Die Vegetationsbrandbekämpfung kann relativ gemütlich und einfach verlaufen, weil man bei relativ guten Bedingungen für die Brandbekämpfung (geringer Wind, hohe Feuchtigkeit der Pflanzen, ausreichend Löschfahrzeuge, trainierte Einsatzkräfte, kleines Feuer, frühe Alarmierung usw.) sehr schnell einen durchgreifenden und beständigen Einsatzerfolg erzielen kann, vgl. DFV, 2020. Sie kann aber auch – wie sonst nur Einsätze mit Extremniederschlägen von Regen oder Schnee, wenigen Gefahrgutlagen – höchst dynamisch verlaufen. Dabei können sich durch unterschiedliche Einflüsse (Windrichtung und Stärke, Munitionsverdacht, Ausbleiben von Luftunterstützung uvm.) die Lagen sehr schnell und gravierend über die gesamte Einsatzstelle verändern.
Die Einsatzkräfte müssen daher in der Vegetationsbrandbekämpfung rechtzeitig die spezielle Lage und ihre jeweiligen konkreten Gefahren erkennen und bewerten. Sie müssen diese Erkenntnisse über alle Führungsebenen und -strukturen so teilen, dass die jeweils notwendigen Informationen ankommen, ohne übergeordnete Stellen mit Unwichtigem zu fluten. Immer wichtiger wird hierzu auch die Bereitstellung von Bild- oder gar Videodaten, auch in Stabsführungssystemen, um die Dimensionen klar beschreiben zu können.
Führungskräfte müssen in dieser Einsatzlage die Umstellung auf Einsatztaktiken schaffen, die sich im Vergleich zu den anderen Brandbekämpfungsszenarien, wie z. B. bei einem Zimmerbrand, besser für lange Einsätze eignen. Dazu müssen sie im Vergleich zu den üblichen Standardeinsätzen mit mehr und anderen Einsatzoptionen auch anderer Behörden und spezifischer Dienstleister planen und arbeiten, um einen sicheren, dabei effizienten und effektiven und damit insgesamt guten Löscheinsatz, durchführen zu können. Dies kann am besten durch das Zusammenwirken verschiedenster Einsatzbereiche und -taktiken erreicht werden. Dazu müssen Mitarbeiter verschiedenster Gefahrenabwehrorganisationen, der Bundeswehr, Polizei und Forstwirtschaft sowie Meteorologie und ggf. Geologie bzw. Geographie unter einer gemeinsamen Einsatzleitung zielorientiert zusammenarbeiten.
Um dies erreichen zu können, ist die Vernetzung der völlig unterschiedlichen Fähigkeiten der verschiedenen beteiligten Einheiten und Fähigkeiten notwendig. Dies bedeutet automatisch auch die notwendige Vernetzung von verschiedenen Trägern bzw. Organisationen – und auch verschiedener Führungsstrukturen bzw. -kulturen sowie die Schaffung von notwendigen Schnittstellen (technisch bzw. menschlich). Als „Vorbild“ im Sinne der strategischen und taktischen Grundlagen kann man hier das sog. „Gefecht verbundener Waffen“ heranziehen, vgl. HDV 100/200 (alt), 1998. Seit 2007 wird diese Taktik in der Überarbeitung der HDV 100/200 (neu), 2010, als „Operation verbundener Kräfte“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ist heute treffender und auch für den Einsatz bei nicht-polizeilichen Großschadenslagen passend. Längst spielt nicht nur der Löschmitteleinsatz eine Rolle, sondern für einen Einsatzerfolg müssen viele verschiedene Spezialisten mit hinzugezogen werden, so auch im ggf. mehrtägigen Einsatz bei großflächigen und dynamischen Vegetationsbrandlagen. CIMOLINO, 2010, hat für Großschadenslagen allgemein die entsprechenden Führungsanforderungen und möglichen Einsatz- bzw. Unterstützungseinheiten für die Gefahrenabwehr beschrieben.
Dies erfordert unter anderem eine entsprechend flexible Führungsorganisation, weil nicht immer alle Teile gleich stark benötigt werden und die tatsächlichen Notwendigkeiten nicht nur vom Ausmaß des Feuers, sondern vor allem von den topographischen und meteorologischen Verhältnissen im Brandgebiet abhängen.
Aufgrund der Vielzahl der beteiligten Einheiten bzw. Kräfte verschiedener Feuerwehren, Hilfsorganisationen, der (Bundes-)Polizei und ggf. der Bundeswehr sowie Fachbehörden wie Forstämter und Spezialisten wie Meteorologen ist es notwendig, diese von Anfang an in geeigneter Weise zusammen arbeiten zu lassen – also zu vernetzen. Dafür sind mindestens umfangreiche Maßnahmen der Einsatzvorbereitung, vor Ort verfügbare und einfache Checklisten (vgl. CIMOLINO, ELH, 2020) erforderlich. Insbesondere die Führung mit Papier stößt jedoch bei größeren und komplexen Lagen schnell an reelle und praktische Grenzen.
Geschieht dies daher immer mehr mit technischer Unterstützung, z. B. mit einem Mesh-WLAN-System mit geeigneter Software (vgl. CIMOLINO, 2000/2008 und CIMOLINO, 2010) bietet sich dazu der Begriff (automatisch) vernetzte Führung (engl. „Mesh Incident Management“ oder allgemeiner „Mesh Crisis Management“) an. In dem Fall ist unter vernetzter Führung zu verstehen, dass sich die beteiligten Kräfte über (vorher bekannte oder neu zu schaffende) Möglichkeiten untereinander kommunikativ vernetzen (oder sich auch nur schlicht in einer Einsatzleitung bzw. im Stab treffen) und gemeinsam jeder mit seinen Fachkenntnissen unter einer Leitung (i.d.R. durch die Feuerwehr) an der Problemlösung arbeiten. Dies ist dann praktisch die Fortführung der Stabsarbeit im Sinne der FwDV 100 unter modernen Aspekten.
