21.04.2022 •

Der Robotik-Leitwagen

Vom Forschungsprojekt zur Integration als Einsatzmittel der Feuerwehr Dortmund

Christopher Zech, Sylvia Pratzler-Wanczura

DRZ

Forschung und Anwendung sind zwei Welten, die nur bedingt vereint werden können – erst recht, wenn die Umsetzungsgeschwindigkeit auch eine Rolle spielt. In der Vergangenheit hat sich häufiger gezeigt, dass gute Ideen bzw. definierte Bedarfe nur bedingt – wenn überhaupt – zeitnah realisiert werden konnten. Das betrifft sowohl konzeptionelle oder softwaretechnische Lösungen, aber insb. technische Ausstattung. Die Einführung von bspw. Fahrzeugen erfordert eine meist langjährige Zusammenarbeit von Industrie, den Feuerwehren und den Akteuren der öffentlichen Beschaffung. Um die Robustheit der Fahrzeuge und Gerätschaften in Einsätzen zu garantieren, werden diese nach der DIN und Richtlinien beschafft, weshalb es dort oft wenig Spielraum für neuartige Technologien – insb. in kurzer Zeit – gibt. Gerade die dynamische Entwicklung in der Datenkommunikation und -verarbeitung, als auch in der Drohnentechnik macht es zurzeit schwer im Bereich der robotischen Systeme neue technische Standards oder gar einsatztaktische Vorgehensweisen zu definieren.

Im folgenden Artikel wird gezeigt, dass es auch anders geht und wie die Feuerwehr Dortmund die Ergebnisse eines Forschungsprojektes in ihre eigenen Strukturen sehr zeitnah eingebunden hat.

Mehr als nur ein Forschungsprojekt

Ende 2018 startete das vom Institut für Feuerwehr- und Rettungstechnologie (IFR) der Feuerwehr Dortmund koordinierte Forschungsprojekt „Aufbau des Deutschen Rettungsrobotik-Zentrums (A-DRZ)“. Der Zusammenschluss von 13 namhaften Projektpartnern aus dem Bereich der Anwender, Forschung und Industrie zielt seit Projektstart auf die Optimierung der zivilen Gefahrenabwehr durch mobile Robotersysteme ab. Als Trägerorganisation wurde der gemeinnützige Verein „Deutsches Rettungsrobotik-Zentrum e. V.“ (DRZ e. V.) gegründet. Das Projekt wird durch mehrere Säulen getragen: die (Weiter-)Entwicklung und Tests boden- und luftgebundener Robotersysteme, die sich an den Herausforderungen der Einsätze (technisch und konzeptionell) orientieren, um nutzbar zu sein aber auch die Ertüchtigung der Reaktionskapazität robotischer Systeme in der Gefahrenabwehr. Gefördert wird das zunächst auf vier Jahre angelegte Forschungsprojekt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderbekanntmachung „Zivile Sicherheit – Innovationslabore / Kompetenzzentren für Robotersysteme in menschenfeindlichen Umgebungen“ (Förderkennzeichen 13N14852 bis 13N14863) im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“.

Ein Kernelement des Projektes ist der sogenannte Robotik-­Leitwagen (RobLW), offizieller Funkrufname „Florian-Dortmund-00-GW-DuK-01“, als erstes Fahrzeug der sich im Aufbau befindenden „Robotic Task Force“ (RTF), dessen Beschaffung aus den Mitteln des Projektes erfolgte.

Robotik Taskforce mit RobLW in Essen zur Innenerkundung eines ausgebrannten...
Robotik Taskforce mit RobLW in Essen zur Innenerkundung eines
ausgebrannten Gebäudes mit Drohnen und Bodenroboter
Quelle: Feuerwehr Dortmund

Fahrzeugtechnik und -ausstattung

Der RobLW erfüllt zwei Anforderungen:

