Vermeidung von Stromunfällen beim Einsatz von Hubrettungsfahrzeugen
Deutscher Feuerwehrverband
Nach einem Unfall mit Todesfolge beim Einsatz einer Drehleiter durch deren Kontakt mit einer Starkstromleitung soll diese Fachempfehlung der Vermeidung von Stromunfällen beim Einsatz von Hubrettungsfahrzeugen dienen. Da bei den Anwendern Unsicherheiten vorliegen, hat der AK Arbeitssicherheit der AGBF-NRW eine Übersicht erstellt, welche technischen, organisatorischen und persönlichen Maßnahmen kombiniert umgesetzt werden können, um die Sicherheit zu verbessern.
Derzeit sind rein technische Einrichtungen an Hubrettungsfahrzeugen, zum Beispiel Spannungswarner, nicht ausreichend hilfreich. Bei der Festlegung von Maßnahmen im Arbeitsschutz wird sich am STOP-Prinzip orientiert. Die Reihenfolge entspricht der Reihenfolge der durchzuführenden Maßnahmen.
Die Abkürzung STOP steht für:
- S – Substitution
- T – Technische Maßnahmen
- O – Organisatorische Maßnahmen
- P – Personen- und Verhaltensbezogene Maßnahmen.
Substitution ist bei Einsätzen aufgrund der vorgegebenen Lage bzw. Arbeitsumgebung nicht anwendbar. Die Fachempfehlung beschreibt die Maßnahmen nach der S-T-O-P-Regel und soll damit zur Vermeidung solcher Unfälle beitragen.
Technische Maßnahmen
Einbau von Spannungswarnern
Die Hersteller von Hubrettungsgeräten bieten derzeit Spannungswarner für den Einbau in ihren Fahrzeugen an. Dabei handelt es sich beispielsweise um eine Kabelführung am Leitersatz, an deren Ende sich an der Leiterspitze zwei Antennen zur Stromdetektion befinden. Die optisch akustische Auswerteeinrichtung befindet sich am Hauptbedienstand. Der (alleinige) Einbau eines Spannungswarners ist aus Sicht der Verfasser jedoch nicht zielführend und ausreichend, da er bei Vorhandensein einer Gleichspannungsquelle nicht warnt und aus diesem Grund eine falsche Sicherheit suggeriert. Gleichfalls muss der abgedeckte Frequenzbereich, der vom jeweiligen Spannungswarner überwacht werden kann, durch die Feuerwehren genau geprüft und mit den Anforderungen abgeglichen werden (zum Beispiel Bahnstrom 16 ⅔ Hz; Hausstromversorgung 50 Hz).
Einsatz von handgeführten Stromtestern (zum Beispiel Hot-Stick)
Diese Geräte befinden sich ebenfalls bei den Feuerwehren in der Nutzung. Sie haben aber, genau wie die oben genannten Spannungswarneinrichtungen, den Nachteil, dass diese bei Vorhandensein einer Gleichspannungsquelle ebenfalls nicht warnen und daher auch nur bedingt aussagekräftig sind. Die Geräte funktionieren berührungslos und geben ein optisches sowie akustisches Signal bei Annäherung an eine Wechselspannungsquelle im Frequenzbereich von 20 bis 100 Hz ab. Der mögliche Einsatzbereich der elektrischen Spannung ist der jeweiligen Betriebsanleitung zu entnehmen.
Einbau von Erkundungsscheinwerfern
Der Einbau von Erkundungsscheinwerfen an den Hubrettungsgeräten erscheint als sehr hilfreich. Mit Einschalten des Nebenantriebes schalten sich die Scheinwerfer automatisch ein und beim Anfahren des Rettungskorbs oder auch manuell wieder aus. Versuche mit den Scheinwerfern haben gezeigt, dass selbst bei höheren Leitungen eine sehr gute Sichtbarkeit durch Reflexion der Leitungen herbeigeführt wird. Der Einbau der Scheinwerfer bringt neben der besseren Erkennbarkeit von stromführenden Leitungen im Arbeitsfeld des Hubrettungssatzes einen weiteren Vorteil bei der Ausleuchtung von Fassaden oder anderen anzuleiternden Stellen.
Falls keine speziellen Erkundungsscheinwerfer vorhanden sind, sollten sonstige Scheinwerfer hilfsweise manuell zur Erkundung nach Leitungen oberhalb des Hubrettungsfahrzeuges eingesetzt werden.
