06.04.2023 •

Amtshilfe von der Bundeswehr – Schulter an Schulter in der Not

Juliane Thümmel

Schulter an Schulter – das enge Band zwischen zivilen Kräften und Bundeswehr zahlt sich in dieser Schadenslage in Berlin/Grunewald im August 2022 aus.
Bundeswehr/Julia Pampuch

Ob Waldbrand oder Pandemie – gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen unterstützt die Bundeswehr, wenn sie kann und darf. Im Katastrophen- oder ­Krisenfall beweist sich der Nutzen der jahrelangen engen Zivil-­Militärische Zusammenarbeit und des territorialen Netzwerkes der Bundeswehr.

Der Berliner Grunewald im August 2022: Auf etwa 50 Hektar Wald – fast 69 Fußballfelder groß – hielt ein Großbrand mehr als 100 Einsatzkräfte der Berliner Feuerwehr unter Spannung. Schulter an Schulter mit den Kameradinnen und Kameraden von Polizei Berlin, Technischem Hilfswerk (THW) und Bundeswehr ging es darum, die Lage schnellstmöglich unter Kontrolle zu bringen, denn im Zentrum des Brandes lag ein Sprengplatz und Munitionslager der Polizei Berlin. Nach wiederkehrenden Detonationen wurde „zum Schutz für Leib und Leben“ im Radius vom 1.000 m eine Sperrzone eingerichtet – auch nach oben. Die Einsatzkräfte kamen nicht nah genug an das Feuer heran und auch ein sinnvoller und gleichzeitig sicherer Einsatz mit Löschmitteln aus der Luft war unter diesen Umständen nicht möglich. 

Dank der bestehenden guten Verbindungen zwischen dem Berliner Landeskommando mit seinen Kreisverbindungskommandos zu den lokalen Ansprechpartnern in zivilen Behörden und Katastrophenschutz konnte die Bundeswehr hier schnell unterstützen. Innerhalb weniger Stunden standen der zivilen Einsatzleitung bereits ein Bergepanzer sowie ein sogenanntes Manipulationsfahrzeug ­tEODor (telerob Explosive Ordnance Disposal and observation robot) zur Verfügung. Der Bergepanzer räumte ohne Probleme Hindernisse aus dem Weg und trug Erdreich ab. Er schlug damit im Berliner Grunewald bis zu 40 m breite Schneisen, die nicht nur eine Ausbreitung des Feuers eindämmten, sondern so auch einen Zugang für die Löschfahrzeuge ermöglichte. Mit gepanzerten Fahrzeugen und durch den Einsatz von ‚tEODor‘, letztlich einem ferngesteuerten Roboter, der auch Kampfmittel und behelfsmäßige Sprengvorrichtungen auf Abstand entdecken, identifizieren, bewerten und beseitign kann, war es der Einsatzleitung möglich, sich ein konkreteres Lagebild zu verschaffen ohne Menschenleben zu gefährden. Später kamen noch weiteres Gerät und Kräfte der Bundeswehr dazu und die Berliner Feuerwehr konnte den Großbrand löschen.

Der Transporthubschrauber CH-53 entnimmt mit dem Löschbehälter Smokey...
Der Transporthubschrauber CH-53 entnimmt mit dem Löschbehälter Smokey Löschwasser aus einem See für die Waldbrandbekämpfung in Treuenbrietzen im Juni 2022.
Quelle: Bundeswehr/Rüdiger Krutzina

Gerade in den letzten Jahren und medienwirksam insbesondere seit dem Waldbrand bei Beelitz-Treuenbrietzen in Brandenburg im August 2018 unterstützt die Bundeswehr immer öfter bei der Bewältigung von Großbrandlagen mit Amtshilfe. Dies ist meist der Fall, wenn spezielle Maschinen, Fahrzeuge, Technologien oder Personen mit besonderen Kenntnissen – zusammengefasst unter dem Begriff Fähigkeiten – gebraucht werden, über die vielleicht nur die Bundeswehr verfügt. Dann sind diese speziellen Fähigkeiten oftmals das einzige und gleichzeitig auch letzte Mittel, welches eingesetzt werden kann, damit die Feuerwehren die Brände in den Griff bekommen. Der eigentliche Löscheinsatz wird in der Regel durch die technische Einsatzleitung der jeweiligen Feuerwehren geführt, oft unterstützt durch die Feuerwehren der Bundeswehr. Die zivilen Antragsteller – meist sind dies die unteren Katastrophenschutzbehörden – bleiben dabei stets für den Einsatz verantwortlich. Sie leiten und überwachen auch die Hilfeleistungen der Bundeswehr. Dieses Verfahren ist mittlerweile gut eingespielt zwischen beiden Seiten.

