Bundeswehr und IT

Hans-Herbert Schulz

Bundeswehr-Hannemann

CP sprach mit Dietmar Theis, dem IT-Direktor der Bundeswehr. Theis hat die Position im Rahmen der Umstrukturierung des Bundesverteidigungsministeriums 2012 übernommen. Er ist promovierter Physiker und hat in früheren beruflichen Stationen unter anderem als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Softwareentwickler gearbeitet.

CP: 

Sie haben im September 2015 beim Koblenzer IT-Tag sinngemäß gesagt, dass bei solchen Veranstaltungen versucht würde, neue Antworten auf alte Fragen zu finden. Welche neuen Antworten kann der IT-Direktor geben?


Dietmar Theis:

Es gibt eine ganze Reihe von Fragen, die uns seit vielen Jahren begleiten: Wie schaffen wir Interoperabilität – insbesondere multinational? Wie erlangen wir die Fähigkeit zur Vernetzten Operationsführung? Wie schaffen wir es, mit den Innovationszyklen der IT auf dem zivilen Markt Schritt zu halten? Wie sieht die optimale IT-Organisation aus?

Rahmenbedingungen, Technologien, Bedrohungen ändern sich und die Erwartungshaltung der Nutzer auch. Die Antwort, die in der heutigen Situation richtig ist, kann morgen falsch sein. In der neuen IT-Strategie für den Geschäftsbereich des BMVg haben wir versucht, aktuelle Antworten auf neue, aber eben auch auf alte Herausforderungen zu geben.

Nur zwei Beispiele: Als die Bundeswehr in 2006 zur Konsolidierung und Modernisierung ihrer IT eine Öffentlich-Private Partnerschaft einging, war dies trotz aller Anlaufschwierigkeiten die richtige Entscheidung. Unter den heutigen Rahmenbedingungen haben wir uns dafür entschieden, unseren IT-Dienstleister – die BWI – ohne Beteiligung der Industrie als sogenannte In-House-Gesellschaft selbst zu führen.

Oder denken Sie an moderne Formen der Arbeitszeitgestaltung. Noch vor wenigen Jahren betonte die Leitung des BMVg anlässlich der Einführung von Telearbeit, dass der eigentliche Arbeitsplatz auch weiterhin das Büro sei. Heute schaffen wir monatlich bis zu 100 Telearbeitsplätze neu, und ortsunabhängiges Arbeiten mit mobiler IT-Ausstattung wird auch in der Bundeswehr immer mehr zum Standard.


CP: 

Wie unterscheidet sich die aktuelle IT-Strategie von der in 2012?


DT: 

Mit der IT-Strategie aus dem Jahr 2012 haben wir seinerzeit den richtigen Weg eingeschlagen, um der Bedeutung der IT als „enabler“ für alle Führungs- und Geschäftsprozesse des Verteidigungsressorts gerecht zu werden. Die neue IT-Strategie behält den Weg in vielen Bereichen bei, ist jedoch neben der inhaltlichen Weiterentwicklung sehr viel systematischer, stringenter und stärker am Ziel einer gesamtheitlichen IT-Architektur ausgerichtet.

Um den Interdependenzen unterschiedlicher IT-Projekte besser Rechnung zu tragen, wollen wir das heutige Projektmanagement durch ein Programmmanagement ergänzen und weiterentwickeln. Den Integrierten Planungsprozess und den Ausrüstungs- und Nutzungsprozess wollen wir so anpassen, dass die Einführung handelsüblicher IT deutlich beschleunigt wird – zukünftig Monate statt Jahre.

Wir haben ein Zielbild für die Systemarchitektur des IT-Systems der Bundeswehr vorgegeben, das die Grundlage für die Weiterentwicklung und Migration bestehender IT-Systeme darstellt. Neben den fähigkeitsgetriebenen Projekten wird es zukünftig auch technikgetriebene Projekte – sogenannte „Architekturprojekte“ – geben, die durch den IT-Direktor veranlasst werden.


CP: 

Die Einführung von SAP Software in die Bw (SASPFBw) hat sich ja als langwieriger und komplexer als ursprünglich erwartet herausgestellt. Wie ist der Sachstand und wie geht es weiter?