Zum einen dient er im Forschungsprojekt als Basis für die Zusammenführung bzw. Integration der Sensorsysteme der Roboter (bodengebunden als auch luftgestützt). Zum anderen ist das Fahrzeug vollständig in den Einsatzdienst der Feuerwehr Dortmund integriert. Für beide Zwecke ist eine leistungsstarke IT-­Infrastruktur im Fahrzeug verbaut. Die zwei PC Arbeitsplätze mit jeweils einem 43 Zoll 4K Monitor können auf einen leistungsfähigen Server zugreifen, der zur generellen Bildaufbereitung, als auch für Berechnungen von 3D Modellen ausgelegt ist. Daneben verfügt das Fahrzeug über verschiedene Kommunikationsmittel, wie einem WLAN- und Multi SIM 5G Access Point, einem Ad-Hoc Breitbandnetzwerk Hi-MoNN (Highly Mobile Network Node) und zukünftig auch über eine LTE Funkzelle, die sich derzeit noch im Aufbau befindet.

Diese Technik soll jedoch nicht nur für den wissenschaftlichen Ansatz und die Forschung verwendet werden, sondern auch proaktiv im realen Einsatzgeschehen unterstützen: d. h. das Fahrzeug ist so ausgelegt, dass es bei Einsätzen der Feuerwehr als Leit- und Führungsfahrzeug für robotische Systeme dienen kann. Die Informationen der Sensorsysteme der Roboter, z. B. Bilder der optischen Kamera oder Thermalbilder können in einem Lagebildsystem dargestellt, analysiert und anschließend aufbereitet an die Einsatzleitung bzw. die entsprechenden Einsatzabschnitte weitergeleitet werden.

Technische Daten:

  • MB Sprinter 519 4x4, langer Radstand, 4KW Dynawatt Anlage
  • BOS Funk (2xMRT, 4x HRT, mit aktiver Ladehalterung)
  • Sondersignalanlage Hänsch DBS 5000 gelb-blau umschaltbar
  • IT
    • 2 Steuerstände für die Bedienung von Robotern/ Datenmanagement (PC Arbeitsplätze mit 43 Zoll 4K Monitor
    • Leistungsfähiger Server zur Berechnung von 3D ­Modellen
    • Zusatzarbeitsplatz auf Beifahrersitz (drehbar)
  • Kommunikation
    • LAN mit 24 Ports, Outdoor-WLAN, Multi-SIM 5G Access Point
    • AD-Hoc Breitbandnetzwerk “HiMoNN”
    • LTE Funkzelle (noch im Aufbau)

Einbindung in die Struktur der Feuerwehr Dortmund

Die Feuerwehr Dortmund verfügt mit dem RobLW über ein Einsatzfahrzeug zum Transport der eigenen Drohneneinheit mit Personal und Equipment zur Datenverarbeitung und Bereitstellung von Bildinformationen. Sein markantes Design symbolisiert seine Herkunft und steht für die zukünftigen Technologien der Feuerwehren bzw. BOS allgemein. Um die Einsatzreife sowohl der Roboter als auch des RobLW überprüfen zu können, ist ihre Integration in die Feuerwehrabläufe und -strukturen, verifiziert in realen Einsätzen, erforderlich. Dafür ist das Fahrzeug mit allen feuerwehrtypischen Attributen ausgestattet. Es stellt somit das technische Bindeglied zwischen Forschung und Anwendung dar. Sowohl die Entwickler finden darin eine Plattform, wie auch die Feuerwehrangehörigen und gemeinsam schaffen sie den Schritt hin zur Transferleistung aus der Forschung in die Praxis.

Aktuell ist das Fahrzeug dem Fernmeldezug zugeordnet, einer der freiwilligen Löschzüge der Feuerwehr Dortmund, welcher sich auf die Sicherstellung der Kommunikation an Einsatzstellen spezialisiert hat. Zudem wurde dort auch schon vor der Einführung des RobLW die Drohneneinheit aufgebaut und betrieben. Den Aufgaben zur Drohnenerkundung entsprechend ist das Fahrzeug zur Bildauswertung und Kommunikations- und Informationsverteilung bzw. für Lagebesprechungen ausgestattet. Sein Einsatzspektrum reicht von der Unterstützung bei Löscharbeiten, über die Inspektion von Lagerhallen bis hin zum Hochwassereinsatz zur Lageerkundung und zum Monitoring einsturzgefährdeter Gebäude und Strukturen.

