03.08.2020 •

Das zivil-militärische Netzwerk Gesundheitswesen

Interview mit Generalarzt Dr. Bruno Most

Heike Lange/Heinz Neumann

Bundeswehr

In diesen Zeiten einer Pandemie, wie sie unser Land seit Menschengedenken noch nicht erlebt hat, rücken ebenso ungewohnte Maßnahmen ins Blickfeld. Auch der Sanitätsdienst der Bundeswehr und bei der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) stehen vor neuen Herausforderungen. Es gibt sicher kaum einen Gesprächspartner für solche Themen, der dafür berufener sein könnte als Generalarzt Dr. Bruno Most, Beauftragter für Zivil-Militärische Zusammenarbeit des Sanitätsdienstes. CP befragte ihn zu seiner Person, dem zivil-militärischen Netzwerk und seiner Arbeit in schwierigen Zeiten.

Unser Interviewpartner Generalarzt Dr. Bruno Most
Unser Interviewpartner Generalarzt Dr. Bruno Most
Quelle: Bundeswehr

CP: Herr Generalarzt, wir freuen uns, dieses Gespräch mit Ihnen führen zu können. Zunächst ein paar Fakten zur Privatperson: Wann sind Sie geboren, haben Sie Familie, welche Hobbies und Interessen pflegen Sie als Privatperson?

GA Most: Ich bin geboren am 31. Oktober 1962 in Kassel als Sohn einer Lehrerin und eines Pfarrers und wohne unverändert in Nordhessen. Ich bin verheiratet, habe 3 Kinder und 2 Enkel und pendele aus dem schönen Nordhessen seit knapp 30 Jahren zu den unterschiedlichsten Standorten meiner Laufbahn. Meine Hobbies sind Kunstgeschichte, Angeln und meine Mitgliedschaft in der Weinbruderschaft Saale-Unstrut.

CP: Woher kam der Entschluss, Militärmediziner zu werden?

GA Most: Das war ein eher ungewöhnlicher Weg. Ich hatte zunächst die Laufbahn eines Offiziersanwärters der Pioniere eingeschlagen. Mein Wechsel zum Sanitätsdienst war motiviert durch die Kombination eines qualitativ hochwertigen und spannenden Studiengangs mit interessanten und fordernden Verwendungsmöglichkeiten, gerade auch in Organisations- und Führungsverwendungen. Letzteres wurde später durch die Gelegenheit der Teilnahme am Generalstabslehrgang untermauert und gefestigt.

CP: „Beauftragter für Zivil-Militärische Zusammenarbeit des Sanitätsdienstes“ ist eine etwas sperrige Bezeichnung. Können Sie unseren Lesern etwas über Ihren Hintergrund und Ihre Aufgaben berichten?

GA Most: Die Zivil-Militärische Zusammenarbeit beschäftigt mich in meinen verschiedenen Verwendungen bereits seit vielen Jahren. Früher war diese Aufgabe für mich über mehrere Jahre Herzensangelegenheit als Abteilungsleiter im Sanitätskommando III. Während meiner Zeit als Abteilungsleiter in Koblenz und als Direktor des Multinational Medical Coordination Centre waren vor allem die internationalen Aspekte dieser Frage interessant. Jetzt ist mit meiner Rückkehr an den Standort Weißenfels dieses Themenfeld mit meiner Funktion als Stellvertretender Kommandeur des Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung verbunden. Meine Aufgabe ist es, im Auftrag des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Fragestellungen des medizinischen Bevölkerungs- und Zivilschutzes mit einer Vielzahl von zivilen Partnern unterhalb der ministeriellen Ebene zu koordinieren. Wir verstehen unsere Zusammenarbeit mit diesen Partnern als zivil-militärisches Netzwerk Gesundheitswesen.

CP: Welche Partner stehen für Sie dabei im Vordergrund dieses Netzwerkes?

GA Most: Vordringlich die drei großen nationalen Hilfsgesellschaften gemäß DRK Gesetz – Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter Unfallhilfe und Malteser Hilfsdienst –, darüber hinaus Arbeiter Samariter Bund und die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft. Alle diese Organisationen haben eine gemeinsame Verantwortung für den medizinischen Bevölkerungsschutz und sind damit per se für einen Sanitätsdienst natürliche Partner.

