Krisenkommunikation
Im Falle einer Großschadenslage, Krise oder Katastrophe wechselt die Feuerwehr bzw. Katastrophenschutzbehörde in der Regel den Modus weg vom alltäglichen Risikomanagement hin zum Krisenmanagement. Die Leitung der Einsätze wird zentralisiert, Bedarfe analysiert, priorisiert und Ressourcen gebündelt. Auch die Krisenkommunikation ist zentraler Bestandteil des Krisenmanagements. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über zielführende Krisenkommunikation gehen über ein reines Warnen, Betreuen und Informieren hinaus. Die Masterarbeit teilt die Ziele der Krisenkommunikation in vier Kategorien.
Es ist auf einen dialogischen und transparenten Informationsfluss zu achten. Er sorgt für einen gemeinsamen Informationsrahmen aller Beteiligten. Die bereits hergestellte Reichweite und das Vertrauen durch die Risikokommunikation zahlt sich nun aus. Beim Monitoring sollen alle Kanäle (vorwiegend Social-Media) strukturiert beobachtet und analysiert werden, um aktuelle Entwicklungen im Netz und Erkenntnisse zur Lage zu gewinnen. Die gewonnenen Erkenntnisse sind nicht nur für die Krisenkommunikation selbst von wichtiger Bedeutung, sondern für den gesamten Stab des Krisenmanagements. Durch Kooperation und Koordination kann schnelle Abtimmung, Unterstützung, Beteiligung, Vertrauen, Kenntnis und ein gemeinsamer Informationsrahmen gewährleistet werden. Befragungen zeigen, dass Journalist*innen bereit sind, auf ihre Kontrollfunktion in der Krisenkommunikation zu verzichten. Basis dafür sind allerdings Vertrauen, Transparenz und umfangreiche Risikokommunikation. Spontanhelfende und Initiativen können in den Einsatz eingebunden werden. Issuemanagement kann Organisationskrisen wie beispielsweise sogenannten Shitstorms vorbeugen, sie abmildern oder auf sie reagieren. Durch Unterstützung sollen die Selbsthilfefähigkeit und das prosoziale Verhalten aufrecht erhalten bleiben. Gerade das Wording hat erheblichen Einfluss auf psychosoziale Belange. Crisis- Mapping kann Spontanhelfende einbinden und koordinieren.
Viele Feuerwehren, ob freiwillige oder Berufsfeuerwehren, betreiben Medien- und Öffentlichkeitsarbeit. Die meisten Feuerwehren haben Pressesprecher*innen und betreiben verschiedene Social-Media-Kanäle. Personen, die in der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit bei Feuerwehren aktiv sind, machen dies meist ehrenamtlich oder neben dem Hauptamt. Professionelle Kompetenzen im Bereich Medien oder Journalismus sind dabei kaum vertreten. Im Rahmen einer Masterarbeit wurde untersucht, was Medien- und Öffentlichkeitsarbeit von Feuerwehren leisten soll und muss, welche Aspekte berücksichtigt werden sollten und wie sie ausgestaltet sein könnte, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.
Dafür wurden u. a. Expert*innen aus den Bereichen Psychologie, Sicherheitswissenschaften, Feuerwehr, Polizei, Journalismus, Social-Media, Kommunikation und Diversität befragt, unterteilt in die Themengebiete: Konzeptionierung von Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, Erreichung heterogener Bevölkerungsstrukturen und Diversitätssteigerung. Aus diesen Ergebnissen wurde ein ganzheitliches Konzept für die Berliner Feuerwehr entwickelt, das sich auch auf andere Feuerwehren und Organisationen im Bevölkerungsschutz anwenden lässt.
Risikokommunikation
Wissenschaftlich betrachtet geht die Risikokommunikation weiter als eine Brandschutzaufklärung, -erziehung und die behördliche Auskunftspflicht. Sie wird für eine funktionierende Krisenkommunikation weitestgehend als notwendig angesehen. Als Katastrophenschutzbehörde gehört die strategische Vorbereitung auf Krisen zu ihrem Aufgabengebiet, mindestens aber zu den Berührungspunkten ihres Einsatzspektrums. Jene Maßnahmen zur Prävention von und Vorbereitung auf Krisen wird als Risikomanagement bezeichnet. Hierzu gehört es u. a. ein Krisenhandbuch zu führen, das auf unterschiedlichste Krisen vorbereitet und allgemeine und konkrete Abläufe, Kontakte und Vorgehensweisen bestimmt und abstimmt.