Der RobLW ist in der Alarm- und Ausrückeordnung (AAO) als Fahrzeug für die taktische Einheit zum Drohneneinsatz hinterlegt und wird für verschiedene Stichworte als Vorschlag angegeben. So kann der Leistellendisponent bei einer hinreichenden Faktenlage die Drohneneinheit und den RobLW nachalarmieren oder die Entscheidung wird vor Ort durch den Einsatzleiter getroffen. Außerhalb des Regeldienstes werden Sonderaufgaben z.B. in einer erweiterten überörtlichen Hilfe durch eine gemischte Besatzung aus Feuerwehrangehörigen und Wissenschaftlern übernommen oder an Spezialübungen teilgenommen, wo die boden- und luftgebundene robotischen Systeme im Fokus stehen. Für kleinere Bodenroboter (Größe einer Europalette) ist am Heck des RobLW eine aufklappbare Rampe verbaut, um das Ein- und Ausfahren zu ermöglichen.

Einsatztaktische Möglichkeiten

Das Fahrzeug ist eine Kombination aus Führungskomponente und technischer Unterstützung durch die Aufbereitung und Bereitstellung von Bild- und Videoaufnahmen von Boden- und Luftrobotern. Dazu rückt die Drohneneinheit mit mindestens einem Drohnentrupp („Operator“ und „Spotter“) und einem Gruppenführer plus Maschinisten aus (feuerwehrtaktische Stärke: 0|1|3). Der Gruppenführer ist speziell in der einsatztaktischen Bewertung und Verwendung der erzeugten Drohnenbilder und -videos geschult. So können die Bilddaten angepasst für Führungskräfte und/oder Führungsstäbe dargestellt werden und besitzen somit einen größeren Mehrwert für die Beurteilung einer Lage durch Einsatzkräfte. In Dortmund ist es möglich, die Livestreams der Drohnen über ein AD-Hoc Breitbandnetzwerk in die Einsatzleitwagen (ELW3 und ELW2) und in die Leitstelle direkt zu übertragen. So können größere rückwärtig geführte Einsatzlagen in Echtzeit beurteilt werden.

Die Vorteile durch den Drohneneinsatz im Brandschutz haben sich bereits bei immer wiederkehrenden Einsatzlagen gezeigt. Die Betrachtung einer Brandstelle aus der Luft mittels Wärmebildkamera, z.B. einem Dachstuhlbrand, erleichtert das gezielte Aufbringen von Löschmittel. Der auftretende Fall „Wo ist denn nun das Feuer“ kann durch die schnelle und unkomplizierte „Sicht von Oben“ entschärft werden. Die Personensuche, gerade bei ausgedehnten Einsatzstellen, wie z.B. Verkehrsunfällen, ist elementar und aus der Luft schnell gemacht. Die Übersicht der Einsatzstellenstruktur wird gleich mitgeliefert.

Amtshilfe für die Polizei in Essen durch die Feuerwehr Dortmund mit...
Amtshilfe für die Polizei in Essen durch die Feuerwehr Dortmund mit
Angehörigen des IFR, FMZ und DRZ e.V.
Quelle: Feuerwehr Dortmund

Der RobLW im überörtlichen Einsatz

Der RobLW konnte in seiner Funktion als Pilotfahrzeug der RTF am 22.02.2021 in den ersten Einsatz gehen. Die überörtliche Hilfeleistung wurde durch das Landeskriminalamt (LKA) in ­Berlin angefordert. Das LKA Berlin benötigte Unterstützung bei der Innen­erkundung eines ausgebrannten Galvanikbetriebes, welcher durch die freigesetzten chemischen Stoffe der internen Produktionskette und das kontaminierte Löschwasser nicht mehr betreten werden konnte.