DT: 

Es ist richtig, dass die Einführung von SASPF ursprünglich früher abgeschlossen sein sollte. Es wäre aber falsch, dies unter der Überschrift zu sehen, dass hier wieder einmal ein Großprojekt deutlich länger braucht und teurer wird als geplant. Tatsächlich arbeiten heute bereits rd. 60.000 Bundeswehrangehörige mit SASPF – geplant waren einmal 45.000. Auch wurde SASPF früher als reines System für den Grundbetrieb gesehen, heute unterstützen wir damit auch Einsätze. Der geforderte Funktionsumfang wurde über die Jahre immer mehr erweitert. SASPF ist heute längst ein System in der Nutzung, das über den gesamten Lebenszyklus immer wieder Erweiterungen, Anpassungen und Verbesserungen erfahren wird.

Wir erstellen derzeit eine Programmstrategie SASPF, in der wir festlegen, was wir bis zum Jahr 2020 realisieren wollen. Dazu gehört auch die Modernisierung der technologischen Basis. Als Einstieg dazu beabsichtigen wir unser Business Information Warehouse auf die sogenannte HANA-Technologie umzustellen.


CP: 

Was ändert sich nach Abschluss dieses Jahres, dem Ende des bisherigen HERKULES-Vertrages, für die IT der Bw?

DT: 

Für die Bundeswehrangehörigen hoffentlich erst einmal nichts. Das wäre ein großer Erfolg. Denn es ist durchaus nicht selbstverständlich, dass Gesellschaften mit Bundesbeteiligung nach dem Ausstieg von industriellen Partnern die bisherige Servicequalität ohne Leistungseinbruch weiterhin sicherstellen können. Das haben wir erkannt und haben Maßnahmen zur Gegensteuerung ergriffen. Es ist bei Weitem nicht damit getan, einen neuen Leistungsvertrag zwischen Bundeswehr und unserem IT-Dienstleister, der BWI, zu schließen. 

Wir müssen auch dafür sorgen, dass das Fachpersonal in der BWI an Bord bleibt und mehrere hundert Zulieferverträge, die alle Ende 2016 auslaufen, rechtzeitig erneuert werden. D.h. im Klartext: Mehrere hundert Vergabeverfahren nach öffentlichem Vergaberecht, die noch im laufenden Jahr erfolgreich zum Abschluss gebracht werden müssen – eine echte HERKULES-Aufgabe. Wenn das geschafft ist, können und wollen wir die BWI neu ausrichten und zu einem Systemhaus der Bundeswehr weiterentwickeln.


CP: 

Welchen Beitrag leistet Ihr Verantwortungsbereich zum Weißbuch der Bundesregierung?


DT: 

Mit dem laufenden „Weißbuchprozess“ ist beabsichtigt, die politischen Vorgaben zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr zu aktualisieren und als ressortübergreifendes strategisches Grundlagendokument zur Sicherheitspolitik zu veröffentlichen. Die dauerhafte Gewährleistung der Auftragserfüllung der Bundeswehr bedarf eines kontinuierlichen Abgleichs mit dem sich wandelnden sicherheitspolitischen Umfeld und der Fortschreibung der strategischen Grundlagendokumente. Hierzu haben auch wir mit der IT-Strategie einen Beitrag geleistet, der auch die politischen Vorgaben zur IT-Steuerung und zur IT-Konsolidierung des Bundes berücksichtigt.


CP: 

Welche Erwartungen hat der IT-Direktor an die Neuordnung des OrgBer IT/cyber?


Wie die Bundesministerin der Verteidigung in ihrem Tagesbefehl vom 17. September 2015 - als Ausgangslage für die Neuausrichtung des Bundeswehr im Cyber- und Informationsraum - bereits ausgeführt hat, besteht ein deutliches Optimierungspotenzial in der Bündelung der bisher verteilten Verantwortlichkeiten im Bereich Cyber/IT. Hiervon verspreche ich mir eine wesentlich bessere Abstimmung der betroffenen Bereiche, z.B. für IT-Planung, IT-Realisierung, IT-Betrieb und Cyber-/IT-Sicherheit, und damit die Chance einer effektiven IT-Governance „aus einer Hand“. Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass es gelingt, Verantwortung und Zuständigkeiten in Übereinstimmung zu bringen – dies gilt sowohl für den zukünftigen CIO im BMVg als auch für den Leiter des zukünftigen militärischen Organisationsbereichs. 

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