Stabsunterstützungssysteme können (und sollten!) heute auch aggregativ eingesetzt werden, d.h. Meldungen werden automatisch gesammelt und nach oben über die Hierarchiestufen weitergeleitet. Dabei sollten nur die Inhalte prioritär weitergegeben werden, die in den oberen Stabsebenen auch von Interesse sind, um ein Überfluten mit Informationen zu verhindern. Ein ebenfalls möglicher alternativer Ansatz ist das Verdichten und Aufbereiten innerhalb eines durchgängig vernetzten Systems – sowohl hinsichtlich der Dokumentation in den Einsatzabschnitten als auch im Bereich der Einsatzorganisation (Organigramm / Funkskizze) und der Lagedarstellung, die filter- und steuerbar sowohl die Details innerhalb eines Einsatzabschnitts oder Unterabschnitts darstellen können muss als auch das auf die wesentlichen Informationen reduzierte „große Ganze“ für die Führungsebene. Heute ist der Einsatz vernetzter Systeme sowohl stationär bzw. (halb-)mobil auf PC (vgl. oben) bzw. auch hochmobil (z. B. auf Tablet-PCs) möglich.
Bei großen Vegetationsbrandlagen mit entsprechend größeren Entfernungen zwischen den Abschnitten bzw. (Führungs-)Fahrzeugen muss die Vernetzung statt über Mesh-WLAN ggf. über UMTS/Satellit o.ä. erfolgen, weil für Mesh-WLAN bei großflächigen Ereignissen die Entfernungen zu groß werden. Dabei ist zu beachten, dass es eben nicht nur um die Einsatzstelle an sich mit ihrer oft erheblichen Ausdehnung, sondern auch um das noch größere Umfeld, z. B. inklusive Wasserförderung über oft viele Kilometer (vgl. DE VRIES, 2008) oder die Luftunterstützung (vgl. @FIRE, 2020) geht.
Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Einsatz von IT- bzw. Softwarelösungen unter solchen „erschwerten“ Bedingungen schon in deren Konzeption eingeplant werden muss. Von einer durchgängig verfügbaren, performanten Netzwerkverbindung kann auch bei Verwendung von Mesh-Netzen in diesem Fall nicht ausgegangen werden. Eine Offline-Fähigkeit der mobil eingesetzten Systeme mit automatischem Datenabgleich bei Wiederherstellung der Verbindung ist unerlässlich, denn die Einsatzkräfte können sich während einer solchen Lage nicht um Probleme mit der IT kümmern.
Die vernetzte Führung in Einsatzorganisationen bzw. zwischen verschiedenen Organisationen und über diese hinweg in Verwaltungsstäbe der Ebene Bezirksregierung oder Bundesland bzw. bis auf die Bundesebene steckt erst in den Kinderschuhen. Auch die Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes (vfdb) hat schon wiederholt, z. B. zur Jahresfachtagung 2017 sowie zuletzt mit einem offenen Brief an die Politik und die Bedarfsträger der Gefahrenabwehr im Mai 2020 auf die Dringlichkeit des Ausbaus der Vernetzung und Digitalisierung hingewiesen.
Ansätze dazu sind zwar seit einigen Jahren erkennbar, vgl. zur Kommunikationstechnik CIMOLINO, 2000-2008, zur Einsatz- und Abschnittsleitung GRAEGER, 2003-2009; am Beispiel des digitalen Waldbrandatlas, BECKER, 2020. Aber leider sind die verschiedenen Anbieter der Systeme der Softwareseite von Leitstellentechnik bzw. Stabsunterstützungssystemen nicht ohne weiteres kompatibel. Neben der Problematik der Schnittstellen sind im Bereich der Stabsführungssysteme auch unterschiedliche Systemkonzepte eine Ursache für eine beschränkte Kompatibilität. Während es einerseits einfache Systeme gibt, die keine Anbindung an Einsatzleitsysteme haben und nur das interaktive Bearbeiten einer Lage zu einer Zeit ermöglichen, bieten andere Systeme die Übernahme von Einsatzdaten aus dem jeweiligen Leitsystem an und können daher auch mehrere Lagen und Stäbe parallel versorgen.
Möglicherweise schaffen Vorhaben wie die universelle Leitstellenschnittstelle EFUL und das Projekt VIDaL (Vernetzung von Informationen zur Darstellung der Landeslage) hier zukünftig Abhilfe – auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass damit komplexe Lagen über Systemgrenzen ausgetauscht werden können. Betrachtet man die unterschiedliche Hardware (im PC- und Laptopbereich v.a. die „Windows“- vs die „IOS“-Welt, mobil zusätzlich z. B. noch Android von Google) so wird das Problem allerdings noch komplexer (vgl. CIMOLINO, 2012) – hier bieten plattform-unabhängige, Web-basierte Module mit „Responsive Design“ (Anpassung der Visualisierung an das Gerät / den Bildschirm) für die Zukunft taugliche Lösungsansätze.
Literatur bei den Verfassern
Dr. rer. sec. Ulrich Cimolino
Branddirektor Feuerwehr Düsseldorf,
Vorsitzender AK Waldbrand
Roland Lutz
Informatiker und Autor von Fachartikeln
und Fachbuch-Beiträgen
E-Mail: roland.lutz@geobyte.de