Organisatorische Maßnahmen
Zur Sensibilisierung der Einsatzkräfte sind neben den technischen Maßnahmen Hinweise an Haupt- und Korbbedienstand notwendig. Ein Hinweisfeld bei Inbetriebnahme zum Beispiel „Achtung Freileitung“ im Bildschirm wäre denkbar. Die Anbringung von Hinweisaufklebern an Bestandfahrzeugen wäre als Alternative zu den visuellen Hinweisen in den Bedienelementen bei Neufahrzeugen möglich.
Als Ergänzung zu den organisatorischen Maßnahmen am Hubrettungsfahrzeug können die Feuerwehren auch im Rahmen der Einsatzvorbereitung zusätzlich Hinweise zu Freileitungen in den Alarmdepeschen aufnehmen.
Persönliche Maßnahmen
Wiederkehrende Aus- und Fortbildungen
Mittlerweile als Standard-Verfahrensbeschreibung zur richtigen und schnellen Positionierung von Hubrettungsfahrzeugen ist die HAUS-Regel vom Team drehleiter.info weitläufig verbreitet.
Die Abkürzung der HAUS Regel steht für:
- H – Hindernisse
- A – Abstände
- U – Untergrund
- S – Sicherheit
In dieser Reihenfolge hat die Besatzung des Hubrettungsfahrzeugs das Arbeitsumfeld zu prüfen, so dass bereits dort die Kollision oder Annäherung an spannungsführende Leitungen möglichst ausgeschlossen werden kann. Die Empfehlung für die Aus- und Fortbildung an Hubrettungsfahrzeugen der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in der Bundesrepublik Deutschland (AGBF Bund) berücksichtigt ebenfalls die Einsatzgrundsätze der HAUS-Regel in vollem Umfang.
Unterweisungen
Die regelmäßige Unterweisung bezieht sich immer auf die konkret vorgehaltene Lösung und muss, sofern ein Spannungswarner eingesetzt werden soll, immer auf Einsatzmöglichkeiten und -grenzen des konkret verbauten technischen Systems hinweisen. Somit sind nicht nur die Einsatzgrundsätze bei der Schulung inhaltlich zu berücksichtigen, sondern im Besonderen auch die Einsatzgrenzen.
Fazit
Diese Fachempfehlung soll auf die möglicherweise teils lebensgefährlichen Situationen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Hubrettungsfahrzeugen und spanungsführenden Leitungen hinweisen. Die Umsetzung einzelner Maßnahmen verhindert keineswegs Unfallsituationen beim Kontakt des Leitersatzes mit spannungsführenden Leitungen, sondern es ist die Kombination von technischen, organisatorischen und persönlichen Maßnahmen, die zur Verhinderung der Unfälle beitragen soll.
Der Kostenaufwand für die technischen Einrichtungen pro Fahrzeug durch den empfehlenswerten Einbau von Erkundungsscheinwerfern (und eventuell möglicherweise durch den Einbau von Spannungswarnern) ist individuell zu prüfen. Erste Nachfragen bei den Herstellern haben ergeben, dass ein kleiner vierstelliger Euro-Betrag ausreicht, um ein wesentlich höheres Maß an Sicherheit zu erreichen.
Im Hinblick auf die Abschreibungszeiträume der Fahrzeuge sind die Aufwendungen eher marginal. Die finanziellen Aufwendungen für organisatorische und persönliche Maßnahmen sind gleichermaßen gering.
Anlage Matrix
Nachfolgend ist eine Matrix aufgeführt, die durch den AK Arbeitssicherheit der AGBF NRW erstellt wurde. Die Inhalte sind umfassend recherchiert, begründen aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit der technischen Maßnahmen, die derzeit auf dem Markt verfügbar sind. Alle aufgeführten Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen sind nach dem T-O-P-Prinzip geordnet. „T“ steht für technische Maßnahmen, „O“ für organisatorische Maßnahmen und „P“ für persönliche Maßnahmen.
Erstellt wurde diese Information durch den Verband der Feuerwehren in NRW (VdF NRW) und die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in NRW (AGBF NRW) mit Unterstützung des Fachausschuss Technik der deutschen Feuerwehren. Der Fachausschuss ist ein gemeinsames Gremium der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in der Bundesrepublik Deutschland (AGBF Bund) und des Deutschen Feuerwehrverbandes.
Deutscher Feuerwehrverband
Fachempfehlung des Fachausschusses Technik der deutschen Feuerwehren
AGBF-Bund
http://www.feuerwehrverband.de/fe-stromunfall-hubrettung.html