Einsatz- und geschäftskritische Kommunikation

Frequenzen, Harmonisierung und Interoperabilität

PMeV/CP

PantherMedia/Péter Gudella

Dedizierte Mobilfunksysteme, die Verfügbarkeit von Frequenzen und die Harmonisierung des Frequenzspektrums sind die Voraussetzung für die einsatz-, sicherheits- und geschäftskritische Kommunikation professioneller Anwender. Das gilt für Schmalband- und Breitbandkommunikation, zu deren Anwendern Sicherheitsbehörden, Betreiber kritischer Infrastrukturen und Industrieunternehmen gleichermaßen zählen. Entsprechende Konzepte werden international und national von Gremien, Verbänden, Anwendern und Herstellern im Dialog entwickelt, mit Regulierungsbehörden abgestimmt und von der Politik festgelegt. Zu den aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen äußert sich Bernhard Klinger, Vorsitzender des PMeV – Netzwerk sichere Kommunikation im Interview. 

CP: Wie entwickelt sich die Frequenzharmonisierung für die kritische Breitbandkommunikation?

Klinger: Zunächst gilt für Breitbandtechnologien dasselbe, was auch seinerzeit bei der Entwicklung von TETRA galt: Für die Anwender ist es wichtig, dedizierte Kommunikationssysteme auf dediziertem Spektrum nutzen zu können. Im Hinblick auf die Breitbandtechnologien der nächsten Generation ist es den internationalen Gremien gelungen, das LTE-Spektrum für die öffentliche Sicherheit zu harmonisieren. Weltweit wurden sowohl 700 als auch 800 MHz als Spektrum für Breitbandanwendungen der Sicherheits- und Rettungskräfte festgelegt. Regional – zum Beispiel in Europa – wurde der Frequenzbereich 700 MHz als primäres Band für Rettungsdienste fixiert, daneben aber auch Teile der Frequenzbereiche 450 bis 470 MHz sowie 410 bis 430 MHz. Trotzdem liegt es immer noch im Ermessen der einzelnen Natio­nalstaaten, zu entscheiden, ob sie einem bestimmten Dienst bzw. einer Anwendergruppe Frequenzen zuweisen möchten.

Der PMeV beteiligt sich mit Stellungnahmen regelmäßig an den Anhörungen der Bundesnetzagentur, um die Verfügbarkeit des für einsatz-, sicherheits- und geschäftskritische Anwendungen erforderlichen Frequenzspektrums auch für die Zukunft sicherzustellen.

CP: Wie wichtig ist die Harmonisierung des Frequenzspektrums in Bezug auf die Interoperabilität?

Klinger: Bei der Interoperabilität geht es darum, dass Benutzer miteinander kommunizieren können. Dies erfordert neben einem gemeinsamen Standard auch ein gemeinsames harmonisiertes Spektrum. Endgeräte und Infrastrukturen von verschiedenen Anbietern müssen getestet und zertifiziert werden, um die erforderliche Interoperabilität sicherzustellen. Nur so entsteht ein Markt mit mehreren Anbietern und einem Wettbewerb, der ein hohes technisches Niveau ebenso garantiert wie marktgerechte Preise. Bei der TETRA Technologie z. B. wurde all dies erfolgreich praktiziert.

Sowohl BOS als auch Energieversorger sollten sicherheitskritische...
Sowohl BOS als auch Energieversorger sollten sicherheitskritische
Breitbandanwendungen nutzen können.
Quelle: PantherMedia/Gorodenkoff

CP: Benötigen auch Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) ein dediziertes Frequenzspektrum?

Klinger: Persönlich bin ich der Meinung, dass für die BOS ein dediziertes Spektrum zur Sicherstellung ihrer Kommunikationsanforderungen essenziell ist. Das galt in der Vergangenheit und das gilt auch künftig für breitbandige Anwendungen. Das bedeutet übrigens nicht, dass die BOS ihr Netz selbst aufbauen und betreiben müssen. Ein dediziertes, den BOS gewidmetes Spektrum ist aber ein Aktivposten, der ihnen eine starke Verhandlungsposition gegenüber potenziellen Partnern und natürlich auch Unabhängigkeit von kommerziellen Netzbetreibern verschafft. FirstNet (First Responder Network Authority) in den USA hat das erfolgreich vorgemacht.

