Initiative Gesichter des Friedens: Cybersicherheit in Deutschland

Interview mit Prof. Dr. Elmar Padilla

Sven Lilienström

PantherMedia / bluebay2014

Angriffe und hybride Bedrohungen aus dem Cyberraum sind längst Realität. Wir wollten wissen: Sind "kritische Systeme und Infrastrukturen" in Deutschland ausreichend vor Angriffen aus dem Cyberraum geschützt? Wie schnell können wir auf ein hybrides Szenario reagieren und welche rechtlichen sowie völkerrechtlichen Grundsätze gelten im Cyberraum?

Für das In-Depth-Special "Im Visier - Die Bedrohung aus dem Cyberraum" sprach Sven Lilienström, Gründer der Initiative Gesichter des Friedens, mit Prof. Dr. Elmar Padilla. Die Interviews mit Hintergrundinformationen zu den Interviewpartnern finden Sie hier oder nachfolgend. 

Ihre Abteilung widmet sich dem Schutz kritischer Systeme und Infrastrukturen. Was genau sind "kritische Systeme und Infrastrukturen" und sind diese in Deutschland ausreichend vor Cyber-Angriffen geschützt?

Elmar Padilla: Unter kritischen Systemen und Infrastrukturen verstehe ich alle Systeme und Infrastrukturen, deren Ausfall oder Fehlfunktion zu existenzbedrohenden Risiken führen. Risiken für finanzielle Existenzen schließe ich hier explizit mit ein. Ein Beispiel für eine solche kritische Infrastruktur mit vielen kritischen Systemen ist die Energieversorgung.

Im internationalen Vergleich sehe ich den Schutz kritischer Systeme und Infrastrukturen in Deutschland auf einem guten Niveau. Das heißt aber natürlich nicht, dass es hier keinen Verbesserungsbedarf gibt. Wir bewegen uns aber auch in einem Umfeld, in dem es Angreifer und Verteidiger gibt. Hier besteht also eine hohe Dynamik und entsprechend ein kontinuierlicher Bedarf daran, Schutzmaßnahmen anzupassen und weiterzuentwickeln.

Laut dem Entwurf für das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 soll das BSI mehr Kompetenzen erhalten. Brauchen wir eine "aktive Cyber-Abwehr" und welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssten hierzu geschaffen werden?

Elmar Padilla: Wenn Sie unter "aktiver Cyber-Abwehr" aktive Maßnahmen zur Gefahrenabwehr verstehen, dann brauchen wir diese Maßnahmen. Zum Beispiel im Bereich der Bekämpfung von Botnetzen hat es sich als sehr effektiv erwiesen, infizierte Systeme auf so genannte Sinkholes umzuleiten. Mit den nun angedachten erweiterten Kompetenzen für das BSI eigene Sinkholes zu betreiben und der Verpflichtung der Provider zum Umlenken von C&C-Domänen auf solche vom BSI betriebene Sinkholes gehen wir einen großen Schritt in die Richtung eines sichereren und friedlicheren Internets.

Da ich kein Jurist bin, möchte ich zu den notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen nicht Stellung beziehen.

Stichwort hybride Bedrohungen: Der Cyberraum ist auch ein bevorzugter Operationsraum hybrider Akteure. Was sind "hybride Bedrohungen" und wie groß ist das Gefährdungspotential in Deutschland?

Elmar Padilla: Zum ersten Teil der Frage gibt es eine gute Erläuterung vom BMVg. Charakteristisch ist demnach eine Kombination aus den verschiedenen Mitteln: klassische Militäreinsätze, wirtschaftlicher Druck, Computerangriffe und Propaganda. Wir sehen seit längerer Zeit eine Vielzahl an gezielten Cyber-Angriffen zum Zwecke der Spionage und Sabotage. Zusätzlich sehen wir Desinformationskampagnen und Versuche, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dies sind also leider keine vagen Bedrohungen mehr, sondern ist längst Realität. Deshalb sehe ich das Gefährdungspotential durch hybride Bedrohungen, insbesondere mit dem Hintergrund Deutschlands Wirtschaftskraft und das Vertrauen in unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu schwächen als sehr hoch an.

Umso wichtiger sind deshalb zum einen die Forschung an effektiven Schutzmaßnahmen und zum anderen eine entsprechende Unterstützung und Befähigung unserer für den Schutz vor solchen Bedrohungen zuständigen Organe.


Über die Initiative Gesichter des Friedens

Die Initiative Gesichter des Friedens wurde im Jahr 2019 als friedensförderndes Äquivalent der Initiative Gesichter der Demokratie gegründet. Unserem Leitmotiv „Sign for Peace and Security!“ entsprechend möchten wir ein Zeichen zum Schutz und zur Stärkung von Frieden, Sicherheit und Stabilität setzen. In der Rubrik Sieben Fragen an stellen wir zudem regelmäßig interessanten Persönlichkeiten sieben Fragen zu den Themen Friedensschaffung und Friedenserhaltung, Sicherheitspolitik sowie Konfliktprävention. Die ersten „Gesichter des Friedens“ sind SIPRI-Direktor Dan Smith, der Vorsitzende der Atlantik-Brücke Sigmar Gabriel, der OSZE-Vorsitzende 2019 und Minister für Auswärtige Angelegenheiten der Slowakei Miroslav Lajčák, der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Prof. Dr. Volker Perthes und der Stabschef der 69. U-Boot-Brigade der Nordmeerflotte Wassili Archipow.

Über die Initiative Gesichter der Demokratie

Seit Gründung der Initiative Gesichter der Demokratie im Februar 2017 haben bereits mehr als 600.000 Menschen die Selbstverpflichtung zum Schutz und zur Stärkung der demokratisch-zivilgesellschaftlichen Grundwerte unterzeichnet. Mediale Aufmerksamkeit erhält die privat organisierte Initiative durch zahlreiche prominente Persönlichkeiten aus Politik, Medien, Wirtschaft und Gesellschaft - darunter der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Norwegens Premierministerin Erna Solberg, die Staatspräsidentin der Republik Estland Kersti Kaljulaid, der Bundesminister des Auswärtigen Heiko Maas, Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank und OSZE-Generalsekretär Thomas Greminger. Alle gemeinsam setzen mit ihren persönlichen Statements ein nachhaltiges und öffentlichkeitswirksames Signal für mehr Toleranz, Pluralismus, Diversität und Meinungsfreiheit.

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