßnahme wurde die Verwendung von FFP 2/3 Masken und Handschuhen bei Aufräumarbeiten eingeführt. Dies erfolgte auch in rückwärtigen Bereichen, d.h. in Schlauch- und Atemschutzwerkstätten. Eine Sensibilisierung des Personals durch Mitarbeiterinformationen klärte über den Fahrplan auf.
Mittelfristige Ziele
Möglichkeiten zur Gestellung von Ersatzkleidung an der Einsatzstelle sollten entwickelt werden. Hierfür musste zusätzliche Kleidung beschafft werden, was im Haushalt entsprechende Planungen voraussetzte. Der generelle Abtransport kontaminierter Ausrüstung sollte ohne Kontaminationsverschleppung stattfinden.
Langfristige Ziele
Eine Entwicklung von universellen mobilen Lösungen sollte erarbeitet werden. Die Lösung sollte sämtliche Maßnahmen an Einsatzstellen einschließen und betraf die Entwicklung von Gerätewagen zur Einsatzstellenhygiene.
Realisierung kurzfristiger Ziele
Die erforderliche PSA aus FFP2/3 Masken und Einweghandschuhen wurde auf den Löschfahrzeugen und Hubrettungsfahrzeugen ergänzt.
Um an Einsatzstellen Hygieneeinrichtungen bereitzustellen wurde zunächst die Konzeption von Hygieneboards für Löschfahrzeuge vorangetrieben. Hierbei wurde die aktuelle Version der Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung - TrinkwV) unter §3 Abs. 1 berücksichtigt. Wasser welches zur Körperreinigung eingesetzt wird muss die Qualität von Trinkwasser haben. Dies ergab auch eine Stellungnahme der internen Rechtsabteilung. Durch einen Sachverständigen für Trinkwasserhygiene wurde als Lösung die Verwendung von Sterilfiltern, die am Auslass der Wasserarmatur angeschlossen werden, erarbeitet. Diese Filter sind Stand der Technik und werden in vielen Bereichen eingesetzt, bei denen die absolute Reinheit von Trinkwasser erforderlich ist, z.B. in Pflegeeinrichtungen. Hautreiniger für grobe und normale Verschmutzung sind am Hygieneboard installiert. Eine Reinigungsbürste ist ebenfalls angeschlossen, die für kontaminierte Geräte eingesetzt wird. Feuchtreinigungstücher werden für Geräte die nicht mit der Reinigungsbürste gesäubert werden können verwendet.
Für Bestandsfahrzeuge wurde ein Reinigungsset zusammengestellt, was Tücher zur Feuchtreinigung von Hautpartien und Geräten sowie eine Reinigungsbürste beinhaltet.
Realisierung mittelfristiger Ziele
Gerätewagen Hygiene
Zur Gestellung einer Umkleidemöglichkeit an Einsatzstelle wurde ein Gerätewagen Hygiene (GW Hygiene) entwickelt. Als Vorlage dienten bereits existierende GW Hygiene anderer Feuerwehren die im Jahr 2017 existierten. Der GW Hygiene sollte einen geschützten Raum darstellen, der bei allen Wetterverhältnissen eingesetzt werden kann. Er sollte auch als Transportmittel für kontaminiertes Gerät verwendbar sein, damit weitere Fahrzeuge zur Logistik nicht erforderlich sind.
Um eigene Erfahrungen zu sammeln wurde zunächst ein vorhandener LKW Ladebord von einer Fachfirma nach Maßgaben der Feuerwehr umgebaut. Die Umbaumaßnahmen wurden durch Mitglieder der AG Krebsprävention intensiv begleitet und die Fortschritte beobachtet. Der Umbau beinhaltete den Einbau von separaten Ein- und Ausgängen, einer Trennungswand mit Tür für die Schwarz-/Weißtrennung, Innen- und Umfeldbeleuchtung, einer Heizung, Bodenbelag aus Riffelblech das leicht abwaschbar ist, Regalen und Sitzbänken. Die Ladebordwand wurde im Heck belassen, um auch die Funktion eines Logistikfahrzeugs erfüllen zu können.