Aus Sicht des PMeV geht es stets darum, Regulierung so zu gestalten, dass professionellen Anwendern möglichst sichere und zuverlässige Kommunikationssysteme zur Verfügung stehen. Außerdem stehen dedizierte Netze auf Basis dedizierter Frequenzen für höchste Sicherheit und Zuverlässigkeit.

CP: Welche Aktivitäten gibt es auf internationaler Ebene gegenwärtig zum Themenbereich Frequenzspektrum und Interoperabilität?

Klinger: Der Weltverband TCCA (TETRA and Critical Communications Association), dem sowohl der PMeV als auch zahlreiche seiner Mitglieder angehören und sich dort aktiv einbringen, hat ein neues Arbeitsgremium ins Leben gerufen. Dessen Ziel ist es, Fragen der Interoperabilität zu erörtern, wenn zum Beispiel ein Land den Sicherheitsbehörden Frequenzen zuweist, während ein Nachbarland dasselbe Spektrum möglicherweise den Versorgungsunternehmen gibt. Das Arbeitsgremium geht der Frage nach, wie dann grenzüberschreitende Interoperabilität zwischen den Sicherheitsbehörden benachbarter Länder erreicht werden kann. Bis zum Herbst sollen erste Ergebnisse des Gremiums vorliegen.

CP: In Deutschland wird um Frequenzen im 450 MHz-Bereich gerungen. Die Bundesnetzagentur wird Teile neu vergeben. Worum geht es konkret und wie bewerten Sie die Vergabe?

Klinger: Im 450 MHz Bereich ist die Nutzung der Frequenzbereiche 451–455,74 und 461–465,74 ab 2021 neu festzulegen, da die bisherigen Zuteilungen Ende 2020 auslaufen. Die BOS und die Energiewirtschaft beanspruchen die freiwerdenden Frequenzen zur Nutzung breitbandiger Anwendungen jeweils exklusiv für sich. Dabei hat das Bundesinnenministerium sogar Anspruch auf den kompletten 450–470 MHz Bereich für die BOS angemeldet.

Als Vertreter eines Verbandes, der die Interessen aller Anwender einsatz- und sicherheitskritischer Kommunikation vertritt, möchte ich erneut betonen: Es sind derzeit grundsätzlich nicht genügend Frequenzen für einsatz- und sicherheitskritische Breitbandanwendungen verfügbar. Es liegt im höchsten Interesse der öffentlichen Sicherheit, dass sowohl BOS als auch Energieversorger sicherheitskritische Breitbandanwendungen nutzen können. Der PMeV hat bereits 2014 zusätzliche Frequenzen sowohl für BOS, Energieversorger, Industrie sowie Verkehrs- und Logistikbranche unter Hinweis auf die steigende Nachfrage gefordert. Wir appellieren an die Politik, dem steigenden Frequenzbedarf einsatzkritischer Anwendungen Rechnung zu tragen.

CP: Welchen weiteren Frequenzthemen geht der PMeV aktuell nach?

Klinger: Der PMeV hält es für vordringlich, dass die Bundesnetzagentur die Funkfrequenzen im Bereich 410 - 430 MHz langfristig für schmalbandige einsatz- und geschäftskritische Bündelfunkanwendungen erhält. Derzeit ist die Zuteilung dieses Frequenzspektrums bis zum 31. Dezember 2025 befristet. Im Hinblick auf die Planungs- und Investitionssicherheit halten wir es für dringend geboten, Anwendern schmalbandiger Technologien frühzeitig verlässliche Perspektiven für die Nutzung dieses Frequenzspektrums über das Jahr 2025 hinaus aufzuzeigen. Die sicherheits- und einsatzkritische Sprachkommunikation in diesem Frequenzbereich ist für die Betreiber kritischer Infrastrukturen und die Industrie unverzichtbar. Es droht ein Investitionsstau, wenn die Anwender nicht über 2025 hinaus planen können. Und die nationalen und internationalen Experten sind sich einig in der Einschätzung, dass die schmalbandige TETRA-Technologie bis weit über das Jahr 2030 hinaus genutzt werden wird.