Die Risikokommunikation als Teil des Risikomanagements soll für Risikobewusstsein und Risikomündigkeit sorgen, die Resilienz der Gesellschaft erhöhen und durch Vernetzung und Dialog für Vertrauen und Reichweite sorgen. Durch einen aktiven und beteiligenden Dialog (Risikodialog) können Menschen in ihrem Umgang mit Krisen gestärkt und prosoziales Verhalten gefördert werden. Das vielfach geäußerte Verständnis von der Bevölkerung als Laien (die bei einem Zuviel an Informationen nur unnötig in Panik geraten) gegenüber den Behördenvertretenden als rationale Expert*innen ist weitestgehend widerlegt. Diese Erkenntnisse haben Auswirkungen auf das Wie der Ausgestaltung von Risikokommunikation, z. B. die Einbeziehung der Öffentlichkeit in den Prozess des Risikomanagements. Hierbei sollten weiterhin auch herkömmliche Medien wie Radio oder Print und gerade auch lokale Medien und freie Journalist*innen nicht unterschätzt werden.
Integrales Konzept
Es zeigt sich, dass Risiko- und Krisenkommunikation nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können.
Risikokommunikation sorgt für Vertrauen, Reichweite und Dialog. Durch Kampagnen, Veranstaltungen, Multimediabeiträge auf diversen Kanälen wird die Resilienz erhöht, und eine ausreichend besetzte Medien- und Öffentlichkeitsabteilung sorgt für Kompetenzen und gut vorbereitetes Personal. Für das Risikomanagement im Allgemeinen empfehlen sich sogenannte ständige Stäbe, die es im Ausland, aber auch im Inland bei anderen Behörden und Organisationen schon gibt. Sie wirken als rückwärtige Ebene im normalen Einsatzalltag, betreiben Monitoring, unterstützen die Einsatzleitung und sorgen für Vorbereitung und Vernetzung. Sie können jederzeit die Einsatzleitung übernehmen und zu einem vollen Stab heranwachsen. Dieser übernimmt im Alltag die Aufgaben des Risikomanagements und der Risikokommunikation und kann im Ereignisfall schnell zum Krisenmanagement wechseln.
Strategie
Bisher wurde in der Krisenkommunikation weitestgehend eine One-Voice-Policy propagiert. Diese beschreibt von behördlicher Seite explizit eine Stimme, Person oder Abteilung, die die Kommunikation nach außen repräsentiert und innehat. Gerade bei mehreren beteiligten Organisationen, Behörden und Firmen ist diese nur unter erheblichem Aufwand einzuhalten. Alternativ wird meist eine One-Message-Policy genutzt. Dabei werden Inhalte, Informationen und ggf. das Wording abgestimmt, aber über die unterschiedlichen Kanäle der Beteiligten veröffentlicht. Innerhalb einer Organisation oder Firma übernimmt weiterhin eine Abteilung zentral die Öffentlichkeitsarbeit. Dem gegenüber stehen Multi-Message-Konzepte. Den verschiedenen Beteiligten (intern und extern) wird eigene Öffentlichkeitsarbeit ermöglicht, und sie sorgen somit für maximale Transparenz, Schnelligkeit und Redundanz. Informationsdefizite und -lücken sind nun für alle einsehbar, der gemeinsame Informationsrahmen ist durch die Gesamtheit der Öffentlichkeitsarbeit der Beteiligten gegeben.
Diese Multi-Message-Konzepte erfordern gute Vorbereitung, klare Absprachen organisationsintern und umfangreiches Monitoring. Die Feuerwehren verfolgen meist das One-Message-Prinzip. Gerade im Social-Media-Bereich ist diese Zentralisierung nicht mehr gegeben. So haben beispielsweise Influencer*innen eine enorme Reichweite und sorgen tagtäglich für eine Außenwirkung zusätzlich zur offiziellen Öffentlichkeitsarbeit der Feuerwehr. Eine Open-Media-Policy, wie sie Feuerwehren im Ausland betreiben, kann hier eine Möglichkeit darstellen. Jeder und jedem in der Feuerwehr ist es dabei im Rahmen von klaren Regeln gestattet Medien- und Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Eine Abteilung bildet Feuerwehrleute darin aus, unterstützt und betreibt die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der offiziellen Kanäle mit professionellem Know-how und moderiert aktuelle Diskussionen. Eine umfangreiche Vernetzung und Kooperation sorgt für einen gemeinsamen Informationsrahmen nach innen und außen.