CP: Derzeit spielen Pandemie und Coronavirus die Hauptrolle in unserem Alltag; die Bundeswehr und auch der Sanitätsdienst speziell wurden bereits um Hilfe gebeten. Gibt es hier praktische Erfahrungen aus Ihrer Verwendung heraus?

GA Most: Der Inspekteur des Sanitätsdienstes hatte in einer frühen Phase entschieden, den sanitätsdienstlichen Anteil der Unterstützung der Bundeswehr aus einem Einsatzführungszentrum in Koblenz zentral zu steuern. Diese Entscheidung hat sich durch die Komplexität der fachlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen und die Vielzahl der sanitätsdienstlichen Akteure als zielführend und erfolgreich bewiesen. Gerade der wichtigste Aspekt dieser ersten Phase, die Stärkung der Bundeswehrkrankenhäuser als regionale Unterstützungsleister in ihren jeweiligen Bundesländern, konnte so entschlossen angegangen werden. Personal und Material wurden den Bundeswehrkrankenhäusern bereitgestellt und damit insbesondere die intensivmedizinischen Kapazitäten erweitert. Die Aufgabe unseres Kommandos in Weißenfels und damit auch meiner Person liegen darin, mit unserem Lagezentrum und unserem unterstellten Bereich diese Unterstützungsleistungen des Sanitätsdienstes personell und materiell zu unterfüttern.

CP: Welche Wege und Prozesse sind für einen solchen Fall wie die Corona-Pandemie überhaupt vorgesehen, und sind diese Ihrer Meinung nach ausreichend?

GA Most: Die Bewältigung einer Pandemie dieses Ausmaßes verlangt die enge Verflechtung fachlich-medizinischer und organisatorischer Kompetenz. Das Bundesgesundheitsministerium beweist hier, sofern ich mir die Aussage aus meiner Perspektive erlauben darf, genau diesen Ansatz mit eindeutigen und richtungsweisenden Entscheidungen, der uns bisher auf klarem Kurs in stürmischer See hält. Die hohen Zustimmungswerte in der Bevölkerung für die Arbeit des Ministeriums bestätigen dies. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr liefert im Rahmen seiner Möglichkeiten hochwertige medizinische Unterstützung durch seine Bundeswehrkrankenhäuser, aber auch Abstellungen in den zivilen Bereich, die in ihrer Wirksamkeit auch nur durch diese Gemeinsamkeit aus fachlich-medizinischer Kompetenz und Führung in einer Hand gewährleistet werden können. Darin liegt meiner Meinung nach die wesentliche Lehre, die man nach dieser ersten Phase ziehen kann. 

Die Bestätigung, dass für eine professionelle medizinische Leistungserbringung in herausfordernden Lagen immer Fachlichkeit und Führung zusammengehören. Eine weitere große Thematik, die uns in der derzeitigen Pandemie, aber auch in der bereits skizzierten Frage der Landes- und Bündnisverteidigung beschäftigt, ist die Frage der gesellschaftlichen Resilienz und der Vorhaltung von Ressourcen. Dies betrifft alle Teile des Staates, aber insbesondere auch den Sanitätsdienst der Bundeswehr und die drei großen zivilen Hilfsgesellschaften. Letztendlich dreht sich alles um verfügbare Ressourcen im Krisen- und Konfliktfall. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr muss materiell wie personell weiter aufwachsen, wenn er die an ihn gestellten Aufträge in der Landes- und Bündnisverteidigung erfüllen soll. Gleichzeitig können solche Ressourcen, die für die Kernaufgaben des Sanitätsdienstes benötigt werden, in nationalen Krisenlagen wie heute subsidiär dem Staat bereitgestellt werden.

CP: Nun liegt der medizinische Bevölkerungsschutz zunächst in der zivilen Hand der Kreise und Länder. Wie kommt hier der Sanitätsdienst der Bundeswehr ins Spiel?

GA Most: Die Antwort auf diese Frage liegt im Artikel 35 Grundgesetz. Hier ist geregelt, dass die Bundesländer im Falle von Katastrophen und Großschadensereignissen, die ihre Handlungsmöglichkeiten übersteigen, genauso Kräfte und Mittel der Bundeswehr anfordern können, wie die Bundesregierung im Falle eines länderübergreifenden Szenarios diese Entscheidung treffen kann. Der Einsatz der Bundeswehr erfolgt hier zwar rein subsidiär, entscheidend für uns ist aber, dass wir uns mit unseren Partnern vor dem Einsatz für den Einsatz abstimmen und üben.

