Digitaler Schub bei der Bundeswehr in Zeiten der Pandemie

Jochen Reinhardt

BWI GmbH

In vielen Bereichen unserer Gesellschaft hat die COVID-19-­Pandemie den Ruf nach digitalem Wandel nochmals befeuert. Auch die Bundeswehr ist – gerade in Krisenzeiten – auf ein stabiles und sicheres IT-System mit modernen Kollaborationsmöglichkeiten angewiesen. Zwar befand sich die Bundeswehr schon vor der Pandemie auf dem Weg zu ihrer digitalen Transformation, viele der angestoßenen digitalen Lösungen waren jedoch nicht in einem so breiten Umfang umgesetzt, wie es in der Pandemie etwa beim mobilen Arbeiten durch Telearbeitsplätze notwendig wurde.

Mit Beginn des ersten bundesweiten Lockdowns im März 2020 stieg der Bedarf an sicheren Online-Zugängen für Heimarbeitsplätze der Bundeswehrangehörigen schlagartig an. Immer mehr Anforderungen rund um das Thema „mobiles Arbeiten“ rückten in den Fokus oder kamen erneut auf die Agenda. Dank der frühzeitigen Entscheidung der Bundeswehr für die Digitalisierung befanden sich einige der jetzt akut erforderlichen digitalen Lösungen bereits in der Umsetzung oder waren zumindest teilweise im IT-System der Bundeswehr implementiert. So konnten die mobilen und sicheren Anwendungen in dieser fordernden Situation um- oder neupriorisiert und an den dringlichsten Stellen bereits früher als geplant in Betrieb genommen werden. Eine ad hoc formierte gemeinsame Steuergruppe aus Vertretern des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), des Kommandos Informationstechnik der Bundeswehr (KdoITBw) und der BWI hat hier eng zusammengearbeitet.

Mobil und sicher

Als Digitalisierungspartner der Bundeswehr ist die BWI dafür verantwortlich, dass die Soldatinnen und Soldaten und zivilen Angehörigen nicht nur mobil, sondern vor allem sicher arbeiten können. Aufgrund der gestiegenen Anzahl von Bundeswehrangehörigen im Homeoffice kam es anfangs zu Kapazitätsengpässen beim mobilen Zugriff auf das IT-System per Remote Access Service (RAS). Hier konnte die BWI die Anzahl der RAS-fähigen Endgeräte bei der Bundeswehr von 25.700 auf inzwischen 67.000 erhöhen. Zusätzlich bestand ein erhöhter Bedarf an Geräten zur Sicheren Mobilen Kommunikation (SMK), dem die BWI mit der Erhöhung der Anzahl von 10.000 auf 20.000 Geräte begegnen konnte. Damit wird die mobile Arbeitsfähigkeit weiter verbessert und gleichzeitig für eine sichere Kommunikation gesorgt. Darüber hinaus wurden die regionalen Krisen-Einsatzkommandos kurzfristig mit Pools zu je 500 Notebooks inklusive mobilem Zugang zum Netz der Streitkräfte ausgestattet.

Per Sofortmaßnahme hatte die BWI – in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr – die vorhandene Backend-Infrastruktur kurzfristig erhöht, um mehr gleichzeitige Verbindungen für mobile Datenzugriffe ermöglichen zu können. Was im Frühjahr als Nothilfe gestartet war, konnte im Verlauf des Jahres durch ein Backend für die Plattform SINA – Sichere Inter-Netzwerk Architektur – erweitert werden: Bis Ende 2020 hat die BWI insgesamt 10.000 Workstations an die Bundeswehr und das Bundesministerium der Verteidigung ausgegeben. Darüber hinaus wurde die Software OpenVPN (Virtual Private Network) in rund 50.000 Paketen an die Bundeswehr verteilt.

In enger Abstimmung mit der Bundeswehr koordinierte ein zentraler Notfallstab der BWI von März bis Juni 2020 alle Maßnahmen, um die Arbeitsfähigkeit und Serviceerbringung der Bundeswehr sicherzustellen und die IT-Betriebsfähigkeit zu erhalten. Dazu zählte auch der Schutz der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor einer Ansteckung mit dem Virus. Vor diesem Hintergrund wurde beispielsweise der größte Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im BWI-Nutzersupport, dem so genannten User Helpdesk, mit Beginn des ersten Lockdowns ins Homeoffice verlagert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Bereich kümmern sich um Fragen und Probleme der Bundeswehrangehörigen rund um ihre IT-Ausstattung – noch im Laufe des Jahres erledigten fast alle der insgesamt 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im User Helpdesk diesen Auftrag vom heimischen Arbeitsplatz aus.

Medizinisches Personal mit Schutzkleidung.
Medizinisches Personal mit Schutzkleidung.
Quelle: Jonas Weber/Bundeswehr

BWI erweitert IT-Infrastruktur für COVID-19-Lagezentrum

Rund ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie und angesichts mehrfach verschärfter COVID-19-Maßnahmen arbeitet nahezu die komplette BWI-Belegschaft von zu Hause. Nicht alle Aufträge lassen sich jedoch 1:1 ins Homeoffice verlagern: Die Servicetechniker des IT-Dienstleisters etwa können das Gros ihrer Arbeiten ausschließlich in den Liegenschaften der Bundeswehr erledigen. Im Frühjahr 2020 beispielsweise optimierten sie die IT-Infrastruktur im COVID-19-Lagezentrum des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr in der Falckenstein-Kaserne in Koblenz. Von dort aus koordiniert das Kommando Sanitätsdienst die Arbeit in den deutschlandweit fünf Bundeswehrkrankenhäusern. 