Zum Transport kontaminierter Ausstattung wurden 3 verschiedene Transportboxen konzipiert, jew. für kontaminierte Einsatzkleidung (PBI), Atemschutztechnik und Schläuche. Die Berliner Feuerwehr arbeitet mit einem Textilmanagementunternehmen zusammen, das die Einsatzkleidung reinigt. Die Schlauch- und Atemschutzwerkstätten befinden sich an unterschiedlichen Standorten. Daher könne die kontaminierten Ausstattungsgegenstände durch 3 Boxen zielgerecht den Standorten bzw. Dienstleistern zugeführt werden. Passende Deckel verhindern, dass Schadstoffe austreten. Die Box für kontaminierte Schläuche wurde mit einem Wasserzu- und -ablauf ausgestattet. Sie wird mit Wasser befüllt, nachdem die Kapazität an zuladbaren Schläuchen erreicht ist, um Partikel zu binden. Die Boxen sind durch Rollen verfahrbar und sind daher an der Einsatzstelle am optimalen Ort positionierbar. Die Entnahme der kontaminierten Gegenstände erfolgt erst unmittelbar vor dem Reinigungsprozess unter Verwendung von PSA (FFP2/3 Maske, Handschuhe, Arbeitskleidung) in den Werkstätten.
Um das Ziel, mindestens eine Hygieneeinrichtung auf der Einsatzstelle zu haben, wurde ein Hygienetower entworfen und realisiert. Die Hygieneausstattungen der neuen Löschfahrzeuge werden hierdurch ergänzt. Am Hygienetower sind Anschlüsse, Wasserausläufe mit Sterilfiltern, Reinigungsmittel, Desinfektionslösung, sämtliche Schläuche und Armaturen, sowie Material für den Arbeitsschutz (FFP-3 Masken, Handschuhe) vorhanden. Reinigungsbürsten zur Gerätereinigung und eine mobile Stiefelwaschanlage sind ebenfalls am Hygienetower angeschlossen.
Im Schwarzbereich des GW-Hygiene ist ein Spiegel zur Selbstkontrolle vorhanden, mit dem kontaminierte Hautstellen entdeckt werden können. Für die Nachreinigung stehen Feuchttücher zur Verfügung.
Weitere Ausstattung des GW Hygiene sind Rollcontainer für Ersatzmaterial (z.B. Flammschutzhauben, Heminlays, Atemschutzmasken), die doppelt auf der Wache vorhanden sind. Hierdurch kann der bestückte Container gegen den leeren im Roll-on-Roll-off Verfahren ausgetauscht werden. Das gleiche gilt umgekehrt für volle Transportboxen mit kontaminierter Ausstattung. Durch die doppelte Ausstattung kann die Einsatzbereitschaft des GW Hygiene innerhalb kürzester Zeit erreicht werden.
Eine Auswertung von Brandeinsätzen hatte ergeben, dass überwiegend 4-6 Atemschutzgeräte pro Einsatz verwendet werden. Um die Löschfahrzeuge mit gereinigten Atemschutzgeräten an der Einsatzstelle auszustatten, wurden auf dem GW Hygiene 6 Atemschutzgeräte PA 30 verlastet. Werden mehr als 6 Atemschutzgeräte an einer Einsatzstelle eingesetzt, übernimmt der AB-Atemschutz die Logistik mit Atemschutztechnik.
Als Ersatzkleidung werden 80 Sätze leichter Schutzkleidung mit verschiedenen Größen im Weißbereich mitgeführt. Die leichte Schutzkleidung ist nach EN ISO 116 12 zertifiziert. Vorteil der leichten Schutzkleidung als Ersatzkleidung ist, dass die Einsatzkräfte weiterhin für andere Tätigkeiten verwendbar sind, dies kann z.B. Aufräumarbeiten oder Sicherungsmaßnahmen sein. Persönliche Kleidungsstücke wie z.B. T-Shirts, Sweatjacke o.ä. werden von den Einsatzkräften eigenständig mitgeführt.
Die Inbetriebnahme des GW Hygiene erfolgte am 01.07.2019 im 24/7 Betrieb. Die Sollstärke wurde von Anfang an mit 1/1 festgelegt. Die Besetzung erfolgt durch eingeschränkt verwendbares Personal. Das Personal hat folgendes Anforderungsprofil:
- bis 25kg heben können
- Schichtdienstfähig
- Fahrten mit Blaulicht
Atemschutztauglichkeit ist nicht erforderlich
Der GW Hygiene ist nicht im ersten Einsatzmittelaufgebot bei Brandalarmierungen vorgesehen. Erst bei bestätigten Bränden, d.h. wenn die ersten Einsatzkräfte in der Kurzlagemeldung die Bestätigung des Brandes an die Feuerwehrleitstelle absetzen, wird der GW Hygiene alarmiert oder wenn Einsatzkräfte den GW Hygiene gezielt nachalarmieren. Ab der Einsatzstufe Brand 6 ist das Fahrzeug automatisch im initialen Erstaufgebot. Die Zeitzone des Ausrückeberichs wurde auf 30min festgelegt. Ziel ist es den GW Hygiene an der Einsatzstelle zu haben, wenn der erste Trupp die Brandstelle verlässt. Der Standort des GW Hygiene befindet sich im Süden von Berlin auf der Feuerwache Lichterfelde.