Auch bei dem Unwettertief „Bernd“ im Juni 2021 konnte die Feuerwehr Dortmund mit dem RobLW Unterstützung leisten. Auf Grund der komplexen und räumlich ausgedehnten Schadenslage gab es Informationsdefizite im Bereich der Lageübersicht: Ist die Lage vor Ort statisch oder dynamisch? Wo sind noch vermisste Bewohner? Welche Bereiche wurden bereits abgesucht? Um diese Fragen zu beantworten, wurden umfangreiche Drohnenflüge vor Ort durchgeführt. Das gesammelte Material wurde für die eingesetzten Einsatz- und Führungskräfte, sowie Führungsstäbe aufbereitet und bereitgestellt. Ebenfalls wurden Drohnenflüge zur Detailerkundung in eingestürzten Gebäuden durchgeführt, die weit entfernt der Abbruchkannte nicht zugänglich waren. Bodengebundene robotische Systeme wurden ebenfalls an der Einsatzstelle vorgehalten, sind aber nicht zum Einsatz gekommen.

Zum Einsatz kommen konnte der sogenannte Bodenroboter D2 am 23.02.2022 in Essen. Die Feuerwehr Dortmund hat die Polizei bei der Brandursachenermittlung unterstützt. Dort war ein Feuer in einem Wohnblock mit ca. 100 Wohneinheiten ausgebrochen. Das Gebäude wurde auf Grund von Einsturzgefahr mit dem Bodenroboter befahren und mittels Laserscanner von innen kartiert. Das Material wurde der Polizei zur weiteren Ermittlung zur Verfügung gestellt.

Zukunftsausblick – Robotische Taskforce

Der RobLW ist das erste Pilotfahrzeug einer möglichen RTF, welche konzeptionell erstmalig im Projekt A-DRZ durch das IFR erstellt worden ist. Stark angelehnt an das Bundeskonzept der „Analytischen Task Force“ (ATF), welche eine Einsatzunterstützung bei CBRN1-Unfällen bietet, soll eine RTF bei besonderen Einsatzlagen anrücken, bei denen ein Vorgehen durch Einsatzkräfte zu risikobehaftet ist. Zurzeit befindet sich die RTF mit dem RobLW in der ersten kommunalen Konzeptphase und soll Ende 2022 mit Beginn der zweiten Förderphase des Forschungsprojektes um weitere Komponenten und Fahrzeuge erweitert werden. Langfristig ist das Konzept auf eine flächendeckende Ausstattung von noch nicht ermittelten Standorten mit robotischen Systemen ausgerichtet. 

Dabei sind den Standorten thematische und technische Schwerpunkte zugeordnet und sie besitzen die Möglichkeit ihre Teileinheiten mit denen anderer Kommunen zu einer selbstständig agierenden Einheit zusammenzuschließen. Ziel ist es, den Standort in Dortmund durch eine enge Kooperation aus dem DRZ e.V. und der Feuerwehr Dortmund zu betreiben und bei innerstädtischen, als auch überörtlichen Einsätzen mit robotischen Systemen unterstützen zu können. Für eine fachlich breite Expertise wird das Expertennetzwerk, bestehend aus den Mitgliedern des DRZ e.V., genutzt. So wurden bisher hauptsächlich Anwendungsszenarien für Roboter im Bereich des Brandschutzes identifiziert. Die Einsatzmöglichkeiten sollen mit Beginn der zweiten Förderphase Ende 2022 um weitere Szenarien anderer BOS ergänzt werden.

RobLW auf der Interschutz

Der RobLW stellt ein wichtiges Element im Rahmen des anwenderorientierten Transfers von Forschungsergebnissen in die ­Praxis dar. Der Weg ist noch weit, bis derartige Systeme bzw. Fahrzeuge flächendeckend in Deutschland verfügbar sein werden, der Mehrwert derartiger Ansätze ist jedoch elementar. Die Feuerwehr Dortmund strebt an, dieses System in den nächsten Jahren noch weiter zu optimieren und in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteuren aus Forschung, Wirtschaft / Industrie und Anwendung in den Strukturen der BOS zu verankern. Der RobLW wird während der Interschutz 2022 auf dem Stand der Feuerwehr Dortmund (Halle 17, Stand D06) ausgestellt und interessierten Besuchern präsentiert. 


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