Nach einem Umzug innerhalb der Koblenzer Kaserne war das Anfang März 2020 eingerichtete Zentrum in seiner Fläche vergrößert worden, um die neuen Infektionsschutzvorgaben bezüglich der empfohlenen Mindestabstände für die Arbeitsplätze einzuhalten. Die Service-Mitarbeiter der BWI sollten nun vor Ort die Kapazität der IT-Infrastruktur erhöhen. Dieser Auftrag wurde buchstäblich über Nacht umgesetzt, um den laufenden Betrieb nicht zu stören. Bereits am nächsten Morgen konnte das Lagezentrum seine Arbeit in den neuen Räumen fortsetzen – nur ein Beispiel für zahlreiche Maßnahmen, die durch den dringenden Bedarf sehr kurzfristig und flexibel umgesetzt werden konnten.

Noch im selben Monat folgten weitere Aufträge des BAAINBw für die BWI: Eine Ausstattung sowohl des Einsatzführungszentrums als auch mehrerer Kliniken mit moderner Videokonferenztechnik sollte die Kommunikation zwischen der „Schaltzentrale“ im Kommando Sanitätsdienst und den Kliniken erleichtern. Bereits Ende März 2020 konnten die Videokonferenzanlagen in den Bundeswehrkrankenhäusern Berlin und Ulm sowie im Einsatzführungszentrum in Koblenz den Betrieb aufnehmen, kurz darauf gefolgt von den Häusern in Westerstede und Hamburg sowie vom Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz.

Eine effektive und effiziente Gesundheitsversorgung ist essenziell – auch und besonders für die Streitkräfte. Das hat nicht erst die COVID-19-Krise bewiesen, denn die BWI unterstützt hier nach wie vor mehrere Projekte. So zum Beispiel in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Bundeswehrkrankenhauses in Berlin, wo – ebenfalls recht kurzfristig – eine Online-Videosprechstunde umgesetzt werden konnte.

Oberfeldarzt Dr. David Back während der Videosprechstunde mit einem Patienten.
Oberfeldarzt Dr. David Back während der Videosprechstunde mit einem Patienten.
Quelle: Bundeswehr

Eine verlässliche Partnerschaft

Insgesamt hat die COVID-19-Krise gezeigt, dass sowohl kurzfristige Herausforderungen als auch bereits langjährig abgerufene Unterstützungsleistungen von der Bundeswehr und ihrem IT-Dienstleister flexibel und agil gestemmt werden können. Beide Partner können sich aufeinander verlassen, wie beispielsweise im Bereich des SAP-Support: Dieser unterstützt flächendeckend sämtliche SAP-Anwendungen für logistische und administrative Prozesse in Verantwortung der Bundeswehr. 

Dazu zählen etwa das Personalmanagement, die Instandhaltung, die Material- und Immobilienwirtschaft sowie das Finanzwesen. Rund 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BWI, die üblicherweise vor Ort in den Bundeswehrliegenschaften arbeiten, haben vom ersten Tag des ausgerufenen Notbetriebes an bewiesen, dass alle SAP-Services auch vom Homeoffice aus sicher und störungsfrei unterstützt werden können. Eine Leistung, die das gegenseitige Vertrauen stärkt.

Mit dem BwMessenger stellt die BWI den Bundeswehrangehörigen einen...
Mit dem BwMessenger stellt die BWI den Bundeswehrangehörigen einen einheitlichen, sicheren Messenger zur Seite.
Quelle: BWI GmbH

Sicherer und geräteunabhängiger Messag­ing-Dienst für die deutschen Streitkräfte

Nicht nur während eines Lockdowns hat die Bundeswehr einen hohen Bedarf an mobilen Kommunikationslösungen: Bereits seit Ende 2019 hat die BWI im Auftrag der Bundeswehr eine Messenger-Anwendung erprobt, auf Basis des Open-Source-Standards „Matrix“ selbst entwickelt und betreibt ihn mittlerweile für die Bundeswehr.

Die Lösung, die auf einer eigenen Infrastruktur betrieben wird und über moderne Verschlüsselungsalgorithmen verfügt, wurde im November 2020 unter dem Namen BwMessenger als einheitlicher Messenger für die Bundeswehr offiziell eingeführt. Für die offene Kommunikation – sowohl auf dienstlichen als auch privaten Mobilgeräten der Bundeswehrangehörigen – kann der BwMessenger von allen Angehörigen der Bundeswehr in den App-Stores für Android und iOS heruntergeladen werden – sicher und geräteunabhängig. 

Neben einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung des kompletten Datenverkehrs wird die Lösung auf der IT-Infrastruktur der Bundeswehr betrieben, womit diese volle Souveränität über die Daten besitzt. Sämtliche Daten werden verschlüsselt in einer eigenen Umgebung, anstatt auf dem nativen Speicher des Smartphones abgelegt. Zudem kann die BWI den Messenger jederzeit gemäß den Vorgaben der Bundeswehr beziehungsweise des Feedbacks von Nutzerinnen und Nutzern anpassen und erweitern. Der BwMessenger ist das erste Open-Source-Vorhaben von Bundeswehr und BWI dieser Größenordnung. Unter anderem mit dieser bewussten Entscheidung für ein eigenes, skalierbares System und gegen kommerzielle Produkte ist die Bundeswehr abermals ein Stück weit mehr digital souverän geworden. 


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