Amtshilfe mit einem Transporthubschrauber CH-53GA bei den Löscharbeiten eines...
Amtshilfe mit einem Transporthubschrauber CH-53GA bei den Löscharbeiten eines Waldbrandes nahe Treuenbrietzen in Brandenburg im August 2018.
Quelle: Bundeswehr/Johannes Heyn

Etablierte Strukturen

Unverzichtbare Grundlage dieser Zivil-Militärischen Zusammenarbeit ist ein bewährtes territoriales Netzwerk verlässlicher Ansprechstellen, die im Katastrophenfall dank eingespielter Teams und Abläufe schnell reagieren können. Die bei den Landeskommandos angegliederten Kreis- und Bezirksverbindungskommandos stellen hier deutschlandweit das vertraute Gegenüber der zivilen Behörden dar. In jedem Landkreis bzw. kreisfreien Städten und in den Bezirken oder Dienststellen mit vergleichbaren Aufgaben gibt es damit direkte militärische Ansprechpartner, um die staatlichen Entscheidungsträger zu beraten und mit ihnen Verbindung zu halten. Durch ihre lokale Verankerung kennen sie nicht nur ‚ihren Kiez‘ mit seinen Besonderheiten, sondern auch die richtigen Personen in den Blaulicht- und Hilfsorganisationen, dem lokalen Katastrophenschutz. Über die gesamte Bundesrepublik verteilt finden sich 31 Bezirks- und 404 Kreisverbindungskommandos. Die dort eingesetzten Reservistinnen und Reservisten sind speziell für ihren Auftrag ausgebildet, befinden sich in einem besonderen Reservedienstverhältnis und unterstützen das jeweilige Landeskommando bei ihrer zivilen Lageeinschätzung und beraten bezüglich des möglichen Einsatzes militärischer Fähigkeiten.

Die 16 Landeskommandos – eines in jedem Bundesland – wiederum sind die Verbindungselemente zur jeweiligen Landesregierung und unterstützen das ihnen übergeordnete Territoriale Führungskommando der Bundeswehr in Berlin bei der nationalen territorialen Lagebeurteilung. Jedes Landeskommando betreibt ein eigenes Lagezentrum, in dem alle Informationen zusammenlaufen und ausgewertet werden.

Der Weg zur Amtshilfe

Welcher Weg der richtige ist, um die Amtshilfe der Bundeswehr zu beantragen, hängt von der Situation und vom Antragsteller ab. Auch hier beraten die militärischen Ansprechpartner. Grundsätzlich kann sich jede Behörde mit der Bitte um Amtshilfe an die Bundeswehr wenden. Als Faustregel gilt jedoch, dass die Unterstützung durch die Bundeswehr stets als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden sollte, falls sie nicht ausschließlich über die notwendigen Mittel und Fähigkeiten verfügt. Denn Amtshilfe folgt dem Subsidiaritätsprinzip: Erst wenn die erforderliche Hilfeleistung durch die eigentlich zuständigen Behörden der Gefahrenabwehr bzw. des Katastrophenschutzes nicht oder nicht rechtzeitig erbracht werden kann, darf die Bundeswehr eingesetzt werden.

Im Normalfall wendet sich die antragstellende Behörde an das für sie zuständige Verbindungselement, sprich ‚seine‘ Ansprechperson im entsprechenden Kreisverbindungskommando bzw. Bezirksverbindungskommando. Diese berät eingehend, ob und mit welchen Fähigkeiten die Bundeswehr unterstützen kann und hilft bei der Erstellung des Amtshilfeantrages. Dieser Amtshilfeantrag wird dann im zuständigen Landeskommando geprüft und bewertet, bevor er an das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr in Berlin weitergeleitet wird. Dieses im Herbst 2022 neu aufgestellte Führungskommando übernimmt die weitere Bearbeitung inklusive rechtlicher Bewertung und Ressourcenabfrage, ob Kräfte und Mittel zur Verfügung stehen. Wenn dies alles positiv geprüft wurde, trifft der Befehlshaber des ­Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr die abschließende Entscheidung über den Amtshilfeantrag. Fällt diese positiv aus, wird der Befehl für den Einsatz geschrieben und an die entsprechenden Truppensteller und Landeskommandos verteilt. Dieser Prozess ist mittlerweile so gut eingespielt, dass in besonders eiligen Fällen von Amtshilfeersuchen auch in wenigen Minuten entschieden werden kann. So wird sichergestellt, dass die Amtshilfe zum beantragten Zeitpunkt auch beginnt.