Zielgruppenerreichung
Die befragten Expert*innen, aber auch Stimmen in der Literatur sind sich weitestgehend einig, dass die Bevölkerung nicht als eine Zielgruppe betrachtet werden kann. Bisher wird neben Multiplikatoren, Presse, anderen Akteurinnen und Akteuren, Politik, Behörden, Organisationen und Firmen, die Bevölkerung als eine Zielgruppe betrachtet. Ungeklärt ist, wie die Bevölkerung in unterschiedliche Zielgruppen unterteilt werden könnte und sollte. Im Rahmen der diesem Beitrag zugrunde liegenden Masterarbeit wurden einige Diversitätskategorien als hilfreich ermittelt. So haben Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen auch unterschiedliche Bedürfnisse. Menschen unterschiedlichen Alters oder mit unterschiedlicher Muttersprache brauchen andere Ansprachen.
Auch kann man mit ihnen auf unterschiedlichen Kanälen in Kontakt und Dialog treten. Der Autor plädiert daher für eine zweistufige Vorgehensweise. Nach dieser wird die Bevölkerung zunächst geclustert. So sollten verschiedene Diversitätskategorien (Alter, Ethnizität, körperliche Voraussetzungen, soziale Herkunft etc.) ebenso Beachtung finden, wie vulnerable Gruppen oder Fähigkeiten (z. B. Sprachkenntnisse). Im Anschluss wird über eine Erreichbarkeitsanalyse untersucht, über welche Kanäle, Medien oder Multiplikatoren Gruppen am ehesten erreicht und eingebunden werden können. Der direkte Dialog sollte zunehmend in den Fokus rücken. Die Befragungen zeigen, dass eine zielgruppenorientierte Medien- und Öffentlichkeitsarbeit neben der Analyse vor allem interdisziplinäre Professionalität und Diversität braucht.
Professionalität, Interdisziplinarität und Diversität
Die Risikokommunikation sollte fortwährend und professionell durchgeführt werden. Dazu sollten Kompetenzen aus verschiedenen fachlichen Bereichen in das Team der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit integriert werden. Es ist nicht erforderlich, dass alle Teammitglieder Feuerwehrleute sind. Sehr wohl aber sollten Menschen mit feuerwehrtechnischer Ausbildung Teil des Teams sein. Kompetenzen aus den Bereichen Journalismus, Mediengestaltung, Design, IT und Psychologie sollten aber ebenso im Team integriert sein. Influencer und Feuerwehrleute, die sich engagieren wollen oder sich hobbymäßig mit Medien beschäftigen, können und sollten an der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit beteiligt werden. Sie allein – auch mit Weiterbildungen in dem Bereich – können vermutlich keine professionelle Medien- und Öffentlichkeitsarbeit nach den Zielen dieser Arbeit erbringen. Auch zeigt sich, dass eine hohe Diversität innerhalb des Medienund Öffentlichkeitsarbeitspersonals hilfreich ist. Zum einen können dadurch vermutlich heterogene Bevölkerungsstrukturen besser erreicht werden. Zum anderen zeigt sich auch, dass Diversität in Gruppen gerade in Stresssituationen zu erhöhter Resilienz führt.
Dieser Umfang von Medien- und Öffentlichkeitsarbeit scheint gerade für freiwillige Feuerwehren und kleine Berufsfeuerwehren einen nicht leistbaren Aufwand darzustellen. Hier könnten Kompetenzen von Seiten des Bundeslandes zur Verfügung gestellt werden.