CP: Wie schaffen Sie es, das Netzwerk aus einem Standort, Weißen­fels, für alle Länder und Kreise zu schaffen und aufrecht zu halten?

GA Most: Wir lehnen uns mit unserer Verbindungsorganisation an die zivilen Verwaltungsstrukturen und die territorialen Strukturen der Kommandos Territoriale Aufgaben an. Ich selbst halte mit meinen Mitarbeitern die Verbindung zu den Bundesebenen der sanitätsdienstlichen Organisationen. Auf Landes-, Bezirks- und Kreisebene haben wir Reservisten, die diese Aufgabe übernehmen. Diese Ärzte, Zahnärzte, Veterinäre, Apotheker und Sanitätsfeldwebel halten bereits im Regelbetrieb die Verbindung zu unseren Partnern und rücken im Katastrophenfall zu den jeweiligen Krisenstäben. Dabei sind sie dann integraler Bestandteil der militärischen Landes-, Bezirks- und Kreisverbindungskommandos. Unsere Reservisten erfüllen hier eine sehr fordernde und wichtige Aufgabe für unser Land, was in der derzeitigen Corona-Lage wieder bewiesen wird.

CP: Was hat der Sanitätsdienst für den medizinischen Bevölkerungsschutz zu bieten?

GA Most: Im Rahmen der Subsidiarität unser gesamtes Spektrum. Wir sind der einzige Bereich der Bundeswehr, bei dem jede Einrichtung, jedes Fahrzeug und die Ausbildung jeder Frau und jedes Mannes genauso für die Krisenreaktionseinsätze der Bundeswehr, für die Landes- und Bündnisverteidigung wie für die Unterstützung des Bevölkerungsschutzes im eigenen Land geeignet sind. Dabei stehen in den verschiedensten Risikoszenarien, aber auch in den bereits abgelaufenen Einsätzen wie z. B. Fluteinsätzen, die Mobilität unserer Behandlungseinrichtungen und die Geländegängigkeit unserer Rettungsmittel ganz oben auf der zivilen Wunschliste.

CP: Sie erwähnten die Landes- und Bündnisverteidigung. Spielt auch hier das zivil-militärische Netzwerk Gesundheitswesen eine wichtige Rolle?

GA Most: Sogar eine ganz entscheidende Rolle. Das DRK-Gesetz gibt unter §2 Aufgaben dem DRK den Auftrag, den Sanitätsdienst der Bundeswehr in internationalen Konflikten gemäß Artikel 26 der Genfer Abkommen zu unterstützen. § 5 des gleichen Gesetzes sagt, dass auch Johanniter Unfallhilfe und Malteser Hilfsdienst zur Unterstützung des Sanitätsdienstes ermächtigt sind. Dies ist eine starke gesetzliche Grundlage und wichtige Botschaft des Staates, die man mit Konzepten, Vereinbarungen und letztendlich gemeinsamer Ausbildung mit Leben füllen muss. Das Verständnis für diese gemeinsame Aufgabe muss auch bei den drei großen nationalen Hilfsgesellschaften bis zur Basis durchdringen. Es ist ein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Organisationen. Gleichzeitig ist es Aufgabe des Staates seine drei Hilfsgesellschaften gemäß DRK-Gesetz so auszustatten, dass sie genau diese Unterstützung erbringen können.

CP: Wie können Sie diese Botschaft transportieren?

GA Most: Es bieten sich immer wieder Kongresse und Veranstaltungen, bei denen man dieses Themenfeld Zivil-Militärische Zusammenarbeit im medizinischen Bevölkerungsschutz in den Blickpunkt rücken kann. Ich bin CP sehr dankbar, dass im November in Berlin ein Symposium zu genau diesem Thema geplant ist, das auch mir die Möglichkeit für Vortrag und Diskussion bietet und hoffe sehr, dass die Pandemie dann soweit abgeklungen ist, dass es durchgeführt werden kann.

CP: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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