Davon unberührt ist die Soforthilfe durch Angehörige, Truppenteile und Dienststellen, die dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verteidigung zugeordnet sind, in Notfällen bei Gefahr für bedeutende Rechtsgüter. Das kann beispielsweise zur Rettung von Menschen und Tieren oder zur Vermeidung schwerer gesundheitlicher Schäden sowie erheblicher Beeinträchtigungen der Umwelt oder des Verlustes von für die Allgemeinheit wertvollen Gütern geschehen. Die Entscheidung trifft die verantwortliche militärische Führung vor Ort.

Kernauftrag und Anpassungsfähigkeit

Doch gleichwohl die Amtshilfe der Bundeswehr unbestreitbar einen wichtigen Beitrag leistet, darf dabei nicht vergessen werden, dass die Zivil-Militärische Zusammenarbeit im engeren Sinne nicht Hilfeleistungen der Bundeswehr meint, sondern originär der Sicherstellung des eigentlichen Verteidigungsauftrages dient. Es muss immer abgewogen werden, ob die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und die multinationalen Verpflichtungen – sprich die Landes- und Bündnisverteidigung – gewährleistet werden können. Der eigentliche Auftrag der Bundeswehr und die dazu notwendigen Ausbildungen und Übungen dürfen nicht beeinträchtigt werden.

Aber: Was möglich ist, wird auch möglich gemacht. Die Bundeswehr hilft, wo sie kann und darf. Beispielsweise beim großflächigen Brand im brandenburgischen Beelitz-Treuenbrietzen im Juni 2022 hat die Bundeswehr mit über 70 SoldatInnen unterstützt. Dazu kamen bis zu acht Hubschrauber, die insgesamt fast 1.000 Tonnen Wasser bei über 300 Löschanflügen aus der Luft abwarfen. Am Boden waren ein Bergepanzer, ein Pionierpanzer und insgesamt 17 Feuerlöschfahrzeuge der Bundeswehr im Einsatz. Diese wurden zusätzlich durch zwei Schwerlasttransporter und einem Sanitätstrupp unterstützt. Ebenfalls half die Bundeswehr bei der Verpflegung der Einsatzkräfte und der Versorgung der Einsatzfahrzeuge mit rund 24.000 Litern Dieselkraftstoff.

Dazu hat die Corona-Pandemie deutlich gezeigt, dass die Bundeswehr – außerhalb ihrer eigenen Aufgabenerfüllung und unter Beachtung des Grundsatzes der Subsidiarität – mit den zu ihrer Verfügung stehenden Kräften und Mitteln Hilfeleistungen auch in außergewöhnlichen Situationen erbringen kann. Anfang März 2020 bat das Gesundheitsministerium das Verteidigungsministerium um Amtshilfe bei der Bewältigung der Corona-Pandemie: In Krankenhäusern und Arztpraxen schrumpften die Vorräte an Schutzmasken, Schutzbrillen, Desinfektionsmitteln und Einmalhandschuhen. Der Auftrag an die Bundeswehr wuchs weiter an und wurde zum umfangreichsten Hilfseinsatz in der Geschichte der Bundeswehr. Dafür wurde sogar ein eigenes „Hilfeleistungskontingent Corona“ aufgestellt – eine Premiere. Denn die Bundeswehr hält normalerweise keine SoldatInnen oder spezielle Fähigkeiten wie Hubschrauber oder Bergepanzer für die Amtshilfe bereit. Auf dem Höhepunkt der Corona-Hilfe im Februar 2021 waren bis zu 20.000 SoldatInnen im täglichen Einsatz bei über 1.100 parallellaufenden Amtshilfen, u.a. bei der Kontaktnachverfolgung in Gesundheitsämtern, administrativ in Impfzentren, unterstützend bei nicht-pflegerischen Tätigkeiten in Alten- und Pflegeheimen sowie Schnelltest-Stationen. Mehr als 10.000 Anträge auf Amtshilfe im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden dabei bedient.

Dabei kristallisierte sich heraus, dass trotz neuer Umstände auch hier beide Seiten – zivile Antragsteller und militärische Amtshilfeerbringer – von den Erfahrungen in der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit der vergangenen Jahre profitierten: Die neuen Ansprechpartner in den zivilen Behörden entwickelten rasch eine hohe Kompetenz, mit der Bundeswehr zusammenzuarbeiten. Die SoldatInnen nutzten ihre antrainierten Fähigkeiten, sich schnell an neue Situationen anzupassen sowie den Einsatz großer Personalkörper in einem hoch beweglichen Lagebild zu planen und zu führen. Es kann davon ausgegangen werden, dass ohne den engen Schulterschluss von zivilen Stellen mit militärischen die Corona-Pandemie in Deutschland wahrscheinlich schlimmer verlaufen wäre. 


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