Anwerben
Abgesehen von der Risiko- und Krisenkommunikation verfolgt die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit von Feuerwehren das Ziel der Anwerbung von Mitarbeitenden und Auszubildenden sowie von Freiwilligen. Diese findet fortwährend parallel und auch durch die Risikokommunikation selbst statt. Viele Feuerwehren wollen die Diversität in den eigenen Reihen erhöhen. So können Imagekampagnen zum einen das Bild von Feuerwehren zeichnen und für Vertrauen sorgen. Hierbei sollte darauf geachtet werden, Kampagnen professionell aufzuziehen und zielgruppenadäquat zu gestalten. Es sollte stets das breite Aufgabenspektrum mit allen Berührungspunkten im Bevölkerungsschutz thematisiert werden und die Feuerwehr nicht auf einzelne Teilbereiche reduziert werden.
Auch der Einfluss der Darstellung von Aufgaben und Diversität der Feuerwehr in Kinderbüchern, Filmen und anderen Medien sollte nicht geringgeschätzt werden. Hier könnte die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der Feuerwehr Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung nehmen und bei Diskussionen und Produktionen sensibilisieren. Ebenso ist es fraglich, inwiefern die Heldenattitüde vieler Imagekampagnen oder eine Rosazeichnung zur Erhöhung des Frauenanteils zielführend sind. Die Feuerwehr kann Diversität als Qualifikation begreifen, die der Erreichung ihrer Aufgaben zuträglich ist. Menschen mit Migrationshintergrund beispielsweise können Kultursensibilität und Sprachenkompetenz in die Feuerwehr bringen. Für die Inklusion von Menschen mit Behinderung könnte es hilfreich sein, das Ziel des Alleskönners zu überdenken. Bronnie Mackintosh stellt in ihrem TEDx-Talk 2018 in Sydney klar, dass eine Feuerwehr, die den Querschnitt der Bevölkerung abbildet, (noch) besser auf die heutige Bandbreite an Einsätzen vorbereitet wäre.
Fazit
Schlussfolgernd werden eine massive Personalaufstockung und Professionalisierung im Bereich der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit empfohlen. Für die Teams der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit konnte ein hohes Maß an Interdisziplinarität und Diversität zur Erreichung der Ziele als notwendig ermittelt werden. Gerade die Mediengestaltung und die Redaktion müsste für eine proaktive und moderne Medien- und Öffentlichkeitsarbeit professionalisiert sein, so wie es andere Behörden, Organisationen und Firmen schon lange haben. Für eine adäquate Krisenkommunikation ist eine umfangreiche Risikokommunikation unabdingbar. Diese ist Teil eines strategischen Risikomanagements, das sich mit dem gesamten Einsatzspektrum der Gefahrenabwehr und darüberhinausgehenden Berührungspunkten beschäftigt. Eine Kooperation mit Organisationen, Behörden, Politik, Multiplikatoren, Presse, Akteuren aus dem Bereich BOS, KRITIS und zivilgesellschaftlichen Initiativen kann zur breiten Zielgruppenerreichung als hilfreich angesehen werden. Dafür ist eine strukturierte Analyse der Zielgruppen innerhalb der Bevölkerung unter Berücksichtigung von Diversitätskategorien, vulnerablen Gruppen und Kompetenzen durchzuführen. Anschließend muss erarbeitet werden, wie diese Gruppen im Rahmen der Risiko- und Krisenkommunikation erreicht werden können.
Die befragten Expert*innen haben vielfältigen Input in den Diskurs gegeben und zeigen, dass Medien- und Öffentlichkeitsarbeit von mehrfacher Bedeutung ist und großer Entwicklungsbedarf besteht – aber auch weiterer Forschungsbedarf. Die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit von Feuerwehren ist mehr als nur Einsatzberichterstattung und Anwerbung neuer Feuerwehrleute. Sie birgt eine Menge Chancen und Möglichkeiten – braucht aber dafür auch die nötige (finanzielle und personelle) Aufmerksamkeit.
Die gesamte Masterarbeit steht auf den Seiten der Fachinformationsstelle des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe www.fis.bbk.bund.de zur Verfügung.
Crisis Prevention 4/2021
Tim-Michael Romahn
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Hochschule Magdeburg-Stendal Lehrstuhl für Brandschutz und Gefahrenabwehr
Carsten Mohr
M. Sc. Sicherheit und Gefahrenabwehr inzwischen Brandreferendar Berliner Feuerwehr