CP: Die Einführung der einsatz- und sicherheitskritischen Breitbandkommunikation bedeutet also nicht das schnelle „Aus“ der Schmalbandkommunikation?

Klinger: Die TCCA hat in Zusammenarbeit mit Anwendern und der gesamten Branche einen Fahrplan für die einsatz- und sicherheitskritische Breitbandkommunikation entwickelt. Über ihre Gremien war und ist die TCCA maßgeblich an der Festlegung der erforderlichen Funktionalität in der 3GPP Standardisierung (3rd Generation Partnership Project) beteiligt, auch im Hinblick auf die Frage, wann die Funktionen in Breitbandnetzen verfügbar sein könnten.

Diese Arbeit hat auch aufgezeigt, dass TETRA voraussichtlich noch lange unverzichtbar und entsprechend verfügbar sein wird. Mal abgesehen davon, dass die Umstellung auf Breitband einfach Zeit benötigt, müssen Unternehmen sich an neue Technologien gewöhnen, Betriebsabläufe neu schreiben und auch ihre Mitarbeiter neu schulen.

Man kann TETRA nicht einfach am selben Tag ausschalten, an dem man Breitband einschaltet. In diesem Zusammenhang erinnere ich auch an die Schwierigkeiten des Projektes in Großbritannien, künftig bei der mobilen Kommunikation der Sicherheits- und Rettungskräfte auf TETRA-Schmalband zu verzichten und einsatz- und sicherheitskritische Anwendungen komplett über das Breitbandnetz eines kommerziellen Netzbetreibers abzuwickeln. Das Projekt ist technisch, finanziell und zeitlich in eine Schieflage geraten.

CP: Gab es in jüngster Zeit auf der Ebene der Frequenzregulierung entscheidende Fortschritte bei der einsatz- und geschäftskritischen Breitbandkommunikation?

Klinger: Eindeutig ja! Die Bundesnetzagentur hat 2019 den Frequenzbereich 3.700 bis 3.800 MHz aus der 5G-Versteigerung herausgenommen und technologie- und dienstneutral für lokale Anwendungen, den sogenannten Campusnetzen zugeteilt. Nach Start des Antragsverfahrens im letzten Herbst können Industrie, Energieversorger, kleine und mittlere Unternehmen sowie die Land- und Forstwirtschaft das Potenzial der kommenden Mobilfunkgeneration 5G, aber auch 4G/LTE, nun nutzen. Zahlreiche Unternehmen – auch kleine und mittlere – haben die Chance bereits ergriffen und den Aufbau lokaler Campusnetze auf Basis des 4G/LTE- oder 5G-Standards begonnen. Die Möglichkeit der Errichtung von lokalen breitbandigen Netzen ist ein wichtiger Meilenstein zur Beschleunigung der Digitalisierung der deutschen Wirtschaft. Breitbandige sicherheitskritische Campusnetze ermöglichen innovative Entwicklungen in vielen Branchen.

Der PMeV hatte dieses Vorhaben befürwortet und unterstützt. Dass die Bundesnetzagentur eine Unterscheidung in regionale und lokale Netze nicht vorgenommen hat und damit auch die starre Bandaufteilung – 80 MHz für regionale, 20 MHz für lokale Nutzungen – entfallen ist, entsprach unserer Stellungnahme. So können Bedarfe völlig flexibel und nach den Erfordernissen der Anwendung befriedigt werden.

CP: Wir bedanken uns für das Gespräch. 

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