Realisierung langfristiger Ziele
Der GW-Hygiene, so wie er momentan realisiert ist, war als Test für ein Konzept zur Neubeschaffung geplant. Er wurde für eine Mindestkapazität zur Versorgung von 16 Einsatzkräften konzipiert. Aus der Kapazität, der Flächenabdeckung im 30min Umfeld und einer Auswertung zu parallelen Brandeinsätzen, wurde ein Bedarf von 3 GW Hygiene ermittelt. Bewährt haben sich die rollbaren Transportboxen und insbesondere der Hygienetower, sie flossen in die Neukonzeptionierung ein. Als wesentliche Optimierung wurde im GW Hygienekonzept ein dritter Raum für die Logistik des kontaminierten Materials vorgesehen. Einsatzkräfte sollen auch beim Auskleiden nicht mehr mit kontaminiertem Material in Kontakt kommen und ihre Kleidung durch eine selbstschließende Abwurfklappe der Kleiderbox zuführen. Diese Art von Fahrzeugen gab es bisher bei der Berliner Feuerwehr nicht, daher ist die Vorgehensweise Testphase-Optimierung-Finalplanung sinnvoll. Um die Neubeschaffungen optimieren zu können, wurden im GW Hygienekonzept sämtliche Erfahrungen mit dem umgebauten Fahrzeug berücksichtigt.
Konzept Einsatzstellenhygiene nach Brandeinsätzen
Neben dem GW Hygienekonzept wurde auch ein Gesamtkonzept zur Einsatzstellenhygiene nach Brandeinsätzen erstellt. Im Gesamtkonzept wurden technische und bauliche Voraussetzungen zusammengefasst, die z.B. Ausstattungen in Werkstätten beinhalten. Die im Gesamtkonzept beschriebenen organisatorischen Voraussetzungen beschreibt Logistik von Material und Dokumentation der Einsatzkräfte. Hierfür ist eine elektronische Version geplant, z.B. der zentrale Expositionsdatenbank der DGUV (ZED). Die erforderlichen Beschaffungen sind ebenfalls im Gesamtkonzept genannt. Kern des Gesamtkonzept ist die detaillierte Definition des Ablaufprozesses für die Reinigung und Kleidungswechsel der Einsatzkräfte.
Weitere Maßnahmen zur Einsatzstellenhygiene nach Brandeinsätzen
Durch die AG Krebsprävention wurde die Neubeschaffung von Helmen dahingehend beeinflusst, dass ein vereinfachter der Wechsel der Helmbebänderung und des Nackentuch möglich sein muss. Die Ausschreibungen wurden entsprechend angepasst, der Wechsel ist innerhalb von 2 min werkzeugfrei möglich. Dieser Helm wurde nach einer ausgiebigen Marktanalyse (seit Oktober 2017) eingeführt.
Zur Verbesserung der Sensibilisierung des Personals wurden regelmäßig Mitarbeiterinformationen erstellt und das Thema Einsatzstellenhygiene in diversen Infoveranstaltungen präsent gehalten. Der Fortschritt der Ausstattungen wurde hierdurch transparent und die Maßnahmen konnten erklärt werden. Für den GW Hygiene wurden Flyer erstellt, die an Einsatzkräfte und Führungspersonal ausgegeben wurden. Ein Informationsvideo wurde produziert, was für jeden Mitarbeitenden abrufbar ist. Hierin werden der Ablauf und die Funktion des GW Hygiene adressatengerecht erklärt. Auch in Fortbildungen der Feuerwehr und Rettungsdienstakademie (BFRA) wird die Einsatzstellenhygiene thematisiert.
Die AG Krebsprävention hat den gesamten Prozess zur Einführung der Maßnahmen zur Einsatzstellenhygiene begleitet.
Crisis Prevention 3/2022
Brandoberamtsrat Holger Notzke
Berliner Feuerwehr
E-Mail: Holger.Notzke@berliner-